Medizinrecht

Krankenversicherung: Ausreichende Praxisausstattung eines Logopäden als Voraussetzung rechtmäßiger Leistungserbringung

Aktenzeichen  L 5 KR 675/16

Datum:
10.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 46123
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12
SGB V § 2 Abs. 1, Abs. 4, § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Erbringt eine Logopäde Leistungen der Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie während der Dauer eines Widerspruch- und Gerichtsverfahrens, mit dem er die Entziehung der Zulassung zu Erbringung solcher Leistungen angefochten hat, entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und nach Eintritt der Rechtskraft des klageabweisenden Urteils. Die Zahlungen der Krankenkasse an den Logopäden sind in der Zeit nah Anfechtung  ohne Rechtsgrund erfolgt und vom Logopäden zu erstatten. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Leistungserbringer könne die Abgeltung von Leistungen, die unter Verstoß gegen Vorschriften erbracht wurden, bereicherungsrechtlich selbst dann nicht beanspruchen, wenn die Leistung im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Ausstattung der Praxis eine Logopäden hat für eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung im Heilmittelerbringerrecht nicht lediglich Ordnungsfunktion. Sie ist vielmehr von solcher Bedeutung, dass das Gesetz ihre Erfüllung als materiellen Zulassungsgrund bzw. ihre Nichterfüllung als eigenständigen Widerrufsgrund beispielsweise bei der Erlaubnis zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen aufgestellt hat. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 44 KR 1902/15 2016-12-14 GeB SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 14.12.2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahren trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Klägerin bezüglich der geleisteten Vergütung im streitgegenständlichen Zeitraum vom 12.10.2010 bis 31.12.2011 bejaht. Auf die zutreffenden Feststellungen und die stichhaltige Begründung des Gerichtsbescheids vom 14.12.2016, welche der Senat sich zu eigen macht und übernimmt, wird Bezug genommen (§§ 153, 136 Abs. 3 SGG).
Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren sind nicht geeignet, eine abweichende Entscheidung zu begründen.
1. Der Widerrufsbescheid vom 06.10.2010 ist bestandskräftig. Er wurde gerichtlich in zwei Instanzen geprüft und für rechtmäßig erachtet, die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG wurde zurückgewiesen (Verfahren unter den Aktenzeichen S 29 KR 1197/10 – SG München, L 4 KR 302/11 – Bayer. LSG und B 1 KR 91/13 B – BSG). Die formelle und materielle der Rechtskraft der Entscheidung des Bayer. LSG vom 14.05.2013 ist mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde am 09.12.2013 eingetreten. Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit. Sie soll den Streit zwischen den Beteiligten endgültig beilegen, dieser soll über den denselben Streitgegenstand nicht wiederholt werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 141 Rz. 3,3a. m.w.N.) Im vorliegenden Verfahren kann und darf der Widerrufsbescheid der Klägerin daher nicht nochmals auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden.
2. Die Aufforderung der Klägerin zur Erstattung der Vergütung vom 15.12.2015 ist aufgrund des Gleichordnungsverhältnisses zwischen der Klägerin als Leistungsträger und der Beklagten Leistungserbringer kein Verwaltungsakt, daher ist der Widerspruch der Beklagten ohne rechtliche Relevanz.
3. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Klägerin ist gegeben.
Eine Einrede oder Beschränkung des Erstattungsanspruchs nach §§ 812 ff. BGB iVm § 69 S. 3 SGB V besteht nicht, wie der angefochtene Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf die BSG-Rechtsprechung, Urt. v. 20.04.2016 – B 3 KR 23/15 R zutreffend ausführt. Mit dem BSG ist zu betonen, dass alle mit dem Recht der GKV befassten Senate ein allgemeines Prinzip darin sehen, dass Leistungserbringer auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen, die unter Verstoß gegen Vorschriften erbracht wurden, selbst dann nicht beanspruchen können, wenn die Leistung im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden ist. Die Praxisausstattung hat für eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung im Heilmittelerbringerrecht nicht lediglich Ordnungsfunktion. Sie ist vielmehr von solcher Bedeutung, dass das Gesetz ihre Erfüllung als materiellen Zulassungsgrund bzw. ihre Nichterfüllung als eigenständigen Widerrufsgrund beispielsweise bei der Erlaubnis zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen aufgestellt hat. Nur so kann sich die Leistungserbringung für Heilmittelerbringer unter Beachtung der geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollziehen. Die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze zu Gunsten des Leistungserbringers würde hier das deutlich im Gesetz zum Ausdruck kommende Erfordernis einer Praxisausstattung als Garant einer geeigneten Leistungserbringung unterlaufen. Es bestünde die Gefahr, dass die Qualitätssicherung und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 2 Abs. 1 und 4, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 S. 2 SGB V) bei der Behandlung der Versicherten nicht gewährleistet wären (BSG, a.a.O., Rz. 32f – juris).
Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Einwand der Erfüllung einer Nichtschuld gem. § 814 BGB oder auf treuwidriges Verhalten der Klägerin (§ 242 BGB) berufen. Die Klägerin war zur Vergütung der Leistungen in Höhe der bei ihr eingereichten Abrechnungen aufgrund der aufschiebenden Wirkung der von der Beklagten eingelegten Rechtsbehelfe verpflichtet (§ 86a Abs. 1 S. 1 SGG, vgl. BGH bei Rückabwicklung aus einer einstweiligen Anordnung, Urteil v. 31.03.2016, III ZR 267/15).
Durch dieses Vorgehen wird die Beklagte nicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigt. Art. 12 GG ist nicht verletzt, wenn ein Leistungserbringer für Leistungen außerhalb seiner erteilten Zulassung und außerhalb des anerkannten anspruchsbegründenden Versorgungsauftrags keine Vergütung erhält (BSG, a.a.O, Rz. 36 – juris, m.w.N.)
4. Es wird festgestellt, dass die Höhe des geltend gemachten Rückforderungsanspruchs durch die aktenkundigen Datenauszüge der Klägerin vollumfänglich nachgewiesen ist.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG iVm § 154 Abs. 2 VwGO.
Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung wird auf den Beschluss vom 10.07.2018 verwiesen.
Die Revision wird mangels Zulassungsgründen nicht zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).


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