Aktenzeichen 8 N 19.2038, 8 N 19.2039
VwGO § 47
BayWG Art. 18 Abs. 3
Leitsatz
1. Das Befahren von Gewässern mit kleinen Wasserfahrzeugen ohne eigene Triebkraft wie z.B. Kanus kann zum Schutz der Natur eingeschränkt werden.
2. Die in Art. 18 Abs. 3 BayWG gewählte Gesetzesbezeichnung „die Natur zu schützen“ ist im Sinne des naturschutzrechtlichen Begriffs zu verstehen.
Tenor
I. Die Verfahren Az. 8 N 19.2038 und Az. 8 N 19.2039 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens im Verhältnis der Anteile ihrer Verfahren am Gesamtstreitwert.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Normenkontrollanträge, die zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden (vgl. § 93 Satz 1 VwGO), haben keinen Erfolg.
A. Die Normenkontrollanträge sind zulässig, insbesondere sind die Antragsteller als aktive Kanusportler, die ihren Sport auch im Geltungsbereich der verfahrensgegenständlichen Verordnung ausüben, antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Sie können sich auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Das in Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV verankerte Grundrecht auf Genuss der Naturschönheiten und Erholung in der freien Natur kann die Antragstellerseite hingegen nicht heranziehen, da die Grundrechte der Bayerischen Verfassung gemäß § 47 Abs. 3 VwGO i.V.m. Art. 98 Satz 4 BV – anders als die Grundrechte des Grundgesetzes – nicht zum Prüfungsmaßstab im vorliegenden Normenkontrollverfahren gehören (vgl. BayVerfGH, B.v. 23.3.1984 – Vf. 33-VI-82 – VerfGHE 37, 35; BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 N 18.389 – NuR 2020, 136 = juris Rn. 36; B.v. 3.7.2020 – 20 NE 20.1443 – juris Rn. 28).
B. Die Normenkontrollanträge sind nicht begründet.
I. Die IsarVO begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken.
Soweit die Antragsteller eine Verletzung des Zitiergebots rügen, greift dieser Einwand nicht durch. In dem am 18. April 2019 bekanntgegebenen und insofern maßgeblichen Verordnungstext wird Art. 18 Abs. 3 BayWG als Rechtsgrundlage der Verordnung ordnungsgemäß angegeben (vgl. Bl. 472 Behördenakte). Auf die im Internet veröffentlichte Version der IsarVO kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Unabhängig davon unterfällt eine auf einer landesrechtlichen Ermächtigung beruhende Verordnung nicht dem Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Soweit Art. 45 Abs. 2 LStVG, der über Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayWG gilt, die Angabe einer Rechtsgrundlage vorschreibt, ist dies nur eine Soll-Vorschrift und stellt demgemäß keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verordnung dar (vgl. BayVGH, U.v. 29.10.2018 – 14 N 16.1498 – BayVBl 2019, 453 = juris Rn. 24).
II. Die angefochtenen Vorschriften der IsarVO stehen auch materiell-rechtlich in Einklang mit dem nach § 47 VwGO zu prüfenden höherrangigen Recht.
Nach Art. 18 Abs. 3 BayWG kann die Kreisverwaltungsbehörde durch Rechtsverordnung die Ausübung des Gemeingebrauchs regeln, beschränken oder verbieten, um Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum, eigentumsgleiche Rechte oder Besitz zu verhüten, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erhalten, die Natur, insbesondere die Tier- und Pflanzenwelt oder das Gewässer und seine Ufer zu schützen, sowie den Erholungsverkehr zu regeln.
1. Die Ermächtigungsgrundlage des Art. 18 Abs. 3 BayWG stellt eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen durch die Kreisverwaltungsbehörde dar (vgl. BayVerfGH, E.v. 5.11.1979 – Vf.13-VII-77 – BayVBl 1980, 589 = juris Rn. 49 m.w.N.; E.v. 20.2.1990 – Vf. 6-VII-89 – VerfGH 43, 67, 73 jeweils zu Art. 22 BayWG a.F.). Sie genügt insbesondere dem Parlamentsvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG.
Zwar gebietet der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wurzelnde Parlamentsvorbehalt, dass in grundlegenden normativen Bereichen – insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung – die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber durch ein förmliches Gesetz getroffen werden (vgl. BVerfG, B.v. 1.4.2014 – 2 BvF 1/12 – BVerfGE 136, 69 = juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 26.11.2014 – 6 CN 1.13 – BVerwGE 150, 327 = juris Rn. 45). Wann es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den dort verbürgten Grundrechten, zu entnehmen (vgl. BVerfG, U.v. 14.7.1998 – 1 BvR 1640/97 – BVerfGE 98, 218, 251 = juris Rn. 132; B.v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12 – BVerfGE 139, 19 Rn. 52; BayVerfGH, E.v. 17.7.2018 – Vf. 28-IX-18 – BayVBl 2018, 809 Rn. 67 ff.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe musste der Gesetzgeber nicht selbst über die Regelungen und Beschränkungen des Gemeingebrauchs entscheiden. Die Benutzung von oberirdischen Gewässern mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft hat der Gesetzgeber in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG als Teil des Gemeingebrauchs definiert. Beschränkungen des Gemeingebrauchs zu den einzelnen in Art. 18 Abs. 3 BayWG aufgeführten Zwecken hat der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber überlassen. In Anbetracht dessen, dass die gemeingebräuchliche Nutzung von Gewässern nicht dem Kernbereich des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit zuzurechnen ist, und unter Berücksichtigung der verschiedenen Formen des Gemeingebrauchs sowie der unterschiedlichen Gewässerarten ist die Einschätzung des Gesetzgebers nachvollziehbar, dass der Verordnungsgeber eher in der Lage ist, die Anforderungen an die Benutzung von Gewässern situationsbedingt vor Ort zu gestalten und damit allen berührten grundrechtlichen Interessen Rechnung zu tragen.
2. Die IsarVO genügt den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes.
Bei der Überprüfung von Rechtsverordnungen ist entgegen der Ansicht der Antragsteller als Maßstab nicht Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG heranzuziehen, der allein die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten regelt, sondern der allgemeine Bestimmtheitsgrundsatz, der eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips darstellt. Dieser verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen (vgl. BVerfG, B. v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00 – BVerfGE 103, 332 = juris Rn. 164 m.w.N.). Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschriften durch die Verwaltung zu kontrollieren (vgl. BayVerfGH, E.v. 9.2.2021 – Vf. 6-VII-20 – BayVBl 2021, 302 = juris Rn. 54; VGH BW, U.v. 23.3.2016 – 1 S 410/14 – juris Rn. 65). Der Gesetzgeber ist dabei gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, U.v. 26.4.2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 = juris Rn. 272).
a) Hiervon ausgehend sind die den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung regelnden Vorschriftenteile ausreichend bestimmt. Mit Erlass der am 5. Januar 2022 bekannt gemachten Änderungsverordnung ist in § 1a der Geltungsbereich unter Bezeichnung der Flusskilometer und weiterer Ortsangaben hinreichend deutlich und anschaulich beschrieben (Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayWG i.V.m. Art. 51 Abs. 2 Satz 1 LStVG).
b) Die von der Antragstellerseite kritisierten unbestimmten Rechtsbegriffe in § 2 Abs. 1 IsarVO und § 3 IsarVO sind ebenfalls mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar.
Die Verwendung unbestimmter, der Auslegung und Konkretisierung bedürftiger Begriffe bei der Formulierung von Rechtsnormen ist allgemein anerkannt und stellt für sich genommen keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot dar (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2021 – 20 NE 21.806 – juris Rn. 25 m.w.N.). Allerdings muss die Norm so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.9.2014 – 1 BvR 3353/13 – NVwZ 2014, 1571 = juris Rn. 16; B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00 – DVBl 2001, 1415 = juris Rn. 164). Gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden unter Berücksichtigung von Ziel, Tendenz, Programm, Entstehungsgeschichte und Zusammenhang mit anderen Vorschriften eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewonnen werden kann (vgl. BayVerfGH, E.v. 26.2.2021 – Vf. 16-VII-19 – BayVBl 2021, 336 = juris Rn. 35 m.w.N.). Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtsposition des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. BVerfG, U.v. 20.4.2016 – 1 BvR 966/09 – BVerfGE 141, 220 = juris Rn. 94; U.v. 26.4.2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 = juris Rn. 200; VGH BW, B.v. 5.8.2021 – 1 S 1894/21 – NVwZ-RR 2022, 29 = juris Rn. 140 f.).
aa) Gemessen daran genügt die angegriffene Bezeichnung „mit kleinen geeigneten Wasserfahrzeugen“ in § 2 Abs. 1 Satz 1 IsarVO dem Bestimmtheitsgrundsatz; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Befahren der Isar mit „ungeeigneten Wasserfahrzeugen“ nach § 4 Nr. 2 IsarVO bußgeldbewehrt ist und damit intensiver auf die Rechtsposition des Normadressaten einwirkt.
Der Bedeutungsgehalt der gewählten Bezeichnung ist im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Zum einen ist handelt es sich bei dem Begriff der „kleinen Wasserfahrzeuge ohne eigene Triebkraft“ um einen in der Rechtsordnung gebräuchlichen Begriff, der aus den Vorschriften des Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV und des Art. 18 Abs. 1 BayWG bekannt ist (vgl. zur Bedeutsamkeit allgemein gebräuchlicher Gesetzesbegriffe BayVerfGH, E.v. 11.11.1997 – Vf. 22-VII-94 – BayVBl 1998, 142 = juris Rn. 154). Zum anderen wird der Terminus „kleine Wasserfahrzeuge“ in der Verordnung selbst konkretisiert durch die in § 2 Abs. 1 Satz 3 IsarVO aufgeführten Beispiele. Dort heißt es: „Kleine Wasserfahrzeuge ohne eigene Triebkraft sind insbesondere Kanus, Kajaks, Kanadier, Schlauchboote, wildwassertaugliche, luftgefüllte Boote (z.B. „Schlauchcanadier“) sowie alle sonstigen auf dem Wasser schwimmenden, für den Wildfluss Isar geeigneten, steuerbaren (z.B. mit Doppelpaddel manövrierbaren) Fahrzeuge“. Aus dieser Definition ist erkennbar, dass der in vielen Vorschriften und Gesetzen verwandte und aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bekannte Begriff „geeignet“ für den Verordnungsgeber in engem Zusammenhang steht mit den Begriffen „für den Wildfluss Isar“ und „steuerbar“ bzw. „manövrierbar“. Daher ergibt sich aus dem systematischen Kontext, dass die Steuerbarkeit auf dem Wildfluss ein wesentliches Kriterium der Geeignetheit darstellen soll. Dass die Wasserfahrzeuge steuerbar sein müssen, zeigt sich auch in § 2 Abs. 9 und 10 IsarVO, wonach das Befahren der Isar in der Stromlinie erfolgen soll und von als Brutplatz gekennzeichneten Kiesinseln und Kiesbankbereichen ein möglichst großer Abstand zu halten ist.
bb) Auch die in § 3 IsarVO aufgeführten unbestimmten Rechtsbegriffe der „nicht beabsichtigten Härte“ und des „Wohls der Allgemeinheit“ sind mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar. Diese in vielen Gesetzen (z.B. § 38 Abs. 5 WHG) vorkommenden unbestimmten Rechtsbegriffe sind auslegbar und lassen sich im Einzelfall konkretisieren. So ist der Begriff des Gemeinwohls umfassend zu verstehen und erfasst nicht nur wasserrechtliche Belange, sondern sämtliche im Interesse der Allgemeinheit liegenden öffentliche Belange wie etwa auch den Naturschutz. Der Begriff der nicht beabsichtigten Härte soll eine unverhältnismäßige Inanspruchnahme des Bürgers im Einzelfall verhindern.
3. Die in § 2 Abs. 2 bis 14 IsarVO festgesetzten allgemeinverbindlichen Regelungen und Beschränkungen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs zum Schutz der Natur sind durch Art. 18 Abs. 3 BayWG gedeckt.
Auf diese Ermächtigungsgrundlage gestützte Regelungen, Beschränkungen und Verbote müssen zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Sie müssen auch im Übrigen mit höherrangigem Recht vereinbar sein sowie den Freiheitsrechten des Einzelnen und dem Gleichheitssatz genügen. Eine hierüber hinausgehende Prüfung findet nicht statt (vgl. VGH BW, U.v. 27.2.2018 – 3 S 963/16 – VBlBW 2019, 194 = juris Rn. 64 m.w.N.). Mit Blick auf die im Rahmen der Ermächtigung regelmäßig weite Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers (vgl. BVerfG, B.v. 15.3.2010 – 1 BvR 476/10 – NJW 2010, 2501 = juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 7.12.2021 – Vf. 60-VII-21 – juris Rn. 24) hat der Senat nicht zu prüfen, ob dieser jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. VGH BW, U.v. 30.8.2007 – 3 S 274/06 – juris Rn 26).
Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben verstoßen die Regelungen und Beschränkungen des Gemeingebrauchs auf der Isar, insbesondere die von der Antragstellerseite vorrangig gerügten saisonalen (§ 2 Abs. 6 IsarVO) und tageszeitlichen (§ 2 Abs. 7 IsarVO) Einschränkungen der Befahrbarkeit nicht gegen höherrangiges Recht. Sie tragen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend Rechnung und verletzen nicht die allgemeine Handlungsfreiheit der Antragsteller.
a) Legitimer Zweck der angegriffenen Verordnung ist, die Ausübung des Gemeingebrauchs auf der Isar (Wildfluss) im Einklang mit der Natur zu regeln, die Sicherheit zu erhöhen sowie den von den Wasserwanderern und Erholungssuchenden bevorzugt aufgesuchten und von der Natur besonders reichhaltig ausgestatteten Lebensraum der Isar für Pflanzen und Tiere, insbesondere in FFH-Gebieten / Natura2000-Gebieten, zu erhalten (§ 1 IsarVO).
Bei der Isar handelt es sich um ein großflächig alpines Fluss-Ökosystem, das sich durch eine enge Verzahnung unterschiedlichster Lebensräume als besonders wertvoll darstellt und dem überregionale Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz zukommt (vgl. Managementplan Teil I – Maßnahmen für das FFH-Gebiet „Oberes Isartal“, Stand 20.12.2016 S. 7). Nach der auch von den Antragstellern nicht infrage gestellten Einschätzung der Naturschutzbehörden ist die Isar der einzige große alpine Wildfluss in Deutschland, der auf längeren Strecken noch die am besten erhaltenen Lebensraumtypen und Arten beinhaltet, die für solche Flusssysteme typisch sind (vgl. abgestimmte Stellungnahme der Fachbehörden (Höhere Naturschutzbehörde, Untere Naturschutzbehörde, Fachberatung für Fischerei des Bezirks Oberbayern, Wasserwirtschaftsamtes Weilheim) vom 10.3.2022 [im Folgenden: ROB vom 10.3.2022] S. 2; uNB vom 26.9.2018 S. 2). Aufgrund des Wildflusscharakters, der sich umlagernden Kiesbänke und des Vorkommens von sehr seltenen und störungsanfälligen vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten bedarf es eines besonderen Schutzes, um diesen für Deutschland einzigartigen Flussabschnitt zu erhalten (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 2).
Art. 18 Abs. 3 BayWG lässt ein Verbot einzelner Formen des Gemeingebrauchs an Gewässern ausdrücklich zu dem Zweck zu, die Natur, insbesondere die Tier- und Pflanzenwelt zu schützen. Angesichts der staatlichen Schutzpflichten für die natürlichen Lebensgrundlagen und Tiere (vgl. Art. 20a GG) ist diese Zielsetzung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ein legitimes Ziel.
b) Die Regelungen und Beschränkungen des Gemeingebrauchs auf der Isar sind geeignet, den mit ihnen verfolgten Schutzzweck – die Ausübung des Gemeingebrauchs auf der Isar im Einklang mit der Natur – zu erreichen.
aa) Die Antragstellerseite kann nicht mit ihrem Einwand durchdringen, die Regelung in § 2 Abs. 8 IsarVO zur zulässigen Gesamtzahl an Passagieren (max. 12 Personen) erschwere die Zweckerreichung und lasse auf mangelnde Geeignetheit schließen. Zum einen kommt es – unabhängig von der Personenzahl – entscheidend auf die Steuerbarkeit des Wasserfahrzeuges an (vgl. § 2 Abs. 1 IsarVO). Zum anderen muss nach § 26 Abs. 1 und 3 BaySchiffV, der auch für kleine Wasserfahrzeuge ohne eigene Triebkraft in Ausübung des Gemeingebrauchs gilt, jedes Boot über einen verantwortungsbewussten Schiffsführer verfügen. Hinzukommt, dass die Personenbegrenzung zu einer Zeit gilt, in der die Isar befahren werden darf, d.h. nach Einschätzung des Verordnungsgebers die Avi- und Fischfauna im Anwendungszeitraum dieser Vorschrift weniger störanfällig ist.
bb) Geeignet sind auch die jahres- und tageszeitlichen Beschränkungen der Befahrbarkeit der Isar.
§ 2 Abs. 6 IsarVO beschränkt das Befahren der Isar saisonal auf den Zeitraum vom 1. Juni bis 15. Oktober bzw. im Abschnitt der Isar ab Bad Tölz bis zur Landkreisgrenze (Isarbrücke bei Schäftlarn) auf den Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Dezember. In diesen Monaten darf die Isar nur tagsüber von 7:00 Uhr bis 20:30 Uhr befahren werden (§ 2 Abs. 7 IsarVO). Gegen diese Konzeption bestehen keine Bedenken. Das gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass auf diese Weise die Isar während eines längeren Zeitraums dem wasserrechtlichen Gemeingebrauch vollständig entzogen wird.
Das Befahrensverbot fördert von der Gewässerseite die Erhaltung des von der Natur besonders reichhaltig ausgestatteten Lebensraums der Isar für Pflanzen und Tiere im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, insbesondere in den dortigen FFH-Gebieten „Oberes Isartal“ und „Karwendel mit Isar“. Die Natur erhält auf diese Weise eine Ruhezeit, in der die Isar nicht mit kleinen Wasserfahrzeugen befahren werden darf. Vor allem die saisonale Ruhephase ist förderlich für die natürliche Regenerierung und Reproduktion der isartypischen Fisch- und Avifauna, bei denen es sich zum großen Teil um besonders geschützte Tierarten handelt. Der hohe Nutzungsdruck, der nicht nur von Bootsfahrern, sondern auch von anderen Erholungssuchenden wie Spaziergängern, Anglern, Badegästen und Radfahrern ausgeht, spricht nicht gegen die Geeignetheit der Maßnahme, zumal naturschutzfachliche Beschränkungen zum Schutz dieses wertvollen Lebensraums an der Landseite bereits in den geltenden Naturschutzgebiets- und Landschaftsschutzgebiets-Verordnungen zu finden sind.
cc) Die Geeignetheit wird auch nicht in Frage gestellt, soweit die Antragstellerseite rügt, der verfolgte Zweck könne überhaupt nicht erreicht werden, weil kausale Belege für erhebliche Störungen oder gar Schädigungen der Fisch- und Avifauna durch Bootsfahrten fehlten. Für den Erlass einer Rechtsverordnung genügt – entsprechend ihres Charakters als abstrakt-generelle Regelung – eine abstrakte Gefahr mit einer vom Einzelfall losgelösten Betrachtung (vgl. BayVerfGH, E.v. 29.10.2018 – Vf. 21-VII-17 – VerfGHE 71,272 = juris Rn. 40; BayVGH, U.v. 23.7.2013 – 10 N 13.210 u.a. – VGHE n.F. 66, 151 = juris Rn. 58).
Dass ein konkreter Nachweis der Störungen oder Schädigungen der Fisch- und Avifauna durch Bootsfahrten im Einzelfall nicht erforderlich ist für den Verordnungserlass, ergibt sich zudem daraus, dass der Schutz von Natur und Landschaft vor störenden und schädigenden Eingriffen einem vom Bundes- und Landesgesetzgeber (vgl. §§ 1, 2, 14, 37 ff. BNatSchG; Art. 1, 2, 31 BayNatSchG) verbindlich festgelegten Schutzinteresse der Allgemeinheit entspricht (vgl. Fritzsche/Knopp/Manner, Das Wasserrecht in Bayern, Stand Februar 1986, Art. 22 BayWG a.F. Rn. 24). Mit Rücksicht auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, der ein jede Normanalyse mitbestimmendes Interpretationsprinzip darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2003 – 8 C 16.02 – BVerwGE 118, 345 = juris Rn. 24), ist daher die in Art. 18 Abs. 3 BayWG gewählte Gesetzesbezeichnung „die Natur zu schützen“ im Sinne des naturschutzrechtlichen Begriffs zu verstehen. Dafür spricht auch, dass die Wendung im Rahmen des Bayerischen Naturschutzgesetzes vom 27. Juli 1973 (GVBl S. 437, 448) – auf Empfehlung des Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen (vgl. LT-Drs. 7/4662 S. 34) – in den damaligen Art. 22 des Bayerischen Wassergesetzes eingefügt worden ist.
Danach bedeutet der Schutz der Natur, dass gegenwärtige oder potenzielle Beeinträchtigungen oder Störungen gegenüber den Schutzgütern Tier- und Pflanzenwelt unterlassen bzw. aktiv abgewehrt werden sollen (vgl. Mengel in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 1 Rn. 20; Binktrine in BeckOK UmweltR, BNatSchG, 61. Ed. 2022, § 1 Rn. 37). Ein Schutzbedürfnis besteht nicht erst dann, wenn diese Schutzgüter konkret gefährdet sind (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5.97 – NuR 1998, 37 = juris Rn. 6; U.v. 5.2.2009 – 7 CN 1.08 – NuR 2009, 346 = juris Rn. 30 jeweils zum Naturschutzgebiet). Es genügen insofern Anhaltspunkte, dass die Schutzgüter ohne die vorgesehene Maßnahme abstrakt gefährdet wären (vgl. BVerwG, B.v. 16.6.1988 – 4 B 102.88 – UPR 1988, 445 Leitsatz zum Landschaftsschutzgebiet; HessVGH, U.v. 9.3.2017 – 4 C 328/16.N – NuR 2017, 702 = juris Rn. 57). Von einer solchen Gefährdung ist auszugehen, wenn ein Schadenseintritt ohne die vorgesehene Maßnahme nicht bloß als entfernte Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.1997 a.a.O.; BayVGH, U.v. 37.7.2000 – 9 N 98.3587 – juris Rn. 39). Auf den Nachweis eines Schadenseintritts im Einzelfall kann verzichtet werden (vgl. BVerwG, B.v. 24.10.1997 – 3 BN 1.97 – Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 10 = juris Rn. 4). Allerdings verlangt die Feststellung einer abstrakten Gefahr eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2014 – 6 C 28.13 – GewArch 2015, 258 = juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 23.7.2013 – 10 N 13.210 u.a. – VGHE n.F. 66, 151 = juris Rn. 58). So kann es in nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand besonders schützenswerten Gebieten gerechtfertigt und notwendig sein, sie für Erholungszwecke nur insoweit zu erschließen, als es die Ziele des Naturschutzes erlauben (vgl. BayVGH, E.v. 5.11.1979 – Vf. 13-VII-77 – BayVBl 1980, 589 = juris Rn. 62).
Eine solche Prognose, nach der Bootsfahrten auf den streitgegenständlichen Isarabschnitten in den gewählten Zeiträumen typischerweise eine Beeinträchtigung der Natur begründen, liegt der Verordnung zugrunde. Eine systematische Erfassung der Bootsbefahrungen im streitgegenständlichen Isarabschnitt war demgegenüber weder ganzjährig mittels Stichproben noch über den Tagesverlauf hinweg notwendig. Nach Einschätzung der Naturschutzbehörden ist allen Tierarten an Land und im Wasser gemeinsam, dass ihre Lebensräume in den letzten 100 Jahren in Bayern extrem geschrumpft und nur noch an wenigen Stellen geeignete Brutgebiete vorhanden sind (Vögel) oder das Flussbett ausreichend geeignete Laichplätze bietet (Fische) (vgl. Gemeinsame naturschutzfachliche Bewertung im Schriftsatz der Landesanwaltschaft [im Folgenden LA] vom 18.2.2020 S. 6). Aber auch aufgrund anderer Faktoren sind insbesondere die Bestände von Kiesbrütern an der Isar in den letzten Jahren zurückgegangen. Dazu gehören die Störungen durch den Menschen.
(1) Beeinträchtigungen der Kiesbrüter durch den Menschen während der Balz-, Brut- und Aufzuchtzeit sind vielfältig. Bereits durch das Vorbeifahren von Booten ist es möglich, dass die störungsempfindlichen Flussuferläufer und Flussregenpfeifer, die an allen Flussabschnitten der Isar im Landkreis vorkommen, durch die Silhouettenwirkung der Boote samt Fahrer sowie durch Lärm (z.B. Paddelschläge auf dem Wasser, laute Unterhaltungen von mehreren Bootsfahrern) gestört werden und ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten aufgeben. Finden die Störungen statt, während die Elternvögel geeignete Brutplätze aufsuchen, kann es passieren, dass jene Plätze nicht angenommen oder angenommene Brutplätze vor dem tatsächlichen Brutgeschäft aufgegeben werden. Wenn diese Störungen während des tatsächlichen Brutgeschäfts stattfinden, kann dies dazu führen, dass der Elternvogel das Gelege verlässt und die Eier auskühlen oder überhitzen; ein häufiges An- und Abfliegen der Elternvögel während der Brut- und Aufzuchtzeit birgt zudem für die Eier, aber auch für die späteren Jungvögel eine erhöhte Gefahr durch Prädation, da der Brutstandort leichter lokalisiert werden kann. Während der Aufzuchtzeit kann es vorkommen, dass die Elternvögel aufgrund von Störungen essentielle Nahrungshabitate meiden. Die Störungen durch Warten auf andere Bootsfahrer in einem weniger durchströmten Uferbereich oder durch tatsächliches Anlanden der Boote sind die gleichen wie beim Vorbeifahren der Boote, wobei die Störungsintensität durch die längere Verweildauer und die geringen räumlichen Abstände nochmals erhöht sind. Hinzukommt beim Anlanden die zusätzliche Gefahr, dass Eier durch Tritte, Ziehen oder Schleifen von Booten über Kiesbänke (unbeabsichtigt) beschädigt oder zerstört werden (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 31 f.). Bei den sehr störungsanfälligen Flussuferläufern und Flussregenpfeifern reicht bereits eine einzige Störung aus, um die beschriebenen Wirkungen auszulösen. Hinzukommt, dass Bootsfahrer beim Befahren der Isar einen Großteil der tatsächlichen Lebensräume der Kiesbrüter passieren, d.h. Störungen können nicht nur bei einem Individuum bzw. einem Brutpaar ausgelöst werden, sondern die Störungen können sich flussabwärts auch auf andere Individuen und Brutpaare potenzieren (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 33).
(2) Erholungssuchende Wasserwanderer haben nach den Beobachtungen der Fachbehörden ebenfalls einen negativen Einfluss auf die Fischbiozönose. Da die verfügbare Wassermenge im Winterhalbjahr gering ist, schränkt dies den für die Fische verfügbaren Lebensraum einschließlich der Laichhabitate stark ein. Insbesondere die größeren Fische müssen sich vor allem im Winterhalbjahr die tieferen Abschnitte des Flusses teilen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 25, 27, 29). Wenn auch noch Boote diese tieferen Flussabschnitte befahren, kann dies zum Verscheuchen von Tieren aus ihren Einständen und energetisch günstigen Standplätzen führen. Hinzukommt, dass die Laichzeiträume der in den unterschiedlichen Isarabschnitten besonders bedeutsamen Leitfischarten innerhalb der regelmäßig niedrigsten Wasserstände an der Isar liegen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 27). Boote können die überaus scheuen Fische daher während der Laichzeit stören. So kann der Schwarmzusammenhalt von laichbereiten Fischen (wie Nase, Barbe, Aitel) durch die Scheuchwirkung vorbeifahrender Boote gefährdet werden. Wird der Schwarmzusammenhalt mehrmals aufgelöst, so kann sich das Laichgeschehen räumlich auf weniger geeignete Areale, z.B. tiefere Züge verlagern (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 27). Bootsbewegungen und Befahrungen auf dem Umfeld von Laichplätzen kann aber auch laichwillige Fische von kieslaichenden Fischarten (wie Huchen, Bachforelle, Äsche) aus ihren bereits angelegten Laichgruben vertreiben und zu einem verminderten Reproduktionserfolg führen, vor allem, wenn bei wiederholten Störungen das Laichgeschäft abgebrochen wird (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 24, 53). Erhebliche Beeinträchtigungen bis zur Zerstörung von Laich und frühen Entwicklungsstadien (Dottersackbrut) erfolgen auch, wenn der Abstand der Boote zum Flussbett aufgrund niedrigen Wasserstands nur wenige Zentimeter beträgt. Wenn die Bootsfahrer in diesem Fall vom Paddeln in das Staken übergehen oder das Wasserfahrzeug selbst beim Durchfahren der Laichgrube den Grund berührt, kann der Laich durch das Einstechen von Paddelblättern in die Laichplätze aus den Vorzugshabitaten verdriften oder der Laich in den Laichgruben geschädigt werden (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 24, 27, 56). Wenn Boote angeströmte Flachwasserzonen befahren oder durch diese Bereiche gezogen werden, in denen sich die Fischbrut vorrangig aufhält, können Jungfische gestört bzw. in tiefere Bereiche vertrieben werden, was zu einer erhöhten Mortalität führt (vgl. uNB vom 26.9.2019 S. 3; ROB vom 10.3.2022 S. 24, S. 53). Aber auch adulte Fische können infolge häufiger oder regelmäßiger Bootsbewegungen indirekt beeinträchtigt werden, wenn sie von ihren Fress- und Standplätzen verscheucht und vertrieben werden. Es kommt zu Stress und verminderter Vitalität sowie Veränderungen der Aktivitätsphasen der Fische (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 24, 53). Zudem werden die Fische durch Störungen abgelenkt und unterliegen damit einem erhöhten Prädationsrisiko durch Raubfische, fischfressende Vögel und Säuger (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 53). Ähnliche direkte oder indirekte Beschädigungen der Fischfauna werden bewirkt durch Ziehen und Schleifen von Booten bei geringem Wasserstand, beim Umtragen von Booten an Hindernissen (z.B. Baumstämme) bzw. im Falle des Kenterns, da in diesen Fällen zum einen Unruhe im Wasser erzeugt wird, zum anderen aber auch Grundkontakt erfolgt, wenn Bootsfahrer durch das Wasser waten müssen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 24).
(3) Diese sachlich fundierten und nachvollziehbaren Aussagen und Feststellungen der Fachbehörden zu den Wirkfaktoren des Bootsbetriebs auf Vögel und Fische machen deutlich, dass bereits eine einzelne Bootsfahrt während der Laichzeit bzw. während der Balz- und Brutzeit der Kiesbrüter erhebliche Beeinträchtigungen der Fisch- und Avifauna auslösen kann. Die jahreszeitliche Beschränkung des Gemeingebrauchs an der Isar stellt daher eine taugliche und geeignete Schutzmaßnahme dar, um der für die Avi- und Fischfauna bestehenden Gefahrenlage wirksam zu begegnen.
c) Die angegriffenen Vorschriften der IsarVO genügen dem Gebot der Erforderlichkeit. Aufgrund der vorhandenen Daten und Erkenntnisse erweist sich insbesondere die Sperrung der in § 2 Abs. 6 IsarVO bezeichneten Isarabschnitte in der Zeit ab dem 16. Oktober bzw. ab dem 1. Januar bis zum 31. Mai zur Erreichung des in § 1 IsarVO genannten Schutzzwecks als erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, dass weniger belastende, zugleich aber ebenso geeignete Mittel zur Erreichung des von dem Verordnungsgeber verfolgten Zwecks – dem Schutz der Natur – zur Verfügung stehen.
aa) Der Normgeber verfügt insoweit über einen Einschätzungs- und Prognosespielraum. Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die der Normgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts für erforderlich hält, gerichtlich nur beanstandet werden, wenn nach den ihm bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen indessen weniger belasten (vgl. BayVerfGH, E.v. 29.10.2018 – Vf. 21-VII-17 – juris Rn. 47)
(1) Der Einwand der Antragstellerseite, dass es dem Verordnungsgeber an einer ausreichenden Tatsachengrundlage gefehlt habe und insofern ein Ermittlungsdefizit vorliege, greift nicht durch.
(a) Die fachlichen Stellungnahmen legen nachvollziehbar dar, dass es sich bei der Isar im Landkreis um ein naturschutzfachlich ausreichend beobachtetes und begutachtetes Gebiet handelt. So laufen neben den Erhebungen für die EU-Wasserrahmenrichtlinie und für die FFH-Gebiete noch weitere Forschungsprojekte. Insbesondere aus fischökologischer Sicht ist die Isar das am besten untersuchte Gewässer Oberbayerns. Es liegen für das in Rede stehende Gebiet 25 Fischbestandserhebungen aus den letzten zehn Jahren vor. Hinzukommen Strukturkartierungen, Laichplatzkartierungen und Daten zum Brutfischmonitoring. Auf Basis dieser Daten lässt sich zuverlässig der Erhaltungszustand der Fischarten in den jeweiligen Teilstrecken sowie deren Bestandsentwicklung beschreiben (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 46 f., 55). Die Brutplätze des Flussregenpfeifers und des Flussuferläufers werden seit mehr als 40 Jahren von Ehrenamtlichen und Gebietsbetreuern des LBV erfasst (vgl. LA vom 18.2.2020 S. 18). Die naturschutzfachlichen Gegebenheiten sind insoweit erforscht und es steht unstreitig fest, welche Tierarten und -bestände im Landkreis an und in der Isar vorkommen. Aussagen zu Beeinträchtigungen und Gefährdungen gründen auf einer soliden Datenbasis. Eine vergleichende Studie mit jeweils zwei Versuchsstrecken oberhalb und unterhalb von Bad Tölz steht nach fachlicher Einschätzung in keinem Verhältnis zum voraussichtlich gering ausfallenden Erkenntnisgewinn und würde die Populationen gefährdeter Fischarten wissentlich einer potentiellen Gefährdung aussetzen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 46).
(b) Unabhängig davon ist für den Normerlass der im Verwaltungsverfahren geltende Untersuchungsgrundsatz des Art. 24 BayVwVfG weder unmittelbar noch analog anwendbar (vgl. BayVGH, U.v. 12.3.2020 – 8 N 16.2555 u.a. – juris Rn. 87 m.w.N.). Dem liegt zugrunde, dass der Erlass einer Rechtsverordnung Rechtsetzung und keine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit i.S.v. Art. 9 BayVwVfG darstellt (vgl. BAG, B.v. 21.9.2016 – 10 ABR 33/15 – BAGE 156, 213 = juris Rn. 134 zu § 24 VwVfG bei Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages). Auch ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es bei der richterlichen Kontrolle untergesetzlicher Normen, soweit keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, nur auf das Ergebnis des Rechtsetzungsverfahren, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive desjenigen ankommt, der an ihrem Erlass mitgewirkt hat (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – BVerwGE 125, 384 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 4.10.2021 – 20 N 20.767 – BayVBl 2022, 158 = juris Rn. 65 m.w.N.).
Entgegen der Ansicht der Antragsteller sind die Grundsätze über die Ausübung des Ermessens beim Erlass von Verwaltungsakten auf die Bestimmung der Maßstäbe, die für den Erlass von Satzungen und Rechtsverordnungen gelten, nicht übertragbar. Soweit der Normgeber zur Regelung einer Frage befugt ist, ist seine Entscheidungsfreiheit eine Ausprägung des auch mit Rechtssetzungsakten der Exekutive typischerweise verbundenen normativen Ermessens. Dieses Ermessen wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich dementsprechend darauf zu beschränken, ob diese äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten sind (vgl. VGH BW, U.v. 27.2.2018 – 3 S 963/16 – VBlBW 2019, 194 = juris Rn. 63 m.w.N.).
Ein anderes Ergebnis ist auch nicht ableitbar aus den unterschiedlichen Instrumenten, die der Landesgesetzgeber in Art. 18 Abs. 3 BayWG der Kreisverwaltungsbehörde zur Verfügung gestellt hat. Der Behörde kommt insofern ein Auswahlermessen zu, ob sie durch Rechtsverordnung, Allgemeinverfügung oder Anordnung im Einzelfall die Ausübung des Gemeingebrauchs regelt, beschränkt oder verbietet. Hat sie sich für ein Handlungsinstrument entschieden, hat die Behörde die für den Erlass geltenden formellen und materiellen Vorschriften einzuhalten und der gerichtliche Kontrollmaßstab orientiert sich daran. Inwiefern dadurch der Parlamentsvorbehalt verletzt wird, ist nicht ersichtlich.
(2) Die Antragsteller können die Rechtswidrigkeit der IsarVO auch nicht auf eine Verletzung des Abwägungsgebots stützen.
Die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm kann nicht aus Mängeln im Abwägungsvorgang hergeleitet werden, sofern sich aus dem Gesetz nicht ausnahmsweise etwas anderes ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2003 – 6 C 6.02 – BVerwGE 118, 128 = juris Rn. 66; U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – BVerwGE 125, 384 = juris Rn. 16; B.v. 10.1.2007 – 6 BN 3.06 – DÖV 2007, 560 = juris Rn. 4; B.v. 19.8.2013 – 9 BN 1.13 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 = juris Rn. 3). Entgegen der Auffassung der Antragsteller besteht keine Parallele zum Baurecht (§ 214 Abs. 3 BauGB), da bei wasserrechtlichen Gemeingebrauchsverordnungen entsprechende gesetzliche Regelungen zu Abwägungsmängeln fehlen. Entscheidend ist damit allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht, also mit höherrangigem Recht übereinstimmt. Der Senat hat insofern nicht zu überprüfen, wie die Norm begründet ist, sondern ob sie begründbar ist (vgl. BAG, B.v. 21.9.2016 – 10 ABR 33/15 – BAGE 156,213 = juris Rn. 135 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
bb) Die überzeugenden naturschutzfachlichen Ausführungen des Antragsgegners, deren Richtigkeit trotz der von den Antragstellern erhobenen Einwände nicht in Zweifel zu ziehen sind, begründen nachvollziehbar die Annahme des Antraggegners, wonach insbesondere die saisonale und tageszeitliche Sperrung der Isar für Boote jeglicher Art sachlich geboten und erforderlich ist, da das Befahren der Isar in den genannten Abschnitten und Zeiträumen dem Schutzzweck des § 1 der IsarVO sowohl in Bezug auf die Avifauna als auch in Bezug auf die Fischfauna generell zuwiderläuft.
Nach Einschätzung der Fachbehörden sind aufgrund der extremen Zunahme an Erholungssuchenden auf der Isar zeitliche Einschränkungen dringend notwendig, um dem Schutz dieses wertvollen Lebensraums besser gerecht zu werden und Beeinträchtigungen der Habitate und Lebensbedingungen der Fische und Vögel durch den Bootsverkehr zu unterbinden (vgl. ROB v. 10.3.2022 S. 2).
(1) Die in der Verordnung vorgesehenen Sperrzeiten orientieren sich unter anderem an den ungünstigen Rahmenbedingungen (Morphologie, Wasserführung, empfindliche Entwicklungsstadien), die zu den Ruhe-, Laich- und Aufzuchtzeiten der Fische sowie zu den Balz-, Brut- und Aufzuchtzeiten der Vögel herrschen.
Den fachlichen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die Morphologie der Isar sich dadurch kennzeichnet, dass das Flussbett für große Hochwasserereignisse ausgelegt ist, jedoch ein Großteil des Wassers aus dem Einzugsgebiet fehlt. Bei Niedrigwasserbedingungen konzentriert sich der Abfluss an vielen Stellen auf eine flache Abflussrinne; zum Teil gibt es sogar Versickerungsstrecken (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 53 f.). Da die Isar in den Wintermonaten bis Anfang Mai regelmäßig deutlich weniger Wasser führt, sind in diesem Zeitraum die potentiell verfügbaren Habitate einschließlich der Laichhabitate der Fische noch enger eingegrenzt als der verfügbare Lebensraum im Sommer (vgl. LA vom 18.2.2020 S. 24). Zugleich liegen innerhalb der regelmäßig niedrigsten Wasserstände an der Isar die Laichzeiträume sowohl von besonders in ihrem Bestand bedrohten Fischarten (Huchen, Äsche, Streber) als auch der anderen charakteristischen Arten (wie z.B. Bachforelle, Koppe, Barbe, Nase), so dass sich die Fische zu dieser Zeit in einem empfindlichen Entwicklungsstadium befinden (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 25). Mit den gewählten Sperrfristen soll allerdings nicht nur der engere Zeitraum des Laichgeschäfts beruhigt und vermeidbare Störungen ausgeschlossen werden. Die Fachbehörden erachten aus naturschutzfachlicher Sicht für die Fischbiozönose eine längere Ruhe- und Erholungsphase vor und nach dem Laichgeschäft für sinnvoll und notwendig, zumal einige Arten vor der Laichzeit bereits energetisch aufwendige Laichwanderungen zurücklegen und sich Revierkämpfe liefern. Dafür sowie für die Produktion großer Mengen an Rogen und Milch müssen die Laichfische möglichst fit sein. Dies setzt jedoch eine ausreichende Zeit voraus, um Nahrung aufzunehmen und ausreichende Ruhephasen einzulegen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 41). Angesichts dessen soll mit der jahreszeitlichen Fahrbeschränkung den Fischen eine ausgedehnte Ruhezeit möglichst ohne unnötige Störungen ermöglicht werden. Denn aufgrund der Gewässerstruktur mit seichten Furtstellen und Restwasserstrecken ist ein Ausweichen der Wasserfahrzeuge praktisch nicht möglich, so dass Störungen bzw. Scheucheffekte zwangsläufig auch von kleineren Wasserfahrzeugen auftreten. Hinzukommt, dass selbst bei einem vorausschauenden Fahren aufgrund der Spiegelung des Wassers und der vorherrschenden Strömung ein Überfahren von Habitaten und Laichplätzen kaum vermieden werden kann (vgl. LA vom 18.2.2020 S. 26).
Ein ähnlicherer Störeffekt tritt nach der überzeugenden Stellungnahme der Fachbehörden in Bezug auf die an dem relativ engen Fließgewässer und den angrenzenden Kiesbänken brütenden Flussuferläufer und Flussregenpfeifer auf. Bereits aufgrund der Nähe der vorbeifahrenden Kanus besteht die Gefahr, dass diese sehr störungsanfälligen Vögel ihre Brut aufgeben, da sie auf vorbeifahrende Boote mit Flucht reagieren (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 33). Die Fachbehörde weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein ausbleibendes Flüchten oder eine ausbleibende Reaktion der Kiesbrüter nicht automatisch bedeutet, dass ein Tier nicht gestört und gestresst wird, da Stress in Form von erhöhten Herzfrequenzen, erhöhter Körpertemperaturen, Ausschüttung von Stresshormonen für einen Beobachter nicht sichtbar ist. Er kann aber zu einer geringeren „fitness“ (populationsgenetischer Begriff, entspricht „Überlebensrate“) und auch zu geringeren Reproduktionsraten führen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 33).
Die jahreszeitliche Beschränkung ist daher so gewählt, dass die Isar ab dem 1. Juni wieder befahrbar ist, da ab diesem Zeitpunkt die Laichzeit der besonders zu berücksichtigenden Arten (Bachforelle, Huchen, Äsche) abgeschlossen und die Brut ins Freiwasser bzw. Flachwasserzonen und unter Totholz abgewandert ist, so dass keine Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Außerdem ist die Paarbildung bei den Kiesbrütern abgeschlossen und der Brutplatz gefestigt, d.h. der Zeitraum überwunden, zu dem Störungen den größten Schaden (Verlassen geeigneter Brutplätze) anrichten können. Der weitere Schutz der Fischbrut und der Kiesbrüter wird sichergestellt über Gebote und Verbote in der Verordnung, z.B. Fahren in Strommitte, Verbot des Gumpenspringens und des Anlandens an Kiesinseln und Kiesbänken, die regelmäßig nicht von Land aus erreichbar sind (vgl. LA vom 18.2.2020 S. 23 f.; ROB vom 10.3.2022 S. 54).
Ein Fahrverbot in den bezeichneten Abschnitten der Isar ist insofern zur Ruhe- und Laichzeit der Fische sowie zur Balz-, Brut- und Aufzuchtzeit der sensiblen Vögel nicht nur eine geeignete Maßnahme, sondern auch erforderlich.
(2) Diese nachvollziehbaren Aussagen und Feststellungen der Fachbehörden sind durch die Antragsteller und die in diesem Zusammenhang vorgelegten fachlichen Stellungnahmen und Studien nicht entkräftet worden.
(a) Dem Einwand, bei ordnungsgemäßer Ausübung des Kanusports (z.B. ruhige Durchfahrt im Hauptstromzug, kein Anlanden oder Aufenthalt an als Vogelbrutgebiet ausgeschilderten Kiesflächen) seien keine direkten Schäden an Flora und Fauna zu erwarten, ist zwar beizupflichten, dass auf diese Weise Beeinträchtigungen oder Störungen zumindest teilweise vermieden oder verringert werden. Ein völliger Ausschluss ist damit jedoch nicht gegeben. Dies gilt nach Einschätzung der Fachbehörden insbesondere für Vorgänge unter der Wasseroberfläche, da weder Laich noch laichende Fische sicher von der Wasseroberfläche aus erkennbar sind (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 45). Auch können unerwartete Hindernisse ein Umtragen und damit Betreten der Kiesflächen erfordern bzw. im Falle des Kenterns Grundkontakte erfolgen.
Insofern kann der Verweis der Antragsteller auf die geringe Häufigkeit von Störungen mit geringer Störintensität die beschriebene Erforderlichkeit der Ruhezeiten nicht infrage stellen. Aus fischereifachlicher Sicht sind die Zeiträume der jahreszeitlichen Beschränkungen so gewählt, dass sie insbesondere die Laichzeit der Fische umfassen. In dieser Phase, in der die Fische einen Laichplatz suchen und als geeignet identifizieren, sind die Fische besonders empfindlich. Bei einer Störung wird der Laichplatz aufgegeben, oft noch vor der Anlage des Laichbettes. Da die hier besonders im Fokus stehenden Fischarten Huchen, Bachforelle und Äsche zur Laichzeit gegen die Strömung gerichtete Wanderungen vornehmen, liegen die Laichplatze gehäuft unterhalb von unpassierbaren Querbauwerken. In diesen Arealen wird die Mehrzahl der Boote zu Wasser gelassen. Dabei handelt es sich nicht um kurzzeitige Störungen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 45).
(b) Sofern in der vorgelegten Studie von Prof. R. (Kanuwandersport und Naturschutz 1998) darauf verwiesen wird, dass die Boote aufgrund der Strömungsgeschwindigkeiten kritische Stellen in kurzer Zeit passieren und die Störzeit-Summenbildung vergleichsweise kurze Zeiten selbst bei hoher Bootsfrequenz ergeben, vermag dies die Erforderlichkeit der IsarVO ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Die Fachbehörden haben dem entgegengehalten, dass auch eine kurzzeitige Störung zu einem Fluchtverhalten der Tiere führt und mit der Aufgabe eines Laichplatzes verbunden sein kann. Zudem ist – abgesehen von den wenigen Bereichen mit Seitengerinnen – jeder Fisch von den Störungen betroffen. Da die Fische von den Bootsfahrern vorab nicht erkannt werden, kommt es häufig zu Begegnungen mit geringer Distanz und hoher Störintensität (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 44). Aufgrund der langen Strecken, die die Wasserwanderer auf der Isar zurücklegen, müssen die einzelnen Risiken, die mit den jeweiligen Störereignissen verbunden sind, zu einer Gesamtbelastung aufsummiert werden. Gerade in Niedrigwasserphasen und zu Laichzeiten führen daher schon wenige Boote zu einer erheblichen Beeinträchtigung (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 45).
Hinsichtlich der in der Studie beschriebenen Störungsökologie des Bootsverkehrs auf den Flussuferläufer stellt die Fachbehörde u.a. klar, dass die Zeitpunkte der Störungen von hoher Bedeutung sind. So hängt die „Sichtbarkeit“, also das Erkennen einer Störung mitunter von der aktuellen Phase der Vögel ab. Eine Störung während der Brutzeit kann u.U. nicht sichtbar sein, wenn eine Reaktion (Weglaufen oder Wegfliegen) auf eine Störung den Bruterfolg – durch die Gefahr des Lokalisierens des Brutplatzes von Fressfeinden oder das Auskühlen der Eier – mehr gefährden würde als ein „Verharren“ bis zum längst möglichen Zeitpunkt. In der Balzzeit hingegen machen sich Störungen auf den Flussuferläufer in der Regel sehr schnell durch Weglaufen bzw. Wegfliegen bemerkbar, was wiederum zum Meiden des Störungsortes als Brutstandort führen kann. Zudem wird in der angeführten Studie nicht auf die andere Kiesbrüterart, den Flussregenpfeifer, eingegangen, der durch seinen Lebensraumanspruch samt Brutstandort räumlich gesehen näher am Wasser als der Flussuferläufer zu verorten ist. Dies bedeutet eine verkürzte Flucht- und Ausweichdistanz zu den Booten, so dass der Flussregenpfeifer in Bezug auf den Bootsverkehr noch störungsanfälliger ist als der Flussuferläufer (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 62).
Unabhängig davon weist die Fachbehörde darauf hin, dass die vorgelegte Studie aus dem Jahr 1998 stammt und der Bootsverkehr unbestritten in den letzten Jahren extrem zugenommen hat, was sich auf die Störungsintensität auswirkt (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 62).
(c) Die Anmerkung des Fachbeistands der Antragstellerseite, dass die meisten rheophilen Kieslaicher – also auch die relevanten Fischarten in der Isar – Laichgruben zum Deponieren der Eier schlagen, die bis zu 30 cm Tiefe erreichen können, und diese Laichgrube wieder mit Schottermaterial bedeckt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung der Erforderlichkeit. Nach den Aussagen der Fachbehörden stellen die in der Literatur angegebenen 30 cm die maximale Tiefe dar, die auch nur von Huchen und Bachforelle, nicht aber von den anderen Kieslaichern erreicht werden. So hat die Fachberatung für Fischerei an mehreren oberbayerischen Flüssen über mehrere Jahre hinweg zu wissenschaftlichen Zwecken Forelleneier ausgegraben. Versuche an der Technischen Universität München in den Jahren 2004 bis 2006 zeigten, dass die Mehrzahl der Eier auch bei der Bachforelle in einer Tiefe zwischen 10 cm und 20 cm liegen. Hinzukommt, dass die Fische bei Anlage des Laichbettes durch das Schlagen mit der Schwanzflosse das Sohlsubstrat sortieren. Schluff, Sand und Feinkies werden ausgetragen. Der wesentlich homogenere verbleibende Kies weist eine bessere Durchlässigkeit auf, ist aber deutlich instabiler als die Umgebung und bietet weniger Schutz vor mechanischer Einwirkung. Die mechanischen Schäden werden vor allem hervorgerufen, wenn Bootsfahrer im Flachwasser vom Paddeln in das Staken übergehen oder Aussteigen und über die Laichbetten laufen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 56).
(d) Eine Verkürzung der Sperrzeit ist auch nicht veranlasst durch den Hinweis des Fachbeistands der Antragstellerseite auf die historische Stechgabelfischerei, die zeige, dass Fische wie z.B. der Huchen an Laichplätzen und während des Laichgeschehens Störungen eher tolerieren als außerhalb der Laichzeit. Die Fachbehörden relativieren diese Aussage dahin, dass sie sich auf den unmittelbaren Laichvorgang bezieht. Wesentlich kritischer wird die Phase gesehen, in der die Fische einen Laichplatz aufsuchen und festlegen, da hierbei schon einzelne Störungen zur Aufgabe eines Areals führen können. Hinzu kommt, dass im Schwarm ablaichende Fische wie die Nase lokal ausweichen und die Eiablage an weniger gut geeigneten Stellen vollzogen wird. Eine Sperrung für wenige Wochen reicht zudem nicht aus, da sich die Laichzeit je nach Temperatur, Sonneneinstrahlung und Wasserführung verschieben kann. Der Gesamtzeitraum, in den die Laichaktivitäten fallen können, erstreckt sich über mehr als zwei Monate. Kurzfristige Sperrungen sind nicht durchführbar, da die Laichplätze nur von wenigen Kennern vor Ort und dann auch nur bei günstiger Witterungslage zuverlässig gefunden werden (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 56 f.).
(e) Sofern mit Blick auf einheitlich kürzere Sperrzeiten in allen betroffenen Isarabschnitten die Frage aufgeworfen wird, inwiefern eine Ausbreitung des unterhalb von Bad Tölz festgestellten Bachforellensterbens nach flussaufwärts zu befürchten oder auszuschließen ist, tragen die Fachbehörden vor, dass in den letzten Jahren keine Veränderungen eingetreten sind und die Fischbestandserhebungen zeigen, dass sich das Bachforellensterben nicht flussaufwärts ausweitet (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 57).
Eine kürzere saisonale Einschränkung in einzelnen Isarabschnitten ist auch nicht angezeigt aufgrund der Anmerkung des Fachbeistands der Antragsteller, wonach die Bachforelle auf Nebenbäche als Laichgebiet angewiesen ist, je mehr sich die Isar in ihrem Verlauf in eine Äschenregion wandelt, da die Vermehrung im Hauptfluss durch Temperaturregime und Feinmaterialtransport in den Herbst- und Wintermonaten kaum mehr effektiv möglich sein dürfte. Nach den Kenntnissen der Fachbehörden laicht die Bachforelle in Gewässern mit ganz unterschiedlichem Temperaturregime erfolgreich ab. Die Reproduktion gelingt in durch Grundwasser gespeisten Gewässern der Schotterebene mit Wintertemperaturen im Interstitial bis 9°C ebenso wie in Hochgebirgsbächen mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Dass Bachforellen zur Reproduktion überwiegend auf Nebenbäche angewiesen sind, trifft nicht auf die Isar zu – im Gegensatz zu den anderen großen Flüssen Oberbayerns wie Salzach, Inn oder Lech. Die Isar hat in einem großen Teil ihres Einzugsgebietes natürliche Senken für Feinsedimente. Hierzu gehören u.a. der Achensee, Walchensee und Kochelsee. Deren Wirkung als Schwebstoffsenke kommt insbesondere in den Wintermonaten bei Niedrigwasser zum Tragen. Die Qualität des Interstitials ist deshalb in weiten Bereichen hervorragend. Im Übrigen weist die Isar von jeher relativ wenige als Laichareal geeignete Seitengewässer auf. Der Oberlauf der Isar, der Risbach, die Jachen sowie weitere einige kleinere Bache haben durch den Ausbau des Walchenseekraftwerks sowie zahlreicher Querbauwerke an Bedeutung verloren. Die Bachforelle ist deshalb in längeren Gewässerabschnitten auf die Reproduktion im Hauptstrom bzw. – wo vorhanden – kleineren Seitengerinnen angewiesen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 58).
cc) Im Rahmen des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosespielraum konnte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass mildere, aber in gleicher Weise wirksame Maßnahmen nicht bestehen.
(1) Die von der Antragstellerseite empfohlene Kopplung von Bootsfahrten auf der Isar zwischen Krün und Sylvenstein-Stausee an eine festgelegte Mindestabflussmenge stellt zwar ein milderes, jedoch kein gleich effektives Mittel dar. Der vorgeschlagene Abfluss von 7 m³/s in der Restwasserstrecke unterhalb des Ausleitungswehres in Krün wird derzeit nur im Hochwasserfall erreicht. Da in diesem Bereich Versickerungsstrecken liegen, ist der Abfluss selbst bei einer Abgabe von 7 m³/s in Teilbereichen deutlich niedriger (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 59). Darüber hinaus hat der Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass im Winterhalbjahr die Wassermenge so niedrig ist, dass ein Fahren im Hauptstrombereich nicht durchgehend möglich ist. Der Hauptstrombereich wird zudem bereits durch mehrere Fischarten genutzt. Hinzukommt, dass durch eine festgelegte Mindestwassermenge nicht das Risiko des Kenterns ausgeschlossen werden kann oder die Notwendigkeit, ein Boot an einem Hindernis umtragen zu müssen. Die gleiche Eignung dieses Vorschlags ist auch deshalb zu verneinen, weil er keine positive Auswirkung auf die störanfälligen Kiesbrüter hat. Denn bei diesen können unabhängig von der jeweiligen Wassermenge Beeinträchtigungen und Störungen durch vorbeifahrende Bootsfahrer hervorgerufen werden.
Soweit sich der Fachbeistand der Antragssteller für Abflussmengenfenster anstelle eines jahreszeitlichen Korridors ausspricht, würde dies nach Einschätzung der Fachbehörden kein milderes Mittel darstellen, da Abflussfenster bei einem geregelten Abfluss eine Befahrung mit Booten den gesamten Winter ausschließen würden. Denn die – außerhalb von Hochwasserereignissen – an den Fluss abgegebenen Wassermengen orientieren sich an einem Wert, welcher zumindest in der Vergangenheit als mindestens ökologisch notwendig angesehen wurde. Die Beschränkungen in den Frühjahrsmonaten beruhen unabhängig von der Abflussmenge hauptsächlich auf der von den Wasserfahrzeugen ausgehenden Scheuchwirkung auf die Frühjahrslaicher und die Beeinträchtigung der Kiesbrüter, deren Balzzeit Ende März beginnt (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 59, 43).
(2) Eine zumutbare Alternative stellt auch nicht die Vorlage eines Befähigungsnachweises dar. Der Antragsgegner hat einleuchtend darauf hingewiesen, dass es keinen „Bootsführerschein“ in den von der IsarVO erfassten Bootskategorien gibt. Auch eine reine Vereinszugehörigkeit stellt kein Nachweis für das individuelle Können und naturschutzfachliches Wissen des einzelnen Wassersportlers dar. Im Übrigen haben die Fachbehörden überzeugend dargelegt, dass unabhängig von Ausbildung und Befähigung des Bootsführers jegliche Vorbeifahrt eine mögliche Beeinträchtigung für die Fisch- und Avifauna bildet (vgl. LA vom 10.3.2022 S. 5). Denn die Sperrung der Isar fällt größtenteils in eine Jahreszeit, in der die Wassermenge so gering und die Isar an einigen Stellen so schmal ist, dass auch ein fähiger Bootsführer nicht immer naturschonend in der Strommitte fahren kann. Da bei Niedrigwasser zugleich auch der Wasserstand über den Laichplätzen niedrig ist und die Standorte durch die vorherrschende Strömung und Wasserspiegelung nicht rechtzeitig erkennbar sind, ist zweifelhaft, ob selbst ein geübter und sich optimal verhaltender Kanufahrer so vorausschauend fahren kann, dass er das Überfahren von Laichplätzen vermeidet. Hinzukommen unerwartete Hindernisse wie z.B. Totholz, die zum Ausweichen oder zum Betreten des Ufers zwingen.
Gegen die Effektivität dieser Alternative spricht zudem, dass die Kontrolle der Befähigungsnachweise und damit der Verwaltungsvollzug sich als schwierig erweisen dürfte. Der Verordnungsgeber konnte dies in seine Erwägungen bei Erlass der angefochtenen Regelung einbeziehen, da der Gesichtspunkt der Praktikabilität des Verwaltungsvollzugs eine verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht unzulässige Erwägung des Normgebers ist (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.2.1988 – Vf. 16-VII-86 – VerfGHE 41, 17, 24; E.v. 20.2.1990 – Vf. 6-VII-89 – VerfGHE 43, 67, 78).
(3) Der Antragsgegner geht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass die Zulassung bestimmter Ein- und Ausstiegsstellen für die Boote nicht gleich wirksam ist wie die zeitliche Befristung der Befahrbarkeit. Zum einen sind an der Isar keine ausgewiesenen Ein- und Ausstiegsstellen vorhanden. Zum anderen nutzen Wasserwanderer grundsätzlich den gesamten Flusslauf, so dass die Beschränkung auf bestimmte Ein- und Ausstiege nicht zu weniger Störungen der Fisch- und Avifauna führen würde. Das gleiche gilt für den Vorschlag, das Einsetzen von Booten unterhalb von Querbauwerken zu verbieten.
(4) Die Anregung von der Antragstellerseite, bekannte Laichplätze der Fische kurzfristig zu sperren, ist ebenfalls nicht als gleich effektiv zu beurteilen. Während die Brutplätze der Kiesbrüter leichter aufzufinden sind und von Land aus abgesperrt werden, ist eine Ortung und Kenntlichmachung der Laichplätze in der Praxis kaum möglich. Nach den überzeugenden Ausführungen der Fachbehörde handelt es sich bei den Fischen um Wildtiere, die zwar häufig standorttreu sind, jedoch nicht zu Hundertprozent. Zum nicht vorhersehbaren Verhalten der Tiere kommt noch hinzu, dass sich die Isar dynamisch bewegt und sich die Lage der Laichplätze in Abhängigkeit zu Hochwasser und Geschiebeverlagerungen verändert (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 60; LA vom 18.2.2020 S. 17 f.). Wenn überhaupt können die Laichplätze daher nur von wenigen Kennern vor Ort und nur bei günstiger Witterungslage gefunden werden (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 57).
(5) Die Antragstellerseite kann sich als milderes Mittel auch nicht auf eine kürzere zeitliche Beschränkung des Fahrverbots (1. Februar bis 31. Mai) berufen. Der Antragsgegner hat die gewählten Zeiträume im Rahmen des ihm zustehenden weiten Einschätzungsspielraums zur effektiven Verringerung der Gefährdung der Fischfauna nachvollziehbar mit der notwendigen Ruhephase der Fische begründet. Danach ist es wichtig, Störungen bereits vor der Laichzeit in den Monaten Januar und Februar zu unterbinden, um die „Fitness“ der Fische für die anstehende Laichzeit zu stärken (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 29). Die fachlichen Stellungnahmen zeigen, dass ein auf einen kürzeren Zeitraum begrenztes Verbot insbesondere dem Schutz der Fische nicht gerecht würde.
(6) Soweit die Antragstellerseite anstelle der tageszeitlichen Einschränkung in § 2 Abs. 7 IsarVO eine Beschränkung auf die „bürgerliche Dämmerung“ vorschlägt, konnte der Antragsgegner diese zu Recht als nicht gleich geeignet ansehen. Die Festlegung einer konkreten Uhrzeit ist vom Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers umfasst und entspricht neben der Verständlichkeit auch den fachlichen Anforderungen an die gebotene Ruhe der Natur und der Lebenswirklichkeit. Es ist unstreitig, dass die Dämmerung eine wichtige Phase für viele Tierarten ist. Vor allem Vögel nutzen am frühen Morgen die beginnende Dämmerung um erstmals Nahrung aufzunehmen. Auch Raubfische brauchen zur Nahrungssuche großflächig ungestörte Gewässerabschnitte. Daher ist für sie die Dämmerung die optimale Zeit, um bei noch schlechter eigener Erkennbarkeit Beutefische erbeuten zu können. Auch wenn der Beginn der „bürgerlichen Dämmerung“ per Smartphone abrufbar ist, bedarf es im Interesse der notwendigen Ruhezeiten für die Natur einer für alle Nutzer und auch für die Überwachung leicht zu handhabenden, klaren Regelung. Bei der Festlegung von Uhrzeiten handelt es sich um eine klar bestimmte Regelung, die gut vollziehbar ist (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 60).
d) Schließlich erweisen sich die streitgegenständlichen Regelungen als verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie beschränken die Betroffenen nicht unzumutbar in ihrem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und sind angesichts der erheblichen naturschutzfachlichen Bedeutung der Fisch- und Avifauna angemessen.
Angemessen ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können (st. Rspr. vgl. etwa BVerfG, U.v. 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 u. a. – BVerfGE 153, 182 = juris Rn. 265 m.w.N.)
Nach dieser Maßgabe sind die Beschränkungen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs, insbesondere die saisonale und tageszeitliche Sperrung, nicht zu beanstanden. Die Schwere der damit verbundenen Eingriffe in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit der Antragsteller steht nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck, dem Schutz der Natur.
aa) Im Rahmen der insoweit veranlassten Abwägung fällt ins Gewicht, dass der Schutz der Natur ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut ist. Dies zeigt auf europäischer Ebene das sogenannte Schutzgebietssystem Natura 2000, das dem Erhalt und der Wiederherstellung der Biodiversität in der Europäischen Union dient, und sich auf nationaler Ebene in Gestalt von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten niederschlägt. In den streitgegenständlichen Flussabschnitten liegen neben den FFH-Gebieten „Oberes Isartal“ und „Karwendel mit Isar“ auch das SPA-Gebiet „Karwendel mit Isar“ und das Naturschutzgebiet „Isarauen“ sowie die drei Landschaftsschutzgebiete „Sylvensteinsee und oberes Isartal“, „Isarauen“ und „Landschaftsteile entlang der Isar“. Diese unter einem besonderen Schutz stehenden Gebiete bilden den Lebensraum für viele schutzbedürftige Tierarten (FFH-Anhang-II Arten sowie charakteristische Arten der LRTs im Sinne der FFH-Richtlinie), die z.T. auf den Roten Listen als gefährdet (Nase, Flussregenpfeifer, Flussseeschwalbe) bzw. stark gefährdet (Huchen, Äsche) oder sogar als vom Aussterben bedroht (Flussuferläufer) gelistet sind. Es handelt sich also um den Schutz hoch- und höchstwertiger Schutzgüter der Avi- und Fischfauna, deren Arten teilweise nur noch an den betroffenen Isarabschnitten in selbst reproduzierenden Beständen vorkommen. Der Verordnungsgeber durfte insbesondere mit Blick auf den Verfassungsrang des Rechtsguts Natur und Tierwelt (Art. 20a GG) und dem damit verbundenen Schutzauftrag für den Staat (vgl. u.a. § 1 Abs. 1 BNatSchG) davon ausgehen, dass an der Erhaltung dieser Arten ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Soweit es zur Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt in einem derart schützenswerten Bereich notwendig ist, darf diesem wichtigen Interesse der Allgemeinheit eine hohe Priorität und grundsätzlich Vorrang beigemessen werden. Die Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit muss demgegenüber zurücktreten, zumal von den einschränkenden Regelungen der IsarVO kein zentraler Bereich persönlicher Entfaltung betroffen wird. Das Bootsfahren und Wasserwandern fällt als Betätigungsform menschlichen Handelns in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG, gehört aber als Freizeitbetätigung nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung. Es ist somit gesetzlichen Beschränkungen nicht grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfG, B.v. 6.6.1989 – 1 BvR 921/85 – BVerfGE 80, 137 = juris Rn. 67).
bb) Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist zudem zu berücksichtigen, dass das saisonale Fahrverbot des § 2 Abs. 6 IsarVO das Befahren der Isar mit kleinen Wasserfahrzeugen keineswegs vollständig ausschließt. Gerade in den für Wassersportler und Erholungssuchende beliebten Sommer- und Herbstmonaten ist die Isar befahrbar und die Kanusportler können in diesen Monaten ihren Sport tagsüber ungehindert ausüben. So ist in den Isarabschnitten oberhalb des Sylvensteinspeichers und zwischen Sylvensteinspeicher und Bad Tölz ein Befahren mit Booten vom 1. Juni bis 15. Oktober, d.h. viereinhalb Monate möglich, in dem Abschnitt der Isar ab Bad Tölz bis zur Grenze zum Landkreis München sogar vom 1. Juni bis 31. Dezember, also sieben Monate zulässig. Die Befahrenszeiträume sind insofern je nach Flussabschnitt differenziert ausgestaltet. Dem liegt u.a. zugrunde, dass sich mit dem Gewässerverlauf die Fischartenzusammensetzung verändert und dementsprechend die zu berücksichtigenden Laichzeiten der Fische unterschiedlich sind. Die Leitfischarten sind zumeist Frühlaicher mit einer Hauptlaichzeit von Februar bis Mai. Allerdings laicht die Bachforelle, eine insbesondere oberhalb des Sylvensteinspeichers und zwischen Sylvensteinspeicher und Bad Tölz vorkommende wichtige Leitart, bereits im Spätherbst ab Oktober bis Dezember, weshalb der Isarabschnitt bis Bad Tölz schon ab dem 16. Oktober gesperrt ist. Aufgrund des in den letzten Jahren beobachteten Bachforellensterbens im Flussabschnitt ab Bad Tölz bis zur Landkreisgrenze gilt in diesem Bereich das Befahrensverbot erst ab 1. Januar und die Wasserwanderer können dort bis in den Winter die Isar befahren. Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich die Sperrzeit nur bis zum 31. Mai erstreckt, obwohl die Barbe sogar bis Juli ablaicht und die Balz-, Brut- und Aufzuchtzeit der zu schützenden Kiesbrüter vom 31. März bis zum 31. Juli, also über den 31. Mai hinausreicht. Dies macht deutlich, dass der Antragsgegner auch die Belange der Wassersportler hinreichend in die Abwägung einbezogen hat und um einen angemessenen Ausgleich bemüht war. Dabei wurde die Frequentierung der Isar mit Booten in Bezug zu der jahreszeitlich unterschiedlich hohen Schadwirkung von Störungen gesetzt. Insofern liegt dem Sperrzeitraum die fachliche Einschätzung zugrunde, dass wenige Boote während der Laich- oder Brutzeit deutlich gravierender sind als viele Boote im Spätsommer, wenn die meisten Arten ihre größte Fitness und Resilienz aufweisen (vgl. ROB vom 10.3.2022 S. 54).
cc) Die Sperrzeiten sind den Antragstellern auch vor dem Hintergrund zumutbar, dass während ihrer Geltung das Wasserwandern auf alternativen Gewässern im Umkreis von München grundsätzlich möglich ist. Den Antragstellern ist zuzugeben ist, dass denen vom Antragsgegner als Ausweichmöglichkeiten vorgeschlagenen Fließgewässern der mit der Isar vergleichbare Wildflusscharakter fehlt und die Fahrstrecken teilweise kürzer sind bzw. Querbauten enthalten. Allerdings konnte der Antragsgegner mit dem ihm zustehenden weiten Einschätzungsspielraum die Gewichtung dieses Belanges in der Abwägung zurücktreten lassen gegenüber den wesentlichen Schutzbestrebungen des europäischen und nationalen Natur- und Artenschutzes, zumal die unregulierte Zulassung des Bootsverkehrs die Verdrängung der typischen Tierarten aus einem für sie besonders geeigneten Lebensraum befürchten lässt. Demgegenüber können die Antragsteller auf die Ausübung ihres Sports in den genannten Zeiträumen in den gesperrten Streckenabschnitten der Isar verzichten und auf andere Gewässer ausweichen. Ein Anspruch auf bestmögliche Freizeitgestaltung steht den Antragstellern nicht zu.
dd) Die mit der tageszeitlichen Regelung verbunden Einschränkungen, wonach ein Befahren der Isar von 20:30 Uhr bis 7:00 Uhr nicht möglich ist, sind für die Wassersportler ebenfalls nur gering und zumutbar. Die von den Antragstellern bevorzugte bürgerliche Dämmerung würde vor allem in den Sommermonaten von Juni bis August zu nur geringfügig längeren Fahrmöglichkeiten führen.
ee) Auch wenn der Sport als Staatszielbestimmung in Art. 140 Abs. 3 Alt. 2 BV verankert ist, kann dies entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht zu einer Abwägung zugunsten des Wassersports führen. Staatsziele richten sich als programmatische Direktiven (Leitprinzipien) mit Verfassungsrang allein an den Staat. Ihnen kommt bloß ein objektivrechtlicher Charakter zu im Gegensatz zu den subjektive Rechte vermittelnden Grundrechten (vgl. HessVGH, U.v. 9.3.2017 – 4 C 328/16.N – NuR 2017, 207 = juris Rn. 108 m.w.N.)
ff) Unverhältnismäßig im engeren Sinne ist die IsarVO auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass durch Einzelfallentscheidungen Ausnahmen gewährt werden können (§ 3 IsarVO); dies ist im Gegenteil sogar geboten. Die konkrete Ausgestaltung dieser Ausnahmeregelung ist nicht zu beanstanden.
Die Praxis des Antragsgegners beim Vollzug der IsarVO führt ebenfalls nicht dazu, dass die Verordnung unverhältnismäßig (geworden) ist. Prüfungsgegenstand ist im Normenkontrollverfahren grundsätzlich nur die Norm, wie sie vom Normgeber beschlossen und in Kraft gesetzt worden ist. Nur ausnahmsweise kann aufgrund von konkreten Anhaltspunkten angenommen werden, dass – ungeachtet des eigentlich entgegenstehenden Normtextes – die zu erwartende Normanwendung in der Praxis von vornherein dem Verhältnismäßigkeitsgebot nicht wird Rechnung tragen können oder dass die geübte Vollzugspraxis die Verordnung insgesamt entwertet hat, mit der Folge, dass – ähnlich wie im Fall eines funktionslos gewordenen Bebauungsplans – die Verordnung das mit ihr verfolgte Ziel auf Dauer nicht (mehr) erreichen kann (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2011 – 22 N 11.1075 – juris Rn. 36).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die von den Antragstellern zu 2 und 3 beantragten Ausnahmegenehmigungen von der saisonalen Sperrung sind jeweils aus naturschutzfachlichen Gründen (u.a. Laichzeit des Huchens) abgelehnt worden. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die zu erwartende Normanwendung von vornherein unverhältnismäßig ist bzw. die IsarVO ihr Ziel dauerhaft nicht mehr erreichen könnte.
e) Die angefochtenen Regelungen der IsarVO verstoßen schließlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (stRspr. vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2019 – 2 BvR 22/14 u.a. – BVerfGE 152, 274 = juris Rn. 95). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, B.v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07 – BVerfGE 129, 46, 69 = juris Rn. 64). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, U.v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 – juris Rn. 72 m.w.N.). Dieser Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, wenn auch der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum aufgrund des von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmens enger ist. Er muss nach dem Gleichheitssatz im Sinne der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (vgl. BVerfG, B.v. 26.2.1985 – 2 BvL 17/83 – BVerfGE 69, 150 = juris Rn. 39 m.w.N.).
aa) Für die Entscheidung des Normgebers, alle Bootsführer unabhängig von ihrer individuellen Befähigung oder Mitgliedschaft in einem Kanuverband gleich zu behandeln, hat der Verordnungsgeber sachlich vertretbare Gründe angeführt. Auch im Rahmen des Gleichheitssatzes ist ihm ein gewisser Prognose- und Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BayVerfGH, E.v. 20.2.1990 – Vf. 6-VII-89 – VerfGHE 43, 67, 79; BVerwG, U.v. 25.7.2007 – 3 C 10.06 – BVerwGE 129, 116 = juris Rn. 29).
Der Antragsgegner hat nachvollziehbar ausgeführt, dass in dem Zeitraum der saisonalen Sperrung selbst der naturschutzfachlich ausgebildete und fähigste Bootsführer eine Gefahr für den Erhaltungszustand der im Landkreis vorkommenden Arten darstellt. Eine vorausschauende Vermeidung von Beeinträchtigungen der Fischfauna ist nach fachlicher Einschätzung kaum möglich, da sich bei niedrigem Wasserstand die Fische in der Strömung und nicht im ruhigen Uferbereich befinden. Dies bedeutet selbst für rücksichtsvolle und erfahrene Wassersportler, dass die laichenden Fische und Laichgruben durch die vorherrschende Strömung und aufgrund der Spiegelung des Wassers meist nicht rechtzeitig erkennbar sind. Sie können auch nicht – sofern dies die Verhältnisse überhaupt zulassen würden – weiträumig umfahren werden (vgl. LA 18.2.2020 S. 28). Eine Differenzierung nach Nutzergruppen ist daher nicht als zielführend anzusehen.
bb) Es liegt auch nicht deswegen eine unzulässige Ungleichbehandlung der Antragsteller vor, weil das Schutzkonzept der IsarVO allein auf Bootfahrer abzielt und Freizeitbetätigungen der landseitig Erholungssuchenden (wie Spaziergänger, Badende, Hunde) außer Acht lässt. Es fehlt bei diesem Vergleich bereits an wesentlich gleichen Sachverhalten, da die Bootsfahrer ihre Freizeitbetätigung auf dem Wasser ausüben und die von den Antragstellern aufgezählte Nutzergruppe an Land aktiv ist. Im Übrigen ermöglicht die Ermächtigungsgrundlage des Art. 18 Abs. 3 BayWG nur den Erlass von Verordnungen, welche die Ausübung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs regeln, sich also allein an die Nutzergruppe auf dem Wasser richten. Weitergehende Regelungen für Erholungssuchende an Land werden vom Regelungsinstrument des Art. 18 Abs. 3 BayWG nicht umfasst. Unabhängig davon ergeben sich entsprechende Beschränkungen an Land und Ufer in Teilbereichen bereits aus den Regelungen der Natur- und Landschaftsschutzgebietsverordnungen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 3, § 159 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.
D. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.