Medizinrecht

Leistungen, Ausschluss, Vereinbarung, Verpflichtungsklage, Widerspruch, Notwendigkeit, Quartal, Klinikum, Abrechnung, Klage, Vereinigung, Notfallbehandlung, Anlage, EBM, Abrechnung von Leistungen

Aktenzeichen  S 38 KA 483/19

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11549
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Wird in einem dreiseitigen Vertrag über die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes (Krankenhäuser) ein Abrechnungsausschluss von bestimmten Leistungen (hier: spezielle Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM) vereinbart, ist eine solche Regelung mit § 115 SGB V vereinbar. Die Formulierung in § 115 Abs. 2 Ziff. 3 bedeutet nicht, dass nur on-top-Leistungen , d.h. über den EBM hinausgehend Vertragsinhalt sein können.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage – es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungsund Verpflichtungsklage gemäß § 54 SGG – ist zulässig, jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die sachlich-und rechnerische Richtigstellung im Quartal vom 4/18 beruht auf dem Ausschlusstatbestand in der dreiseitigen Vereinbarung nach § 4.1, 4.2. Danach sind u.a. Leistungen gemäß Kapitel 32.3 EBM (spezielle Laborleistungen) (Anlage 2) von der Abrechnung im Rahmen des Notdienstes ausgeschlossen. Auf dieser Grundlage wurde zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Kooperationsvertrag mit Wirkung ab dem 26.06.2018 geschlossen. Somit ist die dreiseitige Vereinbarung auch für die Klägerin verbindlich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die dreiseitige Vereinbarung mit den darin vorgesehenen Vergütungsausschlüssen auch mit höherrangigem Recht zu vereinbaren. Rechtsgrundlage für die dreiseitige Vereinbarung ist § 115 SGB V. Danach schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztliche Vereinigung mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge. Ziel ist, durch enge Zusammenarbeit zwischen den Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten zu gewährleisten. Nach § 115 Abs. 2 Ziff 3 SGB V regeln die Verträge u.a. insbesondere die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes. Darüber hinaus „können auf Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden“.
Nach Auffassung des Gerichts kann aus dem Wortlaut von § 115 Abs. 2 Ziff 3 SGB V nicht abgeleitet werden, es dürften nur ergänzende „On-Topleistungen“ Vertragsinhalt einer dreiseitigen Vereinbarung nach § 115 Abs. 1 SGB V sein. Denn, wollte der Gesetzgeber dies in diesem Sinne regeln, hätte er eine andere Formulierung wählen müssen, so zum Beispiel, dass ergänzende Regelungen der Vergütung über den EBM hinaus Vertragsinhalt sein können. Auch Sinn und Zweck der Regelung – Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung zur Gewährleistung einer nahtlosen ambulanten und stationären Behandlung der Versicherten – spricht nicht dagegen, einzelne Leistungen von der Vergütung auszuschließen. Schließlich ergibt sich auch aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“, dass die Aufzählung in § 115 Abs. 2 SGB V nicht abschließend ist und über den Katalog hinausgehende Vertragsinhalte in der dreiseitigen Vereinbarung vorgesehen werden können.
In der Sache selbst ist ein Widerspruch zwischen § 4 Abs. 1 und den Ausschlüssen der Anlage 2 nicht ersichtlich. Immerhin ist die Klägerin berechtigt, allgemeine Laboruntersuchungen, die durch Anlage 2 nicht ausgeschlossen sind, im Rahmen des Notdienstes zu erbringen und abzurechnen. Außerdem erschließt sich der mit zwei Ärzten fachkundig besetzten Kammer bei kursorischer Durchsicht der eingereichten Listen bis auf wenige Ausnahmen nicht die Notwendigkeit, routinemäßig Antibiogramme zu erstellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Ergebnis der Untersuchung in der Regel erst drei Tage später vorliegt, sodass die Patienten, die am Freitag in der Notaufnahme erscheinen, am nächsten Werktag die hausärztlichen und fachärztlichen Behandlungsmöglichkeiten einschließlich spezieller Laboruntersuchungen wahrnehmen können. Wie in der mündlichen Verhandlung am 28.10.2021 vom Gericht ausgeführt wurde, kann in den meisten (95%) der Fälle unabhängig von dem Antibiogramm eine Antibiotikagabe gezielt erfolgen.
Abgesehen davon fehlen, worauf die Beklagte hingewiesen hat, entsprechende Angaben zur Begründetheit der abgerechneten Leistungen.
Ohne Bedeutung ist, dass ein Ausschluss spezieller Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM zunächst nicht vorgesehen war, erst auf Drängen der Beklagten aufgenommen wurde sowie der Notwendigkeit geschuldet war, baldmöglich eine Vereinbarung zu schließen. Die Beigeladene zu 7 hat in der mündlichen Verhandlung am 30.03.2022 vorgetragen, das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege habe auf die Verpflichtung zum Abschluss von Kooperationsverträgen schriftlich hingewiesen.
Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.


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