Medizinrecht

Krankenversicherung: Nachträglichen Rechnungskorrektur durch den Krankenhausträger

Aktenzeichen  L 20 KR 55/18

Datum:
22.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39033
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
KHG § 17c Abs. 2
PrüfvV 2015 § 7 Abs. 5
SGB V § 109 Abs. 4 S. 3, § 275 Abs. 1c

 

Leitsatz

1. § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 bestimmt, welche Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen der MDK in seine Prüfung einzubeziehen hat. Konsequenzen für den Vergütungsanspruch regelt § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 nicht, er steht damit einer nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren nicht entgegen. (Rn. 67 – 76)
2. Die Regelungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 gelten nur insoweit, als überhaupt eine Prüfung durch den MDK erfolgt. Die Fünfmonatsfrist des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV 2015 bezieht sich deshalb nur auf den jeweiligen Prüfanlass. (Rn. 67 – 68)
3. Die mit § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2017 eingeführte Regelung gilt nicht rückwirkend für die Zeit vor dem 01.01.2017. (Rn. 77 – 78)

Verfahrensgang

S 6 KR 191/17 2017-12-05 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.12.2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren.
III. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.411,06 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG ist zulässig (ständ. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, m.w.N.) und begründet. Das SG Würzburg hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von weiteren 4.411,06 Euro zuzüglich Zinsen an die Klägerin aufgrund der korrigierten Rechnung vom 24.06.2015 verurteilt.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist.
Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Fallpauschalenvereinbarungen – FPV -) konkretisiert. Der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der DKG als „Vertragsparteien auf Bundesebene“ mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG. Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine FPV mit einem Fallpauschalenkatalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien – DKR -) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt.
Maßgeblich für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die für den Tag der stationären Aufnahme, hier der 09.03.2015, geltenden Abrechnungsregelungen, namentlich die FPV 2015 einschließlich Anlagen (insbesondere Anlage 1 – Fallpauschalenkatalog gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV -) und die DKR 2015.
Die Klägerin hat ihre zunächst auf die DRG F12B gestützte Rechnung mit neuer Rechnung vom 24.06.2015 dahingehend korrigiert, dass nunmehr unter Ansatz der DRG F12A für die stationäre Krankenhausbehandlung des B. W. ein Betrag von 15.257,59 Euro, d.h. 4.411,06 Euro mehr als ursprünglich, begehrt wurden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese nachträgliche Rechnungskorrektur zulässig.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund stationärer Behandlung des bei der Beklagten Versicherten B. W. zunächst ein Anspruch auf die Vergütung in Höhe von 10.846,53 Euro zustand. Streitig ist allein die Berechtigung der Klägerin zur Vergütungsnachforderung in Höhe von 4.411,06 Euro wegen nachträglicher Änderung der abgerechneten DRG (F12A statt F12B), was zur Überzeugung des Senats zu bejahen ist.
Dem Zahlungsanspruch steht weder der Einwand der Verwirkung (1.) noch ein Ausschluss der Nachforderung aufgrund von § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 (2.) entgegen.
1. Die nachträgliche Rechnungskorrektur verstößt nicht gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben in Form der Verwirkung.
Die Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhauses wegen Behandlung eines Versicherten richtet sich mangels ausdrücklicher Regelung gemäß dem über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkassen einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden „besonderen Umstände“ liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Das Rechtsinstitut der Verwirkung findet als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Als ein Verwirkungsverhalten wertet das BSG regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Eine Vertrauensgrundlage entsteht in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse (= Kalenderjahr, § 67 Abs. 1 SGB IV) geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwächst daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraut, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt (BSG, Urteil vom 23.05.2017, B 1 KR 27/16 R).
Gemessen hieran hat die Klägerin die weitere Vergütung mit – nur wenige Monate nach der ursprünglichen Rechnung vom 10.04.2015 – korrigierter Rechnung vom 24.06.2015 rechtzeitig nachgefordert. Die Geltendmachung der streitigen Nachforderung war damit nicht wegen Verwirkung unzulässig.
2. Auch unter Berücksichtigung der für stationäre Krankenhausbehandlungen aus dem Jahr 2015 anwendbaren PrüfvV 2015 ist die Klägerin nicht gehindert, die streitige Forderung gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
Vorliegend findet die PrüfvV 2015 Anwendung – die „Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V“, die am 01.09.2014 in Kraft trat und für die Überprüfung bei Patienten galt, die ab 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Die nachfolgende Fassung (PrüfvV 2017) vom 03.02.2016 gilt nach deren § 13 Abs. 1 erst für die Überprüfung bei Patienten, die ab dem 01.01.2017 in ein Krankenhaus aufgenommen worden sind.
Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (a.F. – in der hier maßgeblichen Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl. I, Seite 2983) sind die Krankenkassen verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.
Nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG (a.F. – in der hier maßgeblichen Fassung des Psych-Entgeltgesetzes vom 21.07.2012, BGBl. I, Seite 1613) regeln der GKV-Spitzenverband und die DKG das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.); in der Vereinbarung sind abweichende Regelung zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (a.F.) möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MDK, über den Zeitpunkt der Beauftragung des MDK, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen, § 17c Abs. 2 Satz 2 KHG a.F.
Hierauf basierend einigten sich der GKV-Spitzenverband und die DKG auf die am 01.09.2014 in Kraft getretene PrüfvV 2015, die für die Überprüfung bei Patienten galt, die ab 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen wurden.
Nach § 3 Satz 1 PrüfvV 2015 hat die Krankenkasse die von dem Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen und Korrektheit deren Abrechnung näher zu prüfen und ggf. nach § 4 PrüfvV 2015 das Prüfverfahren einzuleiten. Dabei hat sie dem Krankenhaus die Auffälligkeiten innerhalb von sechs Wochen nach Eingang der übermittelten Daten und entsprechenden Krankenhausrechnung so konkret wie möglich mitzuteilen und hierzu mindestens die Art der Prüfung zu bestimmen (etwa Fehlbelegungsprüfung, Kodierprüfung oder Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen).
Sofern die Krankenkasse den MDK mit der Durchführung einer Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) beauftragt, zeigt der MDK dem Krankenhaus die Einleitung der Prüfung einschließlich des Datums seiner Beauftragung unverzüglich an; in der Prüfanzeige sind die bei der Einleitung des Prüfverfahrens mitgeteilten Auffälligkeiten gegebenenfalls zu konkretisieren und zu ergänzen; eine Beschränkung der MDK-Prüfung auf den Prüfanlass besteht nicht; eine Erweiterung des Prüfanlasses ist dem Krankenhaus anzuzeigen, vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 bis 4 PrüfvV 2015.
§ 7 PrüfvV 2015 („Durchführung der Prüfung“) enthält nähere Regelungen, wo und wie die Prüfung im Einzelnen abzulaufen hat. Nach – dem vorliegend streitentscheidenden – § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich (Satz 1). Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgen (Satz 2). Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfanlasses nach § 6 Abs. 3 Satz 4 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von fünf Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen (Satz 3).
§ 7 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 PrüfvV 2015 schränkt die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur durch das Krankenhaus also doppelt ein: Es ist nur eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen möglich. Zudem muss der MDK diese nur dann in seine Prüfung einbeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Verfahrens gegenüber der Krankenkasse erfolgen.
a) Rechtsetzungsbefugnis für materiell-rechtliche Ausschlussfrist?
Ob die Vertragsparteien der PrüfvV 2015 in § 7 Abs. 5 darüber hinaus einen generellen materiell-rechtlichen Ausschluss nachträglicher Rechnungskorrekturen – innerhalb der gesetzlich normierten vierjährigen Verjährungsfrist bzw. innerhalb des von der Rechtsprechung des BSG definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung – regeln wollten und durften, ist fraglich. Die Rechtsetzungsbefugnis der Vertragspartner der PrüfvV beschränkte sich auf den in der Rechtsetzungsermächtigung des § 17c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KHG a.F. festgelegten Regelungsgegenstand, also auf „das Nähere zum Prüfverfahren“ nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.). Deshalb wird zum Teil vertreten, dass auf der Grundlage des § 17c Abs. 2 KHG nur verfahrensrechtliche Regelungen zur Abrechnungsprüfung, nicht jedoch materiell-rechtliche Regelungen zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses getroffen werden könnten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17; SG Dortmund, Urteil vom 05.05.2017, S 49 KR 580/16; offengelassen vom LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2018, L 5 KR 155/18 NZB).
Allerdings hat das BSG im Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 33/18 R, in einem obiter dictum ausgeführt, dass zumindest § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV 2015 aufgrund hinreichender Ermächtigung durch § 17c Abs. 2 KHG mit der Vergütungsbegrenzung auf das Unstreitige eine wirksame materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthalte. Ob dies gleichermaßen für § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 gilt, ist angesichts des unterschiedlichen Wortlauts (§ 7 Abs. 3 Satz 4: Beschränkung des Anspruchs auf den unstrittigen Rechnungsbetrag – § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2: Beschränkung der Korrektur- und Ergänzungsmöglichkeiten) fraglich (verneinend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2019, L 11 KR 1176/19).
b) Geltung der PrüfvV 2015 für Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit?
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bzw. war bei Krankenhausabrechnungen zwischen Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen der materiell-rechtlichen Richtigkeit zu unterscheiden (z.B. BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R). Der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V (a.F.) erfasste demnach nur Prüfbegehren, die mit Hilfe des MDK die Wirtschaftlichkeit der Behandlung kontrollieren sollen (d.h. Auffälligkeitsprüfungen). Die Gesetzesänderung zum 01.01.2016 durch Einfügung von Satz 4 in § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.), wonach nicht (mehr) zwischen Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zu unterscheiden ist, hat keine Rückwirkung (BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R).
Die PrüfvV 2015 ist auf Grund der Ermächtigung des § 17c Abs. 2 KHG (a.F.) mit Wirkung zum 01.09.2014 in Kraft getreten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV 2015). § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG (a.F.) ermächtigte die Vertragsparteien dazu, das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) zu regeln. Welche Prüfgegenstände eine PrüfvV 2015 haben konnte, wurde somit durch § 275 Abs. 1c SGB V (a.F.) vorgegeben (BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 18/16 R, und Urteil vom 23.05.2017, B 1 KR 24/16 R).
Ob die PrüfvV 2015 für (wie hier) vor Inkrafttreten des § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V (in der Fassung vom 10.12.2015) zum 01.01.2016 durchgeführte Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung (hier: Kodierung der DRG F12A oder F12B) überhaupt gilt, erscheint unter Beachtung der BSG-Rechtsprechung durchaus zweifelhaft (verneinend Hessisches LSG, Urteil vom 14.11.2019, L 8 KR 224/17, nicht veröffentlicht; offengelassen vom LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17).
Der Senat lässt die unter a) und b) aufgeworfenen Fragen dahingestellt, weil § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 vorliegend jedenfalls aus weiteren Gründen der streitigen nachträglichen Rechnungskorrektur durch die Klägerin nicht entgegensteht.
c) Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 schließt schon nach seinem Wortlaut die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausrechnung nicht aus. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 muss der MDK eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur dann in seine Prüfung einbeziehen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgt. Die Regelung wendet sich damit nur an den MDK und bestimmt, welche Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen er in seine Prüfung einzubeziehen hat. Konsequenzen für den Vergütungsanspruch regelt § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 jedoch gerade nicht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17: nur „formelle“ Präklusion im laufenden Prüfverfahren des MDK; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2018, L 5 KR 155/18 NZB), er steht damit einer nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren, sei es aufgrund des Ergebnisses der MDK-Prüfung (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2019, L 11 KR 1176/19) oder bzgl. eines anderen, vom Prüfungsgegenstand nicht erfassten Sachverhalts (SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15; siehe auch im Folgenden d)), nicht entgegen. Ein anderweitiger Regelungswille der Vertragspartner der PrüfvV 2015 lässt sich mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 nicht vereinbaren.
d) Sachliche Reichweite des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
Weiter gelten die Regelungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 nur insofern, als überhaupt eine Prüfung durch den MDK erfolgt (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 14.11.2019, L 8 KR 224/17).
Wenn keine Prüfung einer Krankenhausabrechnung durch den MDK stattfindet, gilt die oben dargestellte Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit einer nachträglichen Rechnungskorrektur (Verwirkung) auch unter Geltung der PrüfvV uneingeschränkt weiter. Erfolgt dagegen – wie hier – eine Prüfung durch den MDK, kann § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 die vom BSG aufgestellten Grundsätze zur nachträglichen Rechnungskorrektur nur insoweit modifizieren, als die Rechnungskorrektur den Gegenstand einer Abrechnungsprüfung durch den MDK betrifft. Bezieht sich also der Prüfanlass auf einen anderen Sachverhalt als die Rechnungskorrektur, ist eine Rechnungskorrektur gemäß der Rechtsprechung des BSG noch bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres zulässig. Die in § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 enthaltene Fünfmonatsfrist findet in diesen Fällen keine Anwendung.
Dies belegt bereits das Ineinandergreifen der Regelungen der PrüfvV 2015 zum Prüfverfahrensablauf. Bei Einleitung des Prüfverfahrens muss die Krankenkasse nach § 4 PrüfvV 2015 zumindest die Art bzw. den Umfang der Prüfung bestimmen und dies dem Krankenhaus mitteilen. In der Prüfanzeige des MDK gegenüber dem Krankenhaus sind die Auffälligkeiten gegebenenfalls zu konkretisieren und zu ergänzen, § 6 Abs. 3 Satz 2 PrüfvV 2015. Art und Umfang der Prüfung sind damit vorgegeben und der MDK hat im Folgenden entsprechend dem Prüfauftrag die Prüfung durchzuführen. (Nur) insofern sind Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens möglich, § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 3 und 4 und § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2015. Danach ist eine Erweiterung des Prüfanlasses zulässig, jedoch dem Krankenhaus anzuzeigen. Es beginnt dann eine neue Fünfmonatsfrist zu laufen. Dies belegt, dass die Fünfmonatsfrist sich nur auf den jeweiligen Prüfanlass und damit auf die jeweils durchgeführte Art der Prüfung bezieht (insg. ebenso SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15).
Vorliegend hat die Beklagte gegenüber der Klägerin in ihrem Schreiben vom 14.04.2015 als Art der Prüfung eine Fehlbelegungsprüfung bestimmt, weil die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer nicht plausibel sei. Dem Auftrag entsprechend befasste sich das MDK-Gutachten vom 11.06.2015 nur mit dieser Frage und kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die stationäre Verweildauer medizinisch plausibel und sachgerecht gewesen sei. Mit der Frage, ob die Krankenhausbehandlung des B. W. zutreffend kodiert worden war (DRG F12A oder F12B), hat sich das Gutachten des MDK aufgrund des konkret bestimmten Prüfauftrags („Fehlbelegungsprüfung“) nicht befasst.
Die Rechnungskorrektur der Klägerin vom 24.06.2015 beruhte demgegenüber auf einer von ihr festgestellten Fehlkodierung. Diese stand in keinem Zusammenhang mit der beim MDK in Auftrag gegebenen Fehlbelegungsprüfung, sondern betraf einen anderen Sachverhalt, sodass hierauf § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 keine Anwendung findet. Im Übrigen hat sich auch die Beklagte selbst zunächst nicht auf einen Ausschluss der Rechnungskorrektur vom 24.06.2015 nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2017 berufen, sondern den medizinischen Sachverhalt mit ihrer Beratungsärztin erneut bewertet (vgl. Schreiben der Beklagten vom 14.07.2015).
Unerheblich ist, dass der Rechnungskorrektur der Klägerin vom 24.06.2015 auch eine Datensatzkorrektur im Sinne von § 301 SGB V aufgrund der Änderung der Nebendiagnose (T82.8. statt T81.0) zugrunde lag. Denn für diese Korrektur außerhalb des Prüfungsgegenstands ist nach dem Vorgesagten bereits der Anwendungsbereich ist § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 nicht eröffnet.
Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass Sinn und Zweck der PrüfvV unter anderem die Beschleunigung des Prüfverfahrens ist. Hierzu sollte es nach den Gesetzesmaterialien den Vertragspartnern auf Bundesebene ermöglicht werden, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter zu gestalten (BT-Drucks. 17/13947, Seite 38). Allerdings gilt dieses Beschleunigungsgebot, anders als die Beklagte meint, nur jeweils im Rahmen der konkret durchgeführten Prüfung, also innerhalb des jeweiligen Prüfauftrags. Anderweitige Korrekturen können bzw. konnten dagegen, wie dargelegt, innerhalb der von BSG gezogenen Grenzen der Verwirkung ohne die Einschränkungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 und damit auch außerhalb des MDK-Prüfverfahrens geltend gemacht werden.
Dies gilt jedenfalls unter der Anwendung der PrüfvV 2015 und 2017. Dagegen regelt § 17c Abs. 2a KHG in der Fassung des MKD-Reformgesetzes vom 14.12.2019 (BGBl. I, Seite 2789 ff.), dass nach Übermittlung der Abrechnung an die Krankenkasse eine Korrektur dieser Abrechnung durch das Krankenhaus ausgeschlossen ist, es sei denn, dass die Korrektur zur Umsetzung eines Prüfergebnisses des Medizinischen Dienstes oder eines rechtskräftigen Urteils erforderlich ist (Satz 1). Nach Abschluss einer Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfolgen keine weiteren Prüfungen der Krankenhausabrechnung durch die Krankenkasse oder den Medizinischen Dienst (Satz 2). In der Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG können von den Sätzen 1 und 2 abweichende Regelungen vorgesehen werden (Satz 3). (Allerdings finden nach der Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 zur PrüfvV 2017 vom 06.03.2016 u.a. die Regelungen zur Korrektur und Ergänzung von Datensätzen nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2017 auch aktuell weiterhin Anwendung.)
In der Gesetzesbegründung zu § 17c Abs. 2a KHG heißt es, die Krankenhäuser hätten bisher nach Rechnungsstellung, während einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst sowie teilweise noch nach Einleitung eines Gerichtsverfahrens ihre Rechnung, zum Teil mehrfach, korrigiert, was eine effiziente und zügige Durchführung der Prüfverfahren und der Verfahren vor dem Sozialgericht erschwere. Zur Erleichterung und Beschleunigung dieser Verfahren würden deshalb Korrekturen von Krankenhausrechnungen durch § 17c Abs. 2a KHG grundsätzlich (abgesehen von den in Satz 1 Halbsatz 2 genannten Ausnahmen) ausgeschlossen (BT-Drucks. 19/13397, Seite 87). Eine solche Regelung wäre unnötig, wenn die Vertragsparteien der PrüfvV selbst dies bereits geregelt hätten.
Anders als § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 und 2017, wo es unter der Überschrift „Durchführung der Prüfung“ um Korrekturen und Ergänzungen von „Datensätzen“ – bzgl. des Prüfungsgegenstands (s.o.) – geht, schließt § 17c Abs. 2a KHG nunmehr grundsätzlich die Korrektur der „Rechnung“ insgesamt aus. Der Gesetzesbegründung kann zudem nur entnommen werden, dass die bisherigen nachträglichen Rechnungskorrekturen als ineffizient und einem zügigen Verfahren nicht zuträglich erachtet wurden, nicht jedoch, dass der Gesetzgeber dies als bislang unzulässig erachtet hätte.
e) Zeitliche Reichweite des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015
Selbst wenn man ungeachtet der obigen Ausführungen § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 auf die streitgegenständliche Rechnungskorrektur anwenden würde, durfte die Klägerin ihre Rechnung vom 10.04.2015 mit neuer Rechnung vom 24.06.2015 korrigieren. Die Korrektur erfolgte vorliegend unstreitig innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens im April 2015.
Die PrüfvV vom 03.02.2016, in Kraft getreten am 01.01.2017, sieht in § 7 Abs. 5 Satz 3 (erstmals) vor, dass bei Beendigung der Begutachtung vor Ablauf der Fünfmonatsfrist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich ist. Eine entsprechende Auslegung der bis zum 31.12.2016 geltenden Regelungen der PrüfvV 2015 kommt nicht in Betracht, sie findet im Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 keine Grundlage. Wie das SG Würzburg zutreffend ausgeführt hat, lag bis Ende 2016 eben keine Regelung dergestalt vor, dass die Fünfmonatsfrist nur gelten sollte, solange der MDK noch mit der Prüfung befasst war (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.02.2018, L 16 KR 445/17 NZB; SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017, S 1 KR 3109/15; SG Landshut, Urteil vom 26.06.2019, S 6 KR 151/17; ebenso: Umsetzungshinweise der DKG zur Anwendung der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung – PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG, Das Krankenhaus 2014, Seite 950; anders dagegen: Hinweise des GKV-Spitzenverbandes zur Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung – PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG (Stand 05.11.2014), Seite 14, 15). Dafür, dass § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV 2017 Rückwirkung für bereits abgeschlossene Behandlungsfälle zukäme, ist nichts ersichtlich.
Insgesamt durfte deshalb die Klägerin die ursprüngliche Rechnung durch die korrigierte Rechnung vom 24.06.2015 ersetzen, weil auch § 7 Abs. 5 PrüfvV 2015 dieser Korrektur nicht entgegensteht.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig (vgl. Erklärung der Beklagten im Erörterungstermin am 08.06.2020), dass als Nebendiagnose T82.8 zu kodieren war, woraus sich die DRG F12A statt F12B ergibt. Weitergehende Einwände gegen die Höhe der korrigierten Rechnung vom 24.06.2015 wurden von der Beklagten nicht erhoben und sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
Damit hat die Klägerin einen Anspruch auf die streitige Vergütungsnachzahlung in Höhe von 4.411,06 Euro.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf Verzugszinsen im Umfang der beantragten und vom SG zuerkannten Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 auf den nicht erfüllten Vergütungsanspruch gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 2 der für die Klägerin maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2015. Die dispositive gesetzliche Zinsregelung des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) wird hier durch die vorrangige vertragliche Vereinbarung der Pflegesatzvereinbarung verdrängt (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 8/09 R).
Die Berufung der Beklagten ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).


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