Medizinrecht

Leistungen, Verwaltungsakt, Staatsanwaltschaft, Versorgung, Leistungserbringung, Arzt, Anfechtungsklage, Amtsermittlungspflicht, Chefarzt, Aufhebung, Verwaltungsverfahren, Verfahrensfehler, Genehmigung, Krankenhaus, Sinn und Zweck, Eintritt in den Ruhestand, kein Verwaltungsakt

Aktenzeichen  S 38 KA 300/19

Datum:
16.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 9634
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Für den ermächtigen Krankenhausarzt ist es gesetzlich nicht vorgesehen, weitere Ärzte wie Oberärzte und Assistenzärzte, auf die er qua seiner stationären Funktion und Stellung eventuell Zugriff hat, zur Erbringung ambulanter Leistungen, die zu seinem Ermächtigungsumfang gehören, hinzuzuziehen. Macht er dies, verstößt er gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung.
2. Der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X schließt es nicht aus, begonnene Ermittlungen einzustellen und später wieder aufzunehmen. Nachdem die Staatsanwaltschaft, was die Ermittlungen betrifft, mit wesentlich weitreichenderen Kompetenzen ausgestattet ist, ist es nachvollziehbar, wenn bei Unregelmäßigkeiten, die daneben einer strafrechtlichen Würdigung bedürfen, die Verwaltungsbehörde den Ausgang des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft abwartet und ihre eigenen Ermittlungen zurückgestellt.
3. Haben die eigenen Ermittlungen der Behörde oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, von denen die Behörde Kenntnis erhalten hat, eine Ermittlungsdichte erreicht, die als hinreichend sichere Informationsgrundlage anzusehen ist, ist ab diesem Zeitpunkt von einer Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X auszugehen.
4. Nach § 120 SGB V (§ 120 Abs. 1 S. 3 SGB V) wird die den ermächtigen Krankenhausärzten zustehende Vergütung für diese vom Krankenhausträger mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet und nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten sowie der dem Krankenhaus nach Satz zwei entstehenden Kosten an die berechtigten Krankenhausärzte weitergeleitet. Wird das Honorar nicht an den ermächtigten Krankenhausarzt weitergereicht, kann dieser seinen Anspruch gegenüber dem Krankenhausträger vor den Zivilgerichten geltend machen. Einer Beiladung des Krankenhausträgers im Verfahren vor den Sozialgerichten nach § 75 SGG bedarf es nicht.
5. Es spricht gegen eine persönliche Leistungserbringung durch den Vertragsarzt, wenn die ausgestellten Rezepte nicht dessen Unterschrift tragen. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung gilt nicht nur für Behandlungen des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes, sondern auch für die Rezeptausstellung durch den behandelnden Arzt (BSG, Urteil vom 20.03.2013, Az B 6 KA 17/12 R), da ein Zusammenhang zwischen der Behandlung einerseits und der Rezeptausstellung andererseits besteht. Letztere folgt dem Behandlungsgeschehen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage – es handelt sich um eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG – ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist als rechtmäßig anzusehen und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht der Anregung des Prozessbevollmächtigte Klägers nicht gefolgt ist, den Klinikträger zum Verfahren nach § 75 SGG beizuladen. Die genannte Vorschrift enthält sowohl eine fakultative Beiladung (§ 75 Abs. 1 SGG), als auch eine notwendige Beiladung (§ 75 Abs. 2 SGG). Voraussetzung für die notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG ist, dass durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Rn. 10 zu § 75). Erforderlich ist also grundsätzlich eine Identität des Streitgegenstandes. Hier ist jedoch das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Klinikträger zivilrechtlicher Natur. Zwischen Kläger und dem Klinikträger bestand ein Dienstverhältnis. Hinzu kommt, dass der Klinikträger keine eigene Rechtsposition innehat. Anders als in der Kommentierung (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Rn. 15 zu § 75) wird deshalb eine Beiladung nicht als notwendig betrachtet. Auch hat das Gericht von einer einfachen Beiladung des Klinikträgers nach § 75 Abs. 1 SGG abgesehen. Ein Rechtsanspruch besteht darauf nicht. Vielmehr steht die einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG im Ermessen des Gerichts. Einer gesonderten Entscheidung über den Antrag auf Beiladung bedurfte es nicht. Die Ablehnung kann im Rahmen des Urteils in den Urteilsgründen begründet werden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Rn. 15 zu § 75).
Die Beklagte ist zuständig für die in den Quartalen 1/10 bis 2/13 vorgenommene Plausibilitätsprüfung. Rechtsgrundlagen des Ausgangsbescheides vom 26.07.2017 idF des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2019 sind §§ 75 Abs. 1, 83 Satz 1 SGB V, § 7 Abs. 1 Gesamtvertrag-Primärkassen bzw. § 8 Gesamtvertrag Ersatzkassen in Verbindung mit der Anlage 8 Gesamtvertrag-Ersatzkassen, § 106a Abs. 2 SGB V, § 46 Bundesmantelvertrag-Ärzte (= BMV-Ä) bzw. § 42 Arzt/Ersatzkassen-Vertrag (= A-EKV) bzw. § 50 Abs. 1 SGB X. Danach ist die Beklagte generell berechtigt, die Abrechnungen der Vertragsärzte auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Im Fall des Klägers hat eine solche Prüfung in den Quartalen 1/10 bis 2/13 stattgefunden.
Eine Plausibilitätsprüfung findet grundsätzlich dann statt, wenn aufgrund von Aufgreifkriterien der Verdacht der Implausibilität besteht. Abrechenbar und vergütungsfähig sind nur solche Leistungen, die in Übereinstimmung mit den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften, vor allem dem EBM, dem HVV bzw. dem HVM und den sonstigen Abrechnungsbestimmungen erbracht werden. Wird eine Implausibilität festgestellt, erfolgt die Rückforderung der zu Unrecht abgerechneten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X.
Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, der Kläger habe gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen.
Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist eine der Grundpflichten eines Arztes, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, sei es im Rahmen einer Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs. 1 SGB V oder im Rahmen einer Ermächtigung zum Beispiel nach § 116 SGB V (BSG, Urteil vom 24.11.1993, Az 6 RKa 70/91). Die Ermächtigung ist gegenüber der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit subsidiär (§ 31 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV). Die vertragsärztliche Tätigkeit ist persönlich auszuüben. Während bei einem Vertragsarzt auch als persönliche Leistungen solche Leistungen gelten, die auch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte gemäß § 32b Ärzte-ZV erbringen (§ 15 Abs. 1 BMV-Ä), besteht diese Möglichkeit für ermächtigte Krankenhausärzte nicht. Für den ermächtigen Krankenhausarzt – wie dem Kläger – ist es gesetzlich nicht vorgesehen, weitere Ärzte wie Oberärzte und Assistenzärzte, auf die er qua seiner stationären Funktion und Stellung eventuell Zugriff hat, zur Erbringung ambulanter Leistungen, die zu seinem Ermächtigungsumfang gehören, hinzuzuziehen. Deren Tätigkeit ist ihm als ermächtigen Krankenhausarzt nicht zuzurechnen. § 15 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä gilt nicht. Die mögliche Leistungserbringung im Rahmen des Ermächtigungsumfangs reduziert sich bei einem ermächtigten Arzt auf seine persönliche und eigene Leistungserbringung. Grund hierfür ist, dass die Ermächtigung eine Ausnahme darstellt und nur dann in Betracht kommt, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungsund Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten und den in Satz 1 genannten Einrichtungen nicht sichergestellt wird (§ 116 S. 2 SGB V). Selbstverständlich kann auch ein ermächtigter Krankenhausarzt nichtärztliche Leistungen auf Dritte delegieren.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig, vor allem liegt ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ § 20, 21 SGB X) nicht vor. Nach § 20 Abs. 1 S. 2 SGB X bestimmt die Behörde Art und Umfang der Ermittlungen. Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung. Nach § 20 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 21 SGB X bedient sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (vgl. Kopp/Ramsauer, Komment. zum VwVfG, Rn. 11 zu § 24 inhaltsgleich mit § 20 SGB X). Unterlässt die Behörde eine sachlich notwendige weitere Aufklärung des Sachverhalts, so liegt ein Verfahrensfehler vor. Dieser Verfahrensfehler kann allerdings nicht eigenständig angefochten werden, d. h. nur zusammen mit einem daraufhin ergehenden Verwaltungsakt. Im Jahr 2014 ist ein Verwaltungsakt von der Beklagten nicht erlassen worden. Die Beklagte war nicht gehindert, ihre Ermittlungen einzustellen. Das SGB X schließt es nicht aus, Ermittlungen einzustellen und später wieder aufzunehmen, wobei die Behörde dann allerdings die Gefahr trägt, dass dann unter Umständen eine Verjährung eingetreten ist.
Auch ist ein Anhörungsfehler nach § 24 SGB X nicht ersichtlich. Sollte dennoch eine Anhörung des Klägers nach § 24 SGB X vor Erlass des Plausibilitätsbescheides nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt sein, ist dies unbehelflich, da nach § 41 Abs. 2 SGB X eine Nachholung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist und deshalb dann eine Heilung eines eventuellen Verfahrensfehlers eintritt.
Eine eingehende Prüfung, ob der Kläger gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen hat, würde sich erübrigen, wenn eine Aufhebung von Honorarbescheiden mangels Vorliegen der Voraussetzungen der allgemein geltenden oder besonderen Aufhebungsregeln ausgeschlossen ist. Hierbei ist zu differenzieren zwischen den Quartalen 1/10-4/12 und den Quartalen 1/13-2/13.
Nach gefestigter Rechtsprechung zur Vermeidung des ewigen Prüfverfahrens gilt eine Höchstgrenze von vier Jahren im Sinne einer Ausschlussfrist ab dem Erlass des Honorarbescheides (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.10.2014, Az L 5 KR 1161/12; BSG, Urteil vom 05.05.2010, Az B 6 KA 5/09 R). Diese Ausschlussfrist ist für die Quartale 1/10-4/12 überschritten, nicht jedoch für die Quartale 1/13 und 2/13.
Soweit sich die Beklagte auf § 45 SGB X stützt – dies betrifft die Quartale 1/10 bis einschließlich 4/12 – ist die Einjahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 SGB X zu beachten. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist. Danach ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen möglich, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X). Nach § 52 SGB X ist die Verjährung durch Verwaltungsakt gehemmt. Nachdem hier kein Verwaltungsakt ergangen ist, ist nach dieser Vorschrift keine Hemmung eingetreten. Des Weiteren kommt eine Anwendung der Hemmungsvorschrift des § 204 BGB nicht in Betracht (Nomos Kommentar zum SGB X, Rn. 101 zu § 45). Nicht geregelt ist auch, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu einer Hemmung der Verjährung führen. Dementsprechend wird hierdurch auch die Ausschlussfrist nicht gehemmt.
Sinn und Zweck der Regelung des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X ist die Rechtssicherheit. Dagegen dient die Jahresfrist nicht dem Vertrauensschutz des Betroffenen (BSG, Urteil vom 31.01.2008, Az B 13 R 23/07R). Haben die eigenen Ermittlungen der Behörde oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, von denen die Behörde Kenntnis erhalten hat, eine Ermittlungsdichte erreicht, die als hinreichend sichere Informationsgrundlage anzusehen ist, ist ab diesem Zeitpunkt von einer Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X auszugehen, mit der Folge, dass dann die einjährige Frist zu laufen beginnt. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Aufhebung der Honorarbescheide keine weiteren Ermittlungen mehr erfordert (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.07.2007, Az L 12 AL 105/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.03.2011, Az L 5 AS 1547/09). Erst dann darf der Leistungsempfänger davon ausgehen, dass die Behörde den rechtsfehlerhaften Bescheid nicht mehr revidiert.
Was das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren betrifft (vgl. §§ 160 ff. StPO) hat diese den Sachverhalt zu erforschen. Es sind Ermittlungen anzustellen, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dabei hat die Staatsanwaltschaft eine allgemeine Ermittlungsbefugnis auch unter Zuhilfenahme anderer Behörden und der Beamten des Polizeidienstes (§§ 161, 163 StPO). Die Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft erstreckt sich auch auf die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen (§ 161a StPO). Die Zeugen haben dabei die Pflicht zur Aussage, was im Fall des Nichtbefolgens von der Staatsanwaltschaft sanktioniert werden kann (§§ 55, 70, 77 StPO). Zwar besitzt auch die Beklagte eine Ermittlungsbefugnis die auch Zeugeneinvernahmen mit einschließt. Die Zeugen sind aber nur dann zur Aussage verpflichtet, wenn dies durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist (§ 21 Abs. 3 SGB X). Die Möglichkeit der Zeugeneinvernahme, zu der auch die Beklagte als Behörde befugt ist, kann anders als bei der Staatsanwaltschaft nicht erzwungen werden. Insofern ist die Zeugeneinvernahme durch die Behörde grundsätzlich ein „stumpfes Schwert“. Somit ist die Staatsanwaltschaft, was die Ermittlungen betrifft, mit wesentlich weitreichenderen Kompetenzen ausgestattet. Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn bei Unregelmäßigkeiten, die daneben einer strafrechtlichen Würdigung bedürfen, die Verwaltungsbehörde den Ausgang des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft abwartet und ihre eigenen Ermittlungen zurückgestellt. Jedoch kann die Beklagte als Verwaltungsbehörde parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ihrerseits ermitteln. Die Ermittlungen stehen somit nebeneinander. Sie haben unterschiedliche Aspekte, nämlich zum einen den strafrechtlichen Aspekt und zum anderen die Beurteilung vertragsärztlicher Aspekte.
Die Beklagte wurde erstmals vom Klinikträger am 13.03.2014 informiert, dass es Hinweise gebe, wonach der Chefarzt der Fachklinik O. H. in der Vergangenheit möglicherweise die Regeln des Vertragsarztrechts nicht korrekt eingehalten habe. Es existierten seit einigen Tagen Hinweise, dass Patienten – genannt werden vier Patienten – nicht einmal von seinen benannten Stellvertretern untersucht und behandelt wurden. Es sei nicht nachzuvollziehen, ob die Behandlungen zum Teil oder vollständig abgerechnet oder Prothesen sowie andere Heiloder Hilfsmittel rezeptiert wurden und inwieweit die Untersuchungen Teil einer ambulanten Abrechnung waren. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch keine ausreichende Kenntnis im Sinne der Vorschrift des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X vorhanden. Denn der Klinikträger hat lediglich Behauptungen aufgestellt, ohne diese mit entsprechenden Nachweisen zu belegen. Diese Behauptungen sind im Zusammenhang mit der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem früheren Arbeitgeber zu sehen. Auch die Kenntnis vom Durchsuchungsbeschluss vom 21.07.2014 setzt noch nicht die einjährige Verjährung in Gang. Es handelt sich diesbezüglich allenfalls um ein „Kennenkönnen“ oder ein „grob fahrlässiges Kennenmüssen“. Dieses ist nicht ausreichend, um die Einjahresfrist in Lauf zu setzen. (Grüner, Dilichau, Komment. zum SGB X, S. 110; LSG Hessen, Urteil vom 14.03.2008, Az L 7 AL 55/07; BSG, Urteil vom 16.12.2009, Az B 7 AL 26/08 R). Auch kann der Zeitpunkt des Durchsuchungsbeschlusses nicht als Anfangszeitpunkt in Betracht kommen, da gerade die Durchsuchung als Ermittlungsmaßnahme erst den Sachverhalt aufklären soll.
Die Beklagte ist auch nicht gehindert, nach Plausibilitätsprüfung einen Rückforderungsanspruch zu erheben, weil nach der Behauptung der Klägerseite das Honorar an den Kläger – betrifft die Quartale 1/13 und 2/13 – vom Krankenhausträger nicht ausgekehrt wurde. Nach § 120 SGB V (§ 120 Abs. 1 S. 3 SGB V) wird die den ermächtigen Krankenhausärzten zustehende Vergütung für diese vom Krankenhausträger mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet und nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten sowie der dem Krankenhaus nach Satz zwei entstehenden Kosten an die berechtigten Krankenhausärzte weitergeleitet. Sinn und Zweck der Regelung ist die Erleichterung der Abrechnung für die ermächtigten Ärzte. Diese sollen von dem mit der Abrechnung verbundenen Verwaltungsaufwand entlastet werden (Hauck-Noftz, Kommentar zum SGB V, Rn. 14 zu § 120). Es handelt sich hierbei um eine gesetzliche Einziehungsermächtigung. Der Honoraranspruch bleibt materiell dem ermächtigten Arzt zugeordnet. Deshalb hat der ermächtigte Krankenhausarzt auch die Befugnis, Widerspruch und Klageverfahren durchzuführen. Wird das Honorar nach Abzügen vom Krankenhausträger nicht an den ermächtigten Krankenhausarzt weitergereicht, kann dieser seinen Anspruch gegenüber dem Krankenhausträger vor den Zivilgerichten geltend machen.
Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist auch die Befugnis der Beklagten zu sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten verbraucht. Dies ist nach gefestigter Rechtsprechung dann der Fall, wenn eine KÄV die Honorarforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren für sachlich-rechnerische Richtigkeit geprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (BSG, Beschluss vom 03.02.2010, Az B 6 KA 22/09 B). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies in diesem Zusammenhang auf ein Telefonat der damaligen Chefsekretärin des Klägers S1.mit einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter der KVB am 10.04.2014 und auf den Abschlussbericht der KVB vom 16.04.2014 hin. Was das Telefonat am 10.04.2014 betrifft, ist zwar hierüber eine Telefonnotiz von der Chefsekretärin angefertigt worden, jedoch ist nicht eindeutig, ob überhaupt mit der Beklagten und wenn ja mit wem dieses Telefonat geführt wurde. Die von der Klägerseite angegebene Telefonnummer ist nach Darstellung der Beklagten eine der Zulassungsgremien, nicht jedoch der KVB. Selbst wenn ein solches Telefonat stattgefunden haben sollte, ist dieses nicht einer vorbehaltlosen Bestätigung für eine sachlich-rechnerische Richtigkeit gleichzusetzen. Das Telefonat hat zumindest keine Qualität eines Verwaltungsaktes nach § 31 SGB X. Auch inhaltlich ging es offensichtlich nach der Aussage der S1. (mündlichen Verhandlung am 25.03.2021) in erster Linie um den Betrugsvorwurf, nicht jedoch um die Durchführung eines Plausibilitätsverfahrens. Es sei auch mitgeteilt worden, dass die Vorwürfe des Abrechnungsbetrugs für die KVB erledigt seien. Soweit in dem Telefonat auch die Rede davon gewesen sein sollte, dass sämtliche Abrechnungen ein Prüfprogramm durchlaufen würden und die Prüfung ergebnislos ohne Beanstandung abgeschlossen worden sei und nichts mehr nachkomme, deutet der Kontext darauf hin, dass lediglich die automatische Regelwerksprüfung gemeint war. Eine vorbehaltlose Bestätigung der Richtigkeit der Abrechnungen erfolgte jedenfalls durch das Telefonat nicht.
Auch ist der Abschlussbericht der Beklagten vom 16.04.2014 nicht als vorbehaltlose Bestätigung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen zu werten; dies allein schon deshalb, weil – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – die Klägerseite erstmals durch Einblick in die Ermittlungsakten davon erfuhr. Der Abschlussbericht wurde nicht von der Beklagten an den Kläger unmittelbar herausgegeben und ist deshalb als Internum anzusehen. Auch inhaltlich kann dem Abschlussbericht eine vorbehaltlose Bestätigung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht entnommen werden. Vielmehr hat die Beklagte in dem Abschlussbericht an mehreren Stellen deutlich gemacht, sie habe ihre Ermittlungen eingestellt, weil die Behauptungen des Klinikträgers als unzureichend anzusehen wären.
Nachdem gegen die Anwendung von § 45 SGB V (Quartale 1/10-4/12) und gegen die Anwendung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Vierjahreszeitraum (Quartale 1/13 und 2/13) grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken bestehen, kommt es darauf an, ob der Kläger ordnungsgemäß die geltend gemachten Leistungen abgerechnet hat. Die Beklagte hat den Vorwurf erhoben, der Kläger habe in den genannten Zeiträumen gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen. Es handelt sich nach der Rechtsprechung um eine der Hauptpflichten im vertragsärztlichen Bereich. Diese Pflicht gilt nicht nur für zugelassene Vertragsärzte, sondern auch für andere an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende ermächtigte Krankenhausärzte (§ 116 SGB V). Denn der Status des zugelassenen Vertragsarztes und des ermächtigten Krankenhausarztes beruht auf einer höchstpersönlichen Tätigkeit. Für die zugelassenen Vertragsärzte ist die persönliche Leistungserbringung in § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä geregelt. Zur persönlichen Leistungserbringung gehören auch Hilfeleistungen durch nichtärztliche Mitarbeiter (§ 15 Abs. 1 S. 5 BMV-Ä), aber auch ärztliche Leistungen durch genehmigte Assistenten und durch angestellte Ärzte gemäß § 32d Ärzte-ZV. Diese Leistungen sind dann dem Vertragsarzt zuzurechnen. Ausfluss der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist auch, dass der Vertragsarzt sich ausnahmsweise vertreten lassen kann, wenn Vertretungsgründe vorliegen. Hier besteht bei kürzeren Abwesenheitszeiten eine Anzeigepflicht, bei der KVB, bei längeren Abwesenheitszeiten eine Genehmigungspflicht. Insofern wird die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung durch die Delegationsmöglichkeit auf nichtärztliche Mitarbeiter und ärztliche Mitarbeiter, sowie durch die Vertretungsmöglichkeit bei Vorliegen von Vertretungsgründen durchbrochen. Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist für den ermächtigen Krankenhausarzt in § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV, aber auch in § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä geregelt. Eine Ausdehnung der Leistungserbringungsmöglichkeit auf andere Ärzte ist nicht vorgesehen. Vielmehr besteht keine Befugnis des im stationären Bereich zuständigen Vertreters, den Krankenhausarzt auch bei seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zu vertreten (BSG, Urteil vom 20.03.2013, Aktenzeichen B 6 KA 17/12 R). Sofern eine Delegation von abrechenbaren Leistungen auf nichtärztliches Personal überhaupt als zulässig anzusehen wäre, wäre diese mit dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung nur dann zu vereinbaren, wenn die Delegation und Überwachung von dem ermächtigten Krankenhausarzt erfolgen würde.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger gegen den Grundsatz der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen hat. Dafür gibt es mehrere Anhaltspunkte. Hierzu zählen die Zeugenaussagen der Oberärzte im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die Zeugenaussagen von S1. und M. im Rahmen des Erörterungstermins am 25.03.2021, die Patientenakten, betreffend den Patienten A., die ausgefüllten Rezepte, die die Unterschrift des Klägers nicht tragen, und das QM-Handbuch sowie der Auditbericht 2011, letztere aber nur in Gesamtschau mit den vorgenannten Beweismitteln.
Es gibt zwar keine generelle Beweisregel, auch nicht, was die unterschiedlichen Beweismittel in ihrem Verhältnis zueinander betrifft. Vielmehr hat eine lebensnahe Beweiswürdigung stattzufinden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, Rn. 4 zu § 128), für die die Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrages unter Abwägung aller Umstände maßgeblich ist.
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers können auch die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft (Az 201 JS 30594/13) für das Verwaltungsverfahren herangezogen werden. Es handelt sich zwar um unterschiedliche Verfahren mit unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichen Zielsetzungen. Dies schließt es jedoch nicht aus, die in einem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse für ein anderes Verfahren zu verwerten (vgl BSG, Beschluss vom 05.05.2010, Az B 6 KA 32/09 B; BSG, Beschluss vom 02.04.2014, AZ B 6 KA 58/13 B; VG Regensburg, Urteil vom 12.12.2019, Az RN 5 K 17.140). Auch wenn ein Strafverfahren gemäß § 153a StPO bzw. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, können dort zu Tage getretene Tatsachen im Verwaltungsverfahren berücksichtigt werden. Ebenfalls ist nicht erkennbar, weshalb einer Verwertung der Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft ein sog. Beweisverwertungsverbot entgegenstehen sollte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht geltend, die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers, die Fachklinik O. habe sich rechtswidrig Zugang zu den Patientenakten der gesetzlich versicherten Patienten und anderen mit der Ermächtigung verbundenen Unterlagen verschafft. In dem strafrechtlichen Verfahren hätten diese Unterlagen aufgrund der rechtswidrigen Erlangung keinen Beweiswert, da ein Beweisverwertungsverbot greife. Gleiches müsse hier gelten.
Es ist anerkannt, dass eine datenschutzrechtlich unzulässige Amtsermittlung zu einem Beweisverwertungsverbot führt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, Rn. 2b zu § 103). Außerdem ziehen Verletzungen von Grundrechten durch die Beteiligten regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot nach sich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, Rn. 5b zu § 128). In diesem Zusammenhang weist die Beklagte in ihrem Bescheid vom 26.06.2019 aber zu Recht darauf hin, dass das Akteneinsichtsgesuch der KVB nach § 474 Abs. 2 Nr. 1 StPO zulässig war, weshalb die Unterlagen der KVB von der Staatsanwaltschaft rechtmäßig zur Verfügung gestellt worden seien. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, sind die Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft deutlich umfassender als die der KVB als Verwaltungsbehörde. Insofern war die Staatsanwaltschaft auch befugt, im Rahmen ihrer zulässigen Ermittlungen Unterlagen vom Klinikträger beizuziehen und diese auszuwerten. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb für die Beklagte ein Beweisverwertungsverbot nach Akteneinsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bestehen sollte.
Vor der Kriminalpolizeiinspektion Landshut haben drei Oberärzte der Fachklinik O. im Jahr 2015 ausgesagt. Es handelt sich um K3., G. und S2. Auf die Frage, wie die Ambulanz organisiert gewesen war, gab G., die vom 01.02.2013 bis 31.07.2013 in der Fachklinik O. beschäftigt war, an, die Eingangsuntersuchung sei von einem Assistenzarzt erfolgt. Dann sei der Patient entweder vom Oberarzt oder vom Chefarzt nochmals „angeschaut“ worden. Der Chefarzt H. sei nicht bei jeder Behandlung anwesend gewesen. Sie müsse sagen, dass bei einer nicht unbeachtlichen Anzahl von Routinekontrollen der Chefarzt in der Ambulanz nicht dabei gewesen sei. Dies könne sie aber nicht näher beziffern. Die gleichen Fragestellungen wurden von der Kriminalpolizeiinspektion Landshut an S2. gerichtet, der im fraglichen Zeitraum bis zum Eintritt in den Ruhestand (31.12.2013) ebenfalls als Oberarzt in der Fachklinik O. tätig war. Er trug vor, es habe eine grundsätzliche Anweisung gegeben, wonach ein neuer Patient dem Chefarzt vorgestellt werden sollte, sofern dieser im Hause war. Ansonsten habe der Oberarzt K3. die Vertretung übernommen. Er sei weiterer Vertreter nach K3. gewesen. Bekannte Patienten, die wiederholt in der Ambulanz erschienen seien (bei normalem Verlauf des Krankheitsbildes) seien von der Ambulanzschwester bzw. dem diensthabenden Assistenzarzt behandelt worden. In diesen Fällen sei der Chefarzt nicht verständigt worden. Nach der Zeugeneinvernahme von K3., damals Oberarzt in der Fachklinik O. und Vertreter des Chefarztes H., erfolgte die routinemäßige, regelmäßige Vorstellung der Patienten in der Ambulanz durch den Assistenzarzt. Nach Maßgabe des Assistenzarztes sei der Oberarzt oder der Chefarzt hinzugezogen worden. Beim Erstkontakt eines Patienten sei grundsätzlich der Chefarzt hinzugezogen worden. Außerdem führte K3. wie folgt aus: „Seit dem Chefarztwechsel ist eine Veränderung des Vorgehens dahingehend eingetreten, dass der Patient in der Ambulanz grundsätzlich vom Chefarzt behandelt/begutachtet wird, auch wenn er mehrmals in Folge in der Klinik ist. Es wird wie gesagt auch genau dokumentiert, dass der Chefarzt bei dieser Behandlung anwesend war, dies wird in der Karteikarte festgehalten bzw. explizit vermerkt.“
Aufgrund der übereinstimmenden Zeugenaussagen steht nach Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger bei vielen Patientenbehandlungen nicht oder nur unterstützend anwesend war. Dies betrifft insbesondere die Behandlung von bereits bekannten Patienten mit normalem Verlauf des Krankheitsbildes, bei denen eine routinemäßige Kontrolle erforderlich war. Diese wurden vom Assistenzarzt behandelt. Lediglich bei Erstuntersuchungen war nach den übereinstimmenden Aussagen der Oberärzte der Kläger grundsätzlich, aber nicht immer persönlich anwesend. Bei deren Aussage ist allerdings im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass das Arbeitsklima in der Klinik offenbar sehr belastet war, wie auch in der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Klinikträger deutlich wird. Es könnte deshalb sein, dass sich einzelne Zeugen karrieremäßig etwas versprochen haben, wenn der Kläger seine Chefarztposition nicht mehr einnehmen würde. Allerdings fand die Zeugeneinvernahme durch die Kriminalpolizeiinspektion Landshut erst im Jahr 2015 statt, also zu einem Zeitpunkt, als G. und S2. (in Ruhestand Zeit 31.12.2013) nicht mehr in der Fachklinik O. tätig waren. Insofern dürften zum Zeitpunkt der Zeugeneinvernahme bei den Zeugen G und S2. die oben genannten subjektiven Gesichtspunkte im Rahmen der Beweiswürdigung zu vernachlässigen sein. Selbst wenn den Aussagen der Zeugen kein Aussagewert von solchem Gewicht beizumessen wäre, dass der Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung allein auf deren Zeugenaussagen gestützt werden könnte, können diese aber durchaus im Zusammenwirken mit den anderen Beweismitteln zumindest ergänzend herangezogen werden.
Hierbei sind insbesondere die Zeugenaussagen in dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht München am 25.03.2021 zu nennen. S1. hat bestätigt, dass die Erstuntersuchung von H., die Folgeuntersuchungen aber routinemäßig durch andere Ärzte wahrgenommen wurden. Das bedeutet, dass zumindest bei routinemäßigen Behandlungen, was sicherlich die Vielzahl von Fällen betreffen wird, eine persönliche Leistungserbringung durch den Kläger eben nicht stattfand. Auch eine Delegation auf andere Ärzte, seien es Oberärzte oder Assistenzärzte in der Klinik war nicht zulässig. Die Aussage von S1., die beim Kläger als Chefsekretärin tätig war, ist nach Überzeugung des Gerichts von besonderer Bedeutung, da davon auszugehen ist, dass diese qua ihrer Funktion über die genauen Behandlungsabläufe bestens Bescheid wusste. Aber auch die Zeugin M. (Zum damaligen Zeitpunkt tätig als Gesundheitsund Krankenpflegerin in der Ambulanz der Fachklinik O.) bestätigt die Zeugenaussage von S1., indem sie ausführte, die Erstbehandlung sei von H. erfolgt und Folgebehandlungen in der Regel von Assistenten durchgeführt worden. Lediglich bei einer Verschlechterung oder in sonstigen besonderen Konstellationen sei H. hinzugezogen worden. Auch deren Aussagewert ist insofern von erheblicher Bedeutung, als sie qua ihrer Funktion vor Ort, nämlich in der Ambulanz beschäftigt war und deshalb „aus erster Hand“ Einblick hatte, welcher Arzt bei welchen Konstellationen unmittelbar am Patienten tätig war. Was evtl. abrechenbare und erbrachte Leistungen von nichtärztlichem Personal betrifft, ist davon auszugehen, dass nichtärztliche Leistungen durch die nicht ermächtigten Assistenzärzte veranlasst wurden.
Ferner spricht gegen eine persönliche Leistungserbringung durch den Kläger der Umstand, dass die ausgestellten Rezepte nicht die Unterschrift des Klägers tragen. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung gilt nicht nur für Behandlungen des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes, sondern auch für die Rezeptausstellung durch den behandelnden Arzt (BSG, Urteil vom 20.03.2013, Az B 6 KA 17/12 R). Denn es besteht ein Zusammenhang zwischen der Behandlung einerseits und der Rezeptausstellung andererseits. Letztere folgt dem Behandlungsgeschehen. Nur wenn der Vertragsarzt sich persönlich vom Krankheitszustand des Patienten überzeugt hat, dürfen Verordnungen ausgestellt werden (§ 15 Abs. 2 BMV-Ä). Aus diesem Grund bestimmt auch § 2 Abs. 1 Nr. 10 der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (AMVV), dass die Verschreibung die eigenständige Unterschrift der verschreibenden Person enthalten muss.
Dafür, dass der Kläger nur in seltenen Fällen im Rahmen seiner Ermächtigung die Leistungen persönlich erbracht hat, sprechen auch einzelne Behandlungsfälle, so der in den angefochtenen Bescheiden erwähnte Behandlungsfall A. Nach den Unterlagen fanden insgesamt 22 Arzt-Patienten-Kontakte in einem Zeitraum von annähernd zwei Jahren (16.09.2011 bis 05.07.2013) statt, ohne dass Leistungen dem Kläger zugeordnet werden konnten. Es mag sein, dass der Kläger bei dem einen oder anderen Behandlungstermin zugegen war, was aber für eine persönliche Leistungserbringung nicht ausreicht. Entgegen der Auffassung der Klägerseite besteht auch kein Beweisverwertungsverbot. Denn die Erkenntnisse der Beklagten fußen auf den Unterlagen der Staatsanwaltschaft, die die Beklagte im Rahmen der Akteneinsicht eingesehen hat. Ebenfalls lässt sich die Behauptung der Klägerseite, es hätten Manipulationen der Patientenakte stattgefunden, nicht objektivieren.
Die Beklagte beruft sich auch auf den Auditbericht von 2011, erstellt von dem Institut der Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung. Daraus ergibt sich, dass der Ambulanzbereich von einer Schwester in Zusammenarbeit mit den Ärzten betrieben wird. Eine Konkretisierung, um welche Ärzte es sich handelt, ob unterschieden wird zwischen einer Erstbehandlung und einer routinemäßigen Folgebehandlung, unterbleibt jedoch. Der Beweiswert, der diesem Auditbericht 2011 zukommt, ist nach Überzeugung des Gerichts von relativ geringer Bedeutung, zumal dort insgesamt der status quo lediglich pauschal festgehalten wird, ohne ins Detail zu gehen. Gleiches gilt für das QM-Handbuch (Stand: 07.11.2011). Dort ist die Rede davon, dass in der Ambulanz die Patienten dem Ambulanzarzt vorgestellt werden. Um wen es sich handelt, bleibt auch hier offen. Hinzu kommt, dass nicht feststeht, ob stets entsprechend dem Auditbericht und dem QM-Handbuch verfahren wurde. Das Gericht misst deshalb sowohl dem Auditbericht von 2011, als auch dem QM-Handbuch nur einen geringen Aussagewert für die Frage, ob ein Verstoß gegen die persönliche Leistungserbringung vorliegt oder nicht, bei. Letztendlich kann dies aber dahinstehen, da nach Würdigung der übrigen Beweisergebnisse in ihrer Gesamtheit nach Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Kläger gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung verstoßen hat.
Schließlich hat der Kläger auch insofern gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung verstoßen, als er bei längeren Abwesenheitszeiten als sieben Tage, so insbesondere im Jahr 2012 mit 120 aufeinanderfolgenden Tagen die Vertretungen bei der Beklagten nicht angezeigt hat; dies, obwohl er in dem Ermächtigungsbescheid vom 26.05.1999 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde. Evtl. bestand sogar eine Genehmigungspflicht zumindest im Jahr 2012. Leistungen in Abwesenheit des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes sind nur dann vergütungsfähig, wenn es sich entweder um eine genehmigte Vertretung nach § 32 Abs. 2 Ärzte -ZV handelte, oder die Voraussetzungen für eine genehmigungsfreie Vertretung nach § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV vorlagen. Bei einer Vertretung unter einer Woche sind Leistungen des Vertreters abrechenbar, ohne dass es einer Mitteilung oder einer Genehmigung bedurfte. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, besteht nach § 32 Abs. 1 S. 4 Ärzte-ZV eine Mitteilungspflicht. Eine genehmigungsfreie Vertretung ist innerhalb von zwölf Monaten bis zu einer Dauer von drei Monaten zulässig. Der Kläger hat deshalb auch gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Hierbei handelt es sich um eine der Grundpflichten im Vertragsarztrecht.
Zu Recht geht die Beklagte von einem Verschulden des Klägers aus. Denn mit den von ihm abgegebenen Sammelerklärungen garantiert der Kläger für die sachlich-rechnerische Richtigkeit seiner Abrechnungen. Verstößt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt dagegen, entfällt die Garantiefunktion. Dies musste dem Kläger seit langem, nämlich seit dem Ermächtigungsbescheid vom 26.05.1999 bekannt sein.
Auch der Umfang der Rückforderung bleibt rechtlich ohne Beanstandung. Der Beklagten steht nach gefestigter Rechtsprechung der Sozialgerichte ein weites Schätzungsermessen zu (vgl. BSG, Urteil vom 7.9.1997, Az 6 Rka 86/95). Davon hat sie auch Gebrauch gemacht und dem Kläger sogar einen Sicherheitsabschlag von jeweils 15% eingeräumt.
Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.


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