Medizinrecht

Normenkontrollantrag, Hundehaltungsverordnung, Leinenpflicht, Ermächtigungsgrundlage, Räumlicher Geltungsbereich, Bestimmtheit, Berufsausübungsfreiheit, Hundezüchter

Aktenzeichen  10 N 20.1227

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13319
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2
LStVG Art. 18 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 hinsichtlich der Passage „sowie bei größeren Veranstaltungen auf öffentlichen Grundflächen und Plätzen“ sowie § 4 der Hundehaltungsverordnung der Antragsgegnerin in der Fassung vom 26. Januar 2021 werden für unwirksam erklärt.
Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.
II. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Der zulässige Normenkontrollantrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
a) Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
aa) Die in der mündlichen Verhandlung von dem Antragsteller vorgenommene Antragsänderung in Form der Umstellung des Antrags gerichtet auf Unwirksamkeitserklärung der aktuell gültigen Hundehaltungsverordnung vom 26. Januar 2021 (mit Ausnahme der Bußgeldvorschrift des § 5 d. Hundehaltungsverordnung, wie sich auch aus § 88 VwGO ergibt) ist unter den Gesichtspunkten des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG und der Prozessökonomie als sachdienlich im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO analog anzusehen.
bb) Die beanstandete Hundehaltungsverordnung vom 26. Januar 2021 ist statthafter Gegenstand der Normenkontrolle, da sie Rechtsvorschriften im Rang unter dem Landesgesetz beinhaltet, über deren Gültigkeit der Senat gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und Art. 5 Satz 1 AGVwGO (i.d. bis zum 30.4.2022 gültigen Fassung) auf Antrag entscheidet.
cc) Der Antragsteller ist auch nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Danach kann den Antrag unter anderem jede natürliche Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller hat im vorliegenden Fall geltend gemacht, als im Geltungsbereich der Hundehaltungsverordnung ansässiger Betreiber einer Hundezucht, Hundepension und Hundeausbildungsstätte von Schäferhunden durch die zur Prüfung gestellte Hundehaltungsverordnung in subjektiv-öffentlichen Rechten unmittelbar betroffen zu sein. Dies reicht für die erforderliche Antragsbefugnis aus.
dd) Auch die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von einem Jahr ab Bekanntmachung der beanstandeten Rechtsvorschrift ist gewahrt.
b) Der Normenkontrollantrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet.
aa) Die Hundehaltungsverordnung vom 26. Januar 2021 ist formell rechtmäßig.
(1) So verfügt die Antragsgegnerin, die Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft ist, insbesondere über die erforderliche Verbandszuständigkeit für den Erlass der Hundehaltungsverordnung, weil nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO in Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 Satz 2 LStVG für den Erlass von Verordnungen in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, wie hier im Fall einer auf Art. 18 Abs. 1 LStVG gestützten Hundehaltungsverordnung, nicht die Verwaltungsgemeinschaft, sondern die Mitgliedsgemeinde zuständig ist. Die Antragsgegnerin hat ebenfalls die Organzuständigkeit gewahrt, da nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 LStVG der Gemeinderat die Verordnung erlassen hat.
(2) Das für den Erlass von Verordnungen nach Art. 42 ff. LStVG vorgeschriebene Verfahren ist eingehalten. Insbesondere wurde die Hundehaltungsverordnung vom 26. Januar 2021 gemäß Art. 51 Abs. 1 LStVG in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 GO ordnungsgemäß durch Niederlegung in der Verwaltung der Antragsgegnerin und durch den entsprechenden Anschlag über die Niederlegung an der Amtstafel der Antragsgegnerin bekannt gegeben (vgl. Senatsakte, Bl. 58). Damit hat die Antragsgegnerin auch ihrer Hinweispflicht im Art im Sinne von Art. 52 LStVG entsprochen. Dieser Hinweispflicht genügt eine Behörde beziehungsweise eine Körperschaft unter anderem durch einen Hinweis auf ihrer Internetseite (vgl. Engelbrecht in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand: 1.3.2022, Art. 52 Rn. 2). Dies ist im vorliegenden Fall auch geschehen (vgl. Senatsakte, Bl. 59).
Nicht durchdringen kann der Antragsteller in diesem Zusammenhang mit dem Vorbringen, dass die Antragsgegnerin ihn nicht angehört habe. Ein Anhörungserfordernis vor dem Erlass von abstrakt-generell wirkenden Rechtsverordnungen, wie es nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG grundsätzlich vor dem Erlass von Verwaltungsakten gilt, besteht nicht, sondern kann lediglich spezialgesetzlich normiert werden. Letzteres hat der Landesgesetzgeber in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG in Verbindung mit Art. 42 ff. LStVG indes nicht getan.
(3) Die Hundehaltungsverordnung vom 26. Januar 2021 genügt auch Art. 45 Abs. 2 LStVG, wonach in jeder Verordnung ihre besondere Rechtsgrundlage angegeben werden soll. Es entspricht guter Verwaltungspraxis, die Ermächtigung in der Einleitungsformel einer Verordnung präzise und vollständig anzugeben. Die Einhaltung der Norm ist indes nicht Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. BayVerfGH, E.v. 6.8.1981 − Vf. 19-VII-79 – juris Rn. 32 m.w.N.). Daher reicht aus, dass in der Hundehaltungsverordnung nach der Überschrift und vor der Präambel Art. 18 Abs. 1 LStVG und im Übrigen in § 5 der Hundehaltungsverordnung Art. 18 Abs. 3 LStVG als Rechtsgrundlagen benannt sind. Die Hundehaltungsverordnung bestimmt gemäß Art. 50 LStVG mit ihrem § 6 den Zeitpunkt des Inkrafttretens und ihre Geltungsdauer. Eine allgemeine Begründungspflicht für den Erlass von Rechtsverordnungen entsprechend Art. 39 BayVwVfG, wie der Antragsteller der Sache nach argumentiert, besteht gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG in Verbindung mit Art. 42 ff. LStVG nicht.
bb) § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 hinsichtlich der Passage „sowie bei größeren Veranstaltungen auf öffentlichen Grundflächen und Plätzen“ sowie § 4 der Hundehaltungsverordnung sind materiell rechtswidrig und damit ungültig. Im Übrigen bestehen hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit der Hundehaltungsverordnung keine Bedenken, so dass der Normenkontrollantrag insoweit abzulehnen ist.
(1) Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Hundehaltungsverordnung ist Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG, wonach die Gemeinden zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit durch Verordnung das freie Umherlaufen von großen Hunden und Kampfhunden im Sinn des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen einschränken können. Diese verhältnismäßige und verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG dient dazu, die abstrakte Gefahr abzuwehren, die entsteht, wenn Hunde Menschen oder Tiere angreifen, anspringen oder sich sonst gefährdend verhalten. Die damit verbundenen Grundrechtseingriffe sind grundsätzlich als wenig intensiv einzustufen. Die angemessene Festlegung des Umfangs ist im Einzelfall Sache der eine solche Verordnung erlassenden Gemeinde (vgl. BayVerfGH, E.v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – juris Rn. 48 m.w.N.).
(2) Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist dem gegenüber nicht vorrangig und entfaltet daher auch keine Sperrwirkung, wie die Antragstellerseite argumentiert. Zwar muss nach § 28 Abs. 1 StVO ein Hund im Straßenverkehr nicht zwingend an einer Leine geführt werden, jedoch steht diese Vorschrift einer auf Art. 18 Abs. 1 LStVG gestützten Hundehaltungsverordnung nicht entgegen, weil diese über die Regelung der Teilnahme am Straßenverkehr hinausgeht und dem allgemeinen Ordnungsrecht zuzurechnen ist, sofern der Verordnungsgeber damit keine verkehrsbezogenen Zwecke verfolgt (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 48 m.w.N.). Dass Letzeres der Fall ist, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
(3) Entgegen der Auffassung des Antragstellers entfaltet auch das Bayerische Jagdgesetz gegenüber dem Erlass einer auf Art. 18 Abs. 1 LStVG gestützten Hundehaltungsverordnung keine Sperrwirkung. Das Bayerische Jagdgesetz und das Landes-straf- und Verordnungsgesetz verfolgen unterschiedliche Zwecke. Nach Art. 1 Abs. 2 BayJG hat ersteres den Erhalt des Wildbestandes und dessen Lebensgrundlagen, die Vermeidung der Beeinträchtigung land-, forst- und fischereiwirtschaftlicher Nutzung sowie den Ausgleich der jagdlichen Interessen mit sonstigen öffentlichen Belangen zum Ziel. Dagegen dient der Erlass einer Hundehaltungsverordnung nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG, der sich in dem mit „Schutz der Gesundheit und Reinlichkeit“ betitelten 1. Abschnitt des Dritten Teils dieses Gesetzes befindet, der präventiven Abwehr der Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit. Außerdem sind die Anwendungsbereiche grundverschieden. Das Bayerische Jagdgesetz regelt die Jagd, das Jagdwesen und die damit zusammenhängenden Lebenssachverhalte. Im Gegensatz dazu erlaubt Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG, das freie Umherlaufen von großen Hunden und Kampfhunden im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG zu regeln. Die Anwendungsbereiche unterscheiden sich nicht zuletzt auch in räumlicher Hinsicht (vgl. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG: „in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen“ u. Art. 3 BayJG: „Jagdrevier“). Beide Regelwerke schließen sich daher nicht aus, sondern ergänzen sich und finden nebeneinander Anwendung.
(4) Die für den Erlass der beanstandeten Hundehaltungsverordnung der Antragsgegnerin erforderliche abstrakte Gefahr für ein Schutzgut im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG liegt vor.
(a) Diese ist gegeben, wenn bei bestimmten Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die Schutzgüter im Einzelfall einzutreten pflegt (vgl. BayVerfGH, E.v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – juris Rn. 52). Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts bereits ausreichen.
Zu dem natürlichen Verhalten von Hunden gehören das Beißen, Hetzen, Reißen, Anspringen, Schnappen, Nachrennen und Beschnüffeln, das sich bei freilaufenden Hunden spontan und damit unberechenbar äußern und zu einer Gefährdung unbeteiligter Dritter führen kann, welche die Schwelle der bloßen Lästigkeit überschreitet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein subjektives Unsicherheitsgefühl, das bei vielen Menschen – vor allem Kindern und älteren Menschen – gegenüber freilaufenden Hunden besteht, sich in ängstlichem (gegenüber Hunden „falschen“) Verhalten niederschlagen kann, das wiederum auch bei ansonsten unauffälligen Hunden weitere Reaktionen und auf diese Weise einen gefahrerhöhenden Kreislauf in Gang setzen kann. Eine abstrakte Gefahr für Menschen an Leib und Leben sowie für andere Hunde ist daher bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung bei unangeleinten Hunden aufgrund der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens und der potentiellen Konfliktträchtigkeit einer Begegnung von Hunden mit Menschen und anderen Hunden zu bejahen (vgl. BVerwG, B.v. 24.1.2008 – 6 BN 2.07 – juris Rn. 5 f. unter Verweis auf: ThürOVG, U.v. 26.4.2007 – 3 N 699/05 – juris Rn. 54 ff.; BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 45 m.w.N.).
Dabei dürfen an die Prognose der Gelegenheit zu solchen Begegnungen zwischen Hund und Mensch beziehungsweise zwischen Hunden keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht, dass es „einen relevanten Personenverkehr“ gibt (vgl. BayVerfGH, E.v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – juris Rn. 52). Der nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG zum Erlass einer Hundehaltungsverordnung ermächtigte Verordnungsgeber darf insofern typisieren. Es darf beispielsweise nicht faktisch ausgeschlossen sein, dass es innerhalb des Geltungsbereichs der Hundehaltungsverordnung zu Begegnungen zwischen Hund und Mensch kommt, etwa weil das Terrain besonders unwirtlich, abgelegen oder anderweitig schwer zu erreichen beziehungsweise zu begehen ist. Es reicht aus, dass der Geltungsbereich der Hundehaltungsverordnung von Menschen in relevantem Umfang frequentiert wird. Nachweise einer Gefahrenlage durch statistisches Zahlenmaterial oder auch dokumentierte Vorfälle mit unangeleinten Hunden im Geltungsbereich der Hundehaltungsverordnung sind insoweit nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 45 m.w.N.).
(b) Gemessen an den vorstehenden Maßstäben ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass eine abstrakte Gefahr für ein Schutzgut im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG vorliegt. Innerhalb und entlang des Geltungsbereichs der Hundehaltungsverordnung befinden sich Anwesen, insbesondere auch in dem geschützten Bereich, wie er in den als Anlagen 1 und 2 zu der Hundehaltungsverordnung beigefügten Ortskarten ausgewiesen ist, gibt es neben dem Hof des Antragstellers noch zwei Weiler und einen weiteren Hof (vgl. Senatsakte, Bl. 54 ff.). Der Senat kann aufgrund der örtlichen Verhältnisse, wie sie sich anhand der genannten Ortskarten darstellen, auch gut nachvollziehen, dass die geschützten Bereiche der Hundehaltungsverordnung der Naherholung für die Einwohner der Antragsgegnerin und die Einwohner benachbarter Gemeinden dienen. Die Antragsgegnerin hat zudem in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass sich in den geschützten Bereichen traditionelle Wander- und Fahrradwege befinden, die seit Jahrzehnten als solche genutzt werden. Der Einwand der Antragstellerseite, es gebe im Geltungsbereich der Hundehaltungsverordnung kein „erhöhtes Personenaufkommen“, geht folglich ins Leere, weil dies nicht der anzuwendende Maßstab ist (s.o.).
Abgesehen davon sind auch die von der Antragsgegnerin dokumentierten und für den Erlass der Hundehaltungsverordnung herangezogenen Vorfälle im Zusammenhang mit nicht angeleinten Hunden und betroffenen Personen ein Indiz dafür, dass es dort mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu derartigen Begegnungen kommen kann. Das Vorbringen des Antragstellers ist nicht dazu angetan, Letzteres in Zweifel zu ziehen. Das Bestreiten der Vorfälle beziehungsweise der Einwand, die Vorfälle im Jahr 2014 seien zu ungenau beschrieben und der Vorfall im Jahr 2017 nicht greifbar, sind pauschal und unsubstantiiert. Das Vorbringen, der Vorfall im Jahr 2019 (gemeint wohl: 8.3.2019) im Bereich Waffenhammer habe südlich der S. straße gelegen, und es sei nicht zu Beißattacken gekommen, sondern nur zu einem Hochspringen an einem mit Personen besetzten Fahrzeug, ist ebensowenig geeignet, die Gefahrenprognose in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass ein Anspringen an einem mit Personen besetzten Fahrzeug ausreicht, ist zudem dokumentiert, dass die Hunde unmittelbar an einer Person hochsprangen (s.o.). Das Bezweifeln der Bissverletzung am 1. April 2019 ist haltlos, da die Tierhalterhaftpflicht des Antragstellers – wie die Antragsgegnerin von Antragstellerseite unwidersprochen vorgetragen hat − den Schaden beglichen hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob, wie die Antragstellerseite argumentiert, ein Hund im Einzelfall für einen Vorfall „nichts kann“ oder „keine Schuld hat“. Derartige Kategorien sind im Gefahrenabwehrrecht nicht maßgeblich.
(5) Die in § 1 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung geregelte Leinenpflicht auf den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen innerhalb der in § 1 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung bestimmten geschützten Gebiete für die in § 3 der Hundehaltungsverordnung bestimmten Kampfhunde im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG und großen Hunde – mit Ausnahme der in § 1 Abs. 4 der Hundehaltungsverordnung aufgezählten Hunde – (im Folgenden: Leinenpflicht) ist materiell rechtmäßig.
(a) Insbesondere ist sie von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt. Die Leinenpflicht steht im Einklang mit dem Wortlaut der Norm, und der Gesetzgeber hatte für die Beschränkung des freien Umherlaufens, wie aus der Gesetzgebungsgenese, insbesondere der Gesetzesbegründung der Staatsregierung, abzulesen ist, insbesondere diese vor Augen (vgl. LT-Drs. 12/3092, S. 4: „Anleinpflichten“). Die Antragsgegnerin hat die Ermächtigung zu dem Erlass einer Leinenpflicht mit der Pflicht zum Führen an einer reißfesten Leine von maximal drei Metern insoweit ordnungsgemäß ausgefüllt. Dabei ist § 1 Abs. 1 Satz 2 der Hundehaltungsverordnung als nähere Erläuterung des „Führens“ eines leinenpflichtigen Hundes zu verstehen. Dies ergibt sich aus dem Inhalt, dem Zusammenhang beider Sätze und schließlich auch aus dem Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 5 Nr. 1 der Hundehaltungsverordnung, der zwar auf § 1 Abs. 1 Hundehaltungsverordnung verweist, ohne hierbei jedoch zwischen den beiden Sätzen zu differenzieren.
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung stimmt hinsichtlich der Regelung von Kampfhunden überein mit Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG und Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG sowie der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 (vgl. GVBl S. 268, BayRS 2011-2-7-I, i.d.F.v. 4.9.2002, GVBl S. 513, zuletzt i.d.F.d. Berichtigung in GVBl 2002, S. 583). Mit Blick auf die großen Hunde steht auch § 1 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) in Verbindung mit § 3 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung im Einklang mit Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Schließlich ist der Katalog der von der Leinenpflicht ausgenommenen Hunde in § 1 Abs. 4 der Hundehaltungsverordnung nicht zu beanstanden.
(b) Die Leinenpflicht verstößt auch nicht gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes, wie die Antragstellerseite nahelegt. Das Verbot des Einzelfallgesetzes soll verhindern, dass ein zu einem Grundrechtseingriff ermächtigendes Parlamentsgesetz einen Einzelfall regelt (vgl. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand: 95. EL Juli 2021, Art. 19 Rn. 16 ff. m.w.N.). Von einem Einzelfallgesetz ist jedoch dann nicht auszugehen, wenn sich wegen der abstrakten Fassung des gesetzlichen Tatbestandes nicht genau übersehen lässt, auf wieviele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolge möglich ist. Liegt ein solcher Rechtssatz vor, so ist ohne Belang, ob ein Einzelfall den Anlass zu der gesetzlichen Regelung gegeben hat (vgl. BVerfG, U.v. 7.5.1969 − 2 BvL 15/67 – BVerfGE 25, 371 = juris Rn. 86; U.v. 29.11.1961 – 1 BvR 148/57 − BVerfGE 13, 225 = juris Rn. 16). Die Hundehaltungsverordnung der Antragsgegnerin ist kein Parlamentsgesetz und auch nicht nur auf den Antragsteller anwendbar, sondern auf alle Personen, die in ihrem Geltungsbereich Hunde (aus) führen.
(c) Die Leinenpflicht genügt des Weiteren dem aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Gebot der Bestimmtheit. Dies gilt insbesondere auch für den Begriff der „erwachsenen Hunde“ beziehungsweise der „erwachsenen Tiere“ in Art. 3 Abs. 2 der Hundeverordnung.
(aa) Das Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Normgeber dazu, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten zu berücksichtigen. Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen. Dabei reicht es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt (vgl. BVerfG, U.v. 24.7.2018 – 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16 − BVerfGE 149, 293 = juris Rn. 77 f. m.w.N.; U.v. 22.11.2000 − 1 BvR 2307/94 − BVerfGE 102, 254 = juris Rn. 325 m.w.N.). Hierbei müssen sich objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. BVerfG, B.v. 18.5.1988 – 2 BvR 579/84 − BVerfGE 78, 205 = juris Rn. 27; B.v. 12.1.1967 − 1 BvR 169/63 – BVerfGE 21, 73 = juris Rn. 18). Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln sind nicht zu beanstanden, wenn die Norm mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für ihre Auslegung und Anwendung bietet oder sie eine gefestigte Rechtsprechung übernimmt und damit aus dieser Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit gewinnt. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften können ebenfalls dazu beitragen, dass unbestimmte Rechtsbegriffe den rechtsstaatlichen Geboten der Bestimmtheit und Normklarheit genügen (vgl. BVerfG, B.v. 26.9.1978 – 1 BvR 525/77 − BVerfGE 49, 168 = juris Rn. 36; BVerwG, B.v. 1.12.2009 – 4 B 37.09 – juris Rn. 5; VGH BW, U.v. 27.9.2011 – 6 S 707/10 – juris Rn. 81), wobei die Verwaltungsgerichte hieran nicht gebunden sind (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1998 − 8 C 16.96 − juris Rn.15). Sind die Verwaltungsvorschriften in dem allgemein zugänglichen Ministerialblatt des Landes veröffentlicht worden, ist hinreichend sichergestellt, dass die Betroffenen sich von dem Inhalt der Verwaltungsvorschrift verlässlich und zumutbar Kenntnis verschaffen können (vgl. OVG NW, U.v. 2.6.2014 − 10 A 1343/12 − juris Rn. 60).
(bb) Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich auch der ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriff der „erwachsenen Hunde“ beziehungsweise der „erwachsenen Tiere“ als hinreichend bestimmt. Erwachsen (adult) ist ein Lebewesen, das die Phase des Heranwachsens und der Entwicklung (Adoleszenz) hinter sich gelassen und Reife erlangt hat. Diese kann in physischer Hinsicht, insbesondere unter dem Aspekt der Geschlechtsreife, aber auch in psychischer und mentaler Hinsicht betrachtet werden. Die verschiedenen Betrachtungsweisen können jeweils unterschiedliche zeitliche Anknüpfungspunkte für die Feststellung der Reife nach sich ziehen. In der Rechtsordnung wird aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in Bezug auf Personen an das Überschreiten einer Altersgrenze angeknüpft (vgl. § 2 BGB). Für die leinenpflichtigen Hunde fehlt es an einer solchen Legaldefinition. Der Vortrag der Beteiligten im vorbereitenden Verfahren und in der mündlichen Verhandlung sowie die hierzu vorgelegten und allgemein verfügbaren Quellen zeigen, dass eine gewisse Bandbreite an zeitlichen Anknüpfungspunkten besteht, die Entwicklung eines Hundes als abgeschlossen zu betrachten, wobei dies bei großen Hunde später der Fall ist (vgl. Senatsakte, Bl. 159 ff., vgl. auch: www.hundeblogger.net/allgemein/hund-ausgewachsen/; www.hundeo.com/magazin/wann-ist-ein-hund-ausgewachsen/; www.royalcanin.com/us/dogs/puppy/when-does-my-puppy-become-an-adult-dog; www.welpenblicke.de/wann-ist-ein-hund-ausgewachsen; www.welpenknigge.de; www.wikipedia.org/wiki/Aging_in_dogs; www.zooplus.de/magazin/hund/welpen/entwicklung-von-welpen).
Allerdings hat das zuständige Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration mit der Bekanntmachung über den Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes Hinweise zu der Anwendung in der Praxis gegeben und Verwaltungsvorschriften erlassen (im Folgenden: VollzBekLStVG, vgl. bereits: StMI, Bek. v. 8.8.1986, MABl. S. 361 ff., i.d.F. – u.a. − d. Änderung d. Bek. v. 4.12.2014, AllMBl. S. 621 ff. u. zuletzt d. Änderung d. Bek. v. 5.6.2021 u. 7.7.2021, BayMBl. Nrn. 456 u. 476). Es ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden, zur Konkretisierung des ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffs „erwachsener Hund“ beziehungsweise „erwachsenes Tier“ in § 3 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung auf Nr. 37.3.7 der VollzBekLStVG abzustellen, welche das sogenannte „Negativzeugnis bei jungen Hunden“ bezüglich Hunden mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit zum Gegenstand hat, wonach gesicherte Aussagen wegen der noch nicht überschaubaren Entwicklung in der Regel erst ab einem Alter von circa 18 Monaten getroffen werden können. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG ermächtigt dazu, die Abwehr von Gefahren zu regeln, die durch das freie Umherlaufen sowohl von Kampfhunden als auch von großen Hunden verursacht werden. Der genannte Gesichtspunkt der noch nicht überschaubaren Entwicklung trifft auf alle Kategorien von Hunden zu. Bedient sich ein Verordnungsgeber unter diesen Umständen bei der Definition der „großen“ Hunde, die der Hundehaltungsverordnung unterfallen sollen, des Begriffs „erwachsen“, ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Begriffspaare „junger Hund“ und „erwachsener Hund“ beziehungsweise „junges Tier“ und „erwachsenes Tier“, dass die Hundehaltungsverordnung große Hunde erst ab einem Alter von 18 Monaten erfasst. Eine Altersgrenze ist ein objektives, messbares und nachprüfbares Kriterium und erlaubt aus Sicht des Bürgers eine vorhersehbare Rechtsanwendung. Die konkrete Verwaltungsvorschrift wurde auch bereits vor Erlass der streitbefangenen Hundehaltungsverordnung veröffentlicht, so dass sich die Adressaten verlässlich und zumutbar davon Kenntnis verschaffen konnten (s.o.). Der Heranziehung der Nr. 37.3.7 der VollzBekLStVG zur Konkretisierung des § 3 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung hat der Antragsteller im Übrigen auch nichts entgegengesetzt.
Ungeachtet dessen bleibt es einem Verordnungsgeber unbenommen, in einer Hundehaltungsverordnung zur Bestimmung der großen Hunde auf den (Unter-)Begriff „erwachsener Hund“ oder „erwachsenes Tier“ zu verzichten oder unmittelbar auf eine Altersgrenze abzustellen, die auch unter 18 Monaten liegen könnte. Zum einen ist Oberbegriff und damit Leitbild des Regelungsbereichs die Abwehr von Gefahren durch „große Hunde“. Zum anderen markiert die in Nr. 37.3.7 der VollzBekLStVG genannte Altersgrenze insoweit das Ende des Spektrums, die Entwicklung und damit Reife eines Hundes als abgeschlossen zu betrachten (s.o.).
(d) Die Leinenpflicht ist auch nicht wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Grundrechte der von ihr Betroffenen materiell rechtswidrig und daher ungültig.
(aa) Insbesondere bedeutet sie nicht, wie die Antragstellerseite geltend macht, einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Die den Hundeführern im Geltungsbereich der Hundehaltungsverordnung auferlegte Leinenpflicht ist zwar vorrangig an der allgemeinen Handlungsfreiheit zu messen (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2001 – 24 N 00.1638 – juris 20). Sie berührt jedoch auch den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG und stellt einen Eingriff in dieses Grundrecht dar, wenn es sich bei dem Adressaten um gewerbliche Hundezüchter, Hundeausbilder und Inhaber einer Hundepension handelt (vgl. BVerwG, B.v. 2.8.2013 – 6 BN 1.13 – juris Rn. 12). Dieser Eingriff ist als Berufsausübungsregelung zu qualifizieren. Mit ihr werden Anforderungen an das (Aus) Führen von Hunden aufgestellt und damit − unter der Bedingung der Adressatenstellung – die Modalitäten der Berufsausübung geregelt.
Der Eingriff erweist sich allerdings als verhältnismäßig und damit gerechtfertigt. Berufsausübungsregelungen müssen durch Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen, gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, B.v. 12.1.2016 − 1 BvL 6/13 – BVerfGE 141, 82 = juris Rn. 52; U.v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377 = juris Rn. 74). Die Leinenpflicht wurde zum Schutz der in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG genannten hochrangigen Individualrechtsgüter auf Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sowie Eigentum an Sachen und auch anderen Hunden aus Art. 14 Abs. 1 GG eingeführt. Bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit durch Hunde drohen, und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die den Gefahren begegnen sollen, ist der Beurteilungsspielraum des Normgebers erst überschritten, wenn die Erwägungen so fehlerhaft sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (vgl. NdsOVG, U.v. 17.5.2017 – 11 KN 105/16 − juris Rn. 37 ff. m.w.N.).
Die Leinenpflicht ist ohne Weiteres geeignet, den in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG aufgeführten Gefahren zu begegnen. Die Leine schränkt den Bewegungsradius des leinenpflichtigen Hundes auf die von dem Hundeführer gewährte Länge, hier maximal auf eine Länge drei Metern, ein und reduziert so die aus der tierischen Unberechenbarkeit resultierenden Risiken durch die oben aufgezählten Verhaltensweisen. Die Leinenpflicht ist ebenfalls erforderlich. Dass insofern mildere, gleich geeignete Mittel (vgl. Art. 8 Abs. 1 LStVG) zur Gefahrenabwehr zur Verfügung stehen würden, ist weder dargetan noch anderweitig ersichtlich.
Die Leinenpflicht ist auch angemessen, die durch sie hervorgerufenen Beeinträchtigungen stehen nicht außer Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck (vgl. Art. 8 Abs. 2 LStVG).
Der Verordnungsgeber hat das Ausmaß und die Intensität der Beeinträchtigungen begrenzt. So bezieht sich die Leinenpflicht nach § 3 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung neben Kampfhunden allein auf erwachsene Hunde, deren Schulterhöhe mindestens 50 cm beträgt, und erwachsene Tiere der dort aufgezählten Rassen (s.o.). Fehl gehen die von der Antragstellerseite geäußerten „Bedenken hinsichtlich einer fehlenden Berücksichtigung von jungen Hunden“. Junge Hunde beziehungsweise junge Tiere unterhalb der Altersgrenze von achtzehn Monaten sind in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von der Leinenpflicht ausgenommen (s.o.).
Außerdem bezieht sich die Leinenpflicht innerhalb der geschützten Bereiche lediglich „auf alle öffentlichen Wegen, Straßen und Plätze“. Der Verordnungsgeber hat in Bezug auf den räumlichen Geltungsbereich der geschützten Bereiche differenziert. Diese umfassen nicht das gesamte Gemeindegebiet, sondern machen im Vergleich hierzu lediglich einen untergeordneten Teil aus. Damit steht die Leinenpflicht auch im Einklang mit dem Rücksichtnahmegebot des Art. 18 Abs. 1 Satz 2 LStVG. Dieser bestimmt, dass der räumliche und zeitliche Geltungsbereich der Verordnung auf die örtlichen Verhältnisse abzustimmen ist, wobei auch dem Bewegungsbedürfnis der Hunde ausreichend Rechnung zu tragen ist. In aller Regel ist es daher nicht zulässig, eine Leinenpflicht für das gesamte Gemeindegebiet anzuordnen, falls nicht im Einzelfall ausnahmsweise besondere Gründe hierfür vorliegen. Nicht die staatliche Gemeinschaft muss dem Bürger das artgerechte Halten von Tieren ermöglichen, vielmehr hat hierfür in erster Linie der Hundehalter beziehungsweise der Hundeführer selbst zu sorgen. Das folgt nicht zuletzt aus § 2 Nr. 2 TierSchG, wonach derjenige, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend verhaltensgerecht unterzubringen hat und die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken darf, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 61 m.w.N.). Dass die Ausgestaltung des räumlichen Geltungsbereichs der Hundehaltungsverordnung dazu führen würde, dass den leinenpflichtigen Hunden nicht genügend Auslauf verbleibt und artgemäße Bewegungsmöglichkeiten nicht mehr gewährleistet sind, ist nach Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse nicht festzustellen. Die Ausgestaltung des zeitlichen Geltungsbereichs trägt den aus den Akten ersichtlichen Vorfällen und Beschwerden Rechnung (s.o.).
Des Weiteren sieht § 1 Abs. 4 der Hundehaltungsverordnung Ausnahmen von der Leinenpflicht vor. Nicht durchdringen kann der Antragsteller insofern mit dem Vorbringen, er züchte die Hunde vorrangig „zu Sportzwecken“. Dass der Verordnungsgeber in § 1 Abs. 4 der Hundehaltungsverordnung keine Ausnahme „zu Sportzwecken“ aufgenommen hat, macht die Leinenpflicht nicht unverhältnismäßig. Eine derartige – vom Antragsteller auch inhaltlich nicht näher erläuterte − Ausnahme würde die Leinenpflicht in der Praxis illusorisch machen. Abgesehen davon steht im Vordergrund eines Betriebs wie desjenigen des Antragstellers die Hundezucht als solche.
Im Übrigen kann der Auslauf der leinenpflichtigen Hunde weiterhin stattfinden, nur nicht in der Form wie vor der Rechtsänderung. Ein Betriebsinhaber in der Situation des Antragstellers kann sich für den Auslauf der leinenpflichtigen Hunde zum Beispiel einer Multileine bedienen und so die leinenpflichtigen Hunde und die nicht leinenpflichtigen Hunde gleichzeitig ausführen. Alternativ kann er die Hunde für den Auslauf ohne Leine außerhalb des Geltungsbereichs der Hundehaltungsverordnung transportieren, wie der Antragsteller selbst vorträgt. Dies bestätigt sich auch dadurch, dass die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen angegeben hat, der Antragsteller fahre die Hunde zum Training außerhalb seines Hofes. Dabei ist festzuhalten, dass der örtliche Geltungsbereich der Hundehaltungsverordnung bereits wenige hundert Meter von dem Anwesen des Antragstellers entfernt endet. Diese Vorkehrungen sind für einen Betriebsinhaber in der Situation des Antragstellers, wenngleich abgestuft, mit einem lediglich geringfügigen bis moderaten zeitlichen, organisatorischen und sachlichen Mehraufwand verbunden. Was der Antragsteller mit eingeschränkter Ausbildungsarbeit meint, hat er nicht erläutert, insbesondere nicht, dass und inwieweit diese nicht auf seinem Hof oder anderweitig stattfinden kann (s.o.). Konkrete negative Auswirkungen der Leinenpflicht auf den Umsatz oder den Gewinn des Betriebs sind weder schlüssig dargetan noch anderweitig zu erkennen. Abgesehen davon hat der Antragsteller auch nicht vorgetragen, etwaige Mehrkosten nicht oder nur teilweise an seine Kunden weitergeben zu können. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller in der Lage ist und auch weiterhin sein wird, seinen Betrieb wirtschaftlich zu führen, wenn er sich an die durch die Leinenpflicht gestaltete Situation anpasst.
Angesichts aller Umstände muss das Grundrecht der Berufsfreiheit von Betriebsinhabern in der Situation des Antragstellers hinter die genannten hochrangigen Grundrechte zurücktreten.
(bb) Die Leinenpflicht ist des Weiteren nicht wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb materiell rechtswidrig.
Dabei kann offenbleiben, ob das im Fachrecht als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB anerkannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Der Schutz des Gewerbebetriebs kann jedenfalls nicht weitergehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt, und erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern. Bloße Umsatz- und Gewinnchancen oder tatsächliche Gegebenheiten werden auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 − 1 BvR 2821/11, 1 BvR 321/12, 1 BvR 1456/12 − BVerfGE 143, 246 = juris Rn. 240 m.w.N.). Dass ein Betriebsinhaber in der Situation des Antragstellers nicht mehr sämtliche in seiner Obhut befindlichen Hunde von seinem Anwesen aus ohne Leine ausführen kann, tangiert nichts Erworbenes und damit Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Ob und inwiefern die aus der Rechtsänderung resultierende praktische Beeinträchtigung, den Gewerbebetrieb zu führen, verfassungsgemäß ist, richtet sich daher hier allein nach Art. 12 Abs. 1 GG. Dies hat der Senat, wie soeben erörtert, verneint (s.o.).
(cc) Die Leinenpflicht stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG von „normalen“ Hundeführern, darunter auch der Kunden und Geschäftspartner des Antragstellers, dar.
Sie erweist sich auch unter diesem Aspekt mit Blick auf den verfolgten Zweck − aus den vorstehenden entsprechend heranzuziehenden Erwägungen − als verhältnismäßig. Wegen des hohen Rangs, der den betroffenen Schutzgütern zukommt, ist die Anordnung der Leinenpflicht, die eine relativ geringfügige Beeinträchtigung für Hundeführer darstellt, als eine angemessene, im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmende Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 − NE 20.2831 – juris Rn. 60; NdsOVG, U.v. 17.5.2017 – 11 KN 105/16 − juris Rn. 40; OVG Berlin-Bbg, U.v. 27.5.2010 – OVG 5 A 1.08 – juris Rn. 38; ThürOVG, U.v. 26.4.2007 – 3 N 699/05 – juris Rn. 70 ff.; VGH BW, U.v. 15.11.2007 – 1 S 2720/06 − juris Rn. 39.).
(dd) Die Leinenpflicht ist schließlich nicht wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG materiell rechtswidrig.
Der Normgeber verletzt das Gleichheitsgrundrecht, wenn er bei Regelungen, die unmittelbar oder mittelbar Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Ebenso verletzt er es, wenn er es unterlässt, tatsächliche Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Dabei kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maße sich die Ungleich- oder Gleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit dem Normgeber bei der Beurteilung der Ausgangslage und der möglichen Auswirkungen der von ihm getroffenen Regelung eine Einschätzungsprärogative zukommt. Dafür ist maßgeblich insbesondere auf die Eigenart des jeweiligen Sachbereichs und auf die Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter abzustellen (vgl. BVerfG, U.v. 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01 – BVerfGE 110, 141 juris Rn. 92 f. m.w.N.).
Gemessen an den vorgenannten Maßstäben hat die Antragsgegnerin mit dem Erlass der Leinenpflicht nicht wesentlich Ungleiches ohne sachlichen Grund gleichbehandelt. Der Sache nach argumentiert der Antragsteller, dass die Leinenpflicht ihn wegen der Vielzahl der Schäferhunde, die er aus gewerblichen Gründen in Obhut und auszuführen hat, besonders hart trifft und er sachwidrig nicht von der Leinenpflicht ausgenommen wird. Bildet man anhand dieser Faktoren eine Vergleichsgruppe, so ergibt sich zwanglos, dass der sachliche Grund dafür, diese Gruppe nicht von der Leinenpflicht auszunehmen, der ist, dass das Führen einer Vielzahl von Hunden ohne Leine die abstrakte Gefahr in Bezug auf konfliktträchtige Begegnungen zwischen Hunden und Menschen beziehungsweise zwischen Hunden erhöht und damit auch das Risiko für die genannten Schutzgüter erheblich ansteigen lässt. Anders gewendet wäre es gemessen am gesetzgeberischen Ziel der Gefahrenabwehr geradezu zweckwidrig, einen Betriebsinhaber in der Situation des Antragstellers von der Leinenpflicht auszunehmen. Im Übrigen haben die Schutzgüter höchsten Verfassungsrang, bei der Beurteilung der Gefahr und den Mitteln der Gefahrenabwehr kommt dem Normgeber eine Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, und die Leinenpflicht bedeutet auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit (s.o.).
Nicht zum Erfolg verhilft dem Antragsteller insoweit der Einwand, dass § 3 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung, der lediglich die erwachsenen Schäferhunde mit der Leinenpflicht belegt, fehlgehe, weil gerade junge Hunde beim Auslauf lebhafter seien, den Ruf der Begleitperson überhörten und einem unkontrollierten Beuteinstinkt folgten. Damit ist keine sachwidrige Ungleichbehandlung aufgezeigt. Der Antragsteller stellt die abstrakte Gefahr durch die Begegnung von Hunden und Menschen nicht in Frage, sondern argumentiert der Sache nach, dass die Antragsgegnerin auch junge Hunde beziehungsweise junge Tiere der Leinenpflicht hätte unterwerfen müssen. Dass die Leinenpflicht für erwachsene Hunde beziehungsweise erwachsene Tiere zur Gefahrenabwehr für sich untauglich wäre, ist jedoch weder dargetan noch angesichts der Umstände anderweitig ersichtlich. Im Gegenteil ist diese eine geeignete Maßnahme zur Gefahrenabwehr (s.o.). Dazu handelt es sich bei der Hundehaltung beziehungsweise der Hundebetreuung um eine Massenerscheinung, bei welcher der Verordnungsgeber zur Abwehr erheblicher Gefahren für höchste Rechtsgüter zu typisieren ermächtigt ist (vgl. NdsOVG, U.v. 17.5.2017 – 11 KN 105/16 − juris Rn. 39 m.w.N.). Dabei darf er auch (Unter-)Kategorien bilden, zum Beispiel nach jungen Hunden und erwachsenen Hunden differenzieren. Diese Unterscheidung ist mit Blick auf die einschlägigen abstrakten Gefahren und unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Einschätzungs- und Prognosespielraums des Verordnungsgebers auch als sachgemäß zu beurteilen.
(6) § 1 Abs. 3 der Hundehaltungsverordnung hingegen ist materiell rechtswidrig und damit ungültig, weil er nicht von der Rechtsgrundlage des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt ist.
Die Antragsgegnerin hat in § 1 Abs. 3 der Hundehaltungsverordnung eigenständige Regelungen getroffen. Dies ergibt sich aus schon § 5 Nr. 3 der Hundehaltungsverordnung, der einen Verstoß gegen die Norm unter Geldbuße stellt. Die Bußgeldbewehrung setzt den Regelungscharakter der verletzten Vorschrift voraus. Außerdem ergibt sich dies aus dem Inhalt der Norm selbst. So hat die Antragsgegnerin in § 1 Abs. 3 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung, angeordnet, dass im übrigen Gemeindegebiet die Bestimmungen über das Führen von Hunden unter Aufsicht entsprechend Art. 42 Abs. 1 des Bayerischen Jagdgesetzes gelten sollen. Damit hat die Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht, dass im gesamten Gemeindegebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs von § 1 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung eine verbindliche Regelung für das Führen von Hunden entsprechend des in Art. 42 Abs. 1 BayJG normierten Gebots gelten soll. Dies steht der Antragsgegnerin nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG nicht zu. Außerdem hat sie in § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Hundehaltungsverordnung Definitionen zu dem Bayerischen Jagdgesetz getroffen („Danach liegt ein Verstoß gegen die gesetzliche Vorschrift … erst dann vor, wenn …“ u. „So kann ein Hund unter Kontrolle sein, …“). Die Bezugnahme auf das Bayerische Jagdgesetz erschöpft sich insoweit nicht in einem der Sache nach lediglich unzutreffenden deklaratorischen Hinweis. Abgesehen davon nämlich, dass der Verweis auf Art. 42 Abs. 1 Nr. 2 BayJG („wildernde Hunde“) ins Leere geht und tatsächlich wohl Art. 56 Abs. 2 Nr. 9 BayJG gemeint sein dürfte („Mit Geldbuße … kann belegt werden, wer Hunde in einem Jagdrevier unbeaufsichtigt frei laufen läßt“), lassen sich die in § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Hundehaltungsverordnung angeführten Definitionen dem Bayerischen Jagdgesetz selbst gar nicht entnehmen. Die Definitionen scheinen sich vielmehr an das einschlägige Schrifttum anzulehnen (vgl. Leonhardt/Pießkalla, Bayerisches Jagdrecht, Bd. 1, BayJG, Art. 56 Rn. 15.56). Derartige Definitionen konstitutiv in einer Gebotsnorm zu regeln, kommt der Antragsgegnerin auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG ebenfalls nicht zu.
§ 1 Abs. 3 der Hundehaltungsverordnung bezieht sich zudem allgemein auf Hunde, obwohl Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG lediglich zur Regelung in Bezug auf große Hunde und Kampfhunde im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG ermächtigt. Die Ermächtigung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG deckt nicht Regelungen in Bezug auf Hunde ab, die keine großen Hunde oder Kampfhunde sind (vgl. BayVerfGH, E.v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – BeckRS 2019, 12467 Rn. 35: „erstreckt sich … nicht auf sonstige … Hunde“). Die Hundehaltungsverordnung der Antragsgegnerin enthält an keiner Stelle eine Klarstellung, wonach der Begriff „Hunde“ nur die Kategorien große Hunde und Kampfhunde im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG umfassen soll. Die Annahme, dass die Antragsgegnerin mit „Hunden“ in § 1 Abs. 3 der Hundehaltungsverordnung lediglich die beiden genannten Kategorien regeln wollte, liegt auch deshalb fern, weil sie der Systematik nach mit dieser Norm erkennbar differenziert und die Maßgaben des § 1 Abs. 3 der Hundehaltungsverordnung ausdrücklich in Abgrenzung zu dem soeben in den vorangehenden Absätzen, mithin in Art. 1 Abs. 1 und 2 der Hundehaltungsverordnung, definierten räumlichen und sachlichen Geltungsbereichs formuliert hat („Im übrigen Gemeindegebiet“ u. „Hunde“).
(7) Des Weiteren ist § 2 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung materiell rechtswidrig und damit ungültig, weil er nicht dem Bestimmtheitsgebot entspricht. Soweit die Norm Belästigungen auf Tatbestandsseite genügen lässt, ist sie zudem nicht von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt.
Bei § 2 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung handelt es sich ebenfalls um eine eigenständige Regelung, nicht nur um einen programmatischen Appell. Die aufgrund von § 5 Nr. 3 der Hundehaltungsverordnung bußgeldbewehrte und im verfügenden Teil der Hundehaltungsverordnung verortete Vorschrift stellt Anforderungen an das Verhalten des Hundeführers beim (Mitsich) Führen von Kampfhunden und großen Hunden („so zu tun, dass andere nicht gefährdet, geschädigt oder belästigt werden“). Dazu weicht die Formulierung von der Präambel in räumlicher Hinsicht ab. Sie regelt dem Wortlaut und der Systematik nach das (Mitsich) Führen sowohl an der Leine als auch ohne Leine außerhalb der geschützten Bereiche des § 1 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung.
§ 2 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung genügt dem Bestimmtheitsgebot nicht. Der Hundeführer hat bei dem Führen von leinenpflichtigen Hunden Vorkehrungen zu treffen („hat dies so zu tun“), um „Gefährdungen, Schäden und Belästigungen anderer zu verhindern“. Diese Vorkehrungen werden indes nicht näher beschrieben. Verboten wird der Sache nach das Unterlassen dieser nicht genannten Vorkehrungen, das mangels näherer Angaben indiziert ist, wenn der Erfolg eintritt, den es zu verhindern gilt, also sich eine Gefahr einstellt, ein Schaden eintritt oder eine Belästigung erfolgt. Die Norm gibt im Ergebnis keinen Aufschluss darüber, welches Verhalten des Hundeführers sie konkret gebietet. Die Antragsgegnerin selbst hat trotz des Hinweisschreibens des Senats vom 7. Dezember 2021 keine Definition für das gebotene Verhalten benannt, welche objektive Kriterien enthält. Die von ihr nahegelegte Definition, wonach § 2 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung ein Verhalten regele, welches ein gewissenhafter und sorgfältiger Hundeführer von sich aus an den Tag lege (vgl. Senatsakte, Bl. 180 Rückseite), enthält derartige Kriterien nicht. Dabei ist eine Konkretisierung und Konturierung der Norm auch deshalb geboten, weil selbst bei einem Verhalten eines Hundeführers, das gegenüber den Mitmenschen sozialadäquat, an die Umgebung angepasst und gegenüber dem leinenpflichtigen Hund artgerecht ist, ein solcher Hund aufgrund tierischer Unberechenbarkeit (s.o.) Gefahren, Schäden und Belästigungen verursachen kann.
Die Norm erhält auch nicht dadurch hinreichende Bestimmtheit, dass man sie im Zusammenspiel mit der Bußgeldvorschrift des § 5 Nr. 3 der Hundehaltungsverordnung betrachtet („wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen … § 2 Abs. 1 einen Hund nicht unter Aufsicht führt“). Die Formulierung orientiert sich wohl an dem (jagdrechtlichen) Begriff des „unbeaufsichtigten Laufenlassens“. Zum einen hat die Antragsgegnerin dies in § 1 Abs. 3 der Hundehaltungsverordnung auf untaugliche Art und Weise dem Jagdrecht entlehnt und eigens zu regeln versucht (s.o.). Zum anderen gibt die Formulierung bezogen auf den hier einschlägigen Regelungsbereich und in Ermangelung eines jagdrechtlichen Kontextes weiterhin keinen hinreichenden Anhalt, welche Vorkehrungen des Hundeführers die Norm gebietet.
Nicht weiter führt in diesem Zusammenhang auch der in der mündlichen Verhandlung angeführte Vergleich mit § 1 Abs. 2 StVO. Die hinreichende Bestimmtheit jener Norm wird gemessen an den gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Maßstäben gerade bezweifelt (vgl. Bender in Münchener Kommentar zum StVR, 1. Aufl. 2016, § 1 Rn. 9: „sollte … restriktiv ausgelegt werden. Nur so kann verhindert werden, dass bei der Ahndung … eine Willkürpraxis entsteht“; Herbers/Lempp in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2021, StVO, § 1 Rn. 1: „mangelnder Bestimmtheit“; Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, StVO, § 1 Rn. 3: „beschreibt nicht ein bestimmtes Verhalten“; Samuel in Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe, BeckOK Straßenverkehrsrecht, 13. Aufl., Stand: 15.10.2021, StVO, § 1 Rn. 2: „gebietet selbst kein konkretes Verhalten“). Im Übrigen wirkt § 1 Abs. 2 StVO den Gefahren entgegen, die im Wesentlichen aus dem eigenen Verhalten des Verkehrsteilnehmers herrühren, das dieser selbst steuern kann. Dagegen beruht die abstrakte Gefahr, welcher der Verordnungsgeber mit dem Erlass des § 2 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung abwehren will, auf der Präsenz von Kampfhunden und großen Hunden im öffentlichen Raum, mithin auf tierischem Verhalten, auf das der Hundeführer angesichts der tierischen Unberechenbarkeit jedoch nicht in vergleichbarer Weise Einfluss hat (s.o.).
In der Variante des Gebots, dies so zu tun, dass andere nicht belästigt werden, bleibt § 2 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung schließlich erkennbar unterhalb der Eingriffsschwelle des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG, der eine (abstrakte) Gefahr für die dort genannten Rechtsgüter voraussetzt, mit der Folge, dass die Norm auch insofern nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist.
(8) § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung ist hinsichtlich der Passage „sowie bei größeren Veranstaltungen auf öffentlichen Grundflächen und Plätzen“ unbestimmt und damit insoweit materiell rechtswidrig und ungültig.
(a) Allerdings ist § 2 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung im Grundsatz von der Rechtsgrundlage des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt.
§ 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung untersagt das Mitführen von Kampfhunden und großen Hunden − sowohl an der Leine als auch ohne Leine − auf öffentlichen Sportanlagen und innerhalb von umfriedeten Kinderspielplätzen sowie bei größeren Veranstaltungen auf öffentlichen Grundflächen und Plätzen. Die Norm enthält für die genannten Orte ein Betretensverbot beziehungsweise positiv formuliert ein an den Hundeführer gerichtetes Gebot, den Kampfhund oder den großen Hund um derartige Orte herumzuführen (Herumführgebot). Die Norm ist in Bezug auf die Orte der öffentlichen Sportanlagen und der umfriedeten Kinderspielplätze aufgrund von § 5 Nr. 4 der Hundehaltungsverordnung bußgeldbewehrt. § 2 Abs. 2 Satz 2 der Hundehaltungsverordnung hat insoweit lediglich erläuternde Funktion, ohne dass er eine eigenständige Regelung trifft.
Dem Wortlaut des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG nach kann „freies Umherlaufen“ bedeuten, dass der Hund sich ungehindert bewegen kann, ihm also keinerlei Grenzen gesetzt sind. Bei diesem Verständnis ist § 2 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung, welcher ein Betretensverbot beziehungsweise ein Herumführgebot enthält, ohne Weiteres von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt. Eine restriktivere Auslegung anhand des Wortlauts geht dahin, unter „freiem Umherlaufen“ das Gegenteil von nicht angeleint, eingesperrt und angekettet zu verstehen (vgl. Art. 18 Abs. 2 Nr. 2 LStVG i.d.F.d. Bek. v. 7.11.1974, GVBl S. 753 , im Folgenden: a.F.: „… mitnimmt oder … frei laufen lässt“). Bei dieser Deutung wäre § 2 Abs. 2 der Hundehaltungsverordnung von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG nicht gedeckt.
Maßgeblich ist die Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Erlass einer Hundehaltungsverordnung soll der abstrakten Gefahr für das Leben, die Gesundheit, das Eigentum und die öffentliche Reinlichkeit entgegenwirken, die aus der Präsenz von Kampfhunden und großen Hunden in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen resultiert. Dabei gibt es üblicherweise in jedem Gemeindegebiet Orte, an denen sich Personengruppen aufhalten, die gegenüber tierischer Unberechenbarkeit in Form der oben genannten Verhaltensweisen sowie durch Verunreinigungen in herausgehobenem Maße vulnerabel sind und daher die Verwirklichung der abstrakten Gefahr leicht zu besonders schweren Schäden führen kann. Des Weiteren gibt es Orte, die für die genannten Hunde besonders herausfordernd sind, zum Beispiel wegen der Vielzahl der Personen, des Lärms und der Gerüche, wo sich also die abstrakte Gefahr tierischer Unberechenbarkeit gleichsam situativ verdichtet. Gleichzeitig hat eine Hundeleine eine gewisse Reichweite, so dass ihre Verwendung nicht gänzlich ausschließen kann, dass sich plötzlich die tierische Unberechenbarkeit entfaltet und die entsprechenden Gefahren verwirklichen. Eine am Rechtsgüterschutz orientierte Auslegung kommt daher zu dem Ergebnis, dass Betretensverbote beziehungsweise Herumführgebote als Beschränkungen von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt sind (vgl. Körner/Mehringer in PdK Bayern, LStVG, Stand: Januar 2016, Art. 18 Rn. 3; Parzefall/Ecker/Katzer in Kommunales Ortsrecht, Stand: Februar 2022, Kz. 87.00 Hundehaltung − Einführung, S. 3; Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: Mai 2018, Art. 18 Rn. 25; vgl. auch Nr. 18.2 Abs. 2 Satz 4 d. VollzBekLStVG).
Eine Stütze findet diese Auslegung auch in dem Willen des historischen Gesetzgebers. So waren Meldungen über durch Kampfhunde verursachte Schadensfälle gerade auch in Bezug auf Kinder und ältere Menschen Anlass für das Gesetzgebungsverfahren (vgl. LT-Drs. 12/3092, S. 4). Dabei hatte der Gesetzgeber zwar in erster Linie die Leinenpflicht vor Augen (vgl. LT-Drs. 12/3092, S. 4: „Anleinpflichten können … vorgeschrieben werden“). Dies schließt es nach Auslegung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gerade nicht aus, auch andere Verhaltensgebote als das Anleinen unter die Ermächtigungsgrundlage zu fassen (vgl. BayVerfGH, E.v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – juris Rn. 48: „auch“; E.v. 12.10.1994 − Vf. 16-VII-92 u.a. – juris Rn. 180: „vor allem“), zumal Art. 18 LStVG unter zeitlichem Druck zustande gekommen ist (vgl. LT-Drs. 12/3092, S. 4: „ist ein schnelles Handeln des Landes geboten“). Außerdem wollte der Gesetzgeber im Ergebnis an den bis Mitte 1982 gültigen Rechtszustand anknüpfen (vgl. Art. 18 Abs. 2 Nr. 2 LStVG a.F.), welcher sich, wenngleich unmittelbar durch Gesetz, bereits durch partielle Betretensverbote auszeichnete (vgl. LT-Drs. 12/3092, S. 4).
(b) Allerdings genügt § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung nicht dem Bestimmtheitsgebot, soweit darin das Mitführen „bei größeren Veranstaltungen auf öffentlichen Grundflächen und Plätzen“ untersagt wird.
Eine Veranstaltung ist ein planmäßig zeitlich eingegrenztes, aus dem Alltag herausgehobenes Ereignis, zu welchem ein Besucherkreis Zutritt hat. Da es um Veranstaltungen auf öffentlichen Grundflächen und Plätzen geht, dürfte der Verordnungsgeber öffentliche Veranstaltungen avisiert haben, zu denen jedermann Zutritt hat, so dass der Besucherkreis nicht eingeschränkt ist. Was allerdings in diesem Zusammenhang „größere Veranstaltungen“ sind, wird nicht definiert und lässt sich im Wege der Auslegung nicht ermitteln. Dies ist auch dann der Fall, wenn man davon ausgeht, dass der Verordnungsgeber „große Veranstaltungen“ regeln wollte und der Komparativ mangels eines Vergleichsbegriffs der Umgangssprache geschuldet ist. So ist nach Sinn und Zweck der Norm unter einer großen Veranstaltung eine Veranstaltung mit einer gewissen Anzahl von Personen zu verstehen, da sich mit steigender Anzahl der Personen das Gefahrenpotential konfliktträchtiger Begegnungen mit Hunden erhöht. Ab welcher Anzahl von Personen die Rechtsanwender und die Rechtsunterworfenen davon auszugehen haben, bleibt jedoch im Dunkeln.
Die erforderliche Bestimmtheit gewinnt die Passage in § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung nicht dadurch, dass man sich, wie die Antragsgegnerin argumentiert, an „parallelen Regelungen“ orientiert, wie beispielsweise zu „großen überregionalen Sport-, Kultur- und vergleichbaren Veranstaltungen“ in § 4 Abs. 2 Nr. 7 der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (v. 23.11.2021, BayMBl. Nr. 816, BayRS 2126-1-19-G). Abgesehen davon, dass jene Norm zum Zeitpunkt des Erlasses der Hundehaltungsverordnung nicht einmal in Kraft war (s.o.), sie nicht mehr in Kraft ist und ihrerseits keinen Aufschluss über die einschlägige Personenanzahl gibt, handelt es sich um eine gänzlich andere Regelungsmaterie, die keinerlei Bezug zu dem hier geregelten Lebenssachverhalt aufweist. Aus diesem Grund muss beispielsweise ein Rekurs auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 VStättV („mehr als 1.000 Besucher“) oder auch § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LStVG („mehr als eintausend Besucher“) ebenso ausscheiden.
Die im Übrigen in § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung geregelten Orte, bezüglich derer das Betretensverbot beziehungsweise das Herumführgebot gilt, sind als öffentliche Anlagen im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG zu qualifizieren. Es handelt sich um Flächen, die unabhängig von einer Verkehrsfunktion im weitesten Sinne der Erholung der Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind. Da der Begriff der öffentlichen Anlagen im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz nicht geregelt wird, bedarf es keiner straßenrechtlichen Widmung. Darunter fallen auch entsprechende Sportanlagen und auch Kinderspielplätze (vgl. Schenk in in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: Mai 2018, Art. 18 Rn. 18 f.). Derartige Orte werden in § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung aufgeführt, da der Verordnungsgeber nach der Binnensystematik der Norm sowohl öffentliche Sportanlagen als auch öffentliche umfriedete Kinderspielplätze geregelt hat.
Die Passage „bei größeren Veranstaltungen auf öffentlichen Grundflächen und Plätzen“ ist von dem übrigen Teil der Norm auch abtrennbar und damit teilbar. Teilbarkeit ist gegeben, wenn der fehlerhafte Teil mit dem Rest der Norm nicht so verflochten ist, dass dieser ohne den ungültigen Teil nicht sinnvoll bestehen bleiben kann, und der übrige Teil sicher dem mutmaßlichen Willen des Normgebers entspricht (vgl. Panzer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Juli 2021, § 47 Rn. 110 m.w.N.; Unruh in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 47 Rn. 115 m.w.N.; vgl. zu Satzungen: BayVGH, U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 32 u. zu Rechtsverordnungen: BayVGH, B.v. 25.1.2010 – 22 NE 09.2019 – juris Rn. 18). Der übrige Teil des § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung besteht aus gleichwertig nebeneinanderstehenden Tatbestandsalternativen und hat daher weiterhin selbständige Bedeutung. Es ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber die Gefahren an den verbleibenden, im Fall einer Begegnung von Hund und Mensch besonders konfliktträchtigen Orten in jedem Fall abwenden will. Der verbleibende Teil der Norm ist nicht zu beanstanden.
(9) § 4 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung ist nicht von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt, folglich materiell rechtswidrig und damit ungültig.
(aa) Die Norm hat Regelungscharakter. Zwar ist sie – wie § 4 der Hundehaltungsverordnung insgesamt − nicht bußgeldbewehrt, jedoch erlegt sie den Adressaten ein Gebot auf und beinhaltet nicht nur einen programmatischen Appell. Dies ergibt sich aus der Stellung im verfügenden Teil der Verordnung und der von der Präambel abweichenden Formulierung („muss“).
(bb) Die Norm bezieht sich − wie § 1 Abs. 3 der Hundehaltungsverordnung − allgemein auf Hunde, obwohl Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG lediglich zur Regelung in Bezug auf große Hunde und Kampfhunde im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG ermächtigt (s.o.).
(cc) Außerdem überschreitet § 4 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung die Ermächtigung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG, weil die Norm sämtliche Flächen „außerhalb eines eingefriedeten Besitztums“ betrifft. Eine auf Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gestützte Hundehaltungsverordnung darf sich allein auf öffentliche Anlagen (s.o.) sowie öffentliche Wege, Straßen und Plätze beziehen. Ö. Wege, Straßen und Plätze sind dem öffentlichen Verkehr straßenrechtlich gewidmete Flächen (vgl. Art. 1 Satz 1 BayStrW). Es genügt nicht, dass es sich um faktisch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte, aber nicht gewidmete, typischerweise im Privateigentum stehende Flächen handelt (vgl. Körner/Mehringer in PdK Bayern K-30, LStVG, Art. 18 Nr. 4. Verordnungen; Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: Mai 2018, Art. 18 Rn. 18 f.; Schwabenbauer in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht, 18. Aufl., Stand: 1.3.2022, Rn. 7). Indem § 4 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung seinen örtlichen Geltungsbereich auf sämtliche Flächen außerhalb eines eingefriedeten Besitztums ausdehnt, erstreckt er ihn zwangsläufig auch auf derartige nicht straßenrechtlich dem öffentlichen Verkehr gewidmete Flächen, die nicht öffentliche Anlagen sind.
(10) Der – ebenfalls nicht bußgeldbewehrte − § 4 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung, wonach Hunde nur Personen überlassen werden dürfen, welche die Gewähr dafür bieten, dass die Vorschriften dieser Verordnung eingehalten werden, ist gleichfalls nicht von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt.
Die Norm bezieht sich – ebenso wie § 1 Abs. 3 und § 4 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung − allgemein auf Hunde, obwohl Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG lediglich zu einer Regelung in Bezug auf große Hunde und Kampfhunde im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG ermächtigt (s.o.).
Überdies enthält sie keine Begrenzung auf die in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG genannten öffentlichen Anlagen beziehungsweise öffentlichen Wege, Straßen und Plätze. Diese Begrenzung kann aufgrund der Binnensystematik des § 4 der Hundehaltungsverordnung auch nicht einfach vorausgesetzt werden, da § 4 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung unmittelbar auf § 4 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung folgt, der in Bezug auf seinen räumlichen Geltungsbereich die Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich überschreitet (s.o.). Dementsprechend hätte es für die Annahme, dass der örtliche Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG hier wieder eingehalten werden soll, einer Klarstellung bedurft, an der es jedoch fehlt. Dafür, dass der Verordnungsgeber eine solche Begrenzung in § 4 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung bewusst nicht regeln wollte, sprechen im Übrigen die verschiedenen räumlichen Anknüpfungspunkte in der Hundehaltungsverordnung und auch die allgemein und übergreifend gehaltene Formulierung der Überschrift des § 4 der Hundehaltungsverordnung („Führen von Hunden“).
Des Weiteren knüpft die Norm an die Eigenschaft der persönlichen Zuverlässigkeit des Hundeführers an. Dies überschreitet ebenfalls die Ermächtigung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG zur Beschränkung des freien Umherlaufens der dort genannten Hunde. Es fehlt an einem Gebot bezüglich des tatsächlichen Einwirkens – beispielsweise über das Bindeglied des Führens − auf große Hunde beziehungsweise Kampfhunde. Dass Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG zu einer Regelung der persönlichen Zuverlässigkeit nicht ermächtigt, ergibt sich neben dem Wortlaut auch unter systematischen Gesichtspunkten insbesondere aus dem Vergleich mit Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG, der die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung unter anderem eines Kampfhundes ausdrücklich von der Zuverlässigkeit des Halters abhängig macht („gegen seine Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen“). Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG ermächtigt die Gemeinden folglich nicht dazu, einen „Hundeführerschein“ zu regeln.
(11) Schließlich sind auch § 4 Abs. 2 Satz 2 der Hundehaltungsverordnung, wonach Kampfhunde nur von Personen geführt werden dürfen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, und § 4 Abs. 2 Satz 3 der Hundehaltungsverordnung, wonach eine Person nicht gleichzeitig mehrere Kampfhunde führen darf, nicht von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt.
Beide Normen enthalten entgegen der Ermächtigungsgrundlage des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG nicht die erforderliche Begrenzung auf die dort genannten Flächen. Die Normen sind insofern im vorgenannten Sinne mit dem fehlerbehafteten § 4 Abs. 1 der Hundehaltungsverordnung verflochten. Die zu § 4 Abs. 2 Satz 1 der Hundehaltungsverordnung angeführten Erwägungen gelten entsprechend (s.o.).
Im Fall des § 4 Abs. 2 Satz 2 der Hundehaltungsverordnung kommt hinzu, dass die Norm an die Eigenschaft der Volljährigkeit der Person des Hundeführers anknüpft. Damit wird nicht mehr allein das freie Umherlaufen von großen Hunden und Kampfhunden im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG beschränkt. Die Volljährigkeit ist ein Aspekt der Zuverlässigkeit des Hundeführers (vgl. Nr. 37.4.2 8. Spiegelstrich d. VollzBekLStVG: „Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht … die minderjährig sind“). Auch dies überschreitet die Ermächtigung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG.
(12) Im Übrigen begegnet die beanstandete Hundehaltungsverordnung, darunter auch § 6 der Hundehaltungsverordnung, dieser insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Ermächtigungsgrundlage des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG und des Art. 50 LStVG, keinen Bedenken.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Der Senat hat sich hierbei von dem Gesichtspunkt leiten lassen, dass der die Gesamtunwirksamkeitserklärung der Hundehaltungsverordnung (mit Ausnahme des § 5 der Hundehaltungsverordnung) begehrende Antragsteller sich einerseits vor allem gegen die Leinenpflicht wendet, diesbezüglich allerdings unterliegt, andererseits das durch ihn in Gang gesetzte objektive Rechtsbeanstandungsverfahren zu der Unwirksamkeitserklärung einer Reihe von Normen führt.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 705 ff. ZPO.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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