Medizinrecht

Rechtsschutzbedürfnis, Verwaltungsgerichte, Einstweilige Anordnung, Fehlende Glaubhaftmachung, Antragsgegner, Nachträglicher Rechtsschutz, Beschwerde des Antragstellers, Sitzungsteilnahme, Vorwegnahme der Hauptsache, Ausschußsitzung, Zumutbarkeit, Öffentlichkeitsgrundsatz, Ärztliches Attest, Vorbeugender Rechtsschutz, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Prüfung im Beschwerdeverfahren, Kostenentscheidung, Öffentlich-rechtliches Hausrecht, Kommunalrecht, Gerichtlicher Rechtsschutz

Aktenzeichen  4 CE 21.601

Datum:
7.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7359
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 43 Abs. 1, 123 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
GO Art. 52 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, 53 Abs. 1 S. 1
BayIfSMV §§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 24 Abs. 1 Nr. 2 12.

 

Leitsatz

1. Aus dem für den Gemeinderat geltenden Grundsatz der Öffentlichkeit folgt ein Recht des Einzelnen auf Zugang zu den öffentlichen Rats- und Ausschusssitzungen als Besucher.
2. In der derzeitigen Pandemielage kann der Rats- bzw. Ausschussvorsitzende auf der Grundlage seines Hausrechts die Sitzungsbesucher zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichten.

Verfahrensgang

AN 4 E 21.186 2021-02-09 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der im Stadtgebiet der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt u. a. mit Schwerpunkt Baurecht tätig ist, erstrebt im Wege des Eilrechtsschutzes, die wegen der Corona-Pandemie in einer Halle stattfindenden öffentlichen Sitzungen des Stadtrats und seiner Ausschüsse ohne die für Zuhörer geforderte Mund-Nasen-Bedeckung besuchen zu dürfen.
Zu seinem diesbezüglichen Eilantrag vom 1. Februar 2021 legte der Antragsteller ein ärztliches Attest vom 11. September 2020 vor. Dieses enthält die Diagnosen „Allergisches Asthma (J 45.0, G)“ und „Atemnotsyndrom (J 80.09, G)“ sowie den Vermerk: „Hiermit wird bestätigt, dass meinem o.g. Patient aufgrund seiner multiplen Erkrankungen untersagt ist, Mund- und Nasenmaske zu tragen“. Der Antragsteller führte zur Begründung seines Eilantrags aus, er sei an der beabsichtigten Teilnahme an einer öffentlichen Bauausschusssitzung am 1. Februar 2021 vom ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin gehindert worden mit der Begründung, dass dies nur mit Maske möglich sei. Ein Ausschluss von dem auf Art. 52 GO beruhenden Teilnahmerecht rechtfertige sich aber weder aus dem Hausrecht des ersten Bürgermeisters nach Art. 53 GO noch aus Gründen des Infektionsschutzes. Der Antragsteller habe glaubhaft gemacht, dass ihm das Tragen von Masken aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei. Unabhängig davon habe die räumliche Situation seine Teilnahme zugelassen. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr, da die nächste öffentliche Sitzung bevorstehe. Der Antragsteller leide seit seiner Kindheit an Asthma und sei über Jahre hinweg mit Cortison behandelt worden; durch die Erkrankung habe sich ein Atemnotsyndrom eingestellt. Er bekomme aufgrund der Rückatmung durch die Maske keine Luft, was zu Schwindel und Panikattacken führe. Die Richtigkeit dieses Sachvortrags werde an Eides Statt versichert.
Die Antragsgegnerin beantragte Antragsablehnung. Art. 52 GO gewähre dem Einzelnen kein subjektives Recht auf Sitzungsteilnahme. Auch ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht gegeben. Der Antragsteller habe das Attest erst in der laufenden Sitzung vorgelegt; dem ersten Bürgermeister als medizinischem Laien sei eine kurzfristige Überprüfung nicht möglich gewesen. Die Entscheidung, den Antragsteller nicht ohne Maske an der Sitzung teilnehmen zu lassen, sei aufgrund des Hausrechts ergangen. Bei rechtzeitigem Vorlegen des Attestes hätte dieses zumindest geprüft werden können. Dass ein Attest im Sinne der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) vorliege, sei nicht glaubhaft dargelegt. Die gegebene Begründung sei vorgeschoben, nicht akzeptabel und lasse Fragen aufkommen, ob es sich nicht um ein Gefälligkeitsgutachten handele. Selbst bei einem entsprechend der Verordnung ausgestellten Attest habe der Antragsteller keinen Anspruch auf Sitzungsteilnahme. Der erste Bürgermeister sei verpflichtet, alles zum Gesundheitsschutz der Sitzungsteilnehmer zu veranlassen; weitergehende Schutzmaßnahmen seien daher sinnvoll und geboten.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Er sei mangels einer Antragsbefugnis bereits unzulässig. Ein möglicherweise verletztes subjektives Recht ergebe sich nicht aus der Regelung des Art. 52 Abs. 2 GO über die Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen. Sie solle hauptsächlich dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und der Transparenz des gemeindlichen Willensbildungsprozesses dienen und stelle ausschließlich eine objektiv-rechtliche Normierung dar; Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO weise dem einzelnen Bürger kein auf Herstellung der Öffentlichkeit gerichtetes Mitwirkungsrecht zu. Soweit der Antragsteller als Adressat einer zu erwartenden hausrechtlichen Verfügung antragsbefugt sei, scheitere der Antrag an dem für vorbeugenden Rechtsschutz erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Die gerichtliche Anordnung solle zur Vorbeugung einer hausrechtlichen Verfügung der Antragsgegnerin getroffen werden, da die Anordnung des ersten Bürgermeisters nur für die Sitzung am 1. Februar 2021 gegolten habe. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis sei grundsätzlich zu verneinen, solange der Antragsteller in zumutbarer Weise auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden könne und nicht die Gefahr irreversibler Fakten oder nicht wiedergutzumachender Nachteile bestehe. Schwere oder irreversible Nachteile seien hier nicht zu erwarten. Der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin habe sinngemäß angekündigt, dass er beabsichtige, den Antragsteller auf der Grundlage der streitigen Attestierung bei einer Sitzung erneut auszuschließen. Da sich die Regelungswirkung einer hausrechtlichen Ausschlussanordnung regelmäßig zeitnah erledige, werde der Antragsteller in den nächsten Wochen wohl keine Stadtrats- oder Ausschusssitzung besuchen können. Ihm sei dennoch zumutbar, den Rechtsschutz in der Hauptsache zuzuwarten, da er nicht aufgezeigt habe, dass ihm irreversible Fakten oder schwere Nachteile drohten. Es gehe ihm allgemein um die Möglichkeit des Besuchs von Stadtrats- und Ausschusssitzungen. Auch wenn die einzelne Sitzung nicht mehr nachholbar sei, drohe einem bloßen Zuhörer ohne Frage- oder Rederecht nichts Unumkehrbares jenseits des fehlenden persönlichen Eindrucks. Ein schwerer Nachteil sei auch mit Blick auf die anwaltliche oder gewerbliche Tätigkeit des Antragstellers für zukünftige Sitzungen weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Antrag sei im Übrigen auch unbegründet. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, zu Unrecht von der Teilnahme ausgeschlossen zu werden. Ein Anordnungsgrund fehle aufgrund der gleichen Überlegungen, wegen derer ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen gewesen sei. § 24 Abs. 1 Nr. 2 11. BayIfSMV sehe die Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Gebäuden auf den Begegnungs- und Verkehrsflächen vor; um eine solche handle es sich bei der Stadthalle bei Stadtrats- und Ausschusssitzungen. Von der Trageverpflichtung befreit seien nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 11. BayIfSMV Personen, die glaubhaft machen könnten, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar sei, wobei die Glaubhaftmachung insbesondere durch eine ärztliche Bescheinigung erfolge, die die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Befreiungsgrund enthalte. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass vor dem Hintergrund der zu erwartenden Teilnehmer- und Zuhörerzahl und aufgrund der Größe der Halle die Anwendung der Maskenpflicht generell unverhältnismäßig sei. Er habe ferner keine individuellen Gründe zur Befreiung von der Maskenpflicht glaubhaft gemacht. Er trage erstmals in seinem Schriftsatz vom 5. Februar 2021 zu den Hintergründen seiner Erkrankung vor. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 11. BayIfSMV sehe mit dem Wort „insbesondere“ nicht zwingend die Vorlage einer ärztlichen Attestierung vor. Allerdings sei davon auszugehen, dass der Normgeber mit diesem Wort demjenigen einen Spielraum habe einräumen wollen, der das Vorliegen der Voraussetzungen der Befreiung zu beurteilen habe, wobei er keine eigene medizinische Fachaussage zu treffen habe. Im Fall einer Attestierung solle ihn diese vielmehr in die Lage versetzen, aufgrund der vom Arzt getroffenen medizinischen Aussagen eine rechtliche Beurteilung über die Voraussetzung der Befreiung zu treffen. Die Befreiung stehe danach letzten Endes nicht im Belieben des attestierenden Mediziners. In der Gesamtschau seien die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht glaubhaft gemacht. Zwar trage der Antragsteller seine Krankengeschichte vor, die auch Niederschlag in dem Attest finde. Dieses entspreche indessen nicht den dafür geltenden Voraussetzungen. Es enthalte insbesondere keine nachvollziehbaren Gründe für die Befreiung von der Maskenpflicht und ersetze diese vielmehr durch eine dem Arzt nicht zukommende normative Aussage. Die Gründe für die Befreiung ergäben sich nicht zwingend aus der Diagnose eines Atemnotsyndroms.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren weiter. Er beantragt,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. Februar 2021 zu verpflichten, den Antragsteller zum Besuch öffentlicher Sitzungen des Stadtrats der Antragsgegnerin und seiner Ausschüsse ohne Mund-Nasen-Schutz zuzulassen,
hilfsweise ihn zum Besuch der öffentlichen Sitzungen ohne Mund-Nasen-Schutz zuzulassen, solange die Sitzungen in der Stadthalle stattfinden.
Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis verneint. Der Antragsteller sehe sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Hausfriedensbruchs bzw. wegen eines Verstoßes gegen die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ausgesetzt, wenn er die öffentlichen Sitzungen des Stadtrats besuche, ohne eine Maske zu tragen. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis bestehe auch bei einer absehbaren Vielzahl gleichartiger oder sich kurzfristig erledigender Bescheide. Der Stadtrat der Antragsgegnerin habe mittlerweile erneut zu einem Tagesordnungspunkt verhandelt, bei dem der Antragsteller persönlich betroffen gewesen sei. Die erstinstanzliche Entscheidung verkenne den Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz. Er habe bereits in der Antragsschrift die räumlichen Verhältnisse und die danach bestehende Möglichkeit der Einhaltung sämtlicher erforderlicher Abstände glaubhaft gemacht. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, beim Herein- und Hinausgehen finde ein Begegnungsverkehr statt, beruhe auf einer Fehleinschätzung; auch verfüge die Halle über ein Belüftungssystem. Nach einer beigefügten Berechnung des Max-Planck-Instituts für Chemie bestehe eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,01%, dass sich eine empfängliche Person infiziere. Selbst wenn der Antragsteller unerkannt hochansteckend gewesen sein sollte, sei damit hinreichend glaubhaft gemacht, dass eine Maskenpflicht generell nicht erforderlich gewesen sein dürfte. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die in der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung geregelte Anordnung einer Maskenpflicht grundsätzlich geeignet sei, die Gesundheit des Trägers und Dritter zu schützen; hieran müsse nach einem Zeitungsbericht massiv gezweifelt werden. Entgegen der Erklärung des ersten Bürgermeisters sei die inhaltliche Überprüfung von Attesten nicht dessen Sache. Das Gericht unterliege einer Fehleinschätzung, wenn es meine, der Antragsteller habe keine individuellen Gründe für eine Befreiung von der Maskenpflicht glaubhaft gemacht. Fragwürdig sei bereits die Behauptung, mit dem Wort „insbesondere“ habe der Normgeber demjenigen, der die Voraussetzungen der Befreiung zu beurteilen habe, einen Spielraum einräumen wollen. Diese Auslegung finde im Gesetzestext keine Stütze. Die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zum Hintergrund seiner Erkrankung sei sehr wohl ein taugliches Mittel der Glaubhaftmachung. Mit der Annahme, aus der Diagnose „Atemnotsyndrom“ ergäben sich nicht zwingend Befreiungsgründe, würden die Anforderungen an die Glaubhaftmachung überspannt. Der Begriff Atemnot sei im Übrigen selbsterklärend; einer weitergehenden Erklärung der aus dieser Diagnose folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bedürfe es nicht. Insgesamt sei die Entscheidung, den Antragsteller nicht an der Sitzung teilnehmen zu lassen, von sachfremden Erwägungen bestimmt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines möglichen Hauptsacheverfahrens den Besuch der Stadtrats- und Ausschusssitzungen unter Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu ermöglichen. Die gegen diese Entscheidung vorgebrachten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist allerdings entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zulässig (a); seinem möglichen Erfolg steht auch nicht das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegen (b). Der Eilantrag ist aber mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs unbegründet (c).
a) Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein entsprechender Antrag auf Eilrechtsschutz ist nur zulässig, wenn der Antragsteller analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt ist, d. h. die mögliche Verletzung einer ihm zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechtsposition geltend macht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 42); für den Antrag muss zudem das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis bestehen (Happ, a.a.O., Rn. 34 ff.). Beide Voraussetzungen liegen hier vor.
aa) Der Antragsteller kann sich auf die Bestimmung des Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO berufen, wonach Sitzungen des Gemeinderats und der beschließenden Ausschüsse (Art. 45 Abs. 2 Satz 2 GO) öffentlich sind, soweit nicht Rücksichten auf das Allgemeinwohl oder auf berechtigte Ansprüche Einzelner entgegenstehen. Der darin zum Ausdruck kommende kommunale Öffentlichkeitsgrundsatz soll zwar in erster Linie im Interesse der Allgemeinheit die ratsinternen Willensbildungsprozesse transparent machen und damit eine demokratische Kontrolle der gewählten Amtsträger ermöglichen (Wachsmuth in PdK-Bayern, GO, Anm. 2 zu Art. 52; Jung in BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand 1.2.2021, Art. 52). Die objektiv-rechtliche Verpflichtung der kommunalen Gremien zur Sitzungsöffentlichkeit kann diesen Zweck aber nur erfüllen, wenn damit ein entsprechender Informationsanspruch der Bürger korrespondiert. Nach allgemeinem Verständnis folgt daher aus Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO ein subjektives Recht des Einzelnen auf Zugang zu den öffentlichen Rats- und Ausschusssitzungen als Besucher (BayVGH, U.v. 25.2.1998 – 4 B 96.1193 – juris Rn. 16; Wachsmuth, a.a.O.; Jung, a.a.O., Rn. 21; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Stand 15.11.2020, Anm. 6.2 zu Art. 52 GO m.w.N.; vgl. auch Lange, Kommunalrecht, 2 Aufl. 2019, S. 408). Der vom Verwaltungsgericht als Beleg für seine gegenteilige Meinung zitierte Beschluss des Senats vom 4. Februar 2016 (Az. 4 ZB 15.2506) betraf eine andere Fallkonstellation, nämlich die von dem Zugangsanspruch zu unterscheidende Frage, ob einzelne Gemeindebürger ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes und damit auf gerichtliche Überprüfung einer gemäß Art. 52 Abs. 2 Satz 2 GO getroffenen Ausschlussentscheidung haben (dazu Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, a.a.O., Anm. 6.5 m.w.N.).
bb) Das Eilrechtsschutzbegehren scheitert auch nicht an einem fehlenden qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Da der Antragsteller sich allgemein dagegen wendet, dass ihm die Anwesenheit bei öffentlichen Gemeinderats- und Ausschusssitzungen ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verwehrt wird, kommt in der Hauptsache eine Klage auf Feststellung seines Rechts auf jederzeitigen ungehinderten Zugang nach § 43 Abs. 1 VwGO in Betracht. Das dafür erforderliche Interesse an einer (vorbeugenden) Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes dürfte sich daraus ergeben, dass dem Antragsteller nach den Bekundungen der Antragsgegnerin auch bei künftigen Sitzungen aus den gleichen Gründen wie bisher der Zutritt verweigert werden wird. In solchen Fällen einer absehbaren Vielzahl gleichartiger oder sich kurzfristig erledigender Verwaltungsakte kann ein Rechtssuchender, insbesondere wenn die Gefahr des Eintritts vollendeter Tatsachen besteht, nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.1971 – IV C 66.67 – BayVBl 1972, 189/190; U.v. 23.5.1986 – 8 C 5.85 – NVwZ 1986, 1011/1012; U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 – NVwZ 1997, 276; BayVGH, B.v. 24.1.2017 – 4 CE 15.273 – juris Rn. 16). Er kann dann vielmehr – in Ausnahme vom Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO – eine vorbeugende Klage auf Feststellung des bereits hinreichend konkreten künftigen Rechtsverhältnisses erheben und eine entsprechende einstweilige Anordnung beantragen (vgl. Happ, a.a.O., § 43 Rn. 33, § 123 Rn. 37 m.w.N.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 71).
Hier droht dem Antragsteller ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden Eilrechtsrechtsschutzes ein irreversibler Verlust der geltend gemachten Rechtsposition. Die einmal verwehrte Teilnahme an den öffentlichen Gemeinderats- und Ausschusssitzungen als Zuschauer ließe sich auch bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr nachholen. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Durchsetzung des Zugangsrechts aus Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO kann daher nur im Wege einer einstweiligen Anordnung gewährt werden. Da der Anspruch auf Anwesenheit in einem „der Allgemeinheit zugänglichen“ (vgl. Art. 52 Abs. 4 GO) Sitzungssaal jedermann zusteht und nicht von einem individuell bestehenden berechtigten Informationsinteresse abhängt, kann dem Antragsteller auch nicht entgegengehalten werden, dass er durch den weiteren Ausschluss von den Sitzungen voraussichtlich keine schwerwiegenden Nachteile zu erwarten habe bzw. sich ebenso aus anderen Quellen über den Sitzungsverlauf informieren könne.
b) Mit der beantragten einstweiligen Anordnung würde allerdings im Erfolgsfall – zumindest bis zu einem rechtskräftigen Urteil – das Ergebnis in der Hauptsache irreversibel vorweggenommen. Dies steht einer stattgebenden Eilentscheidung aber nicht generell entgegen, da auch der umgekehrte Fall einer Ablehnung der begehrten Anordnung vollendete Tatsachen (nämlich zu Lasten des Antragstellers) schaffen und insoweit ebenfalls eine spätere Hauptsacheentscheidung gegenstandslos machen würde (vgl. Happ, a.a.O., § 123 Rn. 66a m.w.N.). In Anbetracht dieser Besonderheiten ist für eine die Hauptsache vorwegnehmende einstweilige Anordnung zu fordern, dass das weitere Abwarten für den Antragsteller mit unzumutbaren Nachteilen verbunden ist und dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache besteht (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1.99 – BVerwGE 109, 258/262; U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – BVerwGE 146, 189/197; B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – NVwZ-RR 2014, 558 Rn. 5 u. 7; Happ, a.a.O.) Der Antragsteller kann demnach im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die erstrebte Teilnahme an den Rats- und Ausschusssitzungen ohne Mund-Nasen-Bedeckung nur erreichen, wenn ganz überwiegende Gründe für das Bestehen eines diesbezüglichen Rechts sprechen und wenn dessen Vorenthaltung ihm nicht länger zuzumuten ist.
c) Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen kann der Antrag keinen Erfolg haben. Der Antragsteller hat den für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO).
aa) Soweit in der Beschwerdebegründung unter Bezugnahme auf einen einzelnen Zeitungsbericht die Eignung von Mund-Nasen-Bedeckungen als Mittel zum Schutz vor Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus grundsätzlich in Frage gestellt wird, ist darauf zu verweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung keine rechtlichen Bedenken gegen die u. a. in den verschiedenen Fassungen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung schon seit längerem vorgesehene Verpflichtung zum Tragen solcher Masken in besonders infektionsträchtigen Kontaktsituationen bestehen (vgl. nur BayVGH, B.v. 10.11.2020 – 20 NE 20.2477 – juris Rn. 26 ff.). Der Normgeber darf aufgrund seines weiten Gestaltungs- und Einschätzungsspielraums und in Anbetracht des in zahlreichen fachwissenschaftlichen Publikationen zum Ausdruck kommenden aktuellen Erkenntnisstands jede Form von Mund-Nasen-Bedeckungen – auch die sogenannten Community-Masken – für geeignet halten, einer ungehinderten Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken und damit zur Kontrolle des Infektionsgeschehens beizutragen (vgl. BVerfG, B.v. 28.9.2020 – 1 BvR 1948/20 – MDR 2020, 1523 Rn. 4; LG Frankfurt a. M., B.v. 5.11.2020 – 2-03 T 4/20 – juris Rn. 16; Eibenstein/Schlereth/Lang, COVuR 2021, 148 f. m.w.N.).
bb) Ob sich bereits aus der (derzeit geltenden) Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (VO v. 5.3.2021, BayMBl. Nr. 171, geändert durch VO v. 25.3.2021, BayMBl Nr. 224 – 12. BayIfSMV) für die Besucher von Rats- und Ausschusssitzungen der kommunalen Vertretungskörperschaften eine unmittelbare Rechtspflicht zum (fortwährenden) Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ergibt, erscheint allerdings zweifelhaft.
Nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 12. BayIfSMV besteht eine Maskenpflicht nur auf den „Begegnungs- und Verkehrsflächen“ von öffentlichen Gebäuden sowie von sonstigen öffentlich zugänglichen Gebäuden. Die Annahme, dass diese räumliche Konkretisierung nicht nur die Bereiche umfasst, in denen wegen eines unvermeidbaren Aufeinandertreffens von Personen der in § 1 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV geforderte Mindestabstand nicht immer eingehalten werden kann wie z. B. Gänge, Treppen, Garderoben und Sanitäranlagen (s. Begründung zur 9. BayIfSMV, BayMBl. 2020 Nr. 684, S. 4), sondern auch den gesamten Zuhörerbereich einschließlich der den Besuchern von Rats- und Ausschusssitzungen zugewiesenen festen Sitzplätze (so IMS vom 10.12.2020, B1-1414-11-17, S. 7, KommP BY 2021, 104/106), dürfte angesichts der Bußgeldbewehrung der genannten Vorschrift (s. § 29 Nr. 20 12. BayIfSMV) kaum mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 BV vereinbar sein. Auch ein Blick auf die Regelung des § 20 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 12. BayIfSMV zeigt, dass der Verordnungsgeber zwischen Aufenthalten in Verkehrs- und Begegnungsbereichen und dem Verbleib an festen Plätzen differenziert. Für die Sitzungsbesucher kann sich demnach, sofern die zuständige Infektionsschutzbehörde (§ 65 Satz 1 ZustV) keine entsprechende Einzelfallanordnung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 12. BayIfSMV getroffen hat, eine zwingende Verpflichtung zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung während laufender Sitzungen, solange sie sich an ihrem Platz befinden, nicht schon aus den landesweit geltenden Vorschriften des Infektionsschutzrechts, sondern nur aus einer entsprechenden kommunalrechtlichen Regelung ergeben.
cc) Als Rechtsgrundlage für eine generelle Maskenpflicht in Gemeinderats- und Ausschusssitzungen kommt allein das dem ersten Bürgermeister bzw. seinem Vertreter (Art. 33 Abs. 2, Art. 39 Abs. 1 GO) zustehende öffentlich-rechtliche Hausrecht nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GO in Betracht. Die damit verbundenen Befugnisse bestehen speziell gegenüber Personen, die nicht dem Gemeinderat angehören und daher nicht der in Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GO geregelten Ordnungsgewalt unterliegen (vgl. Wachsmuth, a.a.O., Art. 53 Anm. 3; Wernsmann/Neudenberger in BeckOK KommR Bayern, Stand: 1.2.2021, Art. 53 Rn. 2, 3; Burgi, Kommunalrecht, 6. Aufl. 2019, § 12 Rn. 41). Das Hausrecht ermöglicht neben Maßnahmen der Gefahrenvorsorge (z. B. Eingangskontrollen) auch ein Einschreiten gegen Störungen öffentlicher Sitzungen durch Besucher; es erlaubt insoweit Einschränkungen des aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz folgenden Anwesenheitsrechts (Wernsmann/Neudenberger, a.a.O.). Der Vorsitzende ist danach insbesondere befugt, das Recht der nicht ratsangehörigen Personen auf Zutritt und Verbleib im Sitzungsraum an die Erfüllung bestimmter verhaltensbezogener Auflagen zu knüpfen (vgl. Wernsmann/Neudenberger, a.a.O., Rn. 3).
Als eine den Sitzungsbetrieb allgemein störende Verhaltensweise kann in der gegenwärtigen Infektionslage auch der fortdauernde Aufenthalt von Besuchern im Sitzungssaal ohne Mund-Nasen-Bedeckung angesehen werden. Darin liegt zwar, soweit sich die betreffenden Personen nicht auf „Begegnungs- und Verkehrsflächen‘“ im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 2 12. BayIfSMV aufhalten, noch kein Rechtsverstoß und somit keine Störung der öffentlichen Sicherheit. Das dem Sitzungsleiter nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GO zustehende Hausrecht zielt aber – ebenso wie die gegenüber den Ratsmitgliedern bestehende Ordnungsgewalt – nicht bloß auf die Durchsetzung des geschriebenen Rechts, sondern darüber hinaus auf einen möglichst geordneten und reibungslosen Ablauf der Sitzung und damit auf die Wahrung der öffentlichen Ordnung im Sitzungssaal. Unter öffentlicher Ordnung ist die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln zu verstehen, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets anzusehen ist (BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. – BVerfGE 69, 315/352; BVerwG, U.v. 26.2.2014 – 6 C 1.13 – NVwZ 2014, 883 Rn. 15).
In öffentlichen Gemeinderats- und Ausschusssitzungen kann es aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sein, den aus der Anwesenheit von Zuhörern resultierenden Gesundheitsrisiken für die (nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 GO zur Sitzungsteilnahme verpflichteten) Ratsmitglieder durch geeignete Vorkehrungen entgegenzuwirken und dadurch eine auch von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre zu schaffen (vgl. BVerwG, U.v. 3.8.1990 – 7 C 14.90 – BVerwGE 85, 283/287 f.; OVG NW, U.v. 10.9.1982 – 15 A 1223/80 – NVwZ 1983, 485/486 f.; OVG RP, B.v. 13.03.1989 – 7 B 11/89 – NVwZ-RR 1990, 98; Wilrich, NVwZ 2021, 131/133 f.). Zu den objektiv bestehenden Risiken, die sich durch Maßnahmen des Hausrechts minimieren lassen, gehört in der aktuellen Pandemielage die mögliche Ansteckung mit dem Corona-Virus. Wegen der insoweit bestehenden Besorgnisse folgt für die Sitzungsbesucher aus dem Gedanken der wechselseitigen Rücksichtnahme das sozialethische Gebot, während des gemeinsamen Aufenthalts mit fremden Personen im selben Raum eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und damit einen Beitrag zur Verminderung des Infektionsrisikos zu leisten. Diese auf Empfehlungen sachkundiger Stellen beruhende ungeschriebene Verhaltensregel, die das öffentliche Leben zumindest in Zeiten hoher Inzidenzwerte prägt, kann vom Sitzungsleiter aufgegriffen und zum Gegenstand einer entsprechenden verbindlichen Anordnung gemacht werden (vgl. LG Frankfurt a. M., a.a.O., zu § 176 Abs. 1 GVG).
Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung stellt für die Zuhörer in der Regel eine nur geringfügige und demnach ohne weiteres zumutbare Belastung dar (vgl. BVerfG, B.v. 28.9.2020, a.a.O., Rn. 5). Die Zulässigkeit einer im Rahmen des Hausrechts angeordneten Maskenpflicht hängt daher nicht davon ab, ob im konkreten Fall der in § 1 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV empfohlene Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Sitzplätzen bzw. beim Hinein- oder Hinausgehen von Zuhörern unterschritten wird oder ob die Raum- und Lüftungsverhältnisse eine solche ergänzende Schutzmaßnahme als notwendig erscheinen lassen. Da sich aus der Vorschrift des § 24 Abs. 1 Nr. 2 12. BayIfSMV keine Sperrwirkung bezüglich weitergehender hausrechtlicher Maßnahmen ableiten lässt, kann im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung auch eine Pflicht zum Tragen von Masken mit einer höheren als der in der Verordnung geforderten Schutzklasse – etwa nach dem Standard FFP 2 – angeordnet werden (vgl. LG Frankfurt a. M., a.a.O., Rn. 28).
dd) Im vorliegenden Fall ist nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin in konkludenter Form eine auf sein Hausrecht gestützte Anordnung getroffen hat, wonach die Besucher der Gemeinderats- und Ausschusssitzungen eine (einfache) Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen haben. Ob es bei einer solchen auf Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GO gestützten Maskenpflicht zwingend geboten ist, Ausnahmen für Härtefälle vorzusehen, erscheint fraglich, bedarf hier aber keiner Entscheidung. Die Erklärungen der Antragsgegnerin lassen jedenfalls erkennen, dass von der grundsätzlichen Verpflichtung diejenigen Personen befreit sein sollen, die in Anlehnung an § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV glaubhaft machen, dass ihnen das Tragen einer solchen Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Auf diese Ausnahmeregelung kann sich jedoch der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Er hat eine Erkrankung, die das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unmöglich oder unzumutbar erscheinen ließe, zwar behauptet, aber nicht in der geforderten Weise glaubhaft gemacht. Dabei kann dahinstehen, ob das vorgelegte ärztliche Attest vom 11. September 2020 schon wegen des zeitlichen Abstands ungeeignet ist, seinen aktuellen Gesundheitszustand zu beschreiben. Es genügt jedenfalls in inhaltlicher Hinsicht nicht den an eine Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen.
Die in dem Attest aufgeführten Diagnosen „Allergisches Asthma (J 45.0, G)“ und „Atemnotsyndrom (J 80.09, G)“ sind weder für sich genommen noch in der Zusammenschau geeignet, ohne weitere fachkundige Erläuterung eine nachvollziehbare Erklärung dafür zu liefern, dass dem Antragsteller das Tragen einer einfachen Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Der Begriff des allergischen Asthmas (ICD-10: J 45.0) beschreibt ein Krankheitsbild, bei dem äußere Reize (allergieauslösende Stoffe in der Umwelt, sog. Allergene) eine anfallsweise auftretende Atemwegsverengung bewirken (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Asthma_bronchiale#Allergisches_Asthma). Inwiefern dieser Effekt beim Antragsteller durch das bloße Tragen einer Schutzmaske unabhängig von dem verwendeten Material eintreten könnte, erschließt sich nicht. Die ICD-10-Klassifikation J 80.09 erfasst eine in der Fachsprache als akutes Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome [ARDS]) bezeichnete schwerwiegende Erkrankung in Form einer massiven Reaktion der Lunge auf schädigende Faktoren, die sofortige medizinische Notfallmaßnahmen bis hin zu einer intensivmedizinischen Behandlung erforderlich macht (https://de.wikipedia.org/wiki/Akutes_Lungenversagen). Dass ein solcher Zustand beim Antragsteller zum Zeitpunkt der Ausstellung des Attests im September 2020 bestanden hätte und jetzt noch vorläge, erscheint auch angesichts der von ihm selbst gemachten Angaben zur eigenen Krankheitsgeschichte völlig unplausibel; jedenfalls wäre er dann unabhängig von der Maskenpflicht ohnehin am Besuch von Gemeinderatssitzungen gehindert. Das Wort „Atemnotsyndrom“ kann somit in dem vorgelegten Attest kaum in dem genannten fachspezifischen Sinne gemeint sein.
Da das genaue Krankheitsbild somit letztlich im Unklaren bleibt, ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher konkreten gesundheitlichen Gefahren das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Antragsteller unmöglich oder unzumutbar sein könnte. Die lapidare Feststellung des Arztes, dem Antragsteller sei aufgrund seiner multiplen Erkrankungen das Tragen einer solchen Maske „untersagt“, kann die substantiierte Darlegung eines medizinischen Wirkungszusammenhangs nicht ersetzen.
Angesichts der fehlenden Glaubhaftmachung eines hinreichenden Befreiungsgrunds ist die Weigerung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller den Besuch der Rats- und Ausschusssitzungen ohne Mund-Nasen-Bedeckung zu gestatten, nicht zu beanstanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass den kommunalen Entscheidungsträgern mangels gesetzlicher Vorgaben ein Beurteilungsspielraum zusteht in der Frage, welchen Mindestinhalt ärztliche Atteste aufweisen sollen, die zum Zweck der Befreiung von der Maskenpflicht vorgelegt werden. Um Gefälligkeitsatteste auszuschließen, können insbesondere dann erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt werden, wenn wie hier Indizien darauf hindeuten, dass für den Befreiungsantrag nicht (allein) medizinische Gründe maßgebend sind, sondern (auch) prinzipielle Zweifel am Bestehen der Infektionsgefahr oder an der Eignung der Masken zur Verminderung des Infektionsrisikos (vgl. OVG RP, B.v. 20.11.2020 – 2 B 11333/20.OVG -, juris Rn. 19). Im Übrigen folgt aus dem Gebot einer zügigen Sachbearbeitung (Art. 10 Satz 2 BayVwVfG) für den ersten Bürgermeister bzw. seinen Vertreter keineswegs eine unbedingte Verpflichtung, ein erst kurz vor Sitzungsbeginn vorgelegtes Attest stets umgehend zu prüfen und sogleich über den Befreiungsantrag zu entscheiden. Er kann vielmehr in nicht eindeutigen Fällen die Prüfung einstweilen zurückstellen und sich den mit der Sitzungsleitung verbundenen Aufgaben zuwenden.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da die beantragte einstweilige Anordnung zumindest teilweise auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, besteht für eine Herabsetzung des Regelstreitwerts keine Veranlassung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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