Medizinrecht

Normenkontrolle; Schließung von Einzelhandelsgeschäften mit einer Verkaufsfläche von über 800 Quadratmetern wegen der Coronapandemie

Aktenzeichen  3 K 55/20

Datum:
30.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0630.3K55.20.00
Normen:
Art 20 Abs 3 GG
Art 80 Abs 1 GG
§ 47 VwGO
§ 7 CoronaVV ST
§ 32 S 1 IfSG
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Zum berechtigten Interesse an der (nachträglichen) Feststellung der Rechtsunwirksamkeit außer Kraft getretener Verordnungsregelungen aufgrund schwerwiegender Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten durch Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2.(Rn.56)
2. Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG bot jedenfalls im Frühjahr 2020 eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die teilweisen Schließungen des Einzelhandels durch Landesverordnung(en). (Rn.65)
3. Eine Regelung, nach der Ladengeschäfte mit Mischsortiment abweichend von einer generellen Anordnung der Schließung von Ladengeschäften mit einer Verkaufsfläche von über 800 Quadratmetern öffnen durften, wenn das durch Verordnung zugelassene angebotene (privilegierte) Sortiment “einen nicht nur unerheblichen Anteil am Gesamtsortiment” umfasst, genügt nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit grundrechtseinschränkender Normen. (Rn.87)

Tenor

Es wird festgestellt, dass § 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 2a der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 16. April 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 21. April 2020 unwirksam war.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass eine bereits außer Kraft getretene Verordnungsregelung des Antragsgegners, die zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 für bestimmte Bereiche des Einzelhandels Geschäftsschließungen vorsah, unwirksam war.
Die Antragstellerin betreibt im gesamten Bundesgebiet, u. a. im Land Sachsen-Anhalt, eine Vielzahl von Warenhäusern mit branchenübergreifendem Sortiment, das neben allgemein nachgefragten Konsumgütern insbesondere auch Lebensmittel sowie Hygiene- und Drogerieartikel für den täglichen Bedarf umfasst. Alle Warenhäuser haben eine Verkaufsfläche von deutlich mehr als 800 m², im Durchschnitt ca. 12.500 m² je Warenhaus.
Am 2. April 2020 erließ die Landesregierung des Antragsgegners die Dritte Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt (Dritte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – 3. SARS-CoV-2-EindV, GVBl. LSA S. 1463), die unter anderem folgende Bestimmung enthielt:
„§ 5 Ladengeschäfte, Dienstleistungen der Körperpflege
(1) Untersagt wird die Öffnung von Ladengeschäften jeder Art.
(2) Von der Schließungsverfügung nach Absatz 1 ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Sparkassen, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Poststellen, Tierbedarf, Fahrradläden, Bau- und Gartenmärkte, Großhandel, Tankstellen und Kfz-Teileverkaufsstellen, Buchhandel, Zeitungs- und Zeitschriftenhandel, Wochenmärkte, der Betrieb von Lebensmittelhandel im Reisegewerbe, Reinigungen, Waschsalons, der Online-Handel und Abhol- und Lieferdienste.
(3) […]
(4) Bei Ladengeschäften, die ein Mischsortiment führen, ist eine Öffnung zulässig, soweit das nach Absatz 2 zugelassene Sortiment einen nicht nur unerheblichen Anteil am Gesamtsortiment umfasst.
(5) Die zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
(6) Die Öffnung von Einkaufszentren und Kaufhäusern ist nur für die in Absatz 2 genannten Ausnahmen sowie deren gastronomische Einrichtungen für die Belieferung, Mitnahme und Außer-Haus-Verkauf unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 erlaubt.
(7) Der Betrieb der von der Ausnahmeregelung betroffenen Einrichtungen erfolgt unter strengen Auflagen zur Hygiene, um die Reduzierung von Kontakten sowie den Schutz des Personals vor Infektionen sicherzustellen durch:
1. Einhaltung von Abstandsregelungen von mindestens 1,5 Metern Abstand zu anderen Personen,
2. Zugangsbeschränkungen oder Einlasskontrollen, die insbesondere bei großen Supermärkten sowie Bau- und Gartenmärkten sicherstellen, dass sich je 10 Quadratmeter Verkaufsfläche nur ein Kunde im Geschäft aufhält,
3. ein verstärktes Reinigungs- und Desinfektionsregime, zu dem unter Beachtung der jeweiligen Gegebenheiten in der Einrichtung ein Konzept zu erstellen ist, welches die aktuellen Empfehlungen des Arbeitsschutzes und der allgemeinen Hygiene berücksichtigt; die zuständigen Behörden sind berechtigt, die Einhaltung der erweiterten Schutzmaßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls weitere Auflagen zu erteilen,
4. Vermeidung von Ansammlungen von mehr als fünf Personen, insbesondere Warteschlangen von Kunden (z. B. durch Öffnung einer ausreichenden Zahl von Kassen),
5. Information der Kunden über gut sichtbare Aushänge und regelmäßige Durchsagen über die Verpflichtung zur Abstandsregelung und zur Einhaltung der Schutzmaßnahmen; bei Zuwiderhandlungen sind unverzüglich Hausverbote auszusprechen.“
Nach § 22 Abs. 2 der 3. SARS-CoV-2-EindV waren die Rechtswirkungen der 3. SARS-CoV-2-EindV bis zum Ablauf des 19. April 2020 begrenzt.
Zum 20. April 2020 trat die Vierte Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 16. April 2020 (Vierte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – 4. SARS-CoV-2-EindV, GVBl. LSA S. 190) in Kraft. Die Verordnung wurde mit der Verordnung zur Änderung der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 21. April 2020 (GVBl. LSA S. 205) geändert. Die 4. SARS-CoV-2-EindV in der Fassung der Änderungsverordnung sah für Ladengeschäfte unter anderem folgende Regelung vor:
„§ 7 Ladengeschäfte, Dienstleistungen der Körperpflege
(1) Untersagt wird die Öffnung von Ladengeschäften jeder Art über 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Ladengeschäfte jeder Art bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche dürfen nur für den Publikumsverkehr geöffnet werden, wenn die Hygieneregeln und Zugangsbegrenzungen nach Absatz 5 eingehalten werden. In den Ladengeschäften ist eine textile Barriere im Sinne eines Mund-Nasen-Schutzes nach § 3 Abs. 2 zu tragen.
(2) Von der Größenbeschränkung nach Absatz 1 ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Sparkassen, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Poststellen, Tierbedarf, Fahrradläden, Bau- und Gartenmärkte, Großhandel, Tankstellen, Kfz-Händler und -Teileverkaufsstellen, Buchhandel, Zeitungs- und Zeitschriftenhandel, Wochenmärkte, der Betrieb von Lebensmittelhandel im Reisegewerbe, Reinigungen, Waschsalons, der Online-Handel und Abhol- und Lieferdienste.
(2a) Für Ladengeschäfte mit Mischsortiment nach § 5 Abs. 4 der Dritten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung, deren Öffnung im Geltungszeitraum der Dritten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung als zulässig angesehen wurde, weil der Anteil des nach § 5 Abs. 2 der Dritten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung zugelassenen Sortiments einen nicht nur unerheblichen Anteil am Gesamtsortiment umfasst, ist auch im Geltungszeitraum dieser Verordnung weiterhin die Öffnung unabhängig von der Einhaltung der Größenbegrenzung von 800 Quadratmetern nach Absatz 1 zu gestatten. Gleiches gilt für Geschäfte, denen eine Genehmigung nach § 5 Abs. 5 der Dritten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung erteilt wurde. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Auflagen nach Absatz 5 bleibt unberührt.
(3) […]
(4) Die Öffnung von Einkaufszentren für den Publikumsverkehr ist nur gestattet, wenn die Hygieneregeln und Zugangsbegrenzungen nach Absatz 5 eingehalten werden. Deren gastronomischen Einrichtungen ist eine Öffnung für die Belieferung, Mitnahme und Außer-Haus-Verkauf unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 erlaubt.
(5) Der Betrieb der Einrichtungen nach Absatz 1, 2 und 4 erfolgt unter strengen Auflagen zur Hygiene, um die Reduzierung von Kontakten sowie den Schutz der Besucherinnen und Besucher vor Infektionen sicherzustellen durch:
1. Einhaltung von Abstandsregelungen von mindestens 1,5 Metern Abstand zu anderen Personen,
2. Zugangsbeschränkungen oder Einlasskontrollen, die sicherstellen, dass sich je 10 Quadratmeter Verkaufsfläche nur ein Kunde im Geschäft aufhält,
3. ein verstärktes Reinigungs- und Desinfektionsregime, zu dem unter Beachtung der jeweiligen Gegebenheiten in der Einrichtung ein Konzept zu erstellen ist, welches die aktuellen Empfehlungen der allgemeinen Hygiene berücksichtigt; die zuständigen Behörden sind berechtigt, die Einhaltung der erweiterten Schutzmaßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls weitere Auflagen zu erteilen,
4. Vermeidung von Ansammlungen von mehr als fünf Personen, insbesondere Warteschlangen von Kunden (z. B. durch Öffnung einer ausreichenden Zahl von Kassen),
5. Information der Kunden über gut sichtbare Aushänge und regelmäßige Durchsagen über die Verpflichtung zur Abstandsregelung und zur Einhaltung der Schutzmaßnahmen; bei Zuwiderhandlungen sind unverzüglich Hausverbote auszusprechen.“
Die 4. SARS-CoV-2-EindV ist mit Ausnahme einer Großveranstaltungen betreffenden Regelung mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft getreten (vgl. § 24 Abs. 2 und 3 der 4. SARS-CoV-2-EindV).
Bereits am 16. April 2020 hat die Antragstellerin bei dem erkennenden Gericht eine Normenkontrollklage erhoben. Diese richtete sich zunächst gegen § 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV. Mit Schriftsatz vom 27. April 2020 erklärte die Antragstellerin, sich nunmehr gegen die den Einzelhandel betreffenden Schließungsregelungen in der 4. SARS-CoV-2-EindV zu richten. Zugleich beantragte sie, die betreffende Regelung im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 29. April 2020 abgelehnt (Az.: 3 R 71/20).
Nachdem das Amtsgericht Essen mit Beschluss vom 1. Juli 2020 (Az.: 165 IN 40/20) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin eröffnet hatte, war das Verfahren gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 teilte die Antragstellerin mit, dass das Insolvenzverfahren zwischenzeitlich aufgehoben worden sei. Im Anschluss erklärte die Antragstellerin, dass sie das Normenkontrollverfahren auch nach dem Außerkrafttreten der 4. SARS-CoV-2-EindV fortführe. Zur Begründung ihrer Klage führt sie im Wesentlichen aus:
Sie habe durch die zeitweise Schließung ihrer Warenhäuser massive Umsatzverluste erlitten, da sowohl Liefervereinbarungen als auch Arbeits- und Mietverträge während des Schließungszeitraums uneingeschränkt fortgegolten hätten. Ihr sei ein finanzieller Schaden in Höhe von insgesamt ca. 177.000.000,00 € entstanden, der in Höhe von ca. 2.400.000,00 € auf die Schließung der – zur damaligen Zeit – drei Warenhäuser im Hoheitsgebiet des Antragsgegners zurückzuführen sei. Nach dem von der Gläubigerversammlung im Rahmen des Insolvenzverfahrens beschlossenen Sanierungsplan hätten zur Rettung des Unternehmens deutschlandweit 41 Standorte, darunter ein Standort im Hoheitsgebiet des Antragsgegners, vollständig geschlossen werden müssen. Wegen der ihr durch die Corona-Maßnahmen entstandenen Vermögenseinbußen habe sie bei der zuständigen Stelle des Antragsgegners bereits einen Antrag auf Entschädigung gestellt. Die Fortführung des Normenkontrollverfahrens nach dem Außerkrafttreten der 4. SARS-CoV-2-EindV diene unter anderem der Vorbereitung eines ggf. erforderlich werdenden Staatshaftungsprozesses. Abgesehen davon folge ihr berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen Verordnungsregelung daraus, dass diese erheblich in ihre Grundrechte eingegriffen habe.
Die angegriffene Verordnungsregelung sei bereits deshalb unwirksam gewesen, da es zum damaligen Zeitpunkt an einer dem Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt genügenden Ermächtigungsgrundlage gefehlt habe. Die mit der Verordnungsregelung getroffene Schließungsanordnung stelle für sie – die Antragstellerin – einen Grundrechtseingriff auf der höchsten Stufe dar, da sie ihre Warenhäuser habe vollständig schließen müssen und es auch keine Möglichkeit gegeben habe, eine Befreiung oder Ausnahmegenehmigung für einen Weiterbetrieb zu erhalten. Die Regelung habe sich nahezu an den gesamten großflächigen Einzelhandel und damit einen sehr großen Adressatenkreis gerichtet und zudem unmittelbar gravierende finanzielle Auswirkungen gehabt. Eine Regelung mit derartig weitreichenden Folgen habe nicht auf der Grundlage einer pauschalen und generalklauselartigen Ermächtigung wie der des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG in der seinerzeitigen Fassung getroffen werden dürfen. Auch wenn die Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG, in denen sie sich verletzt sehe, nicht vom Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst seien, ergäben sich aus der fehlenden Aufnahme dieser Grundrechte in § 32 Satz 3 IfSG bei zugleich äußerst weit gehaltener Ermächtigungsgrundlage keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber andere als die von ihm genannten Grundrechte überhaupt habe einschränken wollen. Auch sei fraglich, auf der Grundlage welcher Variante der vom Verordnungsgeber herangezogenen Rechtsnorm die Schließungen des Einzelhandels angeordnet worden seien. Hier kämen sowohl eine in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG genannte „notwendige Schutzmaßnahme“ als auch das Verbot einer „sonstigen Ansammlung“ nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG in Betracht. Diese Rechtsunsicherheit habe sich in der angegriffenen Verordnung fortgesetzt, da diese zwischen diesen beiden Varianten nicht unterschieden, sondern pauschal § 28 Abs. 1 IfSG als Ermächtigungsgrundlage angeführt habe.
Es könne auch nicht angeführt werden, dass die Öffnung von Einzelhandelsgeschäften für den Publikumsverkehr eine ähnliche infektionsschutzrechtliche Gefahrenlage darstelle wie die Ansammlung von Menschen oder (Groß-)Veranstaltungen. Gerade Letztere seien durch eine temporäre Ausgestaltung geprägt, da bei ihnen punktuell und kurzzeitig eine Vielzahl von Personen zusammenkämen, wohingegen der Einzelhandel besser regelbare und gleichmäßige Besucherströme aufweise. Allein das Bedürfnis nach einer flexiblen Handhabung des ordnungsbehördlichen Instrumentariums könne keine Regelungsdefizite legitimieren. Da sich entsprechende Erwägungen für eine „weite“ Generalklausel bereits in den Gesetzgebungsunterlagen aus dem Jahr 1979 finden ließen, stelle sich die Frage, weshalb es innerhalb von 40 Jahren nicht möglich gewesen sein solle, wirtschaftlich erhebliche und eingriffsstarke Schutzmaßnahmen wie den flächendeckenden „Shutdown“ ganzer Wirtschaftskreise in einer Ermächtigungsgrundlage abzubilden oder immerhin anzudeuten. Dies verwundere umso mehr, als sogar die Schließung von Badeanstalten und Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Ferienlagern (vgl. § 33 Nr. 5 IfSG) eine explizite Regelung erfahren habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der auf die Regelung spezieller Einzelfälle bedachte Gesetzgeber die Regelung des § 28 IfSG habe derart weit verstanden wissen wollen.
Auch die in den einzelnen Coronaeindämmungsverordnungen enthaltenen Befristungen könnten die Eingriffsschwere oder den Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz nicht abmildern. So seien die einzelnen Schließungsanordnungen zwar immer nur auf einen Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen befristet worden. Durch die Aneinanderreihung einer Vielzahl solcher Maßnahmen sei in der Summe indes eine mittel- bis langfristige Grundrechtsbeeinträchtigung zu verzeichnen gewesen. Sie – die Antragstellerin – habe durch die Schließungsanordnungen ihre Warenhäuser über einen Zeitraum von fast zwei Monaten überwiegend vollständig geschlossen lassen müssen. Zu solchen nicht nur kurzfristig wirkenden Grundrechtseingriffen habe § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG ohne Einbindung des parlamentarischen Gesetzgebers gerade nicht ermächtigen können. Die vom Gesetzgeber mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 in Kenntnis der zuvor praktisch bundesweit erfolgten Schließung von Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetrieben vorgenommenen Änderungen bzw. Konkretisierungen hätten gerade nicht weitgehende Ladenschließungen ermöglicht. Dabei sei dem Gesetzgeber bereits im Zuge der Beratungen des vorgenannten Gesetzes sämtliche Kritik an der vom Verordnungsgeber herangezogenen Ermächtigungsgrundlage bekannt gewesen. Dass er es im Frühjahr 2020 somit versäumt habe, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für Schließungsanordnungen zu treffen, spreche gerade gegen die Wahrung des Wesentlichkeitsvorbehalts. Dabei wäre es problemlos möglich gewesen, kurzfristig eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung zu schaffen, wie die Einfügung einer bereichsspezifischen, explizit auch die Schließung des Einzelhandels vorsehenden Ermächtigungsgrundlage in dem neuen § 28a IfSG mit dem Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 zeige. Die Einfügung von § 28a IfSG belege, dass der Gesetzgeber offenbar selbst nicht davon ausgegangen sei, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen als Ermächtigungsgrundlage ausreichend waren.
Die Regelung des § 7 Abs. 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV verstoße zudem gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot. Die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Normenbestimmtheit stiegen, je schwerwiegender und belastender die Auswirkungen der Regelungen auf den Normadressaten seien. Zu den gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Schließungsanordnung trete hinzu, dass ein Verstoß gegen die Schließungsanordnung nach § 23 Nr. 7 der 4. SARS-CoV-2-EindV strafbar gewesen sei. Gemessen an den sich daraus ergebenden hohen Bestimmtheitsanforderungen habe die Schließungsanordnung nicht hinreichend klar erkennen lassen, welcher Betrieb von Einzelhandelsgeschäften letztlich erlaubt sei. Die allenfalls in Grundzügen klare Verbotswirkung des § 7 Abs. 1 und 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV sei durch die Regelung in § 7 Abs. 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV aufgehoben worden, da für den Normadressaten nicht erkennbar geworden sei, wann der Anteil des durch die Verordnung zugelassenen Warensortiments einen „nicht nur unerheblichen Anteil des Gesamtsortiments“ ausgemacht habe. Soweit in der Verordnungsbegründung ausgeführt worden sei, die Grenze der Erheblichkeit sei „in der Gesamtschau zu beurteilen und [solle] etwa bei einem Viertel des Gesamtsortiments liegen“, ergäben sich hieraus weder ein deutlicher Grenzwert noch nachvollziehbare Berechnungsvorgaben zur Bestimmung der Sortimentsgröße.
Zudem verletzten die angegriffenen Regelungen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die in der Verordnung vorgesehene Differenzierung zwischen den Verkaufsstellen des Einzelhandels, die sich auf den Verkauf von Lebensmitteln oder, wie z. B. Sanitätshäuser oder Drogerien, anderen Gütern des täglichen Bedarfs spezialisiert haben und hätten geöffnet bleiben dürfen und nicht von der Ausnahmeregelung erfassten Warenhäusern mit einem Mischangebot, welches neben anderen Gütern ebenfalls verschiedene Güter des täglichen Bedarfs umfasst, sei nicht gerechtfertigt. Für andere Betriebe, die gerade keine Güter des täglichen Bedarfs anbieten, wie Bau- und Gartenmärkte, Kfz- und Fahrradhändler sowie Buchhandlungen, habe die Verordnung dagegen durchaus die – von der Verkaufsfläche unabhängige – Möglichkeit eines uneingeschränkten Weiterverkaufs unter angepassten Bedingungen vorgesehen. Die Öffnung dieser Läden sei nicht ohne Weiteres mit der Notwendigkeit einer Infrastruktursicherung zu rechtfertigen. Zudem habe der Verordnungsgeber den Besucherandrang auf diese privilegierten Verkaufsstellen ignoriert. Dies sei mit dem von ihm zur Rechtfertigung der Schließungsanordnung in Bezug auf Geschäfte wie das der Antragstellerin angeführten Ziel, physisch-soziale Kontakte zu reduzieren, nicht zu vereinbaren, zumal der Verordnungsgeber in Bezug auf den nicht privilegierten Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von über 800 m² einen Besucherandrang lediglich vermutet habe. Insbesondere habe der Verordnungsgeber das von ihm herangezogene Differenzierungskriterium der „Belegenheit der Einzelhandelsgeschäfte“ mit dem Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht in systematischer Weise verfolgt. So würden auch Warenhäuser mit gemischtem Sortiment oder Einkaufszentren zu einem Großteil durch individuellen Autoverkehr angesteuert, weil sie entweder in Randgebieten lägen oder über eigene Parkhäuser und -flächen verfügten. Bei Warenhäusern finde gerade nicht in typischer Weise eine Frequenzerhöhung im ÖPNV statt, welche dann ggf. zu einer Steigerung der Infektionsrate führen könne.
Ferner sei die Differenzierung nach der objektiven (baulichen) Verkaufsfläche unabhängig vom Sortiment nicht gerechtfertigt gewesen. Dies gelte bereits im Hinblick auf das Fehlen einer Möglichkeit zur (Verkaufs-)Flächenverkleinerung. Die Unterscheidung zwischen klein- und großflächigen Geschäften anhand der Grenzmarke von 800 m² Verkaufsfläche stelle sich auch als willkürlich dar. Weder gebe es infektionsschutzrechtliche Gründe für diese Grenzziehung noch sei das Maß der Verkaufsfläche geeignet gewesen, eine tragfähige Grundlage für die Beurteilung von Infektionsgefahren zu bilden. Die Grenzmarke von 800 m² werde zur Bestimmung von „großflächigen Einzelhandelsbetrieben“ im Sinne der BauNVO verwendet. Dem liege der Gesichtspunkt der Verkaufsflächenattraktivität zugrunde. Die dahinterstehenden, in den Besonderheiten des Bauplanungsrechts wurzelnden Erwägungen seien nicht auf Maßnahmen zum Schutz vor einer tatsächlich bestehenden Infektionsgefahr übertragbar. Mit Blick auf Kundenströme außerhalb von Geschäftsräumen erschließe sich auch nicht, warum kleinen Geschäften in hochfrequentierten Einkaufsstraßen die Öffnung erlaubt worden sei. Unstimmig sei auch die Öffnung der in bester Innenstadtlage befindlichen Großbuchhandlungen bzw. die Öffnung von Bau- und Gartenmärkten sowie der Einkaufszentren. Eine etwaige Magnet- bzw. Sogwirkung sowie daraus folgende infektionsschutzrechtliche Gefahren hätten daher nicht nur über die Verkaufsflächengröße nicht hinreichend abgebildet werden können. Sie seien vom Verordnungsgeber vielmehr auch bei den sonstigen Öffnungsmöglichkeiten eklatant vernachlässig worden. Eine besondere Anziehungskraft gehe, was für Innenstädte typisch sei, von attraktiven und nah beieinanderliegenden kleineren Verkaufsstellen des Einzelhandels aus. Darüber hinaus sei fraglich, inwieweit das mit der differenzierten Ladenöffnung vom Verordnungsgeber verfolgte Ziel, einer erhöhten Ansammlung von Kunden vorzubeugen, überhaupt als sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung tauglich sei. Insgesamt sei ein erheblicher Rückgang des Kundenaufkommens in den deutschen Innenstädten bereits aufgrund des Coronavirus festzustellen gewesen, wie die „Frequenzstudie Warenhäuser“ aus April 2020 belege.
Außerdem habe die Schließungsanordnung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen, weil Einkaufszentren über § 7 Abs. 4 der 4. SARS-CoV-2-EindV unter gleichzeitiger Wahrung der Hygiene- und Abstandsvorschriften i. S. d. § 7 Abs. 5 der 4. SARS-CoV-2-EindV der Weiterbetrieb gestattet worden sei. Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund anzunehmen, dass Shopping-Malls über die Summe der in ihnen enthaltenen Einzelverkaufsflächen eine geringere Sogwirkung entfalteten als Warenhäuser. An den Öffnungsmöglichkeiten der Läden in diesen Shopping-Centern werde offenbar, dass der Verordnungsgeber die von ihm angeführte Sogwirkung nicht in hinreichend kohärenter, den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügender Weise habe verhindern wollen.
Zudem stelle sich die Schließungsanordnung aufgrund der fehlenden Möglichkeit, eine Befreiung oder Ausnahmegenehmigung für den Weiterbetrieb der Warenhäuser zu erhalten, als unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 GG dar. Die Regelung sei weder geeignet noch erforderlich gewesen, um den Anstieg der Infektionsraten zu verlangsamen.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
festzustellen, dass § 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 2a der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 16. April 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 21. April 2020 unwirksam war.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er tritt dem Antrag unter anderem mit der Begründung entgegen, § 32 Satz 1 i. V. m.§ 28 Abs. 1 IfSG habe für die im Vorliegenden Verfahren relevanten Zeiträume eine ausreichende Verordnungsermächtigung auch für schwerwiegende Grundrechtseingriffe dargestellt. Der Rückgriff auf die Generalklausel sei bei Bestehen einer – wie hier – mit erheblichen prognostischen Unsicherheiten behafteten Gefährdungslage jedenfalls für eine Übergangszeit hinzunehmen. Die inhaltliche Reichweite von § 7 Abs. 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV sei in Zusammenschau mit den Absätzen 2 bis 4 und unter Rückgriff auf die Verordnungsbegründung hinreichend bestimmbar. Nach dem Wortsinn zählten zum „Gesamtsortiment“ alle Waren, die die Antragstellerin anbiete, was dem verfügbaren Sortiment entspreche. Auch die Angabe mit „etwa bei einem Viertel“ sei eine hinreichend mathematisch bestimmbare Größe, was sich dem durchschnittlichen Normadressaten, auf den es in diesem Zusammenhang ankomme, ohne Weiteres erschließe.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber mit seiner Grundannahme zur Schutzwirkung und Erforderlichkeit eines Öffnungsverbots für Ladengeschäfte seinen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum überschritten habe. Das Robert-Koch-Institut habe die Situation im April 2020 noch als sehr dynamisch und ernst zu nehmend eingeschätzt und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin insgesamt als hoch und für Risikogruppen sehr hoch eingestuft. Zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses seien 60 % der Intensivbetten belegt gewesen. Hiervon ausgehend habe der Verordnungsgeber annehmen dürfen, dass die Gefahr der Verbreitung der Infektion und daran anknüpfend der Überlastung des Gesundheitswesens weiter fortbestanden habe. Mit den gleichwohl an die zu diesem Zeitpunkt eingetretene deutliche Reduzierung der Neuinfektionen anknüpfenden stufenweisen Öffnungen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der angeordneten Schließung einiger Einrichtungen habe der Verordnungsgeber nicht in fehlsamer und unvertretbarer Weise den ihm durch die Generalklausel grundsätzlich eröffneten Einschätzung- und Gestaltungsspielraum überschritten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es im April 2020 noch keine belastbaren Erfahrungen gegeben habe, in welchem Umfang und durch welche Einzelmaßnahmen eine Lockerung in Betracht komme, ohne zugleich neue Risiken zu begründen und die Ausbreitung der Infektionen wieder zu begünstigen. Es habe eine hohe Unsicherheit vor allem aufgrund der nach wie vor möglichen Dynamik des Infektionsgeschehens und der damit einhergehenden Gefahr erneut steigender Erkrankungszahlen bis hin zu schweren Krankheitsverläufen bestanden. Die schwierige Beurteilung von Risiken jedweder Öffnungsstrategie sei durch die Vielzahl und Komplexität der zu regelnden Sachverhalte, die es nach dem strengen Lockdown während der Monate März und April 2020 zu bewältigen gegolten habe, verstärkt worden. Alternativ mildere Mittel wie Hygienemaßnahmen seien nicht ebenso effektiv gewesen wie ein generelles Öffnungsverbot, zumal sich das Infektionsgeschehen bereits im April 2020 zunehmend als diffus dargestellt habe. Es habe daher nicht ausgeschlossen werden können, dass es auch in Ladengeschäften zu Virusübertragungen komme. Das Öffnungsverbot für Ladengeschäfte habe auch nicht ausschließlich darauf abgezielt, Infektionen in den betroffenen Räumlichkeiten zu unterbinden. Vielmehr habe das Infektionsgeschehen insgesamt durch die Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung aufgehalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in eine nachverfolgbare Größenordnung gesenkt werden sollen.
In den streitgegenständlichen Maßnahmen liege auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Der sachliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von Ladengeschäften mit Mischsortimenten, die nicht gemäß § 7 Abs. 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV unter das privilegierte Sortiment zu subsumieren seien, und den daneben weiterhin geöffneten Verkaufsstellen mit Relevanz für die Grundversorgung der Bevölkerung liege in der Entscheidung, das Wirtschaftsleben so umfassend wie möglich aufrechtzuerhalten, zugleich aber Kontakte möglichst zu reduzieren. Der Verordnungsgeber habe sein auf Kontaktreduzierung angelegtes Gesamtkonzept primär am fortgesetzten Betrieb der Arbeitswelt in ihrer Gesamtheit, an der lebensnotwendigen Versorgung der Bevölkerung und am Recht auf Bildung und Teilhabe ausgerichtet. Seinerzeit seien Gefahrenquellen, die mit der Fortführung des Arbeits- und Geschäftslebens sowie des Bildungsbereichs verbunden seien, bewusst in einem gewissen Umfang in Kauf genommen worden. Dabei hätten die Kundenströme für von jedem Bürger nachgefragte Produkte entzerrt werden sollen, indem für diese Bereiche (Lebensmittel, Getränkeversorgung, Drogerien) die Öffnung der entsprechenden Fachgeschäfte erlaubt worden sei, um eine Ballung von Menschen in Supermärkten zu vermeiden. Die Verwendung der Grenzmarke von 800 m² knüpfe an die hohe Anziehungskraft von Verkaufsflächen mit einer darüber hinaus gehenden Größe an, welche die Gefahr eines erhöhten Infektionsrisikos mit sich bringe. Kleinere Verkaufsflächen ließen sich auch leichter überwachen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Sie ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

A. Soweit sich die Antragstellerin, nachdem die ursprünglich von ihr angegriffene Regelung in § 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV außer Kraft getreten war, das Normenkontrollverfahren gegen § 7 Abs. 1, 2 und 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV weitergeführt hat, war diese Antragsänderung zulässig. Nach dem im Normenkontrollverfahren entsprechend anwendbaren § 91 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 CN 4.16 – juris Rn. 10; Urteil vom 30. September 2009 – 8 CN 1.08 – juris Rn. 16) bestimmt sich die Zulässigkeit einer Antragsänderung danach, ob der Antragsgegner hierin einwilligt oder ob das Gericht die Antragsänderung als sachdienlich ansieht. Die Entscheidung über die Sachdienlichkeit liegt im Ermessen des jeweiligen Gerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 – 4 C 13.04 – juris Rn. 22). Eine Änderung ist in der Regel sachdienlich, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016, a. a. O. Rn. 10 m.w.N.). Vorliegend hat sich der Antragsgegner sachlich auf den geänderten Antrag eingelassen, ohne der Antragsänderung widersprochen zu haben. Unabhängig davon stellte sich eine Antragsänderung aus Sicht des Senates als sachdienlich dar. Die von der Antragstellerin angegriffene Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften jeder Art mit Ausnahme des privilegierten Einzelhandels durch § 5 Abs. 1, 2 und 4 der 3. SARS-CoV-2-EindV hat sich durch § 7 Abs. 1, 2 und 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV mit nahezu inhaltsgleichen Regelungen jedenfalls für Ladengeschäfte mit einer Verkaufsfläche von über 800 m² und damit auch für die Antragstellerin fortgesetzt. Bis zum Außerkrafttreten der 4. SARS-CoV-2-EindV hätte der bereits in den Regelungen der 3. SARS-CoV-2-EindV angelegte und mit der Geltung der 4. SARS-CoV-2-EindV seine Fortsetzung findende Streit zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren mit einer Entscheidung des Senats beendet werden können.
Bei der (erneuten) Umstellung des Antrags nach Außerkrafttreten der 4. SARS-CoV-2-EindV auf ein Feststellungsbegehren handelt es sich in entsprechender Anwendung des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO schon nicht um eine Antragsänderung.
B. Der Normenkontrollantrag ist mit dem verbliebenen Rechtsschutzziel zulässig.
1. Bei den angegriffenen Verordnungsregelungen handelt es sich um im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, über deren Gültigkeit das Oberverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 10 AG VwGO LSA entscheidet.
2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie kann jedenfalls geltend machen, durch die angegriffene Verordnungsregelung, aufgrund welcher es der Antragstellerin untersagt war, ihre Warenhäuser im Hoheitsgebiet des Antragsgegners für den Publikumsverkehr zu öffnen, in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt zu sein (allgemein zur Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO: Beschluss des Senates vom 19. November 2020 – 3 R 234/20 – juris Rn. 54 ff. m.w.N.).
3. Der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags steht auch nicht entgegen, dass die nach der Antragsänderung streitgegenständliche Regelung mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft getreten ist.
Das Außerkrafttreten der zur Prüfung gestellten Norm nimmt dem Normenkontrollantrag zwar grundsätzlich seinen Gegenstand. § 47 Abs. 1 VwGO geht von dem Regelfall einer noch gültigen Norm als Gegenstand des Normenkontrollantrags aus. Ein Normenkontrollantrag kann allerdings auch trotz Außerkrafttretens der angegriffenen Rechtsnorm zulässig bleiben, wenn in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden sind oder wenn während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm, durch die oder durch deren Anwendung der Antragsteller einen Nachteil erlitten hat, außer Kraft getreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2001 – 6 CN 1.01 – juris Rn. 10). Der Antragsteller muss nach Außerkrafttreten der angegriffenen Norm allerdings ein berechtigtes Interesse an der (nachträglichen) Feststellung ihrer Ungültigkeit haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 BN 1.17 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Ein berechtigtes – individuelles – Interesse an der Fortführung des Normenkontrollverfahrens kann sich etwa aus einer Wiederholungsgefahr ergeben, d. h. wenn der Erlass vergleichbarer Rechtsvorschriften durch den Antragsgegner in absehbarer Zeit hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, Urteil von 17. Mai 2017 – 8 CN 1.16 – juris Rn. 13; Urteil vom 11. November 2015 – 8 CN 2.14 – juris Rn. 19), oder aus der präjudiziellen Wirkung der begehrten Feststellung für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf die Norm gestützten behördlichen Verhaltens und daran anknüpfende Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche, deren Durchsetzung der Antragsteller ernsthaft beabsichtigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2005 – 4 BN 22.05 – juris Rn. 5; Urteil vom 19. Februar 2004 – 7 CN 1.03 – juris Rn. 14).
Außerdem ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse an einer Rechtsklärung anzuerkennen bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten des Antragstellers durch die angegriffene Rechtsvorschrift, insbesondere dann, wenn die Rechtsvorschrift typischerweise auf kurze Geltung angelegt ist mit der Folge, dass sie regelmäßig außer Kraft tritt, bevor ihre Rechtmäßigkeit in einem Normenkontrollverfahren abschließend gerichtlich geklärt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2001 – 6 CN 1.01 – juris Rn. 10; Beschluss vom 2. September 1983 – 4 N 1.83 – juris Rn. 9). Dies gilt unabhängig davon, ob der Antragsteller hinsichtlich der angegriffenen Rechtsnorm um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen konnte. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nach Maßgabe der jeweiligen Sachentscheidungsvoraussetzungen grundsätzlich einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur auf Rechtsschutz in einem Eilverfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 29 ff. m.w.N.). Schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigungen sind im Allgemeinen insbesondere bei Eingriffen in Grundrechte anzunehmen, die das Grundgesetz selbst – wie in den Fällen der Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 und 3 GG – unter den Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99 u. a. – juris Rn. 36), oder bei Beeinträchtigungen spezieller Freiheitsgrundrechte (vgl. z. B. zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004, a. a. O. Rn. 28 sowie Beschluss vom 7. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 – juris Rn. 25 f.). Aber auch im Hinblick auf sonstige Grundrechte kann ein Feststellungsinteresse aufgrund der schwerwiegenden Auswirkungen des erledigten Hoheitsaktes bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Januar 2021 – 2 BvR 673/20 – juris Rn. 37).
Im Fall der Antragstellerin ist von einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff in ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit auszugehen. Ihre auch im Hoheitsgebiet des Antragsgegners betriebenen Warenhäuser überschreiten unstrittig eine Verkaufsfläche von 800 m². Aufgrund der angegriffenen Regelung war der Antragstellerin der stationäre Vertrieb des weit überwiegenden Teils ihres Warensortiments für die Zeit der Geltungsdauer der Verordnungsregelung nicht mehr möglich. Hinzu tritt, dass die Warenhäuser der Antragstellerin aufgrund der Regelungen in den Vorgängerverordnungen der 4. SARS-CoV-2-EindV bereits seit dem 18. März 2020 (vgl. §§ 4 und 8 der Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 17. März 2020, GVBl. LSA S. 50), im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 4. SARS-CoV-2-EindV damit schon seit mehr als einen Monat, vollständig hatten schließen müssen. Die Corona-Eindämmungsverordnungen des Antragsgegners waren aufgrund der fortlaufenden Evaluierung und Anpassung der Maßnahmen auch intendiert und damit typischerweise auf so kurze Geltung angelegt, dass eine Überprüfung der Rechtsverordnungen ohne die Annahme eines berechtigten Feststellungsinteresses in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren nahezu ausgeschlossen wäre (ein nachträgliches Rechtsklärungsinteresse in Bezug auf zwischenzeitlich außer Kraft getretene Schließungen und Beschränkungen des Einzelhandels während der Corona-Pandemie ebenfalls annehmend: OVG Brem, Urteil vom 19. April 2022 – 1 D 104/20 – BeckRS 2022, 9393 Rn. 32; SächsOVG, Urteil vom 17. Mai 2022 – 3 C 16/20 – juris Rn. 35; ebenso in Bezug auf Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG in anderen Bereichen als dem Einzelhandel NdsOVG, Urteil vom 23. November 2021 – 13 KN 389/20 – juris Rn. 24 f.; differenzierend SaarlOVG: im Urteil vom 31. März 2022 – 2 C 182/20 – juris Rn. 29 ein Feststellungsinteresse trotz schwerwiegenden Grundrechtseingriffs verneinend in Bezug auf vorübergehende Betriebsverbote, von denen inländische juristische Personen betroffen seien, da hier die erwerbswirtschaftliche Seite im Vordergrund stehe und der persönlichkeitsrechtliche Aspekte der Grundrechtsverwirklichung fehle; dagegen in Bezug auf eine GbR ein Feststellungsinteresse wegen eines in einer Betriebsuntersagung liegenden schwerwiegenden Grundrechtseingriffs annehmend im Urteil vom 31. Mai 2022 – 2 C 319/20 – juris Rn. 21). Vor diesem Hintergrund und betonend, dass die in den infektionsschutzrechtlichen Verordnungen wie der hier streitgegenständlichen enthaltenen Ge- und Verbote die grundrechtliche(n) Freiheit(en) häufig schwerwiegend beeinträchtigten, erachtet auch das Bundesverfassungsgericht es als „naheliegend“, dass die Vereinbarkeit dieser Verordnungen mit Grundrechten nachträglich im Verfahren der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle überprüft werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 1073/21 – juris Rn. 24 f.; Beschluss vom 15. Juli 2020 – 1 BvR 1630/20 – juris Rn. 9; Beschluss vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 990/20 – juris Rn. 8).
Besteht bereits aus den vorstehenden Gründen ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der begehrten gerichtlichen Feststellung, bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob ein besonderes Feststellungsinteresse (auch) unter dem von der Antragstellerin angeführten Gesichtspunkt der präjudiziellen Wirkung einer nachträglichen Feststellung der Ungültigkeit der angegriffenen Verordnungsregelung für die Geltendmachung von Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen anzunehmen ist oder ob dem eine offensichtliche Aussichtslosigkeit eines etwaigen Entschädigungs- oder Schadensersatzprozesses (vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2005 – 4 BN 22.05 – juris Rn. 5; Urteil vom 19. Februar 2004, a. a. O. Rn. 14; Beschluss vom 2. September 1983 – 4 N 1.83 – juris Rn. 12) entgegensteht, weil es an einer Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung oder einen Schadensersatz wegen flächendeckender Betriebsschließungen im Rahmen von Infektionsschutzmaßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie fehlt (so SaarlOVG, Urteil vom 31. März 2022 – 2 C 182/20 – juris Rn. 16 ff. unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 17. März 2022 – III ZR 79/21 – juris Rn. 16 ff.).
C. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass § 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 2a der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 16. April 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 21. April 2020 unwirksam war.
Die angegriffenen Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV beruhten zwar auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (I.). Sie selbst genügen indes nicht den sich aus dem Bestimmtheitsgebot folgenden Anforderungen (II.).
I. Der Senat hat in seinem die Antragstellerin betreffenden Beschluss vom 29. April 2020 (Az. 3 R 71/20) ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen in § 32 Satz 1 IfSG eine ausreichende Rechtsgrundlage gefunden haben. Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest.
1. Durch § 32 Satz 1 IfSG in der für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der 4. SARS-CoV-2-EindV maßgeblichen Fassung der Änderung durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. 2020 I S. 587 ff.) – im Folgenden a. F. – wurden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, durch Rechtsverordnungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a. F. enthielt eine dem geltenden § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 473), entsprechende Generalklausel, wonach die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen trifft, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Nach dem mit Gesetz vom 27. März 2020 neu eingefügten 2. Halbsatz der Vorschrift kann sie insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG a. F. kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen.
Die als Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen herangezogenen §§ 32 Satz 1 IfSG i. V. m. 28 Abs. 1 IfSG a. F. entsprachen jedenfalls im Hinblick auf den hier maßgeblichen Zeitraum (April 2020 bis Anfang Mai 2020) den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Wesentlichkeitsgrundsatzes in dessen Ausprägung als Parlamentsvorbehalt (a) und des Bestimmtheitsgebots (b).
a) Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf. Dabei betrifft die Normierungspflicht nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben (sog. „Wesentlichkeitsdoktrin“, vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 – 2 BvF 1/15 u.a. – juris Rn. 199; Urteil vom 3. März 2009 – 2 BvC 3/07 – juris Rn. 132; Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 – juris Rn. 54). Wesentliche Fragen des Gemeinwesens, deren Regelung dem unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament vorbehalten sind, sind in der Regel solche des grundrechtsrelevanten Bereichs, also solche, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 – 1 BvL 1/75 – juris Rn. 26; Beschluss vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87 – juris Rn. 39; Beschluss vom 21. April 2015, a. a. O. Rn. 53; Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 – juris Rn. 260). Je intensiver sich die Maßnahme auf die Verwirklichung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirkt, desto höher ist die erforderliche parlamentsgesetzliche Regelungsdichte (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 – juris Rn. 182). Wann es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich letztlich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. April 2014 – 2 BvF 1/12 – juris Rn. 102; BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 – juris Rn. 67 f. m.w.N.).
§ 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG a. F. ermächtigen zweifellos zu Grundrechtseingriffen mit einer erheblichen Reichweite und Intensität, was grundsätzlich dafür spricht, dass die Entscheidungen darüber dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten sind. Zugleich ist aber zu berücksichtigen, dass sich die Bandbreite an Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, im Vorfeld nicht (abschließend) bestimmen lässt. Der Sinn gefahrenabwehrrechtlicher Generalklauseln besteht gerade darin, auf kaum bzw. schwer vorhersehbare – in diesem Sinne atypische, weil nicht abschließend in typisierenden Standardbefugnissen abbildbare – Gefahrenlagen reagieren zu können (vgl. Rixen, NJW 2020, 1097, 1099; OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022 – 1 D 349/20 – juris Rn. 52 f.). Die Regelungsmaterie der Gefahrenabwehr, zu der auch das Infektionsschutzgesetz gehört, erfordert geradezu grundsätzlich eine solche Generalklausel, die der Exekutive einen weiten Gestaltungsspielraum einräumt und eine flexible Handhabung des ordnungsbehördlichen Instrumentariums ermöglicht (vgl. ThürVerfGH, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 110/20 – juris Rn. 42 f. m.w.N.; NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 389/20 – juris Rn. 36; Beschluss des Senates vom 27. April 2020 – 3 R 52/20 – juris Rn. 31). Dies gilt umso mehr bei neuen, vom Gesetzgeber bisher nicht in den Blick genommene Gefahrenlagen, die mit erheblichen prognostischen Unsicherheiten behaftet sind. Es können theoretisch immer wieder neue oder gegenüber ihrer bisherigen Erscheinungsform und Wirkungsweise veränderte Krankheitserreger auftreten, deren Ansteckungsrisiken und gesundheitliche Folgen nicht oder nicht vollständig bekannt sind. Es liegt in der Natur übertragbarer – insbesondere neu auftretender – Krankheiten, dass sich die Art und Fülle der Schutzmaßnahmen, die sich im konkreten Fall als notwendig erweisen, nicht von vornherein vorhersehen und dementsprechend durch (standard-)gesetzliche Ermächtigungsnormen für das Handeln der Exekutive erfassen lassen. Der Rückgriff auf eine Generalklausel, die um der effizienten Gefahrenabwehr willen gerade auch in atypischen oder schlicht nicht vorhersehbaren Situationen zu intensiven Grundrechtseingriffen, ggf. gegenüber einer Vielzahl von Personen, ermächtigt, kann aber unzulässig werden, wenn eine Gefahrenlage bzw. Situation von einer atypischen zu einer typischen geworden ist und sich für die Maßnahme Standards entwickelt haben (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 8. November 2012 – 1 BvR 22/12 – juris Rn. 25; BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 6 C 3.01 – juris Rn. 53 f. m.w.N.; OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 53; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2019 – 1 WB 28.17 juris Rn. 35). Jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt ist es aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls geboten, ggf. entstehende, aufgrund der sich aus dem Parlamentsvorbehalt ergebenden Anforderungen nicht hinnehmbare Regelungslücken für einen Übergangszeitraum auf der Grundlage von Generalklauseln zu schließen und auf diese Weise selbst sehr eingriffsintensive Maßnahmen, die an sich einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfen, vorübergehend zu ermöglichen (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 384; Beschluss vom 19. Mai 2021, a. a. O. Rn. 44 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Literatur; OVG Brem, Urteil vom 19. April 2022 – 1 D 104/20 – BeckRS 2022, 9393 Rn. 51; siehe auch NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 389/20 – a. a. O. Rn. 37, der § 28 Abs. 1 IfSG über einen Übergangszeitraum hinaus als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für Infektionsschutzmaßnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie ansieht und das Überschreiten einer Grenze hierfür allenfalls dann in Betracht zieht, wenn derartige Maßnahmen dauerhaft in die Rechtsordnung implementiert würden).
Ob und ab welchem Zeitpunkt im Hinblick auf die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Wege von Länderverordnungen ergriffenen Schutzmaßnahmen von einer den Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG a. F. ausschließenden Lage auszugehen war, bedarf für das vorliegende Verfahren keiner weiteren Erörterung. Jedenfalls in dem hier maßgeblichen Geltungszeitraum der von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV im April bis Anfang Mai 2020 war keine Situation gegeben, in welcher nicht mehr von einer atypischen Infektionslage gesprochen werden konnte. Vielmehr standen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gerade erst am Anfang. Die streitgegenständliche Maßnahme war Teil der Lockerungsschritte nach dem ersten sogenannten „Lockdown“ in Deutschland, durch die die Infektionszahlen weiter kontrolliert und ein erneuter Anstieg verhindert werden sollten. Typisierende Standards für die in Betracht kommenden Maßnahmen hatten sich zu diesem frühen Zeitpunkt der Pandemie noch nicht entwickelt. Auf die Erfahrungen mit vergleichbaren Maßnahmen im Ausland konnte ebenfalls noch nicht verlässlich zurückgegriffen werden. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19 war erst kurz zuvor – am 11. April 2020 – von der WHO zu einer Pandemie erklärt worden. Die Entwicklung und Verbreitung des Virus gestaltete sich dynamisch und unvorhersehbar. Bis zum Erlass und selbst bis zum Auslaufen der streitgegenständlichen Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV waren nur wenige Wochen vergangen, in denen noch kein signifikanter Erkenntnisgewinn der Infektionsschutzbehörden und des Gesetzgebers verzeichnet werden konnte. Von dem Bundesgesetzgeber konnte daher nicht erwartet werden, in diesem kurzen Zeitraum bereits eine spezielle Ermächtigungsgrundlage, hielte man eine solche für notwendig, für Maßnahmen wie die streitgegenständliche geschaffen zu haben, so dass ein Rückgriff auf die Generalklausel in § 28 Abs. 1 IfSG a. F. gerechtfertigt war (vgl. NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 62/20 – juris Rn. 73; SaarlOVG, Urteil vom 31. März 2022 – 2 C 182/20 – juris Rn. 30 unter Bezugnahme auf SaarlOVG, Beschluss vom 27. April 2020 – 2 B 134/20 – juris Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE- juris Rn. 61; zweifelnd, letztlich aber offen gelassen durch den VGH BW, Beschluss vom 9. April 2020 – 1 S 925/20 – juris Rn. 37 ff.).
Auch aus dem Umstand, dass am 3. November 2020 der Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944) in den Bundestag eingebracht wurde, der vorsah, in einem neuen § 28a IfSG einen nicht abschließenden Beispielskatalog für notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zu regeln, lässt sich nicht schließen, dass § 28 Abs. 1 IfSG a. F. bis dahin keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dargestellt hätte. Abgesehen davon, dass bis November 2020 deutlich mehr Zeit verstrichen war als bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt, wurde in der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 28a IfSG ausgeführt, dass „die Regelbeispiele in § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG speziell für die SARS-CoV-2-Pandemie klarstellend erweitert“ würden (BT-Drs. 19/23944, S. 31; vgl. OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022 – 1 D 349/20 – juris Rn. 40).
b) Die Verordnungsermächtigung in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG a. F. entsprach auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.
Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Dieses Bestimmtheitsgebot stellt eine notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts und des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Es soll gewährleisten, dass das Parlament, wenn es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, das Ziel und die Grenzen dieser Kompetenzen bedenkt und diese nach Tendenz und Programm so genau umreißt, dass der Normunterworfene schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018, a. a. O. Rn. 202). Hierdurch wird der staatliche Eingriff durch die Exekutive nachvollziehbar auf eine parlamentarische Willensäußerung zurückgeführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015, a. a. O. Rn. 55 und Urteil vom 19. September 2018, a. a. O. Rn. 199).
Allerdings muss die Ermächtigungsnorm in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein. Sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es grundsätzlich, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 – juris Rn. 55; Beschluss vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17 – juris Rn. 101). Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich daher nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an. So muss die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2020, a. a. O. Rn. 102). Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind umso höher, je tiefer die Norm in verfassungsrechtlich geschützte Positionen eingreift und je eindeutiger, abgrenzbarer und vorhersehbarer die Materie ist, die sie regelt (vgl. ThürVerfGH, Beschluss vom 19. Mai 2021, a. a. O. Rn. 34 m.w.N.). Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Dies kann es auch rechtfertigen, die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016, a. a. O. Rn. 57; ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 387; NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 62/20 – a. a. O. Rn. 68).
Nach diesen Maßstäben verstößt § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG in der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verordnungsregelungen gültigen Fassung nicht gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.
Der Bundesgesetzgeber hat mit § 28 Abs. 1 IfSG a. F. eine allgemeine Ermächtigungsgrundlage für grundrechtsrelevante Maßnahmen geschaffen, um den zuständigen Behörden – und über § 32 Satz 1 IfSG dem Verordnungsgeber – ein breites Spektrum von zum Infektionsschutz notwendigen Schutzmaßnahmen zu eröffnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24). Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien hat der Gesetzgeber den Begriff „notwendige Schutzmaßnahmen“ bewusst gewählt, um ein möglichst breites Spektrum gefahrenabwehrender Reaktionsmöglichkeiten im Fall einer Ausbreitung übertragbarer Krankheiten zu eröffnen (vgl. zur Vorgängerregelung Begründung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27, zu § 34 Abs. 1 Satz 1 des Bundes-Seuchengesetzes; hierauf verweisend auch BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Februar 2021 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 45; OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 43). In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass sich die Fülle der Schutzmaßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen könne, von vornherein nicht übersehen lasse. Man müsse eine generelle Ermächtigung in das Gesetz aufnehmen, wolle man für alle Fälle gewappnet sein. Nicht zuletzt ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass nicht allein Schutzmaßnahmen gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern in Betracht kommen, sondern dass ebenso Regelungen gegenüber „Nichtstörern“ sowie gegenüber der Allgemeinheit ermöglicht werden (BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.; vgl. weiter BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, a. a. O. Rn. 26; NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 62/20 – a. a. O. Rn. 71 m.w.N.; SaarlOVG, Urteil vom 31. März 2022, a. a. O. Rn. 31). Dies wird bestätigt durch die Gesetzesänderung vom 28. März 2020, da der Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG nunmehr ausdrücklich gestattete, dass sogar allgemeine Ausgangs- und Betretungsverbote auf Grundlage der Vorschrift erlassen werden, und nach Satz 2 der Vorschrift explizit Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränkt oder verboten werden können (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 389).
Soweit demgegenüber das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 26. März 2021 (- LVG 25/20 – juris Rn. 63 f.) angenommen hat, § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 IfSG a. F. stellten keine taugliche Grundlage für Verhaltensgebote oder -verbote gegenüber der Allgemeinheit dar, kann hieraus nichts im Hinblick auf die Rechtswirksamkeit der hier streitgegenständlichen 4. SARS-CoV-2-EindV hergeleitet werden. Die Entscheidung betraf die 8. SARS-CoV-2-EindV vom 15. September 2020 (GVBl. LSA S. 432) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der 8. SARS-CoV-2-EindV vom 30. Oktober 2020 (GVBl. LSA S. 624) sowie der Dritten Verordnung zur Änderung der 8. SARS-CoV-2-EindV vom 27. November 2020 (GVBl. LSA S. 668). Das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat es dahinstehen lassen, ob innerhalb einer engen Frist nach dem Auftreten einer völlig neuen Gefahrenlage Ausnahmen von den Anforderungen an die Regelungsdichte einer Verordnungsermächtigung begründet werden können, so dass in einer Übergangszeit auch solche unmittelbaren Gefahren effektiv durch die Regelung von Maßnahmen auf dem Verordnungswege abgewehrt werden können, bis der Gesetzgeber darauf zu reagieren in der Lage ist. Denn es hat diese Reaktionszeit zum Zeitpunkt, als die dort streitgegenständlichen Regelungen erlassen wurden, bereits als überschritten angesehen (LVerfG LSA, Urteil vom 26. März 2021, a. a. O. Rn. 65). Dies war – wie ausgeführt – in Bezug auf die im vorliegenden Normenkontrollverfahren von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV, die in einem wesentlich früheren Stadium der COVID-19-Pandemie erlassen worden sind, indes nicht der Fall.
An der beschriebenen Grundkonzeption mit einer Generalklausel, welche die zuständigen Behörden zu einem breiten Spektrum von zum Infektionsschutz notwendigen Schutzmaßnahmen ermächtigt, wurde für das Infektionsschutzgesetz festgehalten (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften, BR-Drs. 566/99, S. 169 und BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.). Der Infektionsschutz zählt zur Regelungsmaterie der Gefahrenabwehr, die gerade durch sich ständig wandelnde Umstände geprägt ist, weil immer wieder Krankheitserreger auftreten können, deren Ansteckungsrisiken und gesundheitlichen Folgen nicht oder nicht vollständig bekannt sind. Mit Blick auf diese konkrete Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes ist es dem Verordnungsgeber schneller als dem Gesetzgeber möglich, das Bedürfnis nach erforderlichen Regelungen zu erkennen und diese auf dem neuesten Stand zu halten. Insoweit statuierte der parlamentarische Gesetzgeber einerseits eine Pflicht der Exekutive, notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen, und eröffnete ihr andererseits hierfür einen umfassenden Ermessensspielraum im Hinblick auf die Mittel, die zur Umsetzung des Gesetzeszieles ergriffen werden (siehe BR-Dr. 566/99, S. 169 sowie unter Verweis hierauf ThürVerfGH, Beschluss vom 19. Mai 2021, a. a. O. Rn. 34).
Diese als offene Generalklausel ausgestaltete Regelung stellte sich nicht als unzulässige Globalermächtigung dar (OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 45; ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021, a. a. O. Rn. 388; NdsOVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 389/20 – a. a. O. Rn. 34 und SächsOVG, Urteil vom 21. April 2021- 3 C 8/20 – juris Rn. 23). Inhalt, Zweck und Ausmaß der vom Gesetzgeber erteilten Verordnungsermächtigung waren als hinreichend bestimmt anzusehen. So hat der Gesetzgeber bereits mit der nur beispielhaften Aufzählung in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG a. F., wonach unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen von Menschen beschränkt oder verboten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon geschlossen werden können, deutlich gemacht, dass in Konkretisierung der mit der Generalklausel eröffneten Handlungsmöglichkeiten auch weitreichende Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit in Betracht kommen. Dabei standen § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 2 IfSG a. F. nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in einem Spezialitätsverhältnis. Vielmehr konnten alle notwendigen Schutzmaßnahmen auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG a. F. gestützt werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 CS 20.611 – juris Rn. 16; OVG Brem, Urteil vom 23. März 2022, a. a. O. Rn. 45).
Dass auch Beschränkungen der für den Publikumsverkehr geöffneten Verkaufs-fläche bestimmter Einzelhandelsbetriebe – als Minus zu einer vollständigen Betriebsschließung – nach Inhalt und Zweck der Ermächtigung in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG a. F. grundsätzlich als mögliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden konnten, ist vor diesem Hintergrund nicht zweifelhaft. Dem Gesetzgeber ging es bei der Schaffung der Ermächtigungsgrundlage gerade darum, keine sich später möglicherweise als notwendig erweisende Handlungsoption für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten einschließlich weitreichender – und damit auch die von der Antragstellerin angesprochenen wesentlichen – Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit auszuschließen (zu Ausgangsbeschränkungen BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Februar 2021, a. a. O. Rn. 46; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. April 2020 – OVG 11 S 23/20 – juris Rn. 15). Folglich waren auch Geschäftsschließungen mögliche Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a. F. Denn Ladengeschäfte mit Publikumsverkehr ähneln den ausdrücklich genannten Veranstaltungen und sonstigen Zusammenkünften insoweit, als dass sie ebenso wie diese Anziehungspunkte für Menschen an einen begrenzten Ort sind und damit ein besonderes Risiko für die Verbreitung einer von Mensch zu Mensch übertragenen Krankheit darstellen (so OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. April 2020, a. a. O. Rn. 15 unter Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2020, a. a. O. Rn. 46 ff. und BayVGH, Beschluss vom 30. März 2020, a. a. O. Rn. 11). Abgesehen davon hatte der Gesetzgeber auch mit der kürzlich vorgenommenen Anfügung des 2. Halbsatzes in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a. F., wonach sogar allgemeine Ausgangs- und Betretungsverbote auf Grundlage der Vorschrift erlassen werden können, klargestellt, dass die Vorschrift auch als Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen diente, die in besonders erheblichem Maß in Grundrechte eingreifen (vgl. OVG Brem, Beschluss vom 9. April 2020, a. a. O. Rn. 34 m.w.N.).
Nach alledem bestand weder ein weitergehender Konkretisierungsbedarf noch greift der Einwand der Antragstellerin Platz, wonach es fraglich sei, aufgrund welcher Variante der Ermächtigungsgrundlage – § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG oder § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG a. F. – die Schließungen angeordnet worden seien.
Ein Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz folgt auch nicht daraus, dass nur die ausdrücklich in § 32 Satz 3 IfSG genannten Grundrechte wesentlich eingeschränkt werden dürften. Die ausdrückliche Nennung dieser Grundrechte geht auf das Zitiergebot in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zurück, wonach ein grundrechtseinschränkendes Gesetz das eingeschränkte Grundrecht ausdrücklich benennen muss. Das Zitiergebot war vorliegend nicht verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient es der Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehaltes über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden könnten. Indem das Gebot den Gesetzgeber zwingt, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen, will es sicherstellen, dass nur wirklich gewollte Eingriffe erfolgen; auch soll sich der Gesetzgeber über die Auswirkungen seiner Regelungen für die betroffenen Grundrechte Rechenschaft geben. Von derartigen Grundrechtseinschränkungen werden in der Rechtsprechung andersartige grundrechtsrelevante Regelungen unterschieden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenbeziehungen vornimmt. Hier erscheint die Warn- und Besinnungsfunktion des Zitiergebotes von geringerem Gewicht, weil dem Gesetzgeber in der Regel ohnehin bewusst ist, dass er sich im grundrechtsrelevanten Bereich bewegt. Durch eine Erstreckung des Gebots auf solche Regelungen würde es zu einer die Gesetzgebung unnötig behindernden leeren Förmlichkeit kommen. Zu diesen grundrechtsrelevanten Regelungen zählen sowohl inhalts- und schrankenbestimmende Normen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als auch berufsregelnde Gesetze im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2020, a. a. O. Rn. 63 m.w.N.; ThürOVG, Beschluss vom 8. April 2020 – 3 EN 245/20 – juris Rn. 37; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. April 2020, a. a. O. Rn. 16), so dass aus der unterbliebenen Benennung dieser Grundrechte in § 32 Abs. 3 IfSG bzw. § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG nicht geschlossen werden kann, dass sie nicht „wesentlich“ eingeschränkt werden durften (s. Beschluss des Senates vom 27. April 2020, a. a. O. Rn. 35).
Schließlich hat der Bundesgesetzgeber auch das Ausmaß der dem Verordnungsgeber erteilten Rechtsmacht bestimmt. Diese beschränkte sich auf „notwendige Schutzmaßnahmen“. Innerhalb des dem Verordnungsgeber hierdurch zuwachsenden Regelungsermessens war damit eine Normierung zulässig, soweit und solange diese zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung einer übertragbaren Krankheit geboten ist und gegenüber den Betroffenen nicht unverhältnismäßig wirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012, a. a. O. Rn. 24; BayVGH, Beschluss vom 4. Oktober 2021 – 20 N 20.767- juris Rn. 48).
2. Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG a. F. schied auch nicht deshalb als hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV aus, weil es an einer gesetzlichen Ausgleichs- und Entschädigungsregelung zur vollständigen oder zumindest teilweisen Kompensation schwerwiegender Grundrechtseingriffe infolge infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen, die auf der Grundlage der Generalklausel ergriffen werden, fehlte (hierzu bereits tendierend, im Ergebnis aber offen lassend Beschluss des Senates vom 8. Januar 2021 – 3 R 297/20 – juris Rn. 35 ff.).
Es kann offenbleiben, ob auf der Grundlage der Generalklausel getroffene vorübergehende Betriebsschließungen einen Eingriff in das grundrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht darstellen (dies ablehnend SächsOVG, Beschluss vom 10. Dezember 2021 – 3 B 421/21 – juris Rn. 65 m.w.N.; HmbOVG, Beschluss vom 20. Januar 2021 – 5 Bs 228/20 – juris Rn. 13 ff.; OVG Brem, Beschluss vom 15. April 2021 – 1 B 127/21 – juris Rn. 59). Zwar ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht hat es aber in seiner Rechtsprechung bisher offengelassen, ob diese einfachrechtlich anerkannte Position auch vom Schutzumfang des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst wird (zuletzt BVerfG, Beschluss vom 23. März 2022 – 1 BvR 1295/21 – juris Rn. 16 m.w.N.; dagegen eine Schutzwirkung des Art. 14 Abs. 1 GG in Bezug auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb offenbar annehmend: BGH, Urteil vom 17. März 2022, a. a. O. Rn. 59). Jedenfalls kann der Schutz des Gewerbebetriebs nicht weiter gehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt. Er erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; bloße Umsatz- und Gewinnchancen oder tatsächliche Gegebenheiten werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes nicht geschützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 1 BvR 1679/17 – juris Rn. 86; Beschlüsse des Senates vom 19. November 2020 – 3 R 234/20 – juris Rn. 64 und vom 16. Juli 2020 – 3 R 126/20 – juris Rn. 23). Sie sind vielmehr über die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG geschützt, die durch die hier in Rede stehenden Betriebsschließungen in erster Linie betroffen ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE – juris Rn. 119; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 3. März 2021 – 11 S 22/21 – juris Rn. 43; BVerfG, Beschluss vom 11. November 2020 – 1 BvR 2530/20 – juris Rn. 11). Art. 14 Abs. 1 GG schützt und gewährleistet den Betrieb allenfalls in seiner Existenz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1991 – 1 BvR 314/90 – juris Rn. 2 f.). Erst bei einem existenzbedrohenden Eingriff in die Substanz eines Gewerbebetriebes wäre in Betracht zu ziehen, ob es nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gesetzlicher Normen bedarf, die Art und Umfang eines finanziellen Ausgleichs andernfalls unverhältnismäßiger oder gleichheitswidriger Belastungen des Unternehmers näher regeln (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 20 NE 21.367 – juris Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 – juris Rn. 93 f.; zumindest daran zweifelnd, dass das Instrument der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen auf infektionsschutzrechtliche Tätigkeitsbeschränkungen im Rahmen einer Pandemiebekämpfung anwendbar ist: HmbOVG, Beschluss vom 20. Januar 2021 – 5 Bs 228/20 – juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 17. März 2022, a. a. O. Rn. 61). Insoweit sind insbesondere die Dauer der Maßnahme und die Auswirkungen auf den konkreten Betrieb zu beurteilen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. Februar 2021, a. a. O.).
Im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Verordnungsregelungen war nicht zuletzt aufgrund der von staatlicher Seite zur Verfügung gestellten wirtschaftlichen Hilfen nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die ergriffenen, fraglos schwerwiegenden Schutzmaßnahmen im Regelfall zwangsläufig die betriebliche Existenz der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer vernichten werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich – wie ausgeführt – die Corona-Pandemie zu dieser Zeit noch in einer sehr frühen Phase befunden hat. Bis zum Beginn der Pandemie musste der Gesetzgeber auch nicht damit rechnen, dass eine Situation eintreten wird, in der sich die Exekutive gehalten sehen könnte, auf der Grundlage der bestehenden infektionsschutzrechtlichen Regelungen weitreichende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor möglicherweise schweren Gesundheitsgefahren zu ergreifen. Es ist dementsprechend nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber bereits im Vorhinein anhand klar definierter Maßstäbe die Voraussetzungen und den Umfang eines Entschädigungsanspruchs wegen mit solchen Schutzmaßnahmen möglicherweise einhergehender substanzieller Eigentumsbeeinträchtigungen hätte festlegen können. Unmöglich kann der Gesetzgeber des Infektionsschutzgesetzes in der Vorausschau auf nicht erkennbare hypothetische Seuchenereignisse die jeweils angemessene Entschädigung für die jeweilige unzumutbare Maßnahme planen und in eine Entschädigungsregelung fassen, zumal eine unkalkulierbare, die öffentlichen Haushalte potenziell überfordernde Geldleistungsverpflichtung grundrechtlich nicht geboten sein kann (so BGH, Urteil vom 17. März 2022, a. a. O. Rn. 61). Eine andere Frage ist demgegenüber, ob und ab welchem Zeitpunkt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Gesetzgeber wegen der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereichseröffnung einmal unterstellt, zur Nachbesserung verpflichtet, rechtliche Regelungen für eine existenzsichernde, nicht im freien staatlichen Belieben stehende Entschädigungsgewährung zu schaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. April 1981 – 1 BvL 11/78 – juris Rn. 28). Diese Frage ist für die hier in Rede stehenden Ladengeschäftsschließungen aus den genannten Gründen jedoch ohne rechtliche Relevanz.
II. Indes erweisen sich die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen als inhaltlich zu unbestimmt.
Formelle Gesetze (Parlamentsgesetze) und Gesetze im materiellen Sinne (wie z. B. Rechtsverordnungen) müssen so gefasst sein, dass ihr Inhalt und ihre Tragweite klar erkennbar sind. Der Rechtsunterworfene muss ohne größere Schwierigkeiten und demgemäß aus der Rechtsnorm selbst oder aus ihr in Verbindung mit anderen Veröffentlichungen erkennen können, dass er der Norm unterworfenen ist und welche Handlungen danach geboten oder verboten sind, damit er sein Verhalten danach ausrichten kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 13. Februar 2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 125; SächsOVG, Urteil vom 21. April 2021, a. a. O. Rn. 29). Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhen sich mit der Intensität, mit der auf der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden kann. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Norm dann überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn diese mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87 – juris Rn. 45). Es ist auf die Sicht des durchschnittlichen Normadressaten abzustellen, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 3 B 177/20 – juris Rn. 10). Der Normgeber ist gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht für den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87 – juris Rn. 91; SächsOVG, Beschluss vom 30. März 2021 – 3 B 83/21 – juris Rn. 56 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wurden die von der Antragstellerin angegriffenen Verordnungsregelungen nicht gerecht.
Zwar haben die Regelungen in § 7 Abs. 1 und 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV für sich betrachtet unmissverständlich deutlich gemacht, welche Ladengeschäfte unter welchen Bedingungen für den Publikumsverkehr geöffnet werden durften (Ladengeschäfte jeder Art mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 m², größere Ladengeschäfte nur, wenn sie in Abs. 2 der Regelung aufgezählt waren). Ladengeschäfte mit einer Verkaufsfläche über 800 m² waren danach unmissverständlich geschlossen zu halten. Die konkrete inhaltliche Reichweite der Regelung in § 7 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV war indes in der Zusammenschau nicht nur mit Absatz 2, sondern auch mit Absatz 2a zu bestimmen. Dort war wie in Absatz 2 eine weitere Ausnahme von dem in § 7 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV geregelten grundsätzlichen Schließungsgebot für Ladengeschäfte jeder Art über 800 m² Verkaufsfläche vorgesehen. Nach § 7 Abs. 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV war Ladengeschäften mit Mischsortiment nach § 5 Abs. 4 der 3. SARS-CoV-2-EindV, deren Öffnung im Geltungszeitraum der 3. SARS-CoV-2-EindV als zulässig angesehen wurde, weil der Anteil des nach § 5 Abs. 2 der 3. SARS-CoV-2-EindV – inhaltsgleich mit § 7 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV – zugelassenen (privilegierten) Sortiments einen nicht nur unerheblichen Anteil am Gesamtsortiment umfasst, weiterhin die Öffnung unabhängig von der Einhaltung der Größenbegrenzung von 800 m² nach Absatz 1 zu gestatten. Wann von einem „nicht nur unerheblichen Anteil am Gesamtsortiment“ zu sprechen war, blieb hingegen offen. Für den durchschnittlichen (objektiven) Normadressaten war unklar, wann von einem „nicht nur unerheblichen Anteil“ des privilegierten Warensortiments am Gesamtsortiment auszugehen ist, mit der Folge, dass die Öffnung auch eines Ladengeschäfts mit Mischsortiment und einer Verkaufsfläche von über 800 m² abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV ausnahmsweise doch gestattet war. Der Wortlaut der Regelung des § 7 Abs. 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV ließ insoweit keine hinreichend bestimmbare Interpretation dahingehend zu, welche (größeren) Ladengeschäften des nichtprivilegierten Einzelhandels der Verordnungsgeber von der grundsätzlichen Schließungsanordnung ausnehmen wollte. „Nicht nur unerheblich“ bedeutet nach dem Wortsinn zumindest, dass der Anteil des privilegierten Warenangebots gemessen am Gesamtsortiment nicht nur marginal sein darf. Darüber hinaus ließ der Wortlaut der Regelung für den Normunterworfenen aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit die Einschätzung zu, wann ein Ladengeschäft nach der Regelung des § 7 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV von der Schließungsanordnung des § 7 Abs. 1 Satz 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV ausgenommen ist oder nicht.
Insoweit hilft auch nicht die vom Antragsgegner angeführte Verordnungsbegründung weiter. Selbst wenn man die Verordnungsbegründung bei der Inhaltsermittlung des unbestimmten Begriffs „nicht nur unerheblichen Anteil“ als Ausdruck des bei der Auslegung zu berücksichtigenden Willens des Verordnungsgebers grundsätzlich heranziehen könnte (vgl. zu den Auslegungsmethoden als Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung grundsätzlich BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2016 – 1 BvR 871/13 – juris Rn. 17 ff.), gab diese für die von § 7 der 4. SARS-CoV-2-EindV betroffenen Ladengeschäftsinhaber keinen voraussehbaren Aufschluss darüber, welche Ladengeschäfte noch von den in § 7 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV geregelten Ausnahmefällen erfasst waren und welche nicht. Nach der Begründung des Verordnungsgebers werde ein nicht nur unerheblicher Anteil am Gesamtsortiment bei „etwa einem Viertel des Gesamtsortimentes liegen“ (vgl. Seite 7 der Begründung der 3. SARS-CoV-2-EindV als Vorgängerregelung, abrufbar unter https://ms.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MS/MS/Presse_Corona/Dritte_VO_2020/02_04_2020_begruendung_dritte_VO.pdf; aufgerufen am 27. Juni 2022). Zwar ist in der Angabe „ein Viertel“ zumindest im Ansatz eine nähere Konkretisierung dessen zu erkennen, was als „nicht nur unerheblich“ gilt. Allerdings sollte es nach dem Bekunden des Verordnungsgebers für das Bestehen einer Ausnahme nach § 7 Abs. 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV ausreichend sein, dass „etwa“ ein Viertel des Gesamtangebots zu dem durch § 5 Abs. 2 der 3. SARS-CoV-2-EindV – dann § 7 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV – privilegierten Sortiment gehört. Damit wurde die theoretisch mathematisch verlässlich ermittelbare Größenordnung „ein Viertel“ wieder relativiert. Nicht zuletzt in Anbetracht dessen, dass ein Verstoß gegen§ 7 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EinV durch § 23 Nr. 7 der 4. SARS-CoV-2-EinV strafbewehrt war, stellte es sich für den Normadressaten als erheblich bedeutsam dar, ein verlässliches Urteil hinsichtlich der inhaltlichen Reichweite der grundrechtseinschränkenden Schließungsanordnung in § 7 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EinV zu gewinnen.
Zwar betrifft die Unbestimmtheit für sich betrachtet allein die Regelung in § 7 Abs. 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV. Wie bereits ausgeführt, konnte die genaue inhaltliche Regelungsweite der grundsätzlichen Schließungsanordnung in § 7 Abs. 1 Satz 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV aber abschließend nur in der Zusammenschau mit den Ausnahmeregelungen in § 7 Abs. 2 und 2a der 4. SARS-CoV-2-EindV bestimmt werden. Demzufolge wirkt sich die Unbestimmtheit der Ausnahmeregelung in Absatz 2a auf die Grundregelung in Absatz 1 Satz 1 dergestalt aus, dass diese ebenfalls nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt. War die – wenngleich nur für Ladengeschäfte mit einer Verkaufsfläche über 800 m² geltende – Grundregelung unwirksam, blieb für die Regelung in § 7 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV, die Ausnahmen von der Grundregelung vorsah, kein sinnvoller Anwendungsbereich mehr. Mit der Unwirksamkeit der grundsätzlichen Schließungsanordnung für Ladengeschäfte mit einer Verkaufsfläche über 800 m² fehlte den übrigen Bestimmungen des § 7 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV ein inhaltlicher Anknüpfungspunkt. Die Sätze 2 und 3 des § 7 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV hatten für sich betrachtet zwar vermeintlich insoweit einen eigenständigen Regelungsinhalt im Hinblick auf (kleinere) Ladengeschäfte mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 m², als sie deren Öffnung unter bestimmten Hygieneregeln (einschließlich Maskenpflicht und Abstandsregeln) und Zugangsbegrenzungen gestattet haben. Nach dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers sollte mit den genannten Regelungen aber eine bewusste Unterscheidung zwischen kleineren und größeren Ladengeschäften getroffen werden, was die Möglichkeit einer Öffnung für den Publikumsverkehr und die dabei einzuhaltenden Anforderungen betrifft. Dementsprechend war die Regelung in § 7 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV auch im Hinblick auf die Frage ihrer Rechtswirksamkeit ganzheitlich zu betrachten. Dessen ungeachtet ist nicht anzunehmen, dass der Verordnungsgeber eine ausschließlich für kleinere Ladengeschäfte geltende Regelung mit den dortigen Einschränkungen für die grundsätzlich gestattete Öffnung für den Publikumsverkehr hätte erlassen bzw. fortbestehen lassen wollen, ohne zugleich eine Regelung für größere Ladengeschäfte getroffen zu haben.
Da der Normenkontrollantrag aus den vorgenannten Gründen Erfolg hat, kommt es auf die übrigen Einwände der Antragstellerin nicht mehr an.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
E. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 45.000,00 € festgesetzt.

Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 40, 52 Abs. 1 GKG. Dabei bemisst der Senat die sich aus dem Antrag für die Antragstellerin ergebende Bedeutung der Sache in Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 15.000,00 € je Filiale, welche die Antragstellerin im für die Wertbestimmung maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Normenkontrollklage im Hoheitsgebiet des Antragsgegners betrieben hat. Die mit dem Antrag angegriffene Regelung kam in ihrer Wirkung einer – wenn auch nur vorübergehenden – Gewerbeuntersagung gleich. Bei Streitigkeiten um Gewerbeuntersagungen wird regelmäßig ein Streitwert in Höhe des Jahresbetrages des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens 15.000,00 €, festgesetzt. Zwar war § 7 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV nicht auf eine dauerhafte Schließung der erfassten Ladengeschäfte gerichtet. Ausgehend von den Ausführungen der Antragstellerin zu dem wirtschaftlichen Schaden infolge der zeitweiligen Schließung ihrer Warenhäuser im Hoheitsgebiet des Antragsgegners während der Geltungsdauer des§ 7 der 4. SARS-CoV-2-EindV und dessen Vorgängerregelung in der 3. SARS-CoV-2-EindV erscheint aber eine am Auffangwert orientierte Festsetzung nicht annährend als angemessen. Der Senat erachtet stattdessen mangels anderer Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung des Normenkontrollantrags im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung einen Mindeststreitwert in Höhe von 15.000,00 € im Hinblick auf jedes der drei Warenhäuser für sachgerecht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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