Medizinrecht

Mangelnde Eignung zum öffentlich bestellten Sachverständigen

Aktenzeichen  M 16 E 18.1461

Datum:
17.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20381
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 36
VwGO § 123

 

Leitsatz

Eine öffentliche Bestellung zum Sachverständigen kommt – zumal im Wege einer einstweiligen Anordnung unter Vorwegnahme der Hauptsache – nicht in Betracht, wenn Bedenken gegen die Eignung (§ 36 Abs. 1 S. 1 GewO) des Gutachters bestehen, weil seine Gutachten den formalen und inhaltlichen Anforderungen nicht genügen. (Rn. 21 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige erneute öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache.
Der … geborene Antragsteller, der bis heute hauptberuflich eine Kanzlei für Wirtschaftsprüfung betreibt, war zunächst von 1991 bis zum Erreichen der ehedem festgelegten Altershöchstgrenze (vgl. dazu BayVGH, B.v. 26.1.2015 – 22 ZB 14.1673 – juris Rn. 9) im Dezember 2004 (mit Auslauffrist bis 31. Mai 2005) von der Antragsgegnerin als Sachverständiger für das Sachgebiet „Bewertung der Lagerstätten von Steinen und Erden“ öffentlich bestellt und vereidigt.
Nach dem Wegfall der generellen Altershöchstgrenze für öffentlich bestellte Sachverständige wurde er im Dezember 2012 auf Antrag erneut für fünf Jahre (bis 31. Dezember 2017) als Sachverständiger für das oben genannte Sachgebiet öffentlich bestellt und vereidigt.
Nachdem der Antragsteller ab März 2017 von der Antragsgegnerin mehrmals auf die Befristung der öffentlichen Bestellung hingewiesen worden war, beantragte er unter dem 18. Juli 2017 die erneute öffentliche Bestellung. Auf Anforderung hin reichte er im Oktober 2017 zwei sowie ein weiteres Gutachten im November 2017 ein, die die Antragsgegnerin ihrem Vertrauenssachverständigen Prof. Dr.-Ing. K., der öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Steine und Erden der IHK G. ist, vorlegte. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 26. November 2017 zu dem Ergebnis, die von ihm überprüften Gutachten des Antragstellers, darunter das Gutachten „Verkehrswert der Kiesabbaugrundstücke des Kieswerks S. B. e.K.“ vom 31. August 2017, wiesen eine Reihe sich wiederholender und teilweise wesentlicher Mängel auf und hielten die nach der Sachverständigenordnung geforderten Mindeststandards nicht ein.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 erneuerte die Antragsgegnerin die Bestellung des Antragstellers unter Verweis auf weiteren Klärungsbedarf vorläufig um zwei Monate bis zum 28. Februar 2018.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller das Ergebnis der oben genannten Stellungnahme des Vertrauenssachverständigen (unter Beifügung eines Exemplars mit geschwärztem Briefkopf des Sachverständigen) mit und verwies zudem auf fehlende Fortbildungsnachweise. Am 7. Februar 2018 bat der Antragsteller um Frist zur Stellungnahme bis zum 9. Februar 2018, die gewährt wurde; die entsprechende Äußerung des Antragstellers vom 9. Februar 2018 ging am 14. Februar 2018 bei der Antragsgegnerin ein.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2018, zugestellt am 24. Februar 2018, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf erneute Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger für das Sachgebiet „Bewertung der Lagerstätten von Steinen und Erden“ ab (Ziffer 1 des Bescheids) und forderte den Antragsteller auf, die Bestellungsunterlagen (Stempel, Ausweis, Urkunde) spätestens bis zum 14. März 2018 zurück zu geben (Ziffer 2). Der Sofortvollzug von Ziffer 2 dieses Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 3). Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen einer erneuten Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger nach § 36 GewO i.V.m. § 3 der Satzung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern über die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen (Sachverständigenordnung – SVO) lägen nicht vor. Der Antragsteller habe die erforderliche besondere Sachkunde nicht nachgewiesen. Die Qualität der drei vom Antragsteller eingereichten Gutachten genüge nicht den Anforderungen an qualifizierte Sachverständigengutachten im fraglichen Sachgebiet. Zudem habe der Antragsteller keinen Nachweis darüber erbracht, seiner Fortbildungspflicht nach § 17 SVO nachgekommen zu sein. Der Antragsteller habe das Sachgebiet, für das er bestellt sei, in seinen Gutachten falsch bezeichnet. Schließlich bestünden unter dem Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers, insbesondere habe er regelmäßig Fristen verstreichen lassen und auf Nachrichten der Antragsgegnerin nicht oder nicht in angemessener Zeit reagiert. Als Indiz sei insoweit auch zu werten, dass der Antragsteller seiner fachlichen Fortbildungspflicht nicht nachgekommen sei, wiederholt veraltete Literatur verwende und eine unrichtige Bezeichnung führe. Es stelle sich die Frage, ob die Unzuverlässigkeit nicht auch zumindest in Teilen auf das mittlerweile hohe Alter des Antragstellers zurückzuführen sei.
Am Montag, den 26. März 2018 ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigten Klage auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Verlängerung der öffentlichen Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger erheben (M 16 K 18.1457) und beantragte mit zeitgleich eingegangenem Schriftsatz:
Die Antragsgegnerin wird ohne mündliche Verhandlung, hilfsweise nach mündlicher Verhandlung, im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die öffentliche Bestellung und Vereidigung des Antragstellers als Sachverständiger für das Sachgebiet „Bewertung der Lagerstätten von Steinen und Erden“ rückwirkend ab 1.3.2018 zu verlängern bis zur Entscheidung über die Klage vom 22. März 2018, längstens aber bis 28.2.2023.
Die einstweilige Anordnung sei zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes geboten, weil der Antragsteller ohne öffentliche Bestellung keine Aufträge erhalte, sein Ruf als Sachverständiger Schaden erleiden könne und ihm damit in der Zeit bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache irreparable Einnahmeausfälle drohten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsgegnerin habe, wie der angegriffene Bescheid selbst ausführe, die Stellungnahme des Antragstellers vom 9. Februar 2017 nicht mehr berücksichtigt und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Name des Vertrauenssachverständigen sei unter Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze verschwiegen worden. Der Vorwurf der Versäumung von Fristen sei unbegründet; diese seien unbillig gesetzt worden, der Antragsteller habe ständig in Kontakt mit der Antragsgegnerin gestanden und schließlich sei der Rückschluss auf die Sachverständigentätigkeit unzulässig. Bei der im Bescheid genannten Bezeichnung des Fachgebiets sei dem Antragsteller unbewusst ein Versehen unterlaufen, der den Vorwurf der Unzulässigkeit nicht trage. Seiner Fort- und Weiterbildungspflicht sei er durch Vorlage der genannten Nachweise nachgekommen. In der Sache sei die Kritik des Vertrauenssachverständigen unberechtigt, dazu wurde auf die vorgelegte Stellungnahme des Antragstellers sowie darauf verwiesen, dass dieser in der Vergangenheit stets einwandfrei gearbeitet habe und seitens der Auftraggeber noch nie Beanstandungen erhoben worden seien. Wenn die Antragsgegnerin den Bescheid auf das hohe Alter des Antragstellers stütze, lege dies eine unzulässige Altersdiskriminierung nahe.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 6. April 2018, den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller begehre eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Es sei bereits kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht; es erscheine überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller den Nachweis der besonderen Sachkunde auch im Hauptsacheverfahren nicht führen können werde. Die begehrte vorläufige Bestellung und Vereidigung sei auch nicht aufgrund einer Folgenabwägung geboten. Ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache sei ihm zumutbar, zumal die späte Entscheidung über seinen Antrag auf die verzögerte und unvollständige Einreichung zurückzuführen sei, er nach wie vor als freier Sachverständiger auf dem genannten Fachgebiet tätig sein könne und zudem nur nebenberuflich als Sachverständiger arbeite.
Unter dem 23. Mai 2018 übersandte die Antragsgegnerin ein Gutachten des Vertrauenssachverständigen Dr. K., zu dem der Antragsteller mit Schriftsatz vom 17. Juli 2018 Stellung nahm. Unter dem 11. Juni 2018 legte sie ein Gutachten vom 5. Juni 2018 von Dr. R. F., Diplom-Ingenieur sowie öffentlich bestellter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken der IHK Niederbayern, zu dem Gutachten des Antragstellers vom 31. August 2017 über den Verkehrswert der Kiesabbaugrundstücke Kieswerk S. B. e.K. vor. Auch Dr. F. kommt zu dem Ergebnis, das genannte Gutachten des Antragstellers genüge nicht den Anforderungen der Sachverständigenordnung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in Eil- und Hauptsacheverfahren sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Das Gesuch um einstweiligen Rechtsschutz bleibt ohne Erfolg.
Soweit der Antragsteller die vorläufige erneute Bestellung als Sachverständiger erstrebt, stellt sich sein Begehren als Antrag nach § 123 VwGO dar.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch (ein subjektiv-öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln) und einen Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit) glaubhaft macht. Ist der Antrag – wie hier (vgl. OVG NRW, B.v. 6.4.2017 – 4 B 799/16 – juris Rn. 6) – auf eine (zeitweise) Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann grundsätzlich nur in Betracht, wenn ein Obsiegen in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2018 – 21 CE 18.136 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, B.v. 3.8.2015 – 22 CE 15.1140 – juris Rn. 15 m.w.N.). Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 10.2.2001 – 7 VR 6/11 – juris Rn. 6; BVerfG, B.v. 12.9.2011 – 2 BvR 1206/11 – juris Rn. 15).
Nach diesen Maßstäben kommt die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache im Wege einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Der Antragsteller hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. dazu BayVGH, B.v. 5.8.2014 – 3 CE 14.771 – juris Rn. 1) weder einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg seiner Klage im Hauptsacheverfahren glaubhaft gemacht – wobei einiges dafür spricht, dass das Gesuch zumindest im Hauptantrag als Klage auf Verpflichtung zur erneuten Bestellung als Sachverständiger nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu verstehen ist – noch unzumutbare Nachteile durch ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache.
Nach § 36 Abs. 1 GewO können Personen auf den Gebieten der Wirtschaft nur dann als Sachverständige öffentlich bestellt werden, wenn sie besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung ersichtlich sind.
Davon ausgehend ist hier zunächst festzustellen, dass die langjährige einschlägige Berufserfahrung des Antragstellers sowie seine nahezu 20-jährige Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für eine besondere Sachkunde i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GewO, Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Ergänzung und Ausführung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern – AGIHKG – i.V.m. § 3 Abs. 2 lit. b) und d) der Satzung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern über die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen (Sachverständigenordnung – SVO) sprechen. Dass der Antragsteller diese Sachkunde nicht oder nicht mehr besitzt, etwa weil er neuere fachliche Entwicklungen nicht mehr verfolgt hätte, ist bisher in dem Verfahren nicht substantiiert thematisiert worden und für die Kammer nicht greifbar; auch die von der Antragsgegnerin vorgelegten Gutachten versteht die Kammer nicht in jenem Sinne.
Letztlich kann diese Frage hier aber dahin stehen, da nach aktuellem Stand des Verfahrens jedenfalls durchgreifende, auf konkrete Tatsachen gestützte Bedenken gegen die Eignung des Antragstellers i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 lit. a) GewO i.V.m. § 3 Abs. 2 lit. c) und g) SVO bestehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung kommt es insoweit nicht auf das Fehlen der Eignung, sondern allein darauf an, ob Tatsachen vorliegen, die Bedenken dagegen begründen (vgl. OVG NRW, B.v. 13.2.2006 – 20 L 120/06 – juris Rn. 7).
Die Eignung verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 4.9.1990 – 1 C 13/89 – juris Rn. 12) neben der besonderen praktischen Erfahrung auch die Kenntnis und Einhaltung der maßgeblichen Vorgaben. Das gilt insbesondere für die Gutachtenserstattung, die nach § 36 Abs. 1 Satz 2 GewO einen wesentlichen und charakteristischen Bestandteil der Tätigkeit als öffentlich bestellter Sachverständiger darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 22 ZB 14.1728 – juris Rn. 36). Der Sachverständige muss bereit und fähig sein, Überprüfungen im Einklang mit den bestehenden Rechtsnormen und etwaigen behördlichen Richtlinien durchzuführen. Erforderlich ist unter anderem, dass der Sachverständige alle einschlägigen Vorgaben für die Gutachtenserstellung einhält (vgl. BVerwG, U.v. 4.9.1990 – 1 C 13/89 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 16.9.2013 – 22 AS 13.1672 – juris Rn. 38). Die formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Gutachtenserstellung durch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige werden dabei durch Art. 7 Abs. 2 AGIHKG i.V.m. § 9 Abs. 3 SVO konkretisiert. Danach hat der Sachverständige seine Aufgaben unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der von Wissenschaft, Technik und Erfahrung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sachverständigen zu erledigen. Die tatsächlichen Grundlagen der fachlichen Beurteilungen sind sorgfältig zu ermitteln und die Ergebnisse nachvollziehbar zu begründen. Er hat in der Regel die von der Antragsgegnerin herausgegebenen Mindestanforderungen an Gutachten und sonstigen von den Industrie- und Handelskammern herausgegebenen Richtlinien zu beachten (Gewissenhaftigkeit). Ein Anhalt für die Anforderungen an Gutachten ergibt sich dabei auch aus den von der Antragsgegnerin herausgegebenen „Empfehlungen für den Aufbau eines schriftlichen Sachverständigengutachtens“ (Stand: 1.3.2016, abrufbar über die Internetseite der Antragsgegnerin).
Nach diesen Vorgaben bestehen hier mit Blick auf die von der Antragsgegnerin eingeholten Stellungnahmen Zweifel daran, dass die Gutachten des Antragstellers den vorgenannten formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Gutachtenserstellung genügen. Die Kammer stellt dabei maßgeblich auf das Gutachten des Antragstellers zum Verkehrswert der Kiesabbaugrundstücke der Kieswerke S. B. e.K. vom 31. August 2017 und die diesbezüglichen sachverständigen Äußerungen der Vertrauenssachverständigen Prof. Dr. K. vom 26. November 2017 sowie Dr. F. vom 5. Juni 2018 ab. Diese Ausführungen betreffen unmittelbar das hier in Rede stehende Sachgebiet der „Bewertung der Lagerstätten von Steinen und Erden“ und beanspruchen demnach Aussagekraft für die hier zu beurteilende, gleichfalls auf jenes Sachgebiet bezogene Eignung des Antragstellers. Dass die Stellungnahme Dr. F. erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegt wurde, steht der Berücksichtigung dabei nicht entgegen. Wie bereits erwähnt, kommt es im hiesigen Verfahren nach § 123 VwGO auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, nicht auf diejenigen zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung.
Die weiteren im Verfahren vorgelegten Gutachten des Antragstellers mit den Titeln „Verkehrswert des Zubehörs auf Flurstück 136 der Gemarkung …, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Ingolstadt“ und „Verkehrswert der G. Kieswerke K. GmbH“ sowie die Äußerungen der Vertrauenssachverständigen dazu verhalten sich hingegen offenkundig im Schwerpunkt zu Fragen der Unternehmensbewertung und damit nicht zu dem hier in Rede stehenden Sachgebiet. Damit kann ihnen aus Sicht der Kammer allenfalls ergänzend Bedeutung für die hier inmitten stehende Eignung zukommen und sollen sie jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes außer Betracht bleiben, zumal sich daraus prima facie keine wesentlich anderen Erkenntnisse ergeben.
Prof. Dr. K. und Dr. F. kommen in ihren sachverständigen Äußerungen übereinstimmend zu dem Ergebnis, das vorgenannte Gutachten des Antragstellers zum Verkehrswert der Kiesabbaugrundstücke der Kieswerke S. B. e.K. vom 31. August 2017 leide an wesentlichen Mängeln und genüge den Anforderungen der Sachverständigenordnung nicht. Diese von der Antragsgegnerin eingeholten sachverständigen Stellungnahmen sind im gerichtlichen Verfahren verwertbar (vgl. nur BVerwG, B.v. 20.2.1998 – 2 B 81/97 – juris Rn. 4), inhaltlich nachvollziehbar und auch überzeugend; durch die Ausführungen des Antragstellers werden sie nicht substantiiert in Frage gestellt. Beide Vertrauenssachverständige sprechen eine Vielzahl von Defiziten an. Ohne weiteres nachvollziehbar und erheblich erscheint der Kammer dabei insbesondere die Beanstandung, dass Auftrag und Zweck des Gutachtens nicht eindeutig benannt werden (Gutachten Prof. Dr. K. S. 5; Gutachten Dr. F. S. 2) und damit u.a. nicht klar wird, ob es sich um eine steuerliche Wertermittlung handelt (Gutachten Dr. F. S. 2, 3). Soweit die Vertrauenssachverständigen bemerken, in dem Gutachten des Antragstellers werde nicht klar und eindeutig herausgestellt, welche Grundstücke Gegenstand der Bewertung seien bzw. dass sich nur ein kleiner Anteil davon im Eigentum des Auftraggebers S. B. befinde (Gutachten Prof. Dr. K. S. 6, 8; Gutachten Dr. F. S. 2), erscheint auch dies ohne weiteres durchgreifend. Ebenfalls als überzeugend stellt sich die Kritik dar, der Antragsteller übernehme mehrfach wesentliche Parameter von anderen Stellen, z.B. den Lagerstättenvorrat von einem Landschaftsarchitekten (Gutachten Prof. Dr. K. S. 6; Gutachten Dr. F. S. 2) und den Verkaufspreis für Kies vom Landratsamt (Gutachten Prof. Dr. K. S. 6; Gutachten Dr. F. S. 3), ohne diese Grundlagen zu prüfen bzw. näher zu erläutern. In diese Richtung weist auch der nachvollziehbare und schwerwiegende Einwand Dr. F., der Antragsteller ermittle den Verkehrswert ohne jede Begründung aus dem Mittelwert von sog. Vergleichswertverfahren (etwa 5 Mio EUR) und sog. Ertragswertverfahren (etwa 2,25 Mio. EUR), bei derartig gravierenden Unterschieden der Ergebnisse wäre jedoch eine Begründung und Verifizierung erforderlich (Gutachten Dr. F. S. 4). Ebenfalls berechtigt erscheint schließlich die Kritik an betriebswirtschaftlichen und rechentechnischen Einzelheiten der Wertermittlung, z.B. am Ansatz eines Abbauzeitraums von 30 Jahren (Gutachten Prof. Dr. K. S. 7; Gutachten Dr. F. S. 3) und an der Verwendung unterschiedlicher Kapitalisierungszinssätze im Rahmen der Wertermittlung der Grundstücke nach dem Ertragswertverfahren und bei der Ermittlung der Kultivierungskosten (Gutachten Dr. F. S. 3), ohne dass es darauf noch entscheidend ankäme.
Die Ausführungen des Antragstellers dazu vermögen die Tragfähigkeit der genannten gutachtlichen Stellungnahmen der Vertrauenssachverständigen nicht zu erschüttern und die daraus erwachsenden Zweifel an der Eignung des Antragstellers somit nicht zu zerstreuen. Insbesondere ist dazu anzumerken, dass der Einwand, er habe die Herleitung des Lagerstättenvorrats durch den Landschaftsarchitekten selbstverständlich auf seine Plausibilität geprüft, die Frage aufwirft, ob dies dann nicht auch in dem Gutachten zu dokumentieren und offen zu legen wäre (vgl. die o.g. Empfehlungen der Antragsgegnerin S. 5 und 7). Im Kern lässt sich die Entgegnung des Antragstellers dahin zusammenfassen, die Vertrauenssachverständigen der Antragsgegnerin stellten überzogene Anforderungen, die über die Gepflogenheiten und Notwendigkeiten der Praxis hinausgingen; damit können die detaillierten und substantiierten Beanstandungen der vorgenannten gutachtlichen Stellungnahmen nicht erschüttert werden.
Ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Verlängerung seiner Bestellung als Sachverständiger für das Sachgebiet „Bewertung der Lagerstätten von Steinen und Erden“ ist damit nach aktuellem Stand nicht ersichtlich.
Zudem sind auch keine unzumutbaren Nachteile im o.g. Sinne durch ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache ersichtlich. Der Antragsteller kann nach wie vor gutachterlich tätig werden. Zudem ist nicht vorgetragen, dass die hier in Rede stehende nebenberufliche Betätigung erhebliche Bedeutung für seine berufliche Existenz hat, zumal er nach eigenen Angaben nur etwa fünf Gutachten pro Jahr erstellt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die begehrte vorläufige Bestellung dem Regelungsziel des § 36 GewO widerspräche, im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs und einer funktionierenden Rechtspflege allen Behörden, Gerichten und privaten Interessenten für komplizierte Sachverhaltsfeststellungen und Prüfungen kompetente und glaubwürdige Fachleute anzubieten, ohne schwierige und zeitraubende Nachforschungen über den Ruf und die Eignung des Gutachters anstellen zu müssen (vgl. BVerfG, B.v. 25.3.1992 – 1 BvR 298/86 – juris Rn. 52).
Soweit sich das Begehren des Antragstellers so verstehen lässt, dass er zugleich Rechtsschutz gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Verpflichtung zur Rückgabe der Bestellungsunterlagen (Ziffern 2 und 3 des Bescheids) sucht (in diesem Sinne die Ausführungen im Hauptsacheverfahren, Schriftsatz v. 22.3.2018 S. 4), kann ein insoweit statthafter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO jedenfalls ebenso wenig Erfolg haben. Da die bisherige Bestellung ausgelaufen ist und der Antragsteller nach aktuellem Stand voraussichtlich keinen Anspruch auf erneute Bestellung hat, folgt die Rückgabepflicht aus § 24 SVO.
Nach alldem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen. Weitergehende Fragen müssen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Ausgehend von einem Streitwert von 15.000 EUR der auf die öffentliche Bestellung als Sachverständiger gerichteten Klage (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 22 ZB 14.1728 – juris Rn. 64) war der Streitwert im Eilverfahren hier nach der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Ziffer 1.5) auf 7.500,00 EUR zu reduzieren.


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