Medizinrecht

Krankenversicherung, Leistungen, Bewilligung, Pflegeversicherung, Bescheid, Unterkunftskosten, Berufung, Krankenkasse, Einkommen, Arbeitslosengeld, Widerspruchsbescheid, Unterkunft, Krankheit, Versicherungsvertrag, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Sicherung des Lebensunterhalts, Arbeitslosengeld II

Aktenzeichen  L 7 AS 559/20

Datum:
7.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15835
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Einem Anspruch auf Auszahlung des Beitragszuschusses nach § 26 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 SGB II unmittelbar an die Leistungsberechtigte steht § 26 Abs. 5 S. 1 SGB II entgegen. Die mit der Überweisung des Beitragszuschusses unmittelbar an das Krankenversicherungsunternehmen verbundene Offenlegung des Sozialleistungsbezugs ist zumindest dann von einem legitimen Gemeinwohlinteresse gedeckt, wenn das Ziel, durch den Beitragszuschuss einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährenden Existenzminimums zu sichern, nur zu erreichen ist, wenn bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen das Risiko der Krankheit versicherte Leistungsberechtigte von ihrem Anspruch auf Wechsel in den Basistarif Gebrauch machen und gleichzeitig dem Versicherungsunternehmen gegenüber ihre Hilfebedürftigkeit nachweisen, um eine Beitragsverminderung nach § 152 Abs. 4 HalbS 1 VAG zu erreichen.

Verfahrensgang

S 45 AS 440/20 2020-08-13 GeB SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. August 2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage auf Kostenerstattung iHv … Euro zzgl 5% Zinsen wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Klageerweiterung ist unzulässig. Der Senat konnte den Rechtsstreit nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben.
1. Streitig ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.8.2020, mit dem die Klagen gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2020 abgewiesen worden sind, soweit dort für den Zeitraum 9.6.2018 bis 31.7.2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit Ausnahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, insbesondere die Zahlung eines Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Klägerin, abgelehnt worden sind. Eine entsprechende Beschränkung des Streitgegenstandes ist sowohl zeitlich als auch inhaltlich (vgl zur Abtrennbarkeit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuletzt BSG, Urteil vom 21.7.2021 – B 14 AS 31/20 R -, Rn 15 mwN; zur fehlenden Abtrennbarkeit des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung als isolierten Streitgegenstand vgl BSG, Urteil vom 29.4.2015 – B 14 AS 8/14 R -, Rn 12 mwN) zulässig. Insoweit hatte die Klägerin schließlich gegen die vorläufigen Bewilligungen vom 13.8.2018 (Zeitraum 9.6.2018 bis 31.1.2019) und vom 16.1.2019 (Februar bis Juli 2019) keinen Widerspruch erhoben. Die gegen die vorläufigen Bewilligungen erhobenen (Teil-) Widersprüche bezogen sich lediglich auf Leistungen für den Zeitraum 1. bis 8.6.2018 sowie die Übernahme der Lagerkosten für den Zeitraum 9.6.2018 bis 31.1.2019 und die vollständige Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für das von der Klägerin bewohnte Apartment sowie die Kosten der Einlagerung ihres Hausstandes vom 1.2. bis 31.7.2019. Die Widersprüche bezogen sich damit für die Zeit ab 9.6.2018 ausschließlich auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Im Übrigen, das heißt, hinsichtlich des Regelbedarfs und des Beitragszuschusses nach § 26 SGB II wurden die vorläufigen Bewilligungsentscheidungen vom 13.8.2018 und vom 16.1.2019 für den Zeitraum 9.6.2018 bis 31.7.2019 bestandskräftig. Fehlt es aber insoweit zum Zeitpunkt der endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 an einem laufenden Widerspruchsverfahren, konnten insoweit, also insbesondere hinsichtlich des Beitragszuschusses, die Bescheide vom 31.10.2019 nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werden. Damit war der (Teil-) Widerspruch der Klägerin gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 hinsichtlich (der Auszahlung) des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung bzw gerichtet auf höhere Leistungen mit Ausnahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zulässig. Die Geltendmachung dieses Bedarfs war für den genannten Zeitraum zulässiger Streitgegenstand im Verfahren S 45 AS 440/20. Ihr stand insbesondere nicht die Rechtshängigkeit im Verfahren S 45 AS 450/20 (Klage gegen die endgültige Festsetzung, die die vorläufigen Bewilligungen ersetzten, bzw den weiteren Widerspruchsbescheid vom 20.2.2020, nunmehr rechtshängig im Berufungsverfahren L 7 AS 460/20) entgegen.
Soweit die Klägerin zuletzt zur Meldung ihres Leistungsbezugs durch den Beklagten an den zuständigen Rentenversicherungsträger bzw die hieraus aus ihrer Sicht zu befürchtenden nachteiligen Konsequenzen vorträgt, sucht sie lediglich die Dringlichkeit einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren bzw über ihre Leistungsklage deutlich zu machen (vgl Schreiben der Klägerin vom 26.1.2022) und macht insbesondere kein neues Begehren geltend. Insoweit ist ein entsprechendes Verfahren vor dem Sozialgericht München rechtshängig (Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.12.2021).
Streitig ist weiter die erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachte …
2. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da das Sozialgericht die auf Auszahlung des Beitragszuschusses gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) gegen die Bescheide vom 31.10.2019 im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Dabei kann dahinstehen, ob bzw ab wann die Klägerin im streitigen Zeitraum letztlich leistungsberechtigt iS des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II war, insbesondere das zumindest am 1.6.2018 bestehende Vermögen ihrer Hilfebedürftigkeit entgegenstand (vgl hierzu das Urteil des Senats vom selben Tag im Verfahren L 7 AS 560/20). Es kann letztlich auch dahinstehen, in welcher Höhe der Klägerin dem Grunde nach ein Beitragszuschuss nach § 26 SGB II zustand. Denn zumindest hat die Klägerin keinen Anspruch auf die von ihr vorliegend allein verlangte Auszahlung des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung an sich selbst.
a) Allerdings steht dem nicht bereits ein von der Klägerin erklärter Verzicht nach § 46 Abs. 1 SGB I entgegen.
aa) Die Klägerin verfügt über einen bereits seit … bestehenden Vertrag mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen über eine Heilkostenversicherung, eine Zusatzversicherung und eine Pflegeversicherung. Sie geht davon aus, dass das private Krankenversicherungsunternehmen für den Fall, dass der Beklagte den Beitragszuschuss unmittelbar an das Krankenversicherungsunternehmen überweisen würde, den seit … bestehenden Vertrag automatisch, das heißt ohne Einverständnis der Klägerin, in einen Vertrag im Basistarif umstellen würde, dass also das private Krankenversicherungsunternehmen die insoweit (aus Sicht der Klägerin) unzulängliche gesetzliche Regelung ausnutzen würde, um sich einseitig von dem langfristig bestehenden Vertrag mit der Klägerin zu lösen. Vor diesem Hintergrund waren die Beteiligten auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin zunächst übereingekommen, dass der Beitragszuschuss im Rahmen der vorläufigen Bewilligung unberücksichtigt bleiben solle.
Mit Schreiben vom 8.1.2019, das sowohl den Erst- als auch den Weiterbewilligungsantrag betreffen sollte, erklärte die Klägerin: „Ich verzichte auf die beantragten Zuschüsse. Dies ist die einzige Möglichkeit, meinen Versicherungsvertrag zu erhalten. Überprüfung: Ihrerseits wurde mitgeteilt, dass Zuschüsse stets direkt an Versicherung zu zahlen sind. Bitte prüfen Sie, ob unter bestimmten Voraussetzungen, Ausnahmen gemacht werden können, z. B.: wenn der Versicherungsnehmer in Vorleistung geht und die ihm theoretisch zustehenden Zuschüsse selbst bezahlt und die Überweisungen an das Versicherungsunternehmen per Nachweis belegt. Falls Sie eine Lösung finden, müßte noch die Höhe des Zuschusses geprüft werden. Falls Sie keine Lösung finden, da Ausnahmen nicht zulässig sind, verzichte ich hiermit auf alle mir zustehenden Zuschüsse, sowohl zur Pflege- als auch zur Krankenversicherung.“
Im Rahmen ihres Widerspruchs vom 22.11.2019 gegen die abschließende Entscheidung über die Leistungen für den Zeitraum Juni 2018 bis Januar 2019 bzw Februar bis Juli 2019 (Bescheide vom 31.10.2019) nahm die Klägerin auf den in ihrem Schreiben vom 8.1.2019 erklärten Verzicht Bezug und erklärte, dass dieser unverändert bestehen bleibe. Der Verzicht betreffe die Direktzahlung des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung, da jegliche Zahlung durch den Beklagten an das private Versicherungsunternehmen zur Zwangsumstufung führe. Gleichzeitig beantragte die Klägerin erneut, dass der Beitragszuschuss unmittelbar an sie gezahlt werde. Für die Zeit ab 1.6.2018 werde ein Zuschuss zur Krankenversicherung iHv 345,15 Euro und zur Pflegeversicherung iHv 34,90 Euro bzw iHv 49,91 Euro ab Januar 2019 beantragt.
bb) Es kann dahinstehen, ob die Erklärung der Klägerin bereits im Hinblick auf die Bedingungsfeindlichkeit (vgl BGH, Urteil vom 15.6.1960 – V ZR 191/58 -, Rn 16 sowie Urteil vom 21.3.1986 – V ZR 23/85 -, Rn 16 mwN, jeweils zitiert nach juris) der Verzichtserklärung als einseitiger, rechtsgestaltender, empfangsbedürftiger öffentlich-rechtlicher Willenserklärung (Rolfs in Hauck/Noftz, SGB, 12/19, § 46 Rn 14 mwN) keinen wirksamen Verzicht iS des § 46 Abs. 1 SGB I enthalten können, oder ob es sich bei den von der Klägerin formulierten Bedingungen um solche handelt, die für den Beklagten keine untragbare Ungewissheit über den neuen Rechtszustand schaffen, wie dies zB bei Rechtsbedingungen der Fall wäre (vgl BGH, Urteil vom 21.3.1986 – V ZR 23/85 -, Rn 16 zitiert nach juris). Denn die Erklärungen der Klägerin können unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes nicht als Verzicht auf den Beitragszuschuss nach § 26 SGB II gewertet werden. Der Klägerin ging es im Verwaltungs- und Vorverfahren jederzeit vorrangig darum, einen Beitragszuschuss an sich selbst ausbezahlt zu erhalten. Insoweit hatte sie ausdrücklich darum gebeten, die (rechtlichen) Möglichkeiten einer ausnahmsweisen Auszahlung an sie als Leistungsberechtigte in Form der Erstattung einer von ihr vorgenommenen Beitragsbezahlung zu prüfen. Dem ist gerade nicht zu entnehmen, dass die Klägerin auf jeglichen Beitragszuschuss iS des § 46 Abs. 1 SGB I verzichten wollte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Klägerin an dem ihr als Leistungsberechtigten zustehenden Anspruch festhalten und dessen Auszahlung an sich selbst geltend machen wollte. Sie lehnte nicht jeglichen Beitragszuschuss, sondern lediglich dessen Auszahlung unmittelbar an das Versicherungsunternehmen ab.
b) Allerdings besteht kein Anspruch, der die Leistungsklage der Klägerin stützt.
aa) Für Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen im Rahmen von Versicherungsverträgen, die der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) genügen, versichert sind, wird für die Dauer des Leistungsbezugs ein Zuschuss zum Beitrag geleistet; der Zuschuss ist begrenzt auf die Höhe des nach § 152 Abs. 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) halbierten Beitrags für den Basistarif in der privaten Krankenversicherung, den Hilfebedürftige zu leisten haben (§ 26 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II in der Fassung vom 26.7.2016). Für Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II, die gegen das Risiko Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Versicherungsunternehmen in Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 23 SGB XI versichert sind, wird für die Dauer des Leistungsbezugs ein Zuschuss zum Beitrag geleistet; der Zuschuss ist begrenzt auf die Hälfte des Höchstbeitrags in der sozialen Pflegeversicherung (§ 26 Abs. 3 S. 1 SGB II in der Fassung vom 26.7.2016). Der Zuschuss nach Absatz 1 Satz 1 und nach Absatz 3 Satz 1 ist an das private Versicherungsunternehmen zu zahlen, bei dem die leistungsberechtigte Person versichert ist (§ 26 Abs. 5 S. 1 SGB II in der Fassung vom 26.7.2016).
bb) Der Anspruch der Klägerin auf den streitigen Beitragszuschuss in Bezug auf die Krankenversicherung richtet sich nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB II, nachdem die Klägerin im streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld II bezog und gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert war. Die von der Klägerin bereits in … abgeschlossene Heilkostenvollversicherung genügt der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG (vgl § 193 Abs. 3 S. 3 VVG in der Fassung vom 1.4.2015). Der Anspruch der Klägerin auf den streitigen Beitragszuschuss in Bezug auf die Pflegeversicherung richtet sich nach § 26 Abs. 3 S. 1 SGB II.
Auf dieser Grundlage ist der streitige Zuschuss an das private Versicherungsunternehmen, bei dem die Klägerin versichert ist, zu zahlen (§ 26 Abs. 5 S. 1 SGB II).
Das heißt, dass die Klägerin zwar Inhaberin des Anspruchs nach § 26 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 SGB II ist, eine Zahlung des Zuschusses allerdings lediglich an das private Versicherungsunternehmen verlangen kann (vgl Beschluss des Senats vom 10.11.2016 – L 7 AS 612/16 B ER; Bittner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 26 (Stand: 22.07.2021) Rn 62; Rolfs, NZS 2019, 206, 210). Die in § 26 Abs. 5 S. 1 SGB II enthaltene Regelung ist zwingend und steht insbesondere nicht im Ermessen des Leistungsträgers (Rolfs, aaO). Für eine Auszahlung des Zuschusses nach § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 SGB II an die Klägerin besteht hingegen keine Grundlage, so dass die allein auf Auszahlung des Beitragszuschusses gerichtete Leistungsklage ohne Erfolg bleiben muss.
cc) Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Bedenken überzeugen letztlich nicht. Insbesondere ist die mit der Überweisung an das Versicherungsunternehmen verbundene (Sozial-) Datenübermittlung datenschutzrechtlich zulässig.
(1.) Insoweit kann damit dahinstehen, ob mit der Überweisung des Beklagten an das Versicherungsunternehmen (vgl Stellungnahme des Beklagten vom 30.8.2021 mit Anlage, hinsichtlich des überweisenden Trägers korrigiert durch das Schreiben vom 28.10.2021, wonach als überweisende Stelle die Bundesagentur für Arbeit Service-Haus ersichtlich ist: im Überweisungsbetreff erscheinen der Name und die BG-Nummer der Leistungsberechtigten sowie die Daten des Versicherungsvertrages) übermittelte BG-Nummer der Klägerin als Sozialdatum iS des § 35 SGB X zu werten ist (dies bereits verneinend Urteil des Senats vom 17.6.2013 – L 7 AS 48/13 -, Rn 24 ff zitiert nach juris).
(2.) Die Befugnis zur Sozialdatenübermittlung ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 Buchst c, e iVm Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Buchst b, S. 2 DSGVO iVm § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X, § 50 Abs. 4 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach ist die Datenübermittlung als Teil der Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt bzw die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem für die Verarbeitung Verantwortlichen übertragen wurde (Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst c und e DSGVO). In Konkretisierung dessen (vgl Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Buchst b DSGVO) ist die Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie für die Erfüllung einer Aufgabe der übermittelnden Stelle nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist (§ 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X).
Der Beklagte erfüllt mit der Überweisung des Beitragszuschusses seine Aufgabe nach § 26 Abs. 5 S. 1 SGB II, nachdem danach die entsprechende Leistungsgewährung für den Leistungsberechtigten an das Versicherungsunternehmen zu erfolgen hat. Dem steht nicht entgegen, dass das Versicherungsunternehmen der Überweisung entnehmen kann, dass die anweisende Stelle die Bundesagentur für Arbeit ist und durch die BG-Nummer ggf ein Rückschluss auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II möglich ist. Insbesondere erfüllen auch diese Daten die Anforderung der Erforderlichkeit iS des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst c und e DSGVO bzw § 69 Abs. 1 S. 1 SGB X. Bei der streitgegenständlichen Überweisung an (private) Versicherungsunternehmen handelt es sich um einen Teil der beim Vollzug des SGB II monatlich auszuführenden Leistungsgewährungen. Bei einer derartigen Massenverwaltung muss die zuständige Behörde eindeutige Kennzahlen und eine Behördenbezeichnung verwenden, um nachvollziehbar zu machen, ob die Leistung in jedem Einzelfall erbracht wurde (Bieresborn in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 69 Rn 16). Nach § 51a SGB II wird jeder Person, die Leistungen nach dem SGB II bezieht, eine Kundennummer bzw eine BG-Nummer zugeteilt, die nach S. 2 als Identifikationsmerkmal und den Zwecken nach § 51b Abs. 3 SGB II dient. Diese dürfen schließlich nach § 51b Abs. 3 Nr. 1 SGB II für die Leistungsgewährung verarbeitet und genutzt werden. Dies muss insbesondere im Hinblick darauf gelten, dass die BG-Nummer keine erkennbaren Informationen zum einzelnen Leistungsempfänger enthalten (vgl Urteil des Senats vom 17.6.2013 – L 7 AS 48/13 -, Rn 26 zitiert nach juris). Die Bedenken der Klägerin gegen den Schutz ihrer Sozialdaten durch das bzw beim Versicherungsunternehmen sind im Hinblick auf § 78 SGB X nicht begründet.
(3.) Soweit die Anordnung der Leistungsauszahlung an das Versicherungsunternehmen in § 26 Abs. 5 S. 1 SGB II bisweilen als „verfassungsrechtlich nicht in sämtlichen Fallgestaltungen unbedenklich“ angesehen wird (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB, 05/14, § 26 SGB II noch zum (inhaltlich identischen) § 26 Abs. 4 SGB II aF; zweifelnd wohl auch Breitkreuz in BeckOK SozR, § 26 SGB II Rn 8 sowie Felix in SGb 2019, 709, 716), ist dies zumindest für die vorliegende Konstellation nicht nachzuvollziehen.
Zweck des in § 26 SGB II geregelten Beitragszuschusses ist die Sicherung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährenden Existenzminimums (vgl BT-Drucks 17/7991 S. 15). Durch die in § 26 SGBG II geregelte Zuschusszahlung soll sichergestellt werden, dass auch privat krankenversicherte Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II die Kosten für eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung zahlen können. Dabei knüpft die Begrenzung des Beitragszuschusses der Höhe nach auf (maximal) die Hälfte des Beitrags im Basistarif (vgl § 26 Abs. 1 HalbS 2 SGB II) an die Regelungen an, mit denen der Gesetzgeber dem der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Personenkreis, zu dem im streitigen Zeitraum die Klägerin gehörte, einen ausreichenden und bezahlbaren Krankenversicherungsschutz gewährleisten will. Danach haben die betroffenen Personen einen Anspruch auf den Abschluss eines Vertrages im Basistarif, der Versicherungsschutz im Pflichtumfang der gesetzlichen Krankenversicherung garantiert und der bezahlbar ist, weil die Prämienhöhe im Basistarif auf den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt ist und sich im Fall der Hilfebedürftigkeit iS des SGB II oder des SGB XII reduziert (vgl noch zu § 12 Abs. 1c S. 4 bis 6 VAG in der Fassung vom 23.11.2007 BVerfG, Urteil vom 10.6.2009 – 1 BvR 706/08 ua -, Rn 171 zitiert nach juris). So sieht die nunmehr in § 152 VAG in der vorliegend maßgeblichen Fassung vom 26.7.2016 enthaltene Regelung vor, dass der Beitrag zum Basistarif (…) den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen darf (§ 152 Abs. 3 S. 1 VAG). Besteht Hilfebedürftigkeit iS des SGB II oder des SGB XII (…) vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit (…) um die Hälfte (§ 152 Abs. 4 HalbS 1 VAG). Die Hilfebedürftigkeit ist vom zuständigen Träger nach dem SGB II oder dem SGB XII auf Antrag des Versicherten zu bescheinigen (§ 152 Abs. 4 HalbS 2 VAG). Das Ziel, durch den Beitragszuschuss nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB II einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährenden Existenzminimums zu sichern, ist damit regelmäßig, insbesondere aber im vorliegenden Fall, nur zu erreichen, wenn bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen das Risiko der Krankheit versicherte Leistungsberechtigte von ihrem Anspruch auf Wechsel in den Basistarif (vgl § 193 Abs. 5 VVG) Gebrauch machen und gleichzeitig dem Versicherungsunternehmen gegenüber ihre Hilfebedürftigkeit und damit ihre Leistungsberechtigung nach dem SGB II/SGB XII nachweisen. Geht das Gesetz damit aber davon aus, dass die Hilfebedürftigkeit iS des SGB II bzw der damit regelmäßig verbundene Leistungsbezug nach dem SGB II bereits in diesem Zusammenhang von der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsunternehmen offenzulegen ist, erhielte dieses durch die Zahlung des Zuschusses durch den SGB II-Leistungsträger bzw die Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der bestehenden Leistungsberechtigung seines Versicherungsnehmers bzw dessen Sozialleistungsbezugs keine neuen Erkenntnisse.
Die in der dargelegten Konstellation der unmittelbaren Auszahlung an das Versicherungsunternehmen vorgelagerte gesetzlich geregelte Verpflichtung, für die Beitragsminderung im Basistarif die Leistungsberechtigung nach dem SGB II offenzulegen bzw durch den zuständigen SGB II-Leistungsträger bestätigen zu lassen, greift nicht unverhältnismäßig in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Die (zunächst in § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG und nunmehr in § 152 Abs. 4 VAG) geregelte Beitragsverminderung bei Hilfebedürftigkeit zielt zusammen mit der Einführung der Versicherungspflicht und dem Kontrahierungszwang in der privaten Krankenversicherung darauf ab, dem der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Personenkreis einen ausreichenden und bezahlbaren Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten (vgl BVerfG, Urteil vom 10.6.2009 – 1 BvR 706/08 ua -, Rn 172 zitiert nach juris) und verfolgt damit ein legitimes Gemeinwohlinteresse (vgl BVerfG, aaO, Rn 181). Es ist nicht ersichtlich, wie dieses Ziel ohne die Offenlegung der Voraussetzungen für die Beitragsminderung bei Hilfebedürftigkeit durch die Leistungsberechtigten zu erreichen sein sollte.
(4.) Hiergegen steht schließlich nicht, dass die dargelegten Regelungen zur Sicherstellung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährleistenden Existenzminimums regelmäßig, insbesondere aber wohl im vorliegenden Fall, von einem Wechsel der Leistungsberechtigten in den Basistarif ausgehen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein entsprechender Wechsel der Klägerin insbesondere im Hinblick auf eine damit ggf ausgeschlossene Rückkehr in ihren seit … bestehenden Tarif unzumutbar wäre. Denn die Leistungen im Basistarif der privaten Krankenversicherung entsprechen denen der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 152 Abs. 1 S. 1 VAG), die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung absichert (vgl BSG, Urteil vom 16.10.2012 – B 14 AS 11/12 R -, Rn 24).
(5.) Wenngleich damit das gesetzliche Regelungskonzept eines „bezahlbaren Basistarifs“ davon ausgeht, dass zumindest Leistungsberechtigte, die die in ihrem Tarif geschuldeten Beiträge auf der Grundlage der nach dem SGB II zur Verfügung stehenden Mittel (dem Zuschuss nach § 26 SGB II, Absetzungen nach § 11b Abs. 1 S. 1 SGB II sowie im geringen Umfang ggf ergänzt durch Umschichtungen aus dem Regelbedarf) nicht aufbringen können, in den Basistarif wechseln, um von der dort eintretenden Beitragsminderung profitieren zu können, besteht – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – keine Verpflichtung der Leistungsberechtigten in den Basistarif zu wechseln. Gleichzeitig besteht keine Möglichkeit für das Versicherungsunternehmen, eine außerhalb des Basistarifs bestehende Heilkostenversicherung in den Basistarif „umzustufen“. Für die diesbezüglichen Befürchtungen der Klägerin findet sich keine rechtliche Grundlage. Zwar steht den Parteien eines Versicherungsvertrages grds ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 S. 1 BGB zu (vgl BGH, Urteil vom 7.12.2011 – IV ZR 50/11 -, Rn 8 mwN). Allerdings bestimmt der zum 1.1.2009 durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23.11.2007 (BGBl I S. 2631) neu gefasste § 206 Abs. 1 S. 1 VVG, dass jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 VVG erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen ist. Der Anwendungsbereich der Regelung erstreckt sich auf den von der Klägerin abgeschlossenen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag, da nach § 193 Abs. 3 S. 3 VVG alle vor dem 1. April 2007 abgeschlossenen Krankheitskostenversicherungsverträge unter die Definition der Pflichtversicherung fallen (vgl BGH, Urteil vom 7.12.2011 – IV ZR 50/11 -, Rn 8 mwN). Kann das Versicherungsunternehmen damit die mit der Klägerin in … geschlossene Krankheitskostenversicherung grds nicht, insbesondere aber nicht wegen Beitragsschulden oder Hilfebedürftigkeit bzw Sozialleistungsbezug nach dem SGB II kündigen, scheidet jede Vertragsänderung, insbesondere aber eine „Umstufung“ in einen anderen Tarif/den Basistarif gegen den Willen der Klägerin aus.
3. Auch sonst sind Umstände, die – unabhängig von den vorliegend nicht streitigen Bedarfen für Unterkunft und Heizung, zu denen insbesondere die Kosten der Einlagerung gehören (vgl BSG, Beschluss vom 13.2.2019 – B 14 AS 220/18 B; Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 1/08 R -, Rn 11) – einen gegenüber den vom Beklagten mit den Bescheiden vom 31.10.2019 endgültig festgesetzten Leistungen höheren Leistungsanspruch begründen könnten, weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, so dass das Sozialgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat und die Berufung ohne Erfolg bleiben muss.
4. Die Klageerweiterung im Schriftsatz der Klägerin vom 21.3.2022 ist unzulässig.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.


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