Medizinrecht

Sofortige Vollziehung der zuletzt angeordneten Auflagen zum Erhalt der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  Au 7 S 19.1621

Datum:
26.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5663
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3
FeV § 11, § 13, § 14, § 46 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers vom 2. Oktober 2019 gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 12. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11. September 2019 wird bezüglich der Nummern 2, 3 und 4 des Änderungsbescheids vom 11. September 2019 wiederhergestellt und bezüglich Nummer 5 des (Ausgangs-)Bescheids vom 12. März 2019 angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehung der zuletzt angeordneten Auflagen zum Erhalt seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, L, M und S. 2
1. Die Polizeiinspektion … teilte dem Landratsamt … (nachfolgend: Landratsamt) mit Schreiben vom 6. November 2017 mit, dass der Antragsteller am 5. November 2017 seinen Bruder mit einer Schreckschusswaffe bedroht und anschließend seinen Suizid angedroht habe. Im Rahmen der Fahndung sei der Antragsteller nach einer etwa 10-minütigen Verfolgungsfahrt durch Polizeikräfte in Verwahrung genommen und ins Bezirkskrankenhaus (BKH) … verbracht worden. Während des Transports habe er mehrmals geäußert, dass sein Leben keinen Sinn mehr mache, er nichts mehr zu verlieren habe und demnächst seine Tötung mittels eines polizeilichen Schusswaffengebrauchs provozieren werde („Suicide by Cop“).
Daraufhin hörte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis an. Bei einem versuchten/angedrohten Suizid bzw. einer produzierten Tötung durch eine andere Person handle es sich nach den Begutachtungsleitlinien zur Fahreignung um eine Form einer affektiven Psychose der Nr. 7.5 Anlage 4 FeV.
Der Antragsteller reichte daraufhin am 27. Dezember 2017 ein ärztliches Attest seiner Hausärztin ein, wonach er vom 5. November bis zum 1. Dezember 2017 stationär im BKH … untergebracht gewesen und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden sei. Es sei medikamentös gut eingestellt und zeige eine gute Compliance.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2018 wurde der Antragsteller aufgefordert, bis 29. Juni 2018 ein fachärztliches Attest bezüglich der vorliegenden Erkrankung, der weiterhin vorhandenen psychischen Stabilität nach stationärem Aufenthalt, der Medikamenten Einstellung und eines Medikamentenplans für den Zeitraum seit Dezember 2017 vorzulegen. Aus dem ärztlichen Bericht müsse ersichtlich sein, ob weiterhin die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehe.
In der Behördenakte findet sich weiter ein psychiatrisches Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen der Genehmigung einer Freiheitsentziehung der Unterbringung an das Amtsgericht … vom 18. Mai 2018, wonach der Antragsteller an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD10 F 60.30) und einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD10 F 33.0), derzeit leichte depressive Episode, leide, es aber zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig sei, ihn in ein psychiatrisches Krankenhaus zu verbringen, da keine unmittelbare Eigen- und Fremdgefährdung vorliege.
In der Folgezeit wurde die Behördenakte mit der Bitte um Erstellung eines fachärztlichen Attests an verschiedene Ärzte versandt, die dieses aus unterschiedlichen Gründen nicht erstatten konnten.
Schließlich wurde der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. … mit der Erstattung eines fachärztlichen Gutachtens beauftragt. Das Gutachten sollte folgende Fragen beantworten:
– Liegt beim Antragsteller weiterhin eine Erkrankung gemäß ICD10 F 60.30 vor?
– Wenn ja, ist von einer psychischen Stabilität nach stationärem Aufenthalt auszugehen?
– Erfüllt der Antragsteller, trotz der aktenkundigen Auffälligkeit (Bedrohung mit Schreckschusswaffe und Suizidabsichten) die körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrerlaubnisklasse A1, B, L, M und S?
– Eventuelle ärztliche Auflagen sind detailliert anzugeben.
– Falls Medikamente eingenommen werden, die die Fahreignung beeinträchtigen können, sind diese und deren Auswirkungen detailliert anzugeben.
– Sofern Nachuntersuchungen erforderlich sind, bitte Zeitabstände vorgeben.
Das von Dr. … erstellte Gutachten vom 14. September 2018 kam zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller an ADHS, einem depressiven Syndrom und einem Cannabis- und Amphetaminabusus leide, psychiatrisch und psychotherapeutisch behandelt werden und diesbezüglich vierteljährlich Nachweise vorlegen solle. Wegen des früheren Drogenmissbrauchs solle ein Drogenkontrollprogramm über mindestens sechs Monate durchgeführt werden. Mit diesen Auflagen bestehe Fahrtauglichkeit.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 forderte das Landratsamt eine Korrektur des Gutachtens an, da das erstattete Gutachten weder in sich schlüssig und nachvollziehbar sei noch die benannten Fragestellungen beantwortet worden seien. Kritisiert wurde insbesondere, dass die Diagnosen nicht geprüft worden bzw. nicht nachvollziehbar seien, kein Bezug zum ursprünglichen Vorfall hergestellt, die Medikamenteneinnahme nicht weiter hinterfragt und eine aktuelle Behandlung nicht nachgewiesen sei und schließlich die Angaben zum Drogenkonsum widersprüchlich bzw. nicht nachvollziehbar seien. Eine Korrektur durch Dr. … ist nicht erfolgt.
Der Antragsteller wurde daraufhin mit Schreiben vom 9. Januar 2019 erneut zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens bis zum 25. März 2019 unter Verwendung der oben wiedergegebenen Fragestellung aufgefordert, wobei nur die erste Frage verändert wurde und nunmehr lautete:
– Liegt beim Antragsteller weiterhin eine Erkrankung nach Nr. 7 (ICD10 F 60.30 und F 33.0) der Anlage 4 zur FeV vor?
Dieses Gutachten wurde auf Wunsch des Antragstellers von dem Facharzt für Neurologie und Geriatrie Professor Dr., eingegangen beim Landratsamt am 15. Februar 2019, als „neurologisches Gutachten“ erstattet. Die Fragestellungen wurden dahingehend beantwortet, dass die genannten Krankheiten nach Nummer 7 der Anlage 4 zur FeV weiterhin bestünden, der Antragsteller aktuell nicht psychiatrisch, sondern nur psychotherapeutisch behandelt werde und die Fahrtauglichkeit dann bestehe, wenn nachgewiesen werde, dass er sowohl psychotherapeutisch als auch psychiatrisch behandelt werde und in kontinuierlicher Behandlung sei. Insofern werde die Vorlage eines Attestes in Abständen von 6 Monaten mit Angabe der aktuellen Beschwerden und des psychiatrischen Zustandes, des psychiatrischen bzw. psychologischen Befundes und der durchgeführten Behandlung vorgeschlagen. Zudem sei aufgrund des früheren Drogenmissbrauchs ebenfalls zumindest, für die Dauer von drei Jahren, in halbjährlichem Abstand durch Laboruntersuchungen nachzuweisen, dass Abstinenz bestehe. Im Übrigen wird auf das Gutachten (Bl. 65 ff. der Behördenakte) Bezug genommen.
2. Mit Bescheid vom 12. März 2019 wurde der Antragsteller verpflichtet, aufgrund der gestellten Diagnose der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ und einer rezidivierenden depressiven Störung sich halbjährlich ab sofort für einen Zeitraum von 48 Monaten regelmäßigen Untersuchungen durch einen Facharzt für Psychiatrie und einen Facharzt für Psychotherapie zu unterziehen. Die fachärztlichen Bescheinigungen sind der Fahrerlaubnisbehörde beim Landesamt … vorzulegen (Nr. 1 des Bescheids). Er wurde zudem verpflichtet für die Dauer von 48 Monaten in halbjährlichen Abständen Abstinenznachweise mittels Haaranalysen von jeweils 6 cm Haarlänge bei der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen. Die Anmeldung zum Abstinenzprogramm sei bis zum 29. März 2019 beim Landratsamt vorzulegen (Nr. 2 des Bescheids). Die fachärztlichen Bescheinigungen gemäß Nr. 1 und die Abstinenznachweise gemäß Nr. 2 seien jeweils zum 5. August 2019, 3. Februar 2020, 3. August 2020, 1. Februar 2021, 2. August 2021, 7. Februar 2022 und 1. August 2022 beim Landesamt vorzulegen, wobei diese bei Vorlage nicht älter als einen Monat sein dürften (Nr. 3 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 3 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4 des Bescheids). Für den Fall der Nichtbeachtung wurden jeweils unterschiedlich hohe Zwangsgelder angedroht (Nr. 5 des Bescheids).
Hinsichtlich der Begründung des Bescheids wird vollumfänglich auf diesen Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 26. März 2019 legte der Antragsteller gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, da insbesondere die Anordnung von 48 Monaten überzogen sei.
Das Landratsamt legte den Widerspruch mit Schreiben vom 27. März 2019 aufgrund nicht erfolgter Abhilfe der Regierung von … vor.
Mit Änderungsbescheid vom 11. September 2019 wurde der Auflagenbescheid vom 12. März 2019 hinsichtlich der Tenorpunkte 1 bis 3 wie folgt abgeändert (Nr. 1 des Änderungsbescheids): Der Antragsteller wurde verpflichtet, aufgrund der gestellten Diagnose der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ und einer rezidivierenden depressiven Störung sich halbjährlich ab sofort für einen Zeitraum von 36 Monaten regelmäßigen Untersuchungen durch einen Facharzt für Psychiatrie und einen Facharzt für Psychotherapie zu unterziehen. Die fachärztlichen Bescheinigungen seien der Fahrerlaubnisbehörde beim Landesamt … vorzulegen (Nr. 2 des Änderungsbescheids). Er wurde zudem verpflichtet für die Dauer von 36 Monaten in halbjährlichen Abständen Abstinenznachweise mittels Urinscreenings bei der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen. Die Anmeldung zum Abstinenzprogramm sei bis zum 30. September 2019 beim Landratsamt vorzulegen (Nr. 3 des Änderungsbescheids). Die fachärztlichen Bescheinigungen gemäß Nr. 2 und die Abstinenznachweise gemäß Nr. 3 seien jeweils zum 27. Dezember 2019, 26. Juli 2020, 28. Dezember 2020, 30. Juli 2021, 27. Dezember 2021, 29. Juli 2022 und 30. Dezember 2022 beim Landesamt vorzulegen, wobei diese bei Vorlage nicht älter als einen Monat sein dürften (Nr. 4 des Änderungsbescheids). Im Übrigen blieb der Bescheid vom 12. März 2019 bestehen (Nr. 5 des Änderungsbescheids).
Hinsichtlich der Begründung des Bescheids wird vollumfänglich auf diesen Bezug genommen.
3. Am 2. Oktober 2019 erhob der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Az. Au 7 K 19.1619) mit dem Antrag, den zum Aktenzeichen … ergangenen Bescheid vom 12. März 2019 in Gestalt des zu demselben Aktenzeichen ergangenen Widerspruchsbescheids vom 11. September 2019 aufzuheben.
Zudem stellte er einen „Antrag auf Aussetzung der Vollziehung“, d.h. er beantragte,
den sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes auszusetzen.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 erläuterte der Antragsteller sein Begehren dahingehend, dass es ihm um eine Korrektur bzw. Abänderung der Auflagen gehe und auch geprüft werden solle, ob der Bescheid so in seiner Form überhaupt rechtens sei. Außerdem gehe es ihm um die Aussetzung der sofortigen Vollziehung, da der Bescheid erst geprüft werden solle. Für den Fall, dass seine Anfechtungsklage insofern nicht richtig gewesen sei, habe er nochmals eine Anfechtungsklage mit einem abgeänderten Wortlaut beigefügt. Er beantrage nunmehr, den zum Aktenzeichen … ergangenen Bescheid vom 12. März 2019 in Gestalt des zu demselben Aktenzeichen ergangenen Widerspruchsbescheids vom 11. September 2019 abzuändern.
Zur Begründung wird auf das Schreiben vollumfänglich Bezug genommen (Bl. 26 der Gerichtsakte).
4. Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 24. Oktober 2019,
den Antrag abzulehnen.
Der Bescheid sei nach der Rücknahme der fehlerhafterweise verfügten 48 Monate und Ersatz dieser durch eine 36-Monatsfrist rechtmäßig. Ebenso sei in dem Gutachten eine Abstinenznachweiserbringung mittels Haaranalysen empfohlen worden. Das Gutachten sei in sich schlüssig und treffe eine konkret individuelle Empfehlung für Auflagen.
5. Der Antragsteller erwiderte mit Schreiben vom 10. November 2019, dass im Gutachten nicht Abstinenznachweise mittels Haaranalysen empfohlen worden seien. Es könne nicht nachvollzogen werden, worin der Unterschied zum zuerst erbrachten Gutachten des Dr. … liege. Im Gutachten des Professor Dr. … befänden sich keinerlei Angaben dazu, wie die Diagnosen ermittelt oder gestellt worden seien. Zudem sei ein 36-monatiger Abstinenznachweis wegen eines früheren Drogenmissbrauchs unverhältnismäßig.
6. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten inklusive der früheren Fahrerlaubnisakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet, weshalb die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in Form einer Untätigkeitsklage (§ 75 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) wiederherzustellen bzw. anzuordnen war. Streitgegenstand ist der Ausgangsbescheid vom 12. März 2019 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 11. September 2019, mit welchem dem Widerspruch vom 26. März 2019 nur teilweise abgeholfen und der Ausgangsbescheid im Übrigen aufrechterhalten worden ist. Es handelt sich hierbei indes entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht um einen Widerspruchsbescheid, sondern um einen teilweisen Abhilfebescheid der Ausgangsbehörde. Das Widerspruchsverfahren ist dadurch jedoch nicht erledigt (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 72 Nr. 6, 7, 12).
1. Der Antrag, den sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes auszusetzen, ist nach § 122 Abs. 1, § 88 VwGO nach dem Begehren des Antragstellers auszulegen. Zugrunde zu legen ist, dass Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben gemäß § 80 Abs. 1 VwGO. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO). Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Nach diesen Grundsätzen ist hier davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Nummern 2, 3 und 4 des Änderungsbescheids wiederhergestellt werden soll. Die Fahrerlaubnisbehörde hat deren sofortige Vollziehung über die Aufrechterhaltung des Ausgangsbescheides im Übrigen in der Nummer 5 des Änderungsbescheids i.V.m. der Nummer 4 des Ausgangsbescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Nur aufgrund der behördlichen Anordnung sind die Nummern 2, 3 und 4 des streitgegenständlichen Änderungsbescheids sofort vollziehbar. Hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohungen (Art. 21a des Bayerischen Verwaltungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG) in Nummer 5 des Ausgangsbescheids, welche über die Nummer 5 des Änderungsbescheids aufrechterhalten wurden, soll die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage dementsprechend angeordnet werden.
2. Der in dieser Auslegung zulässige Antrag ist auch begründet.
a) Zwar ist die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in formeller Hinsicht letztlich nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 11 CS 12.201 – juris, Rn. 22). Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt, a.a.O. § 80 Rn. 36). Ein solcher Fall lag hier indes auch aus der Sicht des Landratsamts nicht vor, da es gerade nicht um die Entziehung wegen fehlender Eignung, sondern die Anordnung von Auflagen wegen bedingter Eignung ging. Diesem Umstand trägt die gegebene Begründung (vgl. Bl. 74 f. der Behördenakte) Rechnung. Die Formulierung, „jeden (Anm.: Hervorhebung durch den Verfasser) Kraftfahrzeugführer sofort und noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Rechtsmittelverfahrens vom motorisierten Straßenverkehr auszuschließen, der die körperlich, geistig und charakterlich gestellten Anforderungen nicht erfüllen kann“, ist indes zumindest unglücklich gewählt. Die Fahrerlaubnisbehörde hat letztlich aber das besondere Interesse am sofortigen Vollzug ausreichend begründet, indem sie das dringende öffentliche Interesse am Sofortvollzug mit dem Hinweis auf ansonsten bestehende Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer bis zu einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache rechtfertigte. Eine materielle Überprüfung dieser Begründung der Behörde erfolgt im gerichtlichen Verfahren nicht.
b) Die aufschiebende Wirkung der Klage war gleichwohl wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Das Gericht hat bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis ohne Auflagen – jedenfalls in deren konkreten Ausgestaltung – Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind grundsätzlich in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden soll. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, sodass die Klage mit Sicherheit Erfolg haben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen.
Nach diesen Grundsätzen kommt die Kammer im Rahmen ihrer eigenen originären Ermessensentscheidung zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hinreichend bzw. jedenfalls offen sind (aa) und auch darüber hinaus das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hier nicht überwiegt (bb).
aa) Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind hinreichend gegeben, zumindest aber offen. Die Klage ist nach Ablauf von inzwischen mehr als drei Monaten seit Erlass des Ausgangsbescheids vom 12. März 2019 als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulässig und dürfte auch begründet sein. Der angegriffene Auflagenbescheid in der streitgegenständlichen Fassung des Änderungsbescheids ist mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (st.Rspr. s. z.B. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris), d.h. zum Zeitpunkt des Erlasses des Abhilfe- bzw. Änderungsbescheids vom 11. September 2019. Die Postzustellungsurkunde hierzu findet sich nicht in den Akten, sodass der genaue Zeitpunkt der Bekanntgabe und damit des Erlasses des Änderungsbescheids nicht bekannt ist. Spätestens zum Zeitpunkt der Klageformulierung (27.9.2019) lag der Bescheid dem Antragsteller aber vor.
Einem Fahrerlaubnisinhaber ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, d.h. die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht erfüllt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 StVG). Von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und (Anm.: Hervorhebung durch den Verfasser) dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, schränkt die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3 FeV sind die Anlagen 4, 5 und 6 (zu den §§ 11, 13, 14 FeV) zu berücksichtigen.
Tatbestandsvoraussetzung für die Anordnung von Auflagen ist demnach, dass sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist (Anm.: Hervorhebung durch den Verfasser). Hierfür ist folglich die Fahrerlaubnisbehörde im Zweifel nachweispflichtig.
Das Landratsamt hat für die Anordnung der Auflagen letztlich keine explizite Rechtsgrundlage benannt, sondern lediglich § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Anlage 4 FeV dahingehend erwähnt, dass der Gesetzgeber darin eine Bewertung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen und Erkrankungen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorgenommen habe. Mithin ist wohl davon auszugehen, dass das Landratsamt diese einzig zitierten Normen als Rechtsgrundlage erachtet hat. Dies ist bereits insofern unzutreffend, als es in § 46 Abs. 1 FeV um die – hier nicht im Raum stehende – Entziehung der Fahrerlaubnis geht. Gleichwohl folgt nicht schon hieraus die Rechtswidrigkeit des Bescheids, da das Gericht zu prüfen hat, ob es eine Rechtsgrundlage für die Auflagenanordnung gibt und ob deren Voraussetzungen erfüllt sind.
Die oben dargestellten Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV sind vorliegend indes nicht erfüllt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
(1) Die Regelung des § 46 Abs. 2 FeV zur bedingten Geeignetheit ist im Zusammenhang zu sehen mit der vollständigen Ungeeignetheit nach § 46 Abs. 1 FeV. Letztere zieht den Entzug der Fahrerlaubnis nach sich. Ein Entzug der Fahrerlaubnis, wenn der Betroffene noch bedingt geeignet ist, wäre allerdings unverhältnismäßig, weil er nicht das mildeste Mittel darstellt. Vorrangig ist in einem solchen Fall die Beschränkung der Fahrerlaubnis oder die Anordnung von Auflagen, wenn die Mängel hierdurch kompensierbar sind (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 3 StVG Rn. 17, § 46 FeV Rn. 12). Dies ist Hintergrund der Regelung in § 46 Abs. 2 FeV und verdeutlicht, dass es auch in diesem Fall auf einen Eignungsmangel ankommt. Bestehen hingegen bloße Bedenken in Bezug auf die Eignung, bedarf es zunächst gemäß § 46 Abs. 3 FeV weiterer Ermittlungen. Die Anordnung von Auflagen hat zur Voraussetzung, dass eine bedingte Eignung besteht und durch diese die Eignung – weitgehend – wiederhergestellt werden kann. Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist gemäß § 2 Abs. 4 S. 1 StVG, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die bedingte Eignung wird in Satz 2 nur indirekt dadurch definiert, dass die Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen erteilt wird, wenn der Bewerber aufgrund körperlicher oder geistiger Mängel nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist dies insbesondere bei Erkrankungen oder Mängeln nach Anlage 4 (Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen) der Fall, die gemäß Vorbemerkung Nr. 1 eine Aufstellung häufig vorkommender Erkrankungen oder Mängel enthält, die die Eignung längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Teilweise sind dort auch bereits Auflagenvorschläge enthalten (vgl. zum Ganzen VG München, B.v. 26.9.2007 – M 1 S 07.3224 – juris Rn. 19).
(2) Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich vorliegend aus § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV nicht die Befugnis zur Anordnung von Auflagen, da sich der Antragsgegner für die Annahme der Tatbestandsvoraussetzung, dass sich der Fahrerlaubnisinhaber (nur) noch als bedingt geeignet erweist, auf ein nicht nachvollziehbares Gutachten gestützt hat.
(a) Ob das fachärztliche Gutachten nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FeV rechtmäßig angeordnet wurde, kann dahinstehen, da es darauf nur im Rahmen der Frage ankäme, ob die Fahrerlaubnisbehörde bei Verweigerung der Gutachtensvorlage gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen darf. Denn nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung hängt die Verwertbarkeit eines Gutachtens nicht von der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung ab, wenn sich – wie im vorliegenden Fall – der Betroffene dieser Begutachtung gestellt und das Gutachten der Behörde vorgelegt hat. Das Ergebnis des Gutachtens schafft dann eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat (st. Rspr., s. BVerwG, U.v. 28.4.2010 – 3 C 2.10 – juris Rn. 17 ff., m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.6.2018 – 11 CS 18.1027 – juris Rn. 9, m.w.N.).
(b) Nach Nr. 2 Buchst. a Satz 1 der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV muss ein erstelltes Gutachten aber nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft dabei die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens und erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen (Nr. 2 Buchst. a Sätze 2 und 3 der Anlage 4a). Das Ergebnis, dass der Antragsteller nur unter Auflagen bedingt fahrgeeignet ist, mag zutreffen, es folgt jedoch nicht schlüssig und nachvollziehbar aus dem vom Landratsamt zugrunde gelegten Gutachten.
Zum einen ist dem Antragsteller darin zuzustimmen, dass sich das vom Landratsamt seiner Auflagenanordnung zugrunde gelegte Gutachten des Prof. Dr. … nicht wesentlich von dem abgelehnten Gutachten des Dr. … unterscheidet, was die Begründung der Diagnosen, die Darstellung der aktuellen Behandlung und den Zusammenhang zwischen den diagnostizierten psychischen Krankheiten und dem (nur) früheren Drogenkonsum sowie die jeweilige Begründungstiefe angeht. Insofern wird auf die vom Landratsamt selbst geäußerte Kritik am ersten Gutachten vollumfänglich verwiesen (Bl. 51 ff. der Behördenakte). Ein Unterschied zum früheren abgelehnten Gutachten kann allenfalls in dem systematisch-chronologischen Abarbeiten der vom Landratsamt vorgegebenen Fragen gesehen werden, nicht aber im Wesentlichen bezüglich des Inhalts.
Zudem fällt auf, dass der erstattende Gutachter Prof. Dr. … laut seinem eigenen Briefkopf und seiner Internet-Homepage Facharzt für Neurologie und Geriatrie, nicht jedoch für Psychiatrie ist, obgleich man für die Begutachtung des Antragstellers nach den im Raum stehenden, oben genannten Krankheiten unter einem fachärztlichen Gutachten gerade ein solches erwarten würde. Dementsprechend hat einer der im Vorfeld vom Antragsteller ausgewählten und vom Landratsamt daraufhin angefragten Ärzte, der Facharzt für Neurologie Prof. Dr., die Erstellung des Gutachtens wegen fehlender Qualifikation hierfür von vornherein abgelehnt und stattdessen auf einen Facharzt für Psychiatrie verwiesen (Bl. 27 der Behördenakte). So bestimmen die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Stand 31. Dezember 2019, Abschnitt 3.12.4), die Grundlage der Beurteilung sind (vgl. § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a und BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230 Rn. 19), dass die Begutachtungen jedenfalls im Rahmen von affektiven Psychosen nur durch einen Facharzt für Psychiatrie erfolgen können. Ferner wurde auch der Antragsteller verpflichtet, Nachweise über regelmäßige Untersuchungen gerade durch einen Facharzt für Psychiatrie sowie einen Facharzt für Psychotherapie zu erbringen. Wenn von ihm aber gerade diese fachärztlichen Kontrollen als Auflagen verlangt werden, so muss dasselbe Erfordernis gleichermaßen auch für das ausschlaggebende Gutachten, auf dem die angeordneten Auflagen basieren, gelten.
Schließlich ergibt sich die Drogenproblematik des Antragstellers einzig aus den – vom Gericht beigezogenen – früheren Behördenakten. Wie der Gutachter im Punkt „Diagnosen“ (S. 5 des Gutachtens) zur Feststellung eines Cannabis- und Ampethaminabusus gelangt ist und warum er zugleich dennoch nur von einem früheren Drogenmissbrauch ausgeht (S. 7 des Gutachtens), erschließt sich dem Gericht nicht. Nur aus den früheren, teilweise lang zurückliegenden beigezogenen Behördenakten sowie dem psychiatrischen Gutachten bezüglich einer Unterbringung (Bl. 17 der Behördenakte) ergibt sich hierzu Näheres. Ob eine Drogenproblematik zum Zeitpunkt der Begutachtung also nicht (mehr) bestand und weshalb gleichwohl Abstinenznachweise über 36 Monate empfohlen wurden, wird nicht erläutert. Die diagnostizierten Krankheiten des Antragstellers mögen zusammen mit seiner Vorgeschichte diese Empfehlung zwar nahelegen, gleichwohl ergibt sich bezüglich dieses Zusammenhangs nichts aus dem Gutachten.
Schlussendlich nimmt das Gutachten – und ihm folgend der streitgegenständliche Bescheid – keinerlei Einteilung innerhalb der zitierten Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV vor, welche indes unter dem Oberbegriff „Psychische (geistige) Störungen“ i.S.d. Nr. 7 der Anl. 4 zur FeV ein denkbar weites Feld von psychischen Krankheiten, nämlich organische Psychosen (Nr. 7.1), chronische hirnorganische Psychosyndrome (Nr. 7.2), schwere Altersdemenz und schwere Persönlichkeitsveränderungen durch pathologische Alterungsprozesse (Nr. 7.3), schwere Intelligenzstörungen/geistige Behinderung (Nr. 7.4), affektive Psychosen (Nr. 7.5) und schizophrene Psychosen (Nr. 7.6) erfasst.
Beim Antragsteller sind in dieser Aufzählung nicht eingeschlossene psychische Störungen, nämlich eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD10 F 60.30) und eine rezidivierende depressive Störung (ICD10 F 33.0), derzeit leichte depressive Episode, diagnostiziert worden.
In Betracht kommt allein eine Klassifizierung i.S. einer sogenannten „affektiven Psychose“ gemäß der Nr. 7.5 der Anl. 4 zur FeV. Nach ICD 10 werden affektive Störungen – hierbei handelt es sich um den moderneren Begriff gegenüber den „affektiven Psychosen“ – vor allem eingeteilt in (Hypo-)Manie, bipolare affektive Störung, unipolare Depression (depressive Episode, rezidivierende depressive Störung) und Dysthymie. Bei dieser Störungsgruppe bestehen die Hauptsymptome in einer Veränderung der Stimmung oder der Affektivität. Dabei unterscheidet man depressive und manische Episoden mit zahlreichen Subtypen. Leitsymptome der depressiven Störung sind u.a. depressive Stimmung, Interesselosigkeit und Verlust von Freude, verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit. Bei schweren psychotischen Depressionen finden sich vor allem Schuld- und Verarmungswahn.
Die rezidivierende depressive Störung (ICD 10 F 33.0) ist gemäß der International Classification of Diseases ICD 10 F somit als affektive Störung d.h. affektive Psychose i.S.d Nr. 7.5 der Anl. 4 zur FeV zu qualifizieren, fällt aber unter keinen der dort genannten Unterfälle, insbesondere nicht unter die sehr schwere Depression i.S.d. Nr. 7.5.1. Auch für eine Einteilung in die affektiven Psychosen „nach Abklingen der Phasen“ i.S.d. Nr. 7.5.4, wofür als Auflagen regelmäßige Kontrollen in Betracht kommen, lassen sich vorliegend zumindest den Behördenakten keine Anhaltspunkte für solche Phasen i.S.d. vorgenannten Nummern entnehmen.
Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD10 F 60.30) dagegen stellt eine Persönlichkeitsstörung dar, welche sich unter keine der Fallgruppen der Nr. 7 subsumieren lässt.
Zwar ist die Anlage 4 zur FeV bei der Anordnung von Auflagen nur „zu berücksichtigen“ (§ 46 Abs. 2 Satz 3 FeV), während bei der Entziehung der Fahrerlaubnis die darin aufgeführten Krankheiten Regelbeispiele für die Ungeeignetheit („insbesondere“) darstellen, jedoch nur unter der kumulativen Voraussetzung, dass durch sie die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV a.E.). Die unterschiedliche Formulierung in § 46 Abs. 1 und Abs. 2 FeV kann aber nicht bedeuten, dass bei der Anordnung von Auflagen allein die allgemein-abstrakte Einteilung in die Nr. 7 genügen würde. Daher wären Erläuterungen im Gutachten geboten und erforderlich gewesen, inwiefern sich die konkreten Krankheiten des Antragstellers auf die Fahreignung auswirken können, nur beispielsweise inwiefern sie sich mit den Fallgruppen der Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV vergleichen lassen o.Ä. Der pauschale Verweis auf die Nr. 7 hilft insofern nicht.
Nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 11 C 18.2221 Rn. 23) ist die Aufzählung der fahreignungsrelevanten Erkrankungen in der Anlage 4 zur FeV zwar nicht abschließend, sodass grundsätzlich auch anderweitige Erkrankungen die Fahreignung ausschließen können. Allerdings lässt sich den dort nicht erfassten Störungsbildern nach ihrer Definition gemäß der International Classification of Diseases ICD 10 F und den mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27. Januar 2014 (VkBl S. 132) als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführten Beurteilungskriterien (3. Aufl. 2013, S. 205 ff.) nicht entnehmen, dass das alleinige Vorliegen derartiger psychischer Störungen ohne jeden Verkehrsbezug oder ohne Bezug zu einer Verkehrs- oder sonstigen Straftat, zu aggressiven Tendenzen oder zu einem Suchtmittelgebrauch Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung geben könnte. Demgemäß lassen sich hierfür auch keinerlei Beispiele in der Rechtsprechung finden. Daher sind solche Diagnosen allein für sich genommen nicht geeignet, einen hinreichenden Anlass für die Anordnung eines Gutachtens zu geben (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 11 C 18.2221 Rn. 23). Anders als in dem Fall, der Gegenstand des zitierten Beschlusses war, bestand vorliegend zwar ein gewisser Verkehrsbezug im Hinblick auf den anlassgebenden Vorfall vom 5. November 2017, bei welchem der Antragsteller eine zehnminütige Verfolgungsfahrt durch die Polizei nach der Bedrohung gegenüber seinem Bruder ausgelöst hat. Indes geht es vorliegend wie oben ausgeführt aufgrund des vom Antragsteller vorgelegten Gutachtens nicht mehr um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung. Das Gericht prüft an dieser Stelle vielmehr die Nachvollziehbarkeit des vorgelegten Gutachtens, welche vorliegend aus den genannten Gründen zu verneinen ist.
Das Gutachten legt daher insgesamt für das Gericht im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung nicht schlüssig und nachvollziehbar dar, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Begutachtung nur noch bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen i.S.d. § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV war. Der vom Landratsamt zu führende Nachweis dieser Tatbestandsvoraussetzung ist daher jedenfalls im Rahmen dieses Verfahrens nicht erbracht worden. Eine weitere Klärung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Anders als bei einer (Neu-)Erteilung einer Fahrerlaubnis, im Rahmen derer die Bewerber insbesondere die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen müssen (§ 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV) und daher die Beweislast für ihre Geeignetheit tragen, setzen Entziehung, Beschränkung oder Anordnung von Auflagen voraus, dass sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nur noch als bedingt geeignet erweist (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 4 Sätze 1 und 2 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FeV). Hier hat also die Fahrerlaubnisbehörde die fehlende bzw. nur bedingte Fahreignung im Zweifel nachzuweisen. Diese steht aufgrund des mangelhaften Gutachtens aber nicht fest.
bb) Auch eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen führt hier zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der angeordneten Auflagen kein größeres Gewicht einzuräumen ist als dem Suspensivinteresse des Antragstellers daran, die Auflagen entsprechend der gesetzgeberischen Konzeption des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen § 80 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO zunächst gerichtlich überprüfen lassen zu können. Es stellt gerade den Regelfall nach § 80 Abs. 1 VwGO dar, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, während der Entfall der aufschiebenden Wirkung in den in § 80 Abs. 2 VwGO abschließend aufgezählten Fällen die Ausnahme darstellen soll. Dies gilt umso mehr in den Fällen, in denen der Entfall der Wirkung nicht gesetzlich vorgesehen (vgl. Fälle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 VwGO), sondern – wie vorliegend – nur behördlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
So entspricht es der Pflicht des Staates zum Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), nur solche Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, deren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG, § 11 Abs. 1, § 46 Abs. 1 und Abs. 2 FeV). Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr zu stellen (BVerfG, B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – juris Rn. 52). Vorliegend hat aber auch der Antragsgegner eine Entziehung der Fahrerlaubnis – anders als noch zu Beginn des Verwaltungsverfahrens – nicht für nötig befunden. Der Antragsteller durfte und darf vielmehr seit dem Vorfall am 5. November 2017 weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen. Zwischen dem Vorfall und der Auflagenanordnung entsprechend dem Änderungsbescheid liegt ein Zeitraum von fast zwei Jahren. Von einem besonders dringlichen Fall wurde insofern mithin schon seitens des Antragsgegners nicht ausgegangen.
c) Den vorstehenden Ausführungen entsprechend war die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Zwangsgeldandrohungen in Nummer 5 des Ausgangsbescheids vom 12. März 2019, welche durch die Nummer 5 des Änderungsbescheids vom 11. September 2019 aufrechterhalten wurden, anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nr. 1.5 Satz 1, 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, Anh. § 164 Rn. 14). Danach ist für die Fahrerlaubnisklasse B ein Streitwert von 5000,– EUR und für die Fahrerlaubnisklasse A 1 ein Streitwert von 2500,– EUR zu berücksichtigen, deren Summe im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist. Die in der Klasse B enthaltenen Klassen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV) sind nicht gesondert zu berücksichtigen.


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