Medizinrecht

Schadensersatz, Arzt, Rechtsanwaltskosten, Operation, Behandlungsvertrag, Leistung, Gegenstandswert, Honoraranspruch, Berechnung, Gutachten, Anspruch, Honorar, Mahnkosten, Klage, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, kein Anspruch, keinen Erfolg

Aktenzeichen  159 C 22718/18

Datum:
2.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26873
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.588,97 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber in vollem Umfang unbegründet.
I.
Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht kein Anspruch auf das ärztliche Honorar gemäß §§ 630 a Abs. 1, 398 BGB zu. Die Klage war daher in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen.
Die Katarakt-Operation am rechten Auge des Beklagten ist für diesen insgesamt wertlos, sodass gemäß §§ 630 b, 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB kein Honoraranspruch besteht.
Grundsätzlich schuldet der Arzt als Dienstverpflichteter keinen Erfolg, sondern nur die Erbringung der von ihm versprochenen Dienste. Der ärztliche Behandlungsvertrag kennt daher keine Gewährleistungsregeln, sodass der Vergütungsanspruch grundsätzlich bei einer unzureichenden oder pflichtwidrigen Leistung nicht gekürzt werden kann. Rechte des Patienten können sich in diesem Fall jedoch aus § 628 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 280 Abs. 1 BGB ergeben.
§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB legt fest, dass, wenn der behandelnde Arzt kündigt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des Patienten dazu veranlasst worden zu sein, der behandelnde Arzt keinen Anspruch auf die Vergütung hat, soweit die Leistungen für den Patienten kein Interesse haben.
1. Unstreitig hat der behandelnde Arzt den Behandlungsvertrag nach der Durchführung der Operation am rechten Auge, bevor das linke Auge wie geplant operiert werden konnte, gekündigt. Gemäß § 627 BGB ist die fristlose Kündigung auch ohne wichtigen Grund möglich.
2. Ein vertragswidriges Verhalten des Beklagten, dass die Kündigung des Arztes im vorliegenden Fall gerechtfertigt hätte, liegt nach Auffassung des Gerichts nicht vor.
Mit seinen E-Mails vom 16.03.2018 sowie 19.03.2018 hatte der Beklagte lediglich seine Bedenken dahingehend geäußert, dass in dem rechten Auge eine falsche Linse eingesetzt worden sein könnte, da er nicht – wie besprochen – in der Nähe sondern lediglich in der Ferne gut habe sehen können. Er bat insbesondere im Hinblick auf die anstehende Operation am linken Auge um Klärung des Sachverhalts, um zu verhindern, dass am linken Auge eine „falsche“ Linse eingesetzt werden würde. Aus diesen E-Mails ergibt sich nicht, dass der Beklagte kein Vertrauen mehr zu einer weiteren Behandlung durch … gehabt hätte. Ein irgendwie vertragswidrig geartetes Verhalten des Beklagten vermag das Gericht nicht zu erkennen. Bei zu befürchtenden Behandlungsfehlern ist es nachvollziehbar, dass der Patient gerade dann, wenn weitere Behandlungen noch anstehen, ein klärendes Gespräch erwartet.
3. Die am rechten Auge durchgeführte Katarakt-Operation ist für den Beklagten ohne Interesse.
Eine Leistung ist für den Dienstberechtigten infolge der Kündigung ohne Interesse, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist (BGH, Urteil vom 13.9.2018, Aktenzeichen III ZR 294/16).
a. Wird eine ärztliche Dienstleistung so schlecht erbracht, dass die Behebung des durch die Schlechterfüllung herbeigeführten Zustandes nicht möglich oder dem Dienstberechtigten nicht zumutbar ist, sind die bisher erbrachten Dienste ohne Wert.
Im vorliegenden Fall sollte durch die Katarakt-Operation die Trübung der Linse behoben werden. Nachdem hierfür ein Austausch der Linse stattfindet, kann der Patient für die einzusetzende Linse bestimmen, ob er nach der Durchführung der Operation in der Nähe oder in der Ferne gut sehen möchte. Im vorliegenden Fall war unstreitig vereinbart worden, das Ziel der Operation möglichst die Brillenfreiheit in der Nähe ist. Dieses Ziel wurde durch die Operation des rechten Auges nicht erreicht und lässt sich auch durch eine weitere Operation des linken Auges nicht mehr erreichen.
Der Beklagte gibt an, dass er auf dem rechten Auge nach der durchgeführten Operation gut in der Ferne sehen könne. Dies wird durch die Ausführungen des Sachverständigen … bestätigt.
Der Sachverständige führt weiter in seinem schriftlichen und mündlichen Gutachten aus, dass nach seiner Einschätzung bereits die Zielrefraktion von -0,75 Dioptrien für das Erreichen einer Nahsicht nicht korrekt gewesen sei. Theoretisch könne man bei -0,75 Dioptrien auf eine Entfernung von 1,33 m gut sehen. Würde man davon ausgehen, dass mit „Nahbereich“ der Bereich des Lesens gemeint sei, dann wäre diese Zielrefraktion nicht korrekt gewesen. In diesem Fall hätte man eine Zielrefraktion von -2,5 Dioptrien wählen müssen. Bei dieser Dioptrienzahl würde man in einer Entfernung von 40 cm scharf sehen. Würde man berücksichtigen, dass es bei der Operation eine Streubreite von einer Dioptrien gebe, dann sei es bei einer Zielrefraktion von -2,5 Dioptrien wahrscheinlich, dass man nach der Operation im Nahbereich gut sehen könne. Bei -2,0 Dioptrien würde man in einer Entfernung von 50 cm scharf sehen und bei einem Wert von -3 Dioptrien in 33 cm Abstand. Dies sei der normale Leseabstand.
Würde man jedoch von einer Zielrefraktion von -0,75 Dioptrien ausgehen, dann sei die beim Beklagten durchgeführte Operation lege artis verlaufen. Auch das Ergebnis von + 0,75 Dioptrien würde noch im Bereich der Streubreite liegen. Auf die Frage, inwieweit der Astigmatismus auf das Ergebnis einen Einfluss gehabt habe, käme es daher entscheidend nicht an.
Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen vollumfänglich an. Diese waren in sich nachvollziehbar und plausibel. Unabhängig davon, welchen konkreten Wert man für den Nahbereich unterstellt – Leseabstand oder Bildschirmarbeitsplatz – war die Zielrefraktion von -0,75 Dioptrien nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Dies gilt umso mehr, wenn man die vom Sachverständigen angeführte Streubreite berücksichtigt. Die Zielrefraktion müsste nach Auffassung des Gerichts so gewählt werden, dass auch unter Berücksichtigung der Streubreite noch eine Nahsicht erreicht werden kann. Dies war im vorliegenden Fall aber nicht möglich. Das lege artis erzielte Operationsergebnis zeigt gerade, dass auch die Fernsicht innerhalb der Streubreite liegt.
b. Das Ergebnis kann auch nicht mit der Operation am linken Auge erreicht werden. Die von der Klageseite vorgeschlagene Zielrefraktion von -1,25 Dioptrien am linken Auge ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen nach dem nunmehr vorliegenden Ergebnis der Operation am rechten Auge nicht zielführend. Hierbei müsse berücksichtigt werden, dass auch bei der Operation am linken Auge eine gewisse Streubreite für das Operationsergebnis einzukalkulieren sei. Würde man eine Zielrefraktion von -1,25 Dioptrien anvisieren, dann könnten im Ergebnis die Werte des rechten und des linken Auges soweit auseinanderfallen, dass der Beklagte voraussichtlich Kopfschmerzen bekommen würde.
c. Eine Nahsicht ließe sich nach den Ausführungen des Sachverständigen nur erreichen, indem das rechte Auge nochmals operiert werde und die Linse ausgetauscht werde oder eine „Add on Linse“ implantiert werde. Ansonsten sei für die Nähe dauerhaft eine Korrektur durch eine Brille oder durch Kontaktlinsen notwendig.
Die Nutzung einer Brille oder Kontaktlinsen für den Nahbereich war jedoch gerade nicht von dem Beklagten gewünscht. Nachdem er zuvor im Nahbereich ohne Brille gut gesehen hat, und für die Fernsicht im Führerschein das Erfordernis einer Brille eingetragen gewesen ist, ist es sein Ziel gewesen, auch nach der Operation wie zuvor im Nahbereich ohne Brille sehen zu können. Dieses Ziel kann jetzt jedoch nur erreicht werden, wenn die Operation am rechten Auge wiederholt wird. Damit hat die bisher durchgeführte Operation am rechten Auge für den Beklagten wirtschaftlich keinen Wert. Sie ist für ihn nutzlos.
d. Die Leistung hat im vorliegenden Fall für den Beklagten auch nicht allein deshalb ein „Interesse“, weil zwar das Ziel der Nahsicht nicht erreicht wurde, die Trübung der Linse jedoch beseitigt wurde. Entscheidend für die Frage, ob der Honoraranspruch gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB entfällt, ist, inwiefern eine selbstständig verwertbarer Arbeitsanteil trotz der fehlerhaften Ausführung bestehen bleibt. Der Erfolg der Beseitigung der Trübung der Linse lässt sich jedoch nicht von dem verfehlten Erfolg der Nahsicht trennen. Beide Faktoren werden durch die implantierte Linse gleichermaßen bestimmt. Es verbleibt daher kein selbstständig verwertbarer Arbeitsanteil, der bestehen bleibt. Auch der Sachverständige führte auf Nachfrage durch das Gericht aus, dass eine Trennung insoweit nicht möglich sei. Man könne nicht aufgrund der Tatsache, dass die Trübung der Linse behoben worden sei, davon ausgehen, dass die Operation auch insgesamt erfolgreich gewesen sei. Eine bestimmte Gewichtung, inwiefern die Kosten auf die Operation des grauen Stars entfallen würden und inwiefern auf die Korrektur der Sehstärke, lasse sich medizinischen nicht vornehmen.
Es verbleibt daher dabei, dass die durchgeführte Operation für den Beklagten wertlos gewesen ist.
4. Aus den gleichen Gründen steht dem Beklagten gegen den behandelnden Arzt ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Ist wie im vorliegenden Falle die fehlerhafte Leistung des Arztes für den Patienten ohne Interesse, besteht der Mindestschaden des Patienten unmittelbar darin, dass er für eine im Ergebnis unbrauchbare ärztliche Behandlung eine Vergütung zahlen soll. Der Anspruch auf Schadensersatz richtet sich in diesem Fall unmittelbar auf Befreiung von der Vergütungspflicht. Diese Einwendung muss sich die Klägerin gemäß § 404 BGB entgegenhalten lassen. Auch aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich daher, dass der Klägerin aus abgetretenem Recht kein Anspruch gegen den Beklagten zusteht.
Die Klage war daher in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen.
II.
Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Verzugszinsen sowie die Erstattung der vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Mahnkosten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.


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