Medizinrecht

Öffnung der Tür eines Wohnwagens durch Feuerwehr zur Tierrettung

Aktenzeichen  4 U 1604/19

Datum:
15.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30089
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Das Aufbrechen eines Wohnmobils, um einen darin eingesperrten Hund zu befreien, stellt keine Amtspflichtverletzung dar, wenn die Anscheinsgefahr besteht, dass der Hund wegen der hohen Außentemperaturen und dem Standort des Fahrzeugs in der Sonne zu Schaden kommen könnte. (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Entschädigungsanspruch wegen einer Eigentumsverletzung zur Abwendung einer Anscheinsgefahr scheidet aus, wenn der Geschädigte den Verdacht bzw. die den Anschein begründeten Umstände selbst verursacht hat.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 O 6830/18 2019-04-30 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. April 2019, Az. 4 O 6830/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz, da deren Berufsfeuerwehr bei einem Einsatz Amtspflichten verletzt habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen das am 6. Mai 2019 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 16. Mai 2019, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 11. Juni 2019, beim Oberlandesgericht eingegangen am 12. Juni 2019, begründet. Sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter.
Zur Begründung führt sie aus, dass sie nach wie vor davon ausgehe, dass die Entscheidungshoheit und – befugnis wegen des gesamten Einsatzes bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten gelegen habe. Wer letztlich die Beschädigungen an der Dachluke vorgenommen habe, sei nicht mehr aufklärbar, so dass die grundsätzliche Haftung die Einsatzleitung und damit die Berufsfeuerwehr treffe. Auch die Abschleppmaßnahme sei aufgrund hoheitlicher Weisung erfolgt. Es sei nicht um die Frage gegangen, ob das Fahrzeug widerrechtlich abgestellt worden sei, sondern um die Frage einer möglichen Eigentumsgefährdung, die ein Verbleiben des Fahrzeugs im geöffneten Zustand auf dem Parkplatz hervorgerufen hätte.
Der im Wohnmobil befindliche Hund der Klägerin sei zu keiner Zeit gefährdet gewesen. Ein Wohnmobil, zumal mit geöffneter Dachluke, ermögliche angesichts des Innenraumvolumens selbst bei hohen Temperaturen eine ganz andere und viel bessere Luftzirkulation als in einem Pkw. Dass ein Hund belle und winsle – zumal dann, wenn sich ihm fremde Personen näherten – sei weder ungewöhnlich noch rechtfertige dies die Annahme einer Tierwohlgefährdung. Auch dass Hunde ihre Körpertemperatur durch Hecheln regulierten, setze die Klägerin als gerichtsbekannt voraus.
Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen ist die Klägerin der Ansicht, dass zunächst einmal im Stadion die Halterin des Fahrzeugs hätte ausgerufen werden müssen. Zudem hätte als weiteres milderes Mittel das Einschlagen der Windschutzscheibe zur Verfügung gestanden.
Das Landgericht hätte nach Meinung der Klägerin den Zeugen H. vernehmen und das angebotene Sachverständigengutachten beauftragen müssen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Dass die komplette Einsatzleitung bei der Berufsfeuerwehr gelegen habe, trage die Klägerin ins Blaue hinein vor und sei auch nicht Ergebnis der Beweisaufnahme.
Die Öffnung der Tür des Wohnwagens sei unter dem unstreitigen Sachverhalt – abgestelltes Wohnmobil in der prallen Sonne über einen nicht unerheblichen Zeitraum, Hund im verschlossenen Fahrzeug, Temperaturen über 30 Grad – notwendig und auch verhältnismäßig gewesen.
II.
Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Soweit die Klägerin die Erstattung der Abschleppkosten und den Ersatz der Schäden wegen Beschädigung der Dachluke des Wohnmobils verlangt, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte als Trägerin der örtlichen Berufsfeuerwehr nicht passivlegitimiert ist.
Anhaltspunkte dafür, dass die Feuerwehr das Abschleppen des Wohnmobils oder die Beschädigung der Dachluke veranlasst hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
In der Rechnung des Abschleppunternehmers ist als Auftraggeber die Firma N. benannt. Zudem ergeben sich aus den Aussagen der vernommenen Polizeibeamten und auch aus dem Polizeibericht, dass das Abschleppunternehmen die Behörden alarmiert hatte, als es auf den Kundenparkplatz der Firma N. gefahren war, um das Wohnmobil abzuschleppen, und dabei den Hund im Wohnmobil entdeckt hatte. Dies zeigt, dass das Wohnmobil auch ohne den Einsatz der Feuerwehr abgeschleppt worden wäre.
Der Polizeibeamte … führte als Zeuge aus, dass ihm ein USK-Beamter gesagt habe, dass er – der USK-Beamte – wohl die Dachluke bei dem Versuch, sie zu öffnen, leicht beschädigt habe. Die Polizeibeamten gaben übereinstimmend an, dass die Feuerwehr die Tür des Wohnmobils aufgebrochen habe. Damit steht gerade nicht fest, dass die Feuerwehr die Dachluke beschädigt hat.
Dafür, dass die Feuerwehr bei ihrem Eintreffen die Verantwortung für sämtliche vorangegangene Maßnahmen der Polizeibehörden übernehmen wollte oder hierüber überhaupt eine Entscheidungsbefugnis gehabt hätte, fehlt es an rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten.
2. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Handeln der Feuerwehr rechtmäßig war. Das Landgericht hat zu Recht davon abgesehen, ein Sachverständigengutachten zu beauftragen. Die Klägerin hat ein solches Gutachten beantragt zum Beweis dafür, dass sich das Wohnmobil im Innenraum nicht so erhitzt, dass ein Tier Schaden erleidet. Selbst wenn man unterstellt, dass objektiv keine Gefahr für den Hund bestand, war das Eingreifen der Feuerwehr rechtmäßig, da zumindest eine Anscheinsgefahr gegeben war.
Eine Anscheinsgefahr ist immer dann gegeben, wenn bei objektiver Betrachtung zur Zeit der Maßnahme Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, sie aber in Wirklichkeit nicht vorliegt. Die Anscheinsgefahr steht einer tatsächlich vorliegenden konkreten Gefahr gleich (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 20. März 2015 – 10 B 12.2280, juris Rn. 49).
Aus der Aussage der Zeugen S. und L. ergibt sich, dass laut Dienstwagendisplay die Außentemperatur circa 36 Grad Celsius betrug. Das Wohnmobil stand in der prallen Sonne. Nach den Angaben des Zeugen L. bellte, winselte und hechelte der Hund. Auch wenn Hunde auch in anderen Situationen derartige Verhaltensweisen zeigen mögen, konnten die Einsatzkräfte schon aufgrund der hohen Temperatur und dem Umstand, dass durch das Abstellen in der Sonne mit einem Anstieg der Innentemperatur zu rechnen war, davon ausgehen, dass ein längerer Verbleib im Wohnmobil dem Hund schaden würde.
Zwar kann bei einer Anscheinsgefahr ein Entschädigungsanspruch des Geschädigten in Betracht kommen. Ein etwaiger Entschädigungsanspruch steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Geschädigte die den Verdacht oder Anschein begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (BGH, Urteil vom 23. Juni 1994 – III ZR 54/93, juris Rn. 17). Die Klägerin hat diese Umstände hier jedoch zu verantworten, da der Klägerin und ihrer Familie bewusst war, dass es hohe Außentemperaturen hatte und dass das Wohnmobil in der Sonne stand.
Die Maßnahme der Feuerwehr war verhältnismäßig. Welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr notwendig sind, unterliegt grundsätzlich dem pflichtmäßigen Ermessen (Staudinger/Wöstmann, BGB, Neubearb. 2013, § 839 Rn. 641).
Dass die Tür aufgebrochen wurde, statt eine Scheibe einzuschlagen, lässt keinen Ermessensfehler erkennen, da dadurch eine Rettung des Hundes ermöglicht wurde, ohne auf mögliche Verletzungsgefahren durch Scherben achten zu müssen.
Die Einsatzkräfte mussten auch nicht erst durch einen Aufruf im Stadion versuchen, die Halterin zum Fahrzeug zu bringen. Zum einen war für die Einsatzkräfte überhaupt nicht sicher, dass die Halterin im Stadion war, zum anderen wäre dadurch viel Zeit vergangen, da man den Aufruf erst einmal hätte veranlassen und dann noch einige Zeit hätte abwarten müssen, ob jemand auf diesen Aufruf reagiert. Angesichts der hohen Außentemperaturen war es daher angemessen, das Wohl des Hundes über einen durch die Befreiungsaktion verursachten Schaden am Wohnmobil zu stellen.
Das Landgericht hat zu Recht auf eine Vernehmung des Zeugen H. verzichtet. Der Zeuge ist von der Klägerin zum Beweis dafür angeboten worden, dass das USK den Feuerwehrleuten nicht die Anweisung gegeben habe, dass diese das Wohnmobil aufbricht. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich.
III.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.


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