Medizinrecht

Subvention – Corona Soforthilfe; Gewährung

Aktenzeichen  4 A 45/22

Datum:
9.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Halle (Saale) 4. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
Art 3 Abs 1 GG
Art 3 Abs 1 GG
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Die Förderpraxis des Beklagten, mit der Künstlersoforthilfe anlässlich der getroffenen Corona-Maßnahmen nur erwerbsmäßig tätige Künstler und Schriftsteller zu fördern und zum Beleg dieser Voraussetzungen ausschließlich den Nachweis der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zu einem Stichtag zuzulassen, stellt sich nicht als gleichheitswidrig dar und ist durch sachgerechte Gesichtspunkte im Rahmen eines weiten Ermessensspielraumes gedeckt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der  Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Soforthilfe zur Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Die Klägerin beantragte am 20. April 2020 bei dem Beklagten die Gewährung eines Zuschusses für die von der COVID-19-Pandemie besonders betroffenen selbständigen Künstlerinnen und Künstler sowie Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Sie gab hierin an, als Autorin Texte und Bücher für Künstlerinnen und Künstler zu verfassen. Der Beklagte forderte mit Email vom 29. April 2020 von der Klägerin einen Nachweis zur angegebenen Wohnanschrift sowie einen aktuellen Nachweis der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse oder eine Kopie eines Bescheides über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Künstlersozialkasse an. Am 30. April 2020 teilte die Klägerin mit, sie habe am 29. April 2020 einen Antrag bei der Künstlersozialkasse gestellt und könne noch keinen Nachweis über die Mitgliedschaft erbringen.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2020 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte er aus, nach dem Erlass der Staatskanzlei (StK) vom 2. April 2020, StK-61-04032, i. V. m. Nr. 7.4 der Kulturförderrichtlinie Sachsen-Anhalt, Erlass der StK vom 27. Juli 2017, werde bei Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen ein nicht rückzahlbarer Zuschuss im Wege einer Soforthilfe gewährt. Die bereitgestellte Soforthilfe richte sich an selbständige Künstlerinnen und Künstler sowie Schriftstellerinnen und Schriftsteller unter der Voraussetzung einer bestehenden Pflichtversicherung in der Künstlersozialkasse. Da die Klägerin in der Künstlersozialkasse nicht versichert sei, könne ihr die Soforthilfe nicht gewährt werden.
Am 4. Juni 2020 hat die Klägerin vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben.
Sie meint, als selbständige Autorin mit Spezialisierung auf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler und feministische Themen im Kunstbetrieb sowie im Bereich kulturhistorische Belletristik, sei sie erwerbsmäßig tätig. Bei einer rückwirkend bestehenden Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse sei es nicht sachgerecht, den Antrag auf Gewährung der Soforthilfe abzulehnen. Bei den Anweisungen zum Verfahren handle es sich nicht um Anspruchsvoraussetzungen. Voraussetzung für den Empfang der Soforthilfe sei die Erwerbsmäßigkeit der künstlerischen Tätigkeit. Der Gleichheitssatz wäre verletzt, wenn die Voraussetzungen für den Antragsmonat vorliegen, der Antrag jedoch abgelehnt werde, weil die Voraussetzungen zu einem willkürlichen Stichtag vorausgesetzt worden seien. Der Nachweis der Versicherung solle grundsätzlich der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung dienen. Im Freistaat Bayern sei dies erkannt und der Kreis der Antragsberechtigten entsprechend erweitert worden, nachdem ursprünglich ebenso eine KSK-Mitgliedschaft gefordert worden war. Es bestehe kein Zweifel daran, dass sie bereits zum Stichtag 11. März 2020 die Voraussetzungen für eine Aufnahme in der Künstlersozialkasse erfüllt habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Mai 2020 zu verpflichten, ihr nach dem Erlass der Staatskanzlei vom 2. April 2020 (StK-61-04032) eine Soforthilfe als Zuschuss in Höhe von 400,00 € zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der begehrten Leistung sei unter anderem die Ausübung einer nicht nur vorübergehenden erwerbsmäßigen künstlerischen oder schriftstellerischen Tätigkeit. Die hierbei enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe seien zur Verfahrensvereinfachung und erheblichen Beschleunigung der Auszahlung der Soforthilfe an denselben Begriffen, die nach § 1 KSVG gelten, orientiert. Nach den Anweisungen zum Verfahren Soforthilfe-Erlass sei festgelegt, dass hierzu unter anderem ein Nachweis der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse (Stichtag 11. März 2020) vorzulegen ist. Damit werde das Prüfergebnis der Künstlersozialkasse zur Voraussetzung für die Zahlung der Soforthilfe erklärt. Die Wahl des Stichtags 11. März 2020 sei nicht willkürlich erfolgt. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt habe zu diesem Zeitpunkt erstmalige Regelungen als Reaktion auf die Corona-Pandemie erlassen, zu denen auch der Soforthilfe-Erlass als Grundlage für die Soforthilfe-Zahlung gehöre. Eine etwaige abweichende Regelung in Bayern sei für das Verfahren in Sachsen-Anhalt unerheblich, weil es weitreichende Abweichungen gäbe. In Bayern könne die Soforthilfe nur ausgereicht werden, wenn keine sonstige Unterstützung bezogen wurde, während in Sachsen-Anhalt die Künstler-Soforthilfe neben weiteren Hilfeleistungen bezogen werden könne. Die Hilfsprogramme würden deutlich unterschiedliche Ziele verfolgen. Eine rückwirkende Mitgliedschaft in dir Künstlersozialkasse könne die Klägerin nicht zum maßgeblichen Stichtag erreichen, da sie den Antrag erstmalig am 29. April 2020 gestellt habe.
Die Klägerin hat den Bescheid der Künstlersozialkasse vom 8. Januar 2021 vorgelegt. Hierin wird ihr gegenüber festgestellt, dass in der Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung nach § 1 KSVG ab dem 29. April 2020 Versicherungspflicht besteht.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung jeweils schriftlich zugestimmt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidung des Gerichts gewesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis hierzu erteilt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 2020 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil diese weder Anspruch auf Gewährung der beantragten Soforthilfe noch einen Anspruch erneute Bescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat, § 113 Abs. 5 VwGO.
Rechtsgrundlage der begehrten Billigkeitsleistung sind die Grundsätze zur Gewährung von Soforthilfen zur Unterstützung der Künstlerinnen und Künstler sowie Schriftstellerinnen und Schriftsteller aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie (Erlass der Staatskanzlei vom 2. April 2020 – StK-61-04032, veröffentlicht am 2. April 2020 https://ms.sachsen-anhalt.de/themen/gesundheit/aktuell/coronavirus/verordnungen-erlasse-und-empfehlung-en; im Folgenden: Erlass) i. V. m. dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und § 53 LHO LSA.
Danach gewährt das Land Sachsen-Anhalt an Künstlerinnen und Künstler in Anlehnung an Nr. 7.4 der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von kulturellen und künstlerischen Projekten und kulturellen Institutionen (Erlass der Staatskanzlei vom 27. Juli 2017 – StK-6-57001, veröffentlicht im MBl. LSA Nr. 40/2017 vom 9. Oktober 2017) im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (§ 53 LHO LSA) schnelle Liquiditätshilfen zum Teilausgleich für die infolge der durch Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona Virus SARS-CoV-2 eingetretenen Schäden. Bei Billigkeitsleistungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Unter welchen Voraussetzungen die bereit gestellten Mittel zu gewähren sind, ist nicht durch Rechtsnormen erfolgt. Vielmehr werden in den einschlägigen Richtlinien und Erlassen selbst Auswahlkriterien, Bewilligungsvoraussetzungen und Anweisungen zum Verfahren festgelegt. Richtlinien und Erlasse dieser Art sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 14. März 2018 – 10 C 1.17 – juris, m. w. N.) keine Rechtsnormen, denn sie haben keinen Rechtssatzcharakter. Sie begründen nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten. Sie sind aber dazu bestimmt, Maßstäbe für die gleichmäßige Verteilung der Billigkeitsleistung zu setzen Die Verwaltungsbehörde darf unter Berücksichtigung der Zielrichtung der Fördermaßnahme ihr Ermessen durch Erlasse und Richtlinien oder eine Verwaltungspraxis für bestimmte Fallgruppen gleichmäßig nach generellen Gesichtspunkten binden. Die Ermessensbindung reicht nur soweit, wie die festgestellte tatsächlich ständig geübte Verwaltungspraxis (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2012 – 8 C 18.11 – juris).
Ist – wie hier – durch Erlass bestimmt, unter welchen Voraussetzungen zweckbestimmte Billigkeitsleistungen an den festgelegten Empfängerkreis zu verteilen sind, dann sind diese Vorgaben grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation unterworfen. Das Gericht ist auf die Überprüfung beschränkt, ob bei Anwendung des Erlasses im Einzelfall, in dem die begehrte Leistung versagt worden ist, über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt oder der durch die Zweckbestimmungen gezogene Rahmen nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 1979 – 3 C 111.79 – juris).
Richtlinien und Erlasse vermögen somit eine anspruchsbegründende Außenwirkung nur vermittels des Gleichheitssatzes und des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots des Vertrauensschutzes zu begründen. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 10 C 1.17 – juris).
Der Normgeber ist unter Beachtung der genannten Grundsätze in seiner Entscheidung, welche Personen/-gruppen durch finanzielle Leistungen des Staates gefördert werden sollen, weitgehend frei. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen dem Normgeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 10 C 1.17 – juris, m. w. N.). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit Urteil vom 23. Oktober 1951 – 2 BVG 1/51 – juris) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Diese Grundsätze gelten auch für den Richtliniengeber (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 1987 – 7 C 24.85 – juris).
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Ablehnung des Antrags der Klägerin durch den Beklagten nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der Billigkeitsleistung und keinen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Ein Anspruch auf die Gewährung einer Soforthilfe besteht – wie sich aus Nr. 4.2 des Erlasses eindeutig ergibt – nicht. Nur bei Erfüllung aller Voraussetzungen und verfügbaren Haushaltsmitteln kann unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und einer ständig geübten Vergabepraxis eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen, die einen Anspruch auf Gewährung bewirkt. Vorliegend erfüllt die Klägerin nicht alle Fördervoraussetzungen für die beantragte Billigkeitsleistung.
Unterstützt werden nach Nr. 3.1 des Erlasses natürliche Personen, die als selbstständige Künstlerinnen und Künstler in den Bereichen Musik, darstellende oder bildende Kunst ihre künstlerische Tätigkeit schaffen, ausüben oder lehren sowie Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Die künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit muss erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausgeübt werden, Nr. 3.2. des Erlasses. In den ermessenslenkenden Anweisungen zum Verfahren wird unter Nr. 5. vorgegeben, welche Unterlagen mit der Antragstellung vorzulegen sind. Hierzu zählt unter anderem die Vorlage eines Nachweises der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zum Stichtag 11. März 2020.
Bezuschusst werden nach dem Willen des Soforthilfegebers somit ausschließlich erwerbsmäßig tätige Künstler. Eine Einzelfallprüfung dahingehend, ob der jeweilige Antragsteller erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend künstlerisch tätig ist, findet nach der unbestrittenen Verwaltungspraxis des Beklagten nicht statt. Der Beklagte lässt nach seiner Verwaltungspraxis im Einklang mit den Anweisungen zum Verfahren (Nr. 5 des Erlasses) im gesamten Künstler-Soforthilfeverfahren zum Nachweis der erwerbsmäßig ausgeübten künstlerischen Tätigkeit ausschließlich den Nachweis der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zu.
Zunächst steht die Förderung der Gruppe der erwerbsmäßig tätigen Künstler in Abgrenzung zu nicht erwerbsmäßig tätigen Künstlern im Einklang mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Erlass bestimmt unter Nr. 1., dass Ziel der Soforthilfe ist, die wirtschaftliche Existenz und das Aufrechterhalten der künstlerischen Tätigkeit von Künstlern und Schriftstellern zu sichern, die wegen des Verbots öffentlicher Veranstaltung in ihrer Existenz bedroht sind. Gefördert werden sollten damit betroffene Künstler, bei denen in der Regel ein kompletter Einnahmeverlust mit allen damit verbundenen Existenzsorgen aufgrund der Folgen der COVID-19 Pandemie einhergeht. Übt ein Künstler seine Tätigkeit nicht erwerbsmäßig aus, so liegt eine solche besondere Betroffenheit von den Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie in der Regel nicht vor, sodass hierin ein taugliches Abgrenzungskriterium zu sehen ist.
Die weitere Verwaltungspraxis des Beklagten bezüglich der Prüfung der Fördervoraussetzungen ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich obliegt es dem Fördergeber zu bestimmen, welche Unterlagen er im Rahmen der Antragstellung benötigt und anfordert. Hierzu besteht ein weiter Ermessensspielraum. Es verletzt insbesondere nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Bestätigung der erwerbsmäßig ausgeübten künstlerischen Tätigkeit auf die Vorlage eines Nachweises der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zu beschränken. Denn die Anknüpfung der Prüfung der Förderkriterien „künstlerische Tätigkeit“, „erwerbsmäßig“ und „nicht nur vorübergehend“ an die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse beruht auf sachgerechten Erwägungen. Der Erlass zur Gewährung der Billigkeitsleistung verwendet in Nr. 3. zur Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen die vorgenannten unbestimmten Rechtsbegriffe. Ob jemand künstlerisch tätig ist und ob er diese Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt, kann im Einzelfall aufwendige Prüfungen erforderlich machen. Dieselben unbestimmten Rechtsbegriffe verwendet auch § 1 Nr. 1 KSVG zur Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen eine Versicherungspflicht in der Künstlersozialkasse begründet wird. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der sachnahen Prüfung durch die Künstlersozialkasse ist es nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt, wenn zur Verfahrensvereinfachung und Beschleunigung maßgeblich auf den Nachweis der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse abgestellt wird.
Die Anknüpfung an eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse ist auch ein sachgerechtes, taugliches Abgrenzungskriterium, das sich im Rahmen des Förderzwecks bewegt. Es widerspricht nicht der Lebenserfahrung, dass erwerbstätige Künstler, die auf selbständiger oder freiberuflicher Basis ein gewisses Mindesteinkommen zum Bestreiten ihrer Existenz erzielen, bei der Künstlersozialkasse versichert sind. Nach § 1 KSVG besteht Versicherungspflicht, wenn eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausgeübt wird. Sofern mit der künstlerischen Tätigkeit nicht mindestens ein voraussichtliches Jahresarbeitseinkommen, das über der gesetzlich festgelegten Grenze liegt, so ist der Künstler in der Künstlersozialkasse versicherungsfrei.
In den Fällen der Versicherungsfreiheit wegen Nichterreichens der Einkommensmindestgrenze ist grundsätzlich auch nicht davon auszugehen, dass gerade aus der künstlerischen Tätigkeit fortlaufend die Existenz gesichert wird. Besteht neben einer „geringfügigen“ künstlerischen Tätigkeit eine anderweitige Sicherung/Einkommensquelle (z. B. der Bezug von Grundsicherungsleistungen des Staates), kommt es durch die pandemiebedingten Einschränkungen regelmäßig nicht zu einem kompletten Einkommensverlust mit den damit verbundenen Existenznöten. Hieraus ergibt sich ein hinreichender Differenzierungsgrund für die vorgenommene Abgrenzung, die gerade dem beschriebenen Förderzweck entspricht. Ferner können von der grundsätzlich festzustellenden Versicherungspflicht aufgrund zusätzlicher Sachverhalte Ausnahmen bestehen, die in einem oder mehreren Versicherungszweigen zur Versicherungsfreiheit nach dem KSVG führen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen ein anderweitiges Einkommen erzielt wird, z. B. aus einer Beschäftigung, aus Altersrente oder bei Höherverdienenden. Auch diesbezüglich besteht ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der Künstlersozialkasse. Denn soweit eine anderweitige (Haupt-) Einnahmequelle besteht, kann nicht notwendig von einer Existenzgefährdung durch die Beeinträchtigung der ergriffenen Maßnahmen anlässlich der COVID-19 Pandemie auszugehen sein, sodass es dem Differenzierungsziel – der Förderung von Künstlern, die von ihrer künstlerischen Tätigkeit leben – entspricht, auf die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse abzustellen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der in § 1 KSVG gesetzlich angeordneten Versicherungspflicht bei Vorliegen einer erwerbsmäßigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit.
Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Soforthilfeantrag war die Klägerin nicht Mitglied in der Künstlersozialkasse zum festgesetzten Stichtag, sodass sie nicht zu dem von dem Erlass begünstigten Personenkreis zählt.
Soweit sie nunmehr rückwirkend ab dem 29. April 2020 Mitglied in der Künstlersozialkasse geworden ist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn Fördervoraussetzung ist nach den Vorgaben des Erlasses und der ständig geübten Verwaltungspraxis des Beklagten, dass die Mitgliedschaft zum Stichtag 11. März 2020 bestanden haben muss. Die Anknüpfung an einen Stichtag unterliegt hier keinen rechtlichen Bedenken, weil sie weder sachfremd noch willkürlich erfolgt. Der Stichtag knüpft an den Erlass des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration vom 11. März 2020 an, mit dem die Landesregierung Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Corona Virus SARS-CoV- 2 in Sachsen-Anhalt verfügt hat. Dies hatte zur Folge, dass eine Vielzahl von Einrichtungen, Begegnungsstätten und Angeboten (unter anderem Theater, Museen, Ausstellungshäuser, Musikschulen, Freizeit-, Spiel- und Vergnügungseinrichtungen, Bibliotheken, sonstige öffentliche und privat außerschulische Bildungseinrichtungen, Gaststätten, Sportbetriebe) schließen mussten und alle öffentlichen Veranstaltungen untersagt waren. Aufgrund der besonderen Betroffenheit von selbständigen freischaffenden Künstlern sowie Schriftstellern und einer darauf aufbauenden Existenzbedrohung dieses Personenkreises, knüpft der Erlass vom 2. April 2020 in Nr. 1 anlassbezogen an die am 11. März 2020 angeordneten Maßnahmen an. Diese Anknüpfung korreliert ebenfalls mit dem angegebenen Förderzweck.
Der Beklagte war auch nicht gehalten, aus sachlichen Gründen von seiner Behördenpraxis abzuweichen. Der Umstand, dass sich die Klägerin nachträglich zu einem späteren Zeitpunkt in der Künstlersozialkasse versichern konnte, gebietet keine Abweichung von der Anwendung des Stichtagsprinzips. Denn hierin liegen keine außergewöhnlichen Umstände, die ein Abweichen von der Behördenpraxis gebieten würden. Es ist dem Stichtagsprinzip gerade immanent, dass ein Zustand oder ein Ereignis gerade zu diesem Datum gegeben sein muss. Besondere Umstände, die die Klägerin an einer vor dem Stichtag liegenden Antragstellung auf Versicherung in der Künstlersozialkasse gehindert haben sollen, hat sie nicht vorgetragen. Soweit sie meint, sie habe bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse erfüllt, ist dies zum einen nicht belegt und es bleibt die Frage offen, weshalb sie bei einer dann nach § 1 KSVG gesetzlich bestehenden Versicherungspflicht nicht zuvor einen Antrag bei der Künstlersozialkasse gestellt hat. Im Fall des Eintritts der Versicherungspflicht konstatiert § 11 KSVG nämlich eine Meldepflicht.
Der von der Klägerin vorgebrachte Umstand, dass der Freistaat Bayern die Corona-Soforthilfe für Künstler nicht von der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse abhängig macht, liegt in dessen Förderermessen. Für Künstler im Land Sachsen-Anhalt lassen sich hieraus keine Rechte herleiten.
Dass der Beklagte eine von dem Erlass abweichende Zuwendungspraxis geübt und Antragstellern ohne Nachweis der Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zum maßgeblichen Stichtag eine Soforthilfe gewährt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben