Medizinrecht

Keine Aufhebung oder Verlegung eines Termins aus erheblichen Gründen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemielage

Aktenzeichen  W 6 K 19.32074

Datum:
4.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2880
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 173
ZPO § 227 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Allein der Verweis auf Gefahren und Risiken in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemielage führt nicht zu einem Anspruch auf Aufhebung oder Verlegung eines Termins aus erheblichen Gründen nach § 173 VwGO iVm § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Terminverlegung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin ist armenische Staatsangehörige. Ihr Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde mit Bescheid vom 23. Februar 2018 abgewiesen. Hiergegen ließ die Klägerin Klage erheben.
Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf Mittwoch, den 17. Februar 2021, 11:00 Uhr bestimmt und die Beteiligten mit Schreiben vom 25. Januar 2021 geladen.
Am 27. Januar 2021 ließ die Klägerin beantragen,
den Termin vom 17. Februar 2021 aufzuheben und frühestens auf Ende März 2021 zu vertagen.
Zur Begründung wurde vorgebracht, dass davon auszugehen sei, dass eine Terminierung durchgeführt worden sei ohne ansatzweise die aktuelle Pandemielage in Zusammenhang mit dem Covid-19-Virus zu berücksichtigen. Insbesondere im Hinblick auf die mutierten Virusvariationen könne nicht davon ausgegangen werden, dass im Gerichtssaal ein hinreichender Abstand eingehalten werden könne, der eine Infektion unwahrscheinlich mache. Das Risiko erhöhe sich mit jeder anwesenden Person, zudem seien die Beteiligten in vielen Fällen zu Reisen zum Gerichtstermin gezwungen. Es sei nicht erkennbar, dass das Gericht all diese Umstände berücksichtigt habe. Dem Verlegungsantrag sei auch deshalb stattzugeben, da keine besondere Eilbedürftigkeit erkennbar sei.
Auf eine formlose Mitteilung durch das Gericht, dass an dem Termin festgehalten werde, teilte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 2. Februar 2021 mit, dass eine formlose Mitteilung nicht genüge und beantragte den Erlass eines förmlichen Beschlusses.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2021 um 11:00 Uhr war abzulehnen, da kein erheblicher Grund für die Terminverlegung glaubhaft gemacht wurde.
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Soweit vorliegend zur Begründung ausschließlich auf die Gefahren und Risiken in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemielage verwiesen wird, wurde ein erheblicher Grund nicht glaubhaft gemacht.
So enthalten weder die 11. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) noch die aktuelle Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen Regelungen, die der Klägerin oder ihrem Prozessbevollmächtigten die Anreise zur und Teilnahme an der mündlichen Verhandlung untersagen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es den Prozessbeteiligten unzumutbar sein sollte, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, da unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsvorschriften sowie des im Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg geltenden Hygienekonzepts (zu finden unter http://www.vgh.bayern.de/vgwuerzburg/) das Ansteckungsrisiko minimiert wird. Demnach ist das Tragen einer FFP2-Maske oder medizinischen Maske (OP-Maske) im öffentlich zugänglichen Bereich des Gerichtsgebäudes für alle Besucher sowie Beschäftigte des Gerichts verpflichtend. Beim Betreten des Gerichtsgebäudes sind die Hände zu desinfizieren, ersatzweise Einmalhandschuhe im öffentlich zugänglichen Bereich des Gerichtsgebäudes zu tragen. Hinsichtlich der Anreise ist zu beachten, dass im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske gilt (§ 8 der 11. BayIfSMV). Darüber hinaus ist im vorliegenden Verfahren die Anwesenheit von maximal vier erwachsenen Personen (Einzelrichterin, eine Klägerin, ein Prozessbevollmächtigter, eine Dolmetscherin) zu erwarten. Nach Erfahrung des Gerichts ist die Anwesenheit eines Vertreters der Beklagten höchst unwahrscheinlich, ebenso wie die Teilnahme von interessierten Zuschauern; letzteres gilt erst recht seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Vor diesem Hintergrund ist es ohne weiteres möglich, im Sitzungssaal die erforderlichen Abstände einzuhalten. Weiter sind Trennscheiben aus Plexiglas vorhanden, die zwischen den Beteiligten stehen. Im Foyer des Gerichts und vor den Toiletten bestehen Möglichkeiten zur Händedesinfektion und es stehen Tücher zur Flächendesinfektion zur Verfügung.
Soweit auf die Mutationen des Covid-19-Virus verwiesen wird, mögen diese nach aktuellem Erkenntnisstand zwar ansteckender sein und sich dadurch schneller ausbreiten, jedoch ist derzeit noch unklar, wie sich diese neuen Varianten auf die Situation in Deutschland auswirken werden. Bei erhöhter Übertragbarkeit der neuen Virusvarianten ist es nach Aussage der maßgeblichen Fachstellen – Robert-Koch-Institut (RKI) und Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Bayern (LGL) – umso wichtiger, die bekannten Regeln – nämlich mindestens 1,5 Meter Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Masken tragen und lüften – konsequent einzuhalten, um generell eine Übertragung von SARS-CoV-2 zu verhindern (https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/faq.htm unter Berufung auf das RKI). Damit ändert sich nichts an der Richtigkeit der bereits geltenden Hygienemaßnahmen, bei deren Beachtung im Ergebnis zugleich Schutz vor den neuen Mutanten gewährleistet wird. Im Übrigen ist festzuhalten, dass sich die Infektionszahlen in Bayern rückläufig entwickeln, so beträgt der Inzidenzwert der Stadt Würzburg derzeit 60,19 (Stand 4.2.2021; Quelle: https://www.lgl.bayern.de/).
Soweit vom Bevollmächtigten zusätzlich eine fehlende Eilbedürftigkeit kritisiert wird, ist anzumerken, dass es im Ermessen des Gerichts steht, auf welchen konkreten Termin eine mündliche Verhandlung bestimmt wird. Das Gericht ist sich der momentanen Ausnahmesituation bewusst und bemüht, einen angemessenen Ausgleich zwischen Infektionsschutz und Anspruch auf effektiven Rechtsschutz herzustellen. Zum Zeitpunkt der Ladung war das Verfahren bereits seit knapp drei Jahren bei Gericht (zunächst VG München, dann Verweisung an das VG Würzburg) anhängig. Darüber hinaus wurde der allgemein geltende Beschleunigungsgrundsatz mit der Einführung des § 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO zum 1. Januar 2021, demnach die mündliche Verhandlung so früh wie möglich stattfinden soll, in der Verwaltungsgerichtsordnung ausdrücklich kodifiziert.
Nach alledem war der Antrag auf Terminverlegung abzulehnen.


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