Medizinrecht

Unzulässiger Antrag, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis

Aktenzeichen  M 26b E 22.1528

Datum:
8.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8989
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
16. BayIfSMV § 2 Nr. 4 SchAusnahmV

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Verkürzung der Gültigkeitsdauer des Genesenenstatus von sechs Monaten auf 90 Tage.
Der Antragsteller verfügt über ein Digitales COVID-Zertifikat der EU, aus dem hervorgeht, dass er am … November 2021 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet wurde und bis zum … Mai 2022 als genesen gilt.
Auf nationaler Ebene galten bis zum 14. Januar 2022 gemäß § 2 Nrn. 4 und 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) folgende Begriffsbestimmungen:
„Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
4. eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist,
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt, (…).“
(Hervorhebung nicht im Original)
Mit der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1) wurde § 2 Nr. 5 SchAusnahmV mit Wirkung zum 15. Januar 2022 wie folgt gefasst:
„Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht:
a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion,
b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung,
c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf“.
Unter der Internetadresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis (zuletzt aufgerufen am 18.3.2022) war mit dem Hinweis, dass die Vorgaben „ausschließlich vor und nach der durchgemachten Infektion nicht geimpfte Personen“ betreffen, unter anderem Folgendes ausgeführt:
„Fachliche Vorgaben für Genesenennachweise, mit Wirkung vom 15.01.2022:
Ein Genesenennachweis im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung muss aus fachlicher Sicht folgenden Vorgaben entsprechen:
a) Die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion muss durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein UND
b) das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage zurückliegen UND
c) das Datum der Abnahme des positiven Tests darf höchstens 90 Tage zurückliegen.
(Hervorhebung nicht im Original)
(…)“
Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 478) wurde mit Wirkung zum 19. März 2022 § 2 Nr. 5 SchAusnahmV aufgehoben und § 2 Nr. 4 SchAusnahmV wie folgt gefasst:
„Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
4. eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises im Sinne von § 22a Abs. 2 des Infektionsschutzgesetztes ist“
Mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 467) wurde in das Infektionsschutzgesetz mit Wirkung zum 19. März 2022 § 22a Abs. 2 eingefügt, der folgenden Inhalt hat:
„Ein Genesenennachweis ist ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn
1. die vorherige Infektion durch einen Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-NAAT oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) nachgewiesen wurde und
2. die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegt.“
(Hervorhebung nicht im Original)
Mit Schreiben vom … März 2022 stellte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Er beantragt
die Verlängerung des Genesenenstatus von drei auf sechs Monate.
Der Antrag wurde nicht begründet.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 24. März 2022,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Genesenenstatus nunmehr im § 22a Abs. 2 IfSG geregelt sei und damit die als verfassungswidrig eingestufte dynamische Verweisung auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts abgeschafft wurde.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag hat keinen Erfolg, da er bereits unzulässig ist.
1.1. Der Antrag wird zunächst im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers gemäß der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. etwa B. v. 22.02.2022 – M 26b E 22.730 – beck-online) dahingehend ausgelegt, § 88 VwGO, dass der Antrag auf vorläufige Feststellung gerichtet ist, dass der Antragsteller wie im Digitalen COVID-Zertifikat der EU ausgewiesen bis zum … Mai 2022 als genesene Person im Sinne des § 2 Nr. 4 SchAusnahmV gilt.
1.2. Dem so verstandenen Antrag fehlt inzwischen das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antrag nicht mehr geeignet ist, die Rechtsstellung des Antragstellers zu verbessern (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, Vorbem. § 40 Rn. 16).
Mit Inkrafttreten der Sechzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (16. BayIfSMV) vom 1. April 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 210) am 3. April 2022 sind die bislang bestehenden Einschränkungen für ungeimpfte und nicht genesene Personen weitgehend entfallen. Es besteht nach der 16. BayIfSMV für volljährige Personen nur noch eine vom Genesenenstatus unabhängige punktuell geltende Maskenpflicht, vgl. § 2 der 16. BayIfSMV, sowie eine punktuell geltende 3G-Pflicht, soweit es insbesondere um den Zugang zu Einrichtungen, in denen vermehrt Personen anzutreffen sind, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen COVID-19-Krankheitsverlauf haben, vgl. § 3 der 16. BayIfSMV, sowie den Zugang zu und die Tätigkeit in Schulen und Kindertageseinrichtungen, vgl. §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 3 und 4 der 16. BayIfSMV, geht. Dass der Antragsteller von diesen Regelungen konkret betroffen ist, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Im Übrigen stünde dem Antragsteller die Möglichkeit der Vorlage eines Testnachweises offen, der kostenlos durchgeführt werden kann, § 4a der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV).
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung abzielt, erscheint eine Anhebung des Streitwerts auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angebracht.


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