Medizinrecht

Pyrotechnische Gegenstände, Allgemeinverfügung, Richtiger Antragsgegner, Aufschiebende Wirkung, Verwaltungsgerichte, Rechtsschutzinteresse, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Wohnungseigentümergemeinschaft, Außergerichtliche Kosten, Private Fläche, Vorläufiger Rechtsschutz, Streitwertfestsetzung, Summarische Prüfung, Verwaltungsgerichtsordnung, Prozeßkostenhilfeverfahren, Infektionsschutzgesetz, Interessenabwägung, Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, Antragstellers, Kostenentscheidung

Aktenzeichen  Au 9 S 20.2731

Datum:
22.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36580
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
11. BayIfSMV

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 8 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 15. Dezember 2020 wird in Bezug auf den Antragsteller zu 1 angeordnet, soweit darin das Mitführen und Abrennen von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 im Sinn des § 3a SprengG auf privaten Flächen unter freiem Himmel untersagt wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Gerichtskosten tragen der Antragsteller zu 2 und die Antragsgegnerin je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1 trägt die Antragsgegnerin, der Antragsteller zu 2 trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Regelung der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2.
Am 15. Dezember 2020 erließ die Antragsgegnerin auf Grundlage der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 eine Allgemeinverfügung, in der verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin getroffen werden. Die Maßnahmen umfassen u.a. verschärfte Regelungen zur Maskenpflicht (Nr. 3, 4 und 6) und Verbot der Abgabe von offenen alkoholischen Getränken in bestimmten öffentlichen Bereichen (Nr. 7). Nr. 8 der Allgemeinverfügung bestimmt, dass die in § 5 Satz 3 der 11. BayIfSMV enthaltene Untersagung, pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 im Sinne von § 3a des Sprengstoffgesetzes (SprengG) mit sich zu führen oder abzubrennen, auf allen öffentlichen und privaten Flächen unter freiem Himmel gilt. Die Vorschriften der 11. BayIfSMV in der jeweils geltenden Fassung bleiben nach Nr. 1 der Allgemeinverfügung unberührt, soweit in der Allgemeinverfügung nichts Abweichendes geregelt ist.
Zur Begründung der Allgemeinverfügung wird im Wesentlichen ausgeführt, im Stadtgebiet der Antragsgegnerin sei der Schwellenwert von 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohnern innerhalb von 7 Tagen am 17. Oktober 2020 erstmals überschritten worden. Seitdem steige der Inzidenzwert weiter an. Das Universitätsklinikum … (UK…) habe der Antragsgegnerin am 26. Oktober 2020 mitgeteilt, dass die jetzige Pandemiewelle das Klinikum mit größerer Wucht erfasse, als das im Frühjahr der Fall gewesen sei. Wegen der Zuständigkeit der UK… als Maximalversorger auch für Patienten mit schweren Krankheitsverläufen und Krankheitsbildern in der Region, müsse auch zugleich deren Versorgung sichergestellt werden. Nach Angaben der Hilfsorganisationen seien die Kapazitäten beim Krankentransport von Covid-19-Patienten ausgeschöpft. Es komme immer häufiger zu Verzögerungen und langen Wartezeiten. Eine Auswertung der Einsatzzahlen der vergangenen drei Silvester habe zu dem Ergebnis geführt, dass in den ersten drei Stunden eines jeden neuen Jahres die Anzahl der gerufenen Rettungswägen in Vergleich zu einem „normalen“ Samstag zwischen 00:00 und 03:00 Uhr um das drei bis vierfache höher liege. Nach Auskunft des UK… kämen an Silvester auch bereits tagsüber Patienten mit Verletzungen infolge Feuerwehrkörpern. Ab ca. 23:00 Uhr stiegen die Patientenzahlen in der unfallchirurgischen Notaufnahme regelmäßig deutlich an. Neben den Verletzungen infolge Feuerwerkskörpern seien anlässlich des mitternächtlichen Böllerns u. a. auch Stürze und entsprechende weitere Verletzungen zu versorgen. Ein allgemeines Böllerverbot im Stadtgebiet würde aus Sicht des UK… zu einer Entlastung der Notaufnahme führen. Rechtsgrundlage für die Anordnungen in den Nrn. 2 bis 8 sei § 28 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG), § 24 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Satz 3, § 27 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV. § 5 Satz 3 der 11. BayIfSMV eröffne für die zuständige Kreisverwaltungsbehörde ein Auswahlermessen bei der Festlegung der öffentlichen Orte, auf denen nach der Verordnung die Maskenpflicht und Verbot bzgl. pyrotechnischer Gegenstände der Kategorie F2 gelten würden. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV könne die zuständige Kreisverwaltungsbehörde im Einzelfall ergänzende Anordnungen erlassen, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich sei. Die in der Allgemeinverfügung getroffenen Anordnungen seien bezogen auf den Zweck der Anordnung geeignet, erforderlich und angemessen und somit verhältnismäßig. Die Untersagung in Nr. 8 der Allgemeinverfügung sei geeignet, die Ansammlung von Menschen, zu denen es bei einem Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen gewöhnlich komme, und damit die Möglichkeit weiterer Infektionen zu verhindern. Zugleich werde eine zusätzliche Belastung des UK… und anderer umliegenden Kliniken vermieden, da es nicht wie sonst an Silvester der Behandlung von Verletzungen infolge der Nutzung von pyrotechnischen Gegenständen bedürfe. Die Anordnung sei zum Erreichen des Zwecks auch erforderlich. Da der Geltungsbereich anderer städtischen Verordnung nur einen Teil des Stadtgebiets umfasse, sei sie für das Erreichen des hier verfolgten Zwecks nicht ausreichend. Denn es bestünde weiterhin die Möglichkeit, dass sich Menschen auf allen anderen Straßen und Plätzen im gesamten Stadtgebiet versammelten und pyrotechnische Gegenstände abbrennten. Auch würde eine Beschränkung auf öffentliche Straßen und Plätze der vorliegenden Allgemeinverfügung nicht gerecht, da sich dann das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen auf Grünflächen oder private Flächen wie Gärten und Hinterhöfe etc. verlagern würden. Wegen der oftmals kleineren zur Verfügung stehenden Fläche steige hier sogar noch das Infektions- bzw. auch das Verletzungsrisiko.
Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2020 erhoben die Antragsteller gegen die vorbezeichnete Regelung der Allgemeinverfügung Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg (Au 9 K 20.2730). Über die vorbezeichnete Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig haben die Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen Ziffer 8 der Allgemeinverfügung der Stadt … vom 15. Dezember 2020, soweit darin auch das Mitführen von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 im Sinne von § 3a SprengG sowie das Abbrennen und Mitführen von solchen Gegenständen auf privaten Flächen verboten wird, wird wiederhergestellt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen der maßgeblichen Norm des § 28 IfSG als Rechtsgrundlage für das mit der Klage angegriffene Verbot lägen nicht vor. Außerdem leide das Verbot an schweren Mängeln bei der Ermessens- und Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Antragsgegnerin gehe rechtfehlerhaft davon aus, bei einem auf bestimmte Bereiche eingeschränkten Versammlungsverbot bestehe die Möglichkeit, dass sich Menschen auf anderen Straßen und Plätzen im Stadtgebiet versammelten und Feuerwerk zündeten. Nach aktueller Rechtslage bestehe jedoch auch über Silvester eine Ausgangsbeschränkung zwischen 21:00 und 05:00 Uhr sowie ein Versammlungsverbot. Es sei also weder damit zu rechnen, dass Personen die von der Antragsgegnerin zur Begründung des Verbots angenommenen Verhaltensweisen zeigten. Es sein nicht ersichtlich, woraus sich eine Erhöhung von Gefahren dadurch ergeben solle, dass Feuerwerk nicht auf öffentlichen, sondern auf privaten Flächen gezündet werde. Die Vermutung der Antragsgegnerin, dass im privaten Raum wegen beengter Verhältnisse die Gefährlichkeit von Pyrotechnik steige, entbehre jeder Grundlage. Unfälle an Silvester passierten vor allem, wenn alkoholisierte Menschen in größeren Gesellschaften böllerten und nachlässig würden. Ein Steigen des Covid-19-Infektionsrisikos durch Abbrennen von Pyrotechnik auf einem privaten Grundstück unter den ohnehin geltenden Einschränkungen zur Personenzahl der Feiernden sei abwegig. Es sei ferner nicht ersichtlich, inwiefern das Ansteigen von Rettungseinsätzen im Verhältnis zu einem normalen Samstag in der Silvesternacht zwischen 0:00 und 3:00 Uhr zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen könne. Da es bereits Verkaufsverbot von Pyrotechnik gelte, sei es nahezu ausgeschlossen, dass Privatpersonen in diesem Jahr überhaupt in nennenswerten Umfang über Pyrotechnik verfügten. Die Verfügung könne nicht auf § 28 IfSG gestützt werden, da diese Norm nicht das Ziel habe, die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, sondern betreffe ausschließlich Maßnahmen gegen die Verbreitung der übertragbaren Krankheiten. Das Verbot sei nicht geeignet, die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Die Begründung der Antragsgegnerin basiere allein auf Ordnungs- und Sicherheitserwägungen. Das angegriffene Verbot sei schließlich unverhältnismäßig, da erkennbarer Nutzen nicht ersichtlich sei. Es sei zu berücksichtigen, dass ohnehin ein Verbot von Feuerwerk auf öffentlichen Plätzen bestehe und umfangreiche Kontaktbeschränkungen gelten würden.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragsbegründungsschrift ergänzend verwiesen.
Die Antragsgegnerin ist mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2020 dem Antrag der Antragsteller entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung ist ausgeführt, der Antrag richte sich auch gegen das Verbot, pyrotechnische Gegenstände im öffentlichen Raum mit sich zu führen, dass sich bereits aus der Infektionsschutzverordnung ergebe. Insoweit sei fraglich, ob der Antrag gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet sei. Der Antrag des Antragstellers zu 2 sei mangels Antragsbefugnis unzulässig. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Nach ergänzender Auskunft der UK… vom 18. Dezember 2020 sei die Personalsituation im UK… äußerst angespannt. Zum Vortrag der Antragsteller sei angemerkt, dass der Verkehr und der Umgang mit pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 gefährlich sei. Es bestehe ein Infektionsrisiko, wenn eine private Fläche mehreren unterschiedlichen Hausständen zur Verfügung stehe und diese sich beim Abbrennen oder auf dem Weg dorthin begegneten. Die Ausgangssperre gelte erst ab 21:00 Uhr. Wegen der aktuellen Situation im Gesundheitswesen müsse jede Verletzung durch den Verkehr mit pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2, die den Transport durch den Rettungsdienst bzw. die Behandlung im Krankenhaus bzw. der Notaufnahme erforderlich mache, vermieden werden. Ziel der Maßnahme sei gerade auch die Vermeidung einer weiteren Belastung der Feuerwehr, Rettungsdienste, Notaufnahme und damit der Krankenhäuser. Auch berge jede in der Notaufnahme erforderliche Behandlung trotz aller Vorsichtsmaßnahmen das Risiko, dass ein mit COVID-19 infizierter Patient das behandelnde Krankenhauspersonal oder auch andere Patienten anstecke. Gleiches gelte für den Rettungsdienst.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragserwiderungsschrift ergänzend verwiesen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten unter Einzelheiten im Übrigen wird auf den in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftverkehr verwiesen.
II.
Der Antrag hat bezüglich des Antragstellers zu 1 Erfolg. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Nr. 8 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2020, soweit darin das Mitführen und Abbrennen von Feuerwerk der Kategorie F2 auf privaten Flächen untersagt wird, ist bezüglich des Antragstellers zu 1 zulässig und begründet. In Bezug auf den Antragsteller zu 2 ist der Antrag unzulässig.
a) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten eines eventuellen Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung von Sach- und Rechtslage, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid als voraussichtlich rechtswidrig, so besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, hat es bei einer allgemeinen Interessenabwägung zu verbleiben.
Streitgegenstand ist vorliegend die Nr. 8 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2020, soweit darin das Mitführen und Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 im Sinn des § 3a SprengG auf privaten Flächen unter freiem Himmel untersagt wird. Soweit sich der streitgegenständliche Antrag auch auf das Mitführen von pyrotechnischen Gegenständen im öffentlichen Raum zum Zwecke des Abbrennens auf privaten Flächen bezieht, liegt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nach verständiger Auslegung des Rechtsschutzziels (§ 88 VwGO) kein eigenständiges Antragsbegehren der Antragsteller vor. Ausweislich der Ausführungen in der Antragsbegründung geht es den Antragstellern ausschließlich um die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausweitung des Verbots nach § 5 Satz 3 der 11. BayIfSMV auf private Flächen. Soweit in der Antragsbegründung ergänzend die Frage des Mitführens von Feuerwerk im öffentlichen Raum aufgeworfen wird, ist lediglich die Zulässigkeit des Transports der Feuerwerkskörper als notwendige Zwischenhandlung zum Abbrennen auf privaten Flächen angesprochen. Insoweit handelt es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, der nicht in zwei rechtlich unterschiedlich zu bewertende Handlungen aufgeteilt werden kann. Ist das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen auf privaten Grundstücken erlaubt, so ist auch das Mitführen dieser Gegenstände im öffentlichen Raum zum Zweck des Abbrennens auf privaten Flächen zulässig. In diesem Fall kommt dem Mitführen der Feuerwerkskörper aus Sicht des Infektionsschutzes keine eigenständige Bedeutung zu. Soweit sich das Verbot in § 5 Satz 3 der 11. BayIfSMV auch auf das Mitführen von Feuerwerkskörpern im öffentlichen Raum erstreckt, soll damit das Verbringen pyrotechnischer Gegenstände an Orte, an denen das Zünden untersagt ist, bereits im Vorfeld unterbunden werden.
Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung ausdrücklich auf das Infektionsschutzrecht als Rechtsgrundlage gestützt ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG) und die Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 28 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG), ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vorliegend statthaft. Ob die streitgegenständliche Verfügung rechtmäßig auf die Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz1 IfSG, § 5 Satz 3, § 27 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV gestützt werden durfte, ist im Rahmen der Begründetheit zu klären.
b) Der Antrag des Antragstellers zu 2 ist bereits unzulässig, da es ihm nach summarischer Prüfung am erforderlichem Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Die Zulässigkeit einer jeden Inanspruchnahme des Gerichts – auch im Wege vorläufigen Rechtsschutzes – setzt das Vorliegen eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses voraus. Das Rechtsschutzinteresse fehlt insbesondere dann, wenn der Erfolg des erhobenen Rechtsbehelfs die Rechtsstellung des Rechtsschutzsuchenden nicht verbessern würde (vgl. Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, vor §§ 40-53 Rn. 16 m.w.N.). Die Antragsteller begehren in der Hauptsache die Aufhebung der Nr. 8 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin, soweit das Führen und Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 im Sinn des § 3a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) SprengG auch auf privaten Flächen untersagt wird. Nach § 20 Abs. 1 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) ist der Umgang und Verkehr mit pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 nur nach Erreichen des Lebensalters von mindestens 18 Jahren gestattet. Der am … 2004 geborene Antragsteller zu 2 hat damit zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das nach der 1. SprengV vorgeschriebene Mindestalter noch nicht erreicht. Daher würde eine stattgebende Entscheidung des Gerichts im Falle des Antragstellers zu 2 nicht dazu führen, dass ihm das Führen und Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 gestattet wäre. Wegen der Altersbeschränkung in § 20 Abs. 2 der 1. SprengV wäre der Antragssteller zu 2 auch im Falle seines Obsiegens daran gehindert, pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 zu führen und abzubrennen. Aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, dass die begehrte Entscheidung die Rechtsstellung des Antragstellers zu 2 verbessern würde, sodass ein Rechtsschutzinteresse für ihn nicht anzuerkennen ist.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 8 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung ist in Bezug auf den Antragsteller zu 1 begründet, soweit darin das Führen und Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 im Sinn des § 3a SprengG auf allen privaten Flächen unter freiem Himmel untersagt wird. Die seitens des Gerichts vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Antragstellers zu 1 an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Regelung der Allgemeinverfügung überwiegt. Nach der im Eilverfahren lediglich gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache stellt sich die hier allein streitgegenständliche Regelung unter Nr. 8 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin, soweit sie die Untersagung des Führens und Abbrennens von Feuerwerk auf privaten Flächen betrifft, voraussichtlich als rechtswidrig dar.
a) Die angegriffene Nr. 8 der Allgemeinverfügung kann nicht auf die Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 5 Satz 3 und § 27 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV gestützt werden. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG treffen die zuständigen Behörden die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Dabei stehen im Zentrum der Generalklausel notwendige Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Krankheitsausbreitung, die ggf. auch durch Rechtverordnungen umsetzbar sind. Die zu treffenden Maßnahmen müssen daher die Verhinderung oder Verlangsamung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten zum Ziel haben. Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung ist das spezifische normative Profil des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, das insbesondere anhand des Zwecks des IfSG zu ermitteln ist, die Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern (§ 1 Abs. 1 IfSG). Daraus resultiert der Grundsatz der Effektivität der infektionsspezifischen Gefahrenabwehr (Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-) Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, NJW 2020, 1097, 1099). Daraus folgt, dass auf Grundlage der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel nur Schutzmaßnahmen zur Vermeidung infektionsspezifischer Gefahren getroffen werden können.
b) Nach diesem Maßstab handelt es sich bei der streitgegenständlichen Maßnahme nicht um eine im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG notwendige Schutzmaßnahme zur Verhinderung des Infektionsgeschehens. Das Verbot, pyrotechnische Gegenstände auf privaten Flächen mitzuführen oder abzubrennen, ist nicht geeignet, die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern oder zu verlangsamen. Es ist vorliegend bereits nicht ersichtlich, inwieweit das bloße Mitführen und Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen auf privaten Flächen Einfluss auf das örtliche Infektionsgeschehen hat. Dem stehen bereits die geltenden Kontaktbeschränkungen nach § 4 der 11. BayIfSMV, die auch für die Silvesternacht Geltung beanspruchen, entgegen. Danach ist lediglich eine Zusammenkunft von maximal fünf Personen aus zwei Hausständen zzgl. Kindern unter 14 Jahren in privaten Räumen und auf privaten Grundstücken erlaubt. Bereits mit dieser Maßnahme ist sichergestellt, dass Kontakte auf einen engen Personenkreis beschränkt bleiben, um das Risiko eine COVID-19-Infektion zu verringern und eine Kontaktnachverfolgung im Falle einer Infektion zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass es durch das Zünden von pyrotechnischen Gegenständen auf privaten Flächen zu unerwünschten Menschenansammlungen und damit einem erhöhten Infektionsrisiko kommen könnte. Aufgrund der Personenbegrenzung ist auch die Nachverfolgung von Kontakten im Fall einer Infektion dem Grunde nach sichergestellt. Hinzu kommt, dass das Verlassen der eigenen Wohnung nach § 2 der 11. BayIfSMV nur aus triftigen Gründen gestattet ist und ab 21:00 Uhr gemäß § 3 der 11. BayIfSMV eine nächtliche Ausgangssperre gilt, sodass auch dadurch die Gefahr von Menschenansammlungen – beispielsweise eine Ansammlung von Schaulustigen im öffentlichen Raum – verhindert wird. Diese Maßnahmen wirken auch dem von der Antragsgegnerin befürchteten Infektionsrisiko entgegen, das möglicherweise durch Begegnung von mehreren Hausständen beim Abbrennen von Feuerwerk auf Gemeinschaftsflächen einer Wohnungseigentümergemeinschaft entstehen könnte, da das Verlassen eigener Wohnung auch tagsüber nur aus triftigen Gründen gestattet ist, vgl. § 2 der 11. BayIfSMV.
Unter Berücksichtigung der geltenden Regelungen ist daher nicht ersichtlich, dass eine darüberhinausgehende Untersagung des Führens und Abbrennens von pyrotechnischen Gegenständen auf privaten Flächen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben kann.
c) Soweit mit der streitgegenständlichen Untersagung nach Ausführungen der Antragsgegnerin eine zusätzliche Belastung des Gesundheitssystems durch Verletzungen im Zusammenhang mit der Nutzung von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 verhindert werden soll, handelt es sich zwar um ein durchaus berechtigtes bzw. anerkennenswertes Ziel. Dieses kann aber nicht mit einer auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützten Maßnahme erreicht werden, denn eine solche ist nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auf die Bekämpfung einer spezifisch infektionsschutzrechtlichen Gefahr in Form der Verhinderung der Verbreitung ansteckender Krankheiten beschränkt. Das Verbot der Verwendung von Pyrotechnik auf Privatgrund dient offensichtlich nicht der Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus, sondern könnte mit der von der Antragsgegnerin verfolgten Zielrichtung des Schutzes des Gesundheitssystems allenfalls als sicherheitsrechtliche Maßnahme zur Verhütung einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit aufrecht erhalten werden. Der bloß mittelbare Schutz der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems ist aufgrund des engen Wortlauts von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht ausreichend für die von der Antragsgegnerin gewählte streitgegenständliche Maßnahme.
d) Selbst wenn es möglich oder zulässig sein sollte, die auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützte Maßnahme unter Geltung des Art. 7 Art. 2 Nr. 3 LStVG aufrecht zu erhalten, wäre diese derzeit nicht vollziehbar, da Art. 7 Abs. 2 LStVG anders als Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 16 Abs. 8 IfSG) nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind, so dass der von den Antragstellern erhobenen Klage aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) zukäme. Allerdings erscheint es insoweit fraglich, ob angesichts der geltenden umfangreichen Maßnahmen – wie Kontaktverbote, Ausgangsbeschränkungen und Ausgangssperren sowie Verkaufsverbot von Pyrotechnik – eine konkrete Gefahr des Zusammenbruchs der Gesundheitsversorgung tatsächlich besteht. Dieses bedarf hier jedoch keiner Entscheidung.
e) Soweit die Antragsgegnerin anführt, durch die streitgegenständliche Untersagung werde auch einem Infektionsrisiko der Einsatzkräfte entgegengewirkt, fehlt es ebenfalls an einer spezifischen infektionsschutzrechtlichen Gefahrenlage. Bei einer möglichen Infektion der Einsatzkräfte handelt es sich um ein mit Rettungseinsätzen verbundenes allgemeines Berufsrisiko.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. 1.5 der Empfehlungen für den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl. Sonderbeilage Januar 2014). Der in der Hauptsache gebotene Streitwert wurde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben