Medizinrecht

Obdachlosenunterbringung  – Anordnung der Unterbringung als Obdachloser

Aktenzeichen  Au 8 E 20.1409

Datum:
14.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24106
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 3 Abs. 1 Nr. 4
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 123, § 154 Abs. 1
ZPO § 920 Abs. 2
GKG § 52 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt seine Unterbringung als Obdachloser durch die Antragsgegnerin.
Der Antragsteller war zunächst im Gebiet der Antragsgegnerin, in einer Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft, wohnhaft. Nach dem Verlust der Wohnung hat die Antragsgegnerin den Antragsteller in einer angemieteten Obdachlosenunterkunft untergebracht, von dort aus ist er in einen anderen Landkreis verzogen. Im Juli 2020 hat die Mutter des Antragstellers der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass ihr die Wohnadresse des Antragstellers nicht bekannt sei, der Antragsteller sich aber weiter in einem anderen Landkreis aufhalte. Der Antragsgegnerin liegt insoweit ein Arbeitsvertrag des Antragstellers in einer Altenpflegeeinrichtung in diesem Landkreis vor. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller zum 1. April 2020 mangels Wohnsitz im Gemeindegebiet von Amts wegen abgemeldet.
Ohne vorherige Antragstellung bei der Antragsgegnerin beantragt der Kläger im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes,
die Antragsgegnerin im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Kläger eine Unterkunft zuzuweisen.
Zur Begründung macht der Kläger geltend, dass er aufgrund einer Pfändung seine Unterkunft nicht mehr habe bezahlen können und obdachlos geworden sei. Er habe eine Arbeitsstelle in Aussicht. Dann könne er sich wieder eine Wohnung leisten.
Mit Schreiben vom 14. August 2020 nahm die Antragsgegnerin zum Antrag Stellung, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässig erhobene Antrag ist nicht begründet. Der Antragsteller kann keinen Anspruch darauf geltend machen, ihn in einer Obdachlosenunterkunft der Antragsgegnerin unterzubringen.
1. Eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Für die begehrte Unterbringung hat der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend zu a). Weiter ist nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vorbringens das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu verneinen (dazu nachfolgend zu b).
a) Der Antragsteller hat bei der Antragsgegnerin keinen Antrag gestellt, so dass eine sachliche Prüfung der Voraussetzung für die Unterbringung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin nicht möglich war. Es ist nicht erkennbar, dass es dem Antragsteller nicht möglich gewesen ist, vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bei der Behörde unter Glaubhaftmachung der Umstände, die zur Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen der Obdachlosigkeit (Vorlage von Pfändungsunterlagen, Wohnungskündigung etc.) führen, seine Unterbringung zu beantragen.
Es fehlt somit bereits an der Notwendigkeit einer vorläufigen gerichtlichen Regelung, da nicht geklärt ist, ob die Antragsgegnerin einen entsprechenden Antrag auf Unterbringung durch eine Mitgliedsgemeinde stattgeben wird.
b) Nach der summarischen Prüfung im vorliegenden Verfahren hat der Kläger darüber hinaus keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin ist als Behörde für ihre Mitgliedsgemeinden für die obdachlosenrechtliche Unterbringung örtlich nicht zuständig.
Die örtliche Zuständigkeit der Sicherheitsbehörde zur Unterbringung von Obdachlosen bestimmt sich gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) nicht nach dem Ort, an dem der Betroffene – zu einem zurückliegenden Zeitpunkt – erstmals obdachlos geworden ist, sondern nach dem Ort, an dem er sich rein tatsächlich gerade aufhält und an dem die mit der Obdachlosigkeit verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit daher aktuell auftreten (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2020 – 4 C 20.401 – Rn. 6 des BA; BayVGH, B.v. 14.8.2019 – 4 CE 19.1546 – juris Rn. 11; Ehmann, Obdachlosigkeit in Kommunen, 3. Aufl. 2019, S. 47; Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Mai 2018, Art. 7 Rn. 179). Da die den „Anlass für die Amtshandlung“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG bildende Gefahr sich stets auf einen (mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohenden) künftigen Schaden bezieht, kann es im Rahmen dieser Zuständigkeitsvorschrift nicht darauf ankommen, ob auch früher schon eine andere Sicherheitsbehörde aus dem gleichen Anlass hätte tätig werden können oder müssen. Verlegt eine Person, die durch den Verlust ihrer Unterkunft obdachlos geworden ist, in Ausübung ihres Grundrechts auf Freizügigkeit (Art. 11 GG, Art. 109 Abs. 1 BV) ihren Aufenthaltsort in eine andere Gemeinde, so ist daher allein diese Zuzugsgemeinde und nicht mehr die Gemeinde, in welcher die Obdachlosigkeit ursprünglich entstanden ist, für die Gefahrenabwehr sachlich und örtlich zuständig; eine Verweisung an die Behörde des früheren regulären Wohnorts scheidet grundsätzlich aus (BayVGH, B.v. 14.8.2019 – 4 CE 19.1546 – juris Rn. 11).
Der Antragsteller hat offensichtlich beruflich bedingt seinen tatsächlichen Aufenthalt – auf die melderechtliche Situation kommt es nicht an (vgl. Ehmann, Obdachlosigkeit in Kommunen, S. 47) – in einen anderen Landkreis verlegt, er hat dort eine Arbeitsstelle in einer Altenpflegeeinrichtung gefunden. Ob dies auch jetzt der Fall ist, ist zwar nicht geklärt. Jedenfalls aber hat der (tatsächliche) Umzug an den Ort der Arbeitsstelle bereits einen Zuständigkeitswechsel herbeigeführt (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2002 – 4 ZE 02.72 – juris Rn. 2 zu VG München, B.v. 18.12.2001 – M 6b E 01.6127 – juris; VG Augsburg, B.v. 30.1.2020 – Au 8 K 19.1353; VG Augsburg, B.v. 12.10.2011 – Au 5 E 11.1485 – juris Rn. 18).
2. Die Kosten des Verfahrens trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO der Antragsteller als unterlegener Teil.
3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 4 CE 17.615).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben