Medizinrecht

Krankenversicherung: Pflicht zur Zahlung der Mindestbeitrages auch bei Mittelloigkeit

Aktenzeichen  L 5 KR 284/19 B ER

Datum:
17.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19320
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 240 Abs. 4
SGB XI § 57 Abs. 4

 

Leitsatz

Die Beitragshöhe bei freiwilliger Mitgliedschaft kann – auch bei Mittellosigkeit – nicht unter dem gesetzlichen Mindestbeitrag festgesetzt werden (§§ 240 Abs. 4 SGB V, 57 Abs. 4 SGB XI). (Rn. 18)

Verfahrensgang

S 12 KR 428/19 ER 2019-04-11 SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 11.04.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung von Beitragsforderungen.
1. Der Antragsteller war bis 31.03.2018 durch den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V). Im Anschluss (ab 01.04.2018) stellte die Antragsgegnerin mangels anderweitigen Versicherungsschutzes die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung fest (Bescheid vom 09.07.2018), zunächst unter Festsetzung des Höchstbeitrags, dann korrigierend in Höhe des Mindestbeitrags (Bescheid vom 25.07.2018). Die Widersprüche des Antragstellers wurden mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2018 zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragstellers Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben (anhängig unter Az.: S 12 KR 193/19).
2. Die Bitte des Antragstellers, die Beitreibung der Beitragsforderungen durch Antragsgegnerin abzuwenden, legte das Sozialgericht als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz aus. Die Antragsgegnerin hat erklärt, dass aktuell keine Vollstreckung anstehe und auf eine Vollstreckung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verzichtet werde, sie jedoch weiterhin Mahnungen ausstellen werde.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 11.04.2019 abgewiesen. Mangels Rechtsschutzbedürfnis sei der Antrags unzulässig, im Übrigen auch unbegründet.
3. Dagegen hat der Antragsteller per EGVP Beschwerde erhoben und vorgetragen, es sei ein betrügerisches Vorgehen, ihm im Nachhinein sein Rechtsschutzbedürfnis abzuerkennen. Zudem sei er mittellos und erhalte nur durch Verschulden des Jobcenters keine Grundsicherung mehr. Die Antragsgegnerin hat ihren Verzicht auf Vollstreckung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens wiederholt.
Das Gericht hat den Antragsteller im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht darauf hingewiesen, dass die Beschwerde mangels qualifizierter Signatur nicht den Vorgaben des § 65a SGG entspreche und um formgerechte Einlegung im Rahmen der Rechtsbehelfsfrist gebeten. Der Antragsteller hat daraufhin wiederum per EGVP mitgeteilt, dass er die Beschwerde ordnungsgemäß über EGVP mit dem ..de eingelegt habe und diese daher zulässig sei.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 11.04.2019 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage (S 12 KR 193/19) gegen die Beitragsbescheide vom 09.07.2018 und 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2018 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und des Verfahrens unter dem Az.: S 12 KR 193/19 sowie auf die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die statthafte Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 11.04.2019 ist unzulässig.
1. Die Form der Beschwerde entspricht nicht den Vorgaben des § 173 Abs. 1 S.1 SGG iVm § 65a Abs. 3 und 4 SGG. Die elektronische Signatur weist nicht den Antragsteller als verantwortenden Absender der Beschwerde aus, sondern allein das Unternehmen ..de und ist damit nicht qualifiziert im Sinne des § 65a Abs. 3 SGG. Eine eingescannte Unterschrift in einem pdf – Anhang ist ebenfalls nicht ausreichend. Auch ist kein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 SGG gegeben.
Trotz ausdrücklichen richterlichen Hinweises auf den Formfehler hat der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist eine formgerechte Einlegung nicht nachgeholt, sondern ausschließlich seine Rechtsansicht zur Zulässigkeit vorgetragen.
2. Grundsätzlich verbietet sich mangels Zulässigkeit der Beschwerde der Einstieg in die materielle Prüfung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Dennoch sei der Antragsteller in aller Kürze darauf hingewiesen, dass die Beschwerde – selbst wenn sie formgerecht eingelegt worden wäre – mangels Begründetheit keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
a) Für den – ebenfalls ohne qualifizierte Signatur per EGVP eingelegten – Antrag beim Sozialgericht auf aufschiebende Wirkung (§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG) bestand ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragsgegnerin angekündigt hat, den Antragsteller weiterhin zu mahnen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hätte zur Folge, dass keine Mahngebühren bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens erhoben werden können. Allein diesen rechtlichen Vorteil hätte der Antragsteller bei einem zulässigen und begründeten Antrag im einstweiligen Rechtsschutz erlangen können.
b) Der Antrag war jedoch aufgrund der mangelnden Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren auch nicht begründet. Die angegriffenen Verwaltungsakte (Beitragsbescheide vom 09.07.2018 und 25.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2018) sind nicht offenbar rechtswidrig.
Die Antragsgegnerin musste nach dem gegenwärtigen Rechtsstand von einem Ende des Leistungsbezuges nach dem SGB II zum 31.03.2018 ausgehen. Sie war daher verpflichtet, die obligatorische Anschlussversicherung als freiwillige Versicherung durchzuführen (§§ 188 Abs. 4, 9 SGB V, 20 Abs. 3 SGB XI).
Die Beitragshöhe bei freiwilliger Mitgliedschaft kann – auch bei Mittellosigkeit – nicht unter dem gesetzlichen Mindestbeitrag festgesetzt werden (§§ 240 Abs. 4 SGB V, 57 Abs. 4 SGB XI). Die Beiträge sind vom Antragsteller zu tragen und zu zahlen (§§ 250 Abs. 2, 252 Abs. 1 S. 1 SGB V, 59 Abs. 4 SGB XII). Auf die Beitragsschulden sind Säumniszuschläge (§ 24 SGB IV) zu erheben, für Mahnungen Mahngebühren (§ 19 Abs. 2 VwVG) geltend zu machen.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar und beendet das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz.


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