Medizinrecht

Verbot von Taubenausstellungen – Bekämpfung der Geflügelpest

Aktenzeichen  W 8 K 16.1289

Datum:
6.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Geflügelpestverordnung § 7 Abs. 6

 

Leitsatz

1. Im Gefahrenabwehrrecht ist bei der Feststellung der Rechtmäßigkeit die ex-ante-Beurteilung maßgeblich. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Bejahung des Begriffs des Vorliegens einer Tierseuche reicht bereits die realistische Möglichkeit der Weiterverbreitung einer übertragbaren Krankheit auch auf der Grundlage weniger Einzelfälle aus; der Ausbruch einer Epidemie im großen Umfang ist dafür nicht erforderlich. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da das Taubenausstellungsverbot in der Allgemeinverfügung des Landratsamts H. vom 24. November 2016 rechtmäßig war und daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzte, § 113 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 VwGO.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse in Form der Wiederholungsgefahr gegeben.
Statthafte Klageart ist die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Nach Erhebung der Klage hat sich die Allgemeinverfügung des Beklagten vollständig erledigt, weil die Allgemeinverfügung am 16. März 2017 aufgehoben wurde und von ihr auch keine weiteren Rechtswirkungen für ein Vollstreckungsverfahren oder ein Kostenverfahren ausgehen.
Das für die Fortsetzungsfeststellungsklage von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes liegt bei dem Taubenausstellungsverbot in Form der konkreten Wiederholungsgefahr vor. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ist anzunehmen, wenn der Kläger trotz Erledigung des angegriffenen Verwaltungsakts noch ein nachvollziehbares Interesse an der Frage hat, ob der Verwaltungsakt ursprünglich rechtswidrig war. Das begehrte Feststellungsurteil muss geeignet sein, die Position des Klägers zu verbessern (Kopp, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 113 Rn. 130). Das erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse kann aus einem Rehabilitationsinteresse oder tiefgreifenden Grundrechtseingriff sowie aus einer konkreten Wiederholungsgefahr resultieren. Für die Annahme einer Wiederholungsgefahr muss angesichts des vorbeugenden Charakters eines solchen Feststellungsinteresses eine hinreichend konkrete Gefahr dafür vorliegen, dass ein gleichartiger Verwaltungsakt bzw. eine sonstige gleichartige Maßnahme unter im Wesentlichen nicht veränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ergehen wird. Es kommt darauf an, ob die Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von zukünftigem Verwaltungshandeln unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften zu erwarten ist. Für den Einzelfall bedarf es nicht des Nachweises, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zu Grunde liegen werden, wie vor Erledigung des Verwaltungsakts, denn entscheidend ist die Klärung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zukünftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften (Decker in BeckOK, VwGO, Stand 1.10.2017, § 113 Rn. 87.2). Notwendig ist daher eine vergleichbare, nicht jedoch eine identische Situation (VGH München, B.v. 14.7.2008 – 4 ZB 07.2735 – BayVBl. 2009, 215).
Nach diesem Maßstab ist im vorliegenden Fall eine Wiederholungsgefahr gegeben, denn anhand der momentanen Entwicklungen kann eine vergleichbare Seuchensituation, die wiederum ihr entgegenwirkende Maßnahmen wie das Taubenausstellungsverbot erfordern, auch in den folgenden Jahren wieder auftreten. Dies ergibt sich auch bereits daraus, dass in den vergangenen Jahren immer wieder die Geflügelpest auftrat und auch für 2017 wieder zu erwarten war (vgl. FLI, Radar Bulletin, Stand: Oktober 2017). Entgegen den Ausführungen des Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der in den Folgejahren tatsächlich auftretende Subtypus des Geflügelpestvirus mit dem Subtypus des Jahres 2016 identisch ist. Denn für die Annahme einer sich wiederholenden Seuchensituation reicht eine zu erwartende vergleichbare Situation aus. Würde die Annahme der Wiederholungsgefahr den gleichen Subtypus erfordern, liefe dies letztlich auf das Erfordernis einer identischen Situation hinaus, die faktisch nicht möglich ist. Insbesondere wird das Landratsamt wohl auch in Zukunft bei einer erneut auftretenden Geflügelpest ein Taubenausstellungsverbot erlassen, da es dies unter anderem aufgrund des relevanten Risikos der Vektoreneigenschaft der Tauben erließ und die Vektoreneigenschaft auch nicht anhand des jeweiligen Subtypus der Geflügelpest differenzierte.
Da im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bislang nur Gespräche und Überlegungen stattfanden und noch nicht eindeutig absehbar war, ob in Zukunft tatsächlich im Rahmen einer beabsichtigten Änderungsverordnung, ein Verbot von reinen Taubenausstellungen nicht mehr möglich sein wird, lag im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Wiederholungsgefahr vor.
Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Die Allgemeinverfügung vom 24. November 2016 war rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 VwGO), insbesondere war das Verbot der Taubenausstellung im Zeitpunkt seines Erlasses bis zu dessen Aufhebung nach einer ex-ante-Betrachtung für die Bekämpfung von Tierseuchen erforderlich.
Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist zunächst der Erlass der Allgemeinverfügung am 24. November 2016, weil das Taubenausstellungsverbot als seuchenrechtliche Maßnahme in das Recht der Gefahrenabwehr zu verorten ist und dort die ex-ante-Beurteilung bei der Feststellung der Rechtmäßigkeit maßgeblich bleibt (vgl. u.a. BVerfG B. v. 20.4.2017 – 2 BvR 1754/14 – juris Orientierungssatz 2b). Zusätzlich sind aber vorliegend bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit die Sach- und Rechtslage nach Erlass des Taubenausstellungsverbots bis zu dessen Aufhebung zu berücksichtigen, da das Verbot bis zu seiner Aufhebung am 16. März 2017 fortwirkte und folglich das Taubenausstellungsverbot ein Dauerverwaltungsakt war.
Das Taubenausstellungsverbot war formell rechtmäßig. Es wurde unter Einhaltung der besonderen Voraussetzungen einer Allgemeinverfügung öffentlich bekanntgegeben nach Art. 41 Abs. 3, Abs. 4 BayVwVfG.
Im Zeitpunkt seines Erlasses bis zu seiner Aufhebung war das Taubenausstellungsverbot auch materiell rechtmäßig, da es zur Bekämpfung der Geflügelpest erforderlich war nach § 4 Abs. 2 ViehVerkV i.V.m. § 7 Abs. 6 Geflügelpest-Verordnung.
Bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Tatbestandes des § 4 Abs. 2, Abs. 1 ViehVerkV ist zunächst zu beachten, dass bei der Definition und Auslegung der einzelnen Voraussetzungen das Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) heranzuziehen ist. Ursprünglich wurde die Viehverkehrsverordnung auf der Ermächtigungsgrundlage von § 7 Abs. 1, § 17b Abs. 1, § 17h Nr. 1, § 73a, § 79 Abs. 1 Tierseuchengesetz erlassen. Das TierGesG ist am 1. Mai 2014 in Kraft getreten und hat das Tierseuchengesetz damit abgelöst. Soll anstelle des neuen Rechts etwas anderes gelten, muss dies ausdrücklich bestimmt werden (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 412 ff.). Eine gegenteilige Übergangsregelung gibt es nicht, vielmehr bestimmt § 43 Abs. 4 TierGesG, dass das Bundesministerium ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates in Rechtsverordnungen, die auf Grund des Tierseuchengesetzes erlassen worden sind, die Anpassungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um die jeweilige Rechtsverordnung an die Ablösung des ermächtigenden Gesetzes durch dieses Gesetz anzupassen. Aus dieser Übergangsregelung folgt letztlich, dass die auf der Grundlage des Tierseuchengesetzes erlassenen Rechtsverordnungen – unter anderem die Viehverkehrsverordnung – weitergelten sollen, nunmehr auf der Grundlage des TierGesG, da ansonsten eine andere Regelung getroffen worden wäre.
Nach § 4 Abs. 2, Abs. 1 ViehVerkV i.V.m. § 7 Abs. 6 Geflügelpestverordnung kann die zuständige Behörde Viehausstellungen, Viehmärkte und Veranstaltungen ähnlicher Art beschränken oder verbieten, soweit dies aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung erforderlich ist.
Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2, Abs. 1 ViehVerkV i.V.m. § 1 Satz 1 TierGesG ist erfüllt, da das Verbot der Taubenausstellung eine Maßnahme zur Vorbeugung vor Tierseuchen und deren Bekämpfung ist.
Bei der Taubenausstellung handelt es sich auch um eine Viehausstellung im Sinne des § 4 Abs. 2, Abs. 1 ViehVerkV i.V.m. § 2 Nr. 4 Buchst. f TierGesG. Nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 4 Buchst. f TierGesG unterfallen dem Begriff des Viehs auch die Tauben.
Im Zeitpunkt des Erlasses des Taubenausstellungsverbots bis zu dessen Aufhebung lag eine Tierseuche bei Wildvögeln und Hausgeflügel vor. Nach § 2 Nr. 1 TierGesG ist eine Tierseuche eine Infektion oder Krankheit, die von einem Tierseuchenerreger unmittelbar oder mittelbar verursacht wird, bei Tieren auftritt und auf Tiere oder Menschen (Zoonosen) übertragen werden kann. Für die Bejahung des Begriffs des Vorliegens einer Tierseuche reicht insofern bereits die realistische Möglichkeit der Weiterverbreitung einer übertragbaren Krankheit auch auf der Grundlage weniger Einzelfälle aus; der Ausbruch einer Epidemie im großen Umfang ist dafür nicht erforderlich. Andernfalls würde der Schutzzweck, der mit den nach dem Tierseuchengesetz maßgeblichen vorbeugenden Schutzmaßnahmen erreicht werden soll, verfehlt (Hessischer VGH, B. v. 25.4.1997 – 11 TG 1050/97 – juris Rn.10). Dem Risikobericht des FLI vom 18. November 2016 ist zu entnehmen, dass im maßgeblichen Zeitraum eine Tierseuche in Form des H5N8-Virus vorlag. Die Anzahl der betroffenen Tierinfektionen ging sogar bereits über wenige Einzelfälle hinaus. Denn in diesem Risikobericht wurden 221 Fälle von H5N8 bei Wildvögeln und 5 Fälle von H5N8 bei Hausgeflügel in 8 Bundesländern, davon 32 Fälle bei Wildvögeln in Bayern, bestätigt. Die übertragbare Virusinfektion trat laut Risikoeinschätzung des FLI mit Stand vom 22. Dezember 2016 auch weiterhin während des andauernden Ausstellungsverbotes auf. Danach breitete sich die Geflügelpest in Form des H5N8-Virus weiter aus auf insgesamt 15 Bundesländer (über 500 Fälle bei Wildvögeln und 20 Fälle bei gehaltenen Vögeln) und es wurden 70 Fälle bei Wildvögeln in Bayern bestätigt.
Aus Effektivitätsgründen bei der Seuchenbekämpfung darf bei der Feststellung des Vorliegens einer Tierseuche zudem nicht punktuell auf einen einzelnen Landkreis abgestellt werden, wenn die Tierseuche bei Wildvögeln und Hausgeflügel bereits im ganzen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auftritt. Würde bereits das Vorliegen einer Tierseuche verneint werden mit der Begründung, auf einem eingrenzbaren Gebiet in der BRD läge gerade keine Tierseuche vor, obwohl bereits in mehreren Bundesländern Infektionsfälle festgestellt wurden, würde dies die Möglichkeiten der Bekämpfung von Tierseuchen zu sehr einschränken und gänzlich der Besonderheit von Tierseuchen in Hinblick auf ihre unkontrollierbare und in kürzester Zeit mögliche Verbreitung nicht gerecht werden.
Des Weiteren kommt es im vorliegenden Fall nicht streitentscheidend darauf an, ob es einer besonderen oder allgemeinen Tierseuchengefahr bedarf, da wie soeben ausgeführt eine Tierseuche bei Wildvögeln und Hausgeflügel vorlag. Tauben wurden seitens der Beklagten stets nur im Hinblick auf ihre Vektoreneigenschaft, mit anderen Worten als Übertragungs Weg und nicht als mögliches erkranktes Tier, betrachtet. Es wurde zu keinem Zeitpunkt seitens der Behörde von der Gefahr einer Erkrankung der Tauben mit dem H5N8-Virus ausgegangen.
Das Taubenausstellungsverbot war nach der anzuwendenden ex-ante Betrachtungsweise erforderlich zur Bekämpfung der Geflügelpest. Aufgrund des dynamischen Seuchengeschehens und der daher bestehenden aktuellen Gefahrenlage mit kurzfristigem Handlungsbedarf war die Beurteilung der Erforderlichkeit durch den Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.
Insbesondere bei der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung der Erforderlichkeit (BVerfG, B. v. 20.4.2017 – 2 BvR 1754/14 – juris Orientierungssatz 2b und 2c) kommt es, da eine Prognoseentscheidung getroffen werden muss, darauf an, ob aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Betrachters im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung die Voraussetzungen für ein Verbot von Taubenausstellungen vorlagen (VG Gera U.v. 17.3.2008 – 3 K 1513/07 Ge – juris Rn. 138).
Die Erforderlichkeit des Ausstellungsverbots zur Tierseuchenbekämpfung liegt vor, wenn das gewählte Mittel für diesen bestimmten Zweck geeignet ist und kein milderes Mittel existiert.
Der Zweck wird bereits durch § 4 Abs. 2 ViehVerkV bestimmt, der vorsieht, dass das Verbot der Viehausstellung nur zum Zwecke der Tierseuchenbekämpfung angeordnet werden darf. Das Taubenausstellungsverbot wurde vom Landratsamt H. zur Bekämpfung der Geflügelpest bei Wildvögeln und Hausgeflügel angeordnet. Insbesondere zielte die Maßnahme darauf ab, die weitere Verbreitung der Tierseuche und ein Einschleppen in und von anderen Gebieten zu verhindern (vgl. OVG Brandenburg, B.v. 5.6.1997 – 4 B 65/97 – NVwZ 1997, 811-815).
Die Maßnahme zielte bereits auf die Bekämpfung der Tierseuche ab und nicht auf eine bloße Vorbeugung. Denn für die Annahme einer Bekämpfung ist es bereits aus Effektivitätsgründen ausreichend, die weitere Verbreitung einer bereits ausgebrochenen Tierseuche zu verhindern (OVG Brandenburg, B.v. 5.6.1997 – 4 B 65/97 – NVwZ 1997, 811-815), insbesondere wenn die Tierseuche bereits verteilt über das ganze Bundesgebiet auftritt. Andernfalls würde es dazu führen, dass ein Bekämpfen immer erst dann angenommen werden könnte, wenn jedes Tier, das auf den Erreger reagiert, bereits infiziert ist. Dann könnten nur noch nachträgliche Maßnahmen wie – bei tödlich verlaufenden Seuchen nicht mehr erfolgreiche – medikamentöse Behandlungen erfolgen. Es geht daher letztlich an dieser Stelle nicht darum, ob das Landratsamt H2 den Ausbruch der Geflügelpest nur vorbeugend verhindern wollte. Da die Tierseuche per Definition schon ausgebrochen war, war Zweck des Ausstellungsverbots bereits die Bekämpfung. Dass die Maßnahme selbst einen gewissen vorbeugenden Charakter hat, ist unschädlich. Eine Maßnahme ist auch zur Bekämpfung erforderlich, wenn sie „vorbeugend“ die weitere Verbreitung der Tierseuche verhindert. Andernfalls könnte wie bereits dargestellt niemals eine Verbreitung der Seuche effektiv verhindert werden.
Der Argumentation der Klägerseite ein Bekämpfen käme nicht in Frage, da die Geflügelpestverordnung eine lokal begrenzte Bewertung und keine pauschale Vorgehensweise für einen Landkreis wegen der zu ergreifenden Schutzmaßnahmen und erst recht nicht für Verbote vorsehe, sondern eine landkreisbezogene Risikobewertung durch das Landratsamt H. vorzunehmen gewesen wäre, kann nicht gefolgt werden. Eine solche lokale Begrenzung sieht das Verbot des § 4 Abs. 2 ViehVerkV bereits nach seinem Wortlaut nicht vor. Vor allem kann nach Sinn und Zweck bei der Bekämpfung von Tierseuchen aufgrund des enorm hohen immanenten Risikos bei Seuchen, sich innerhalb kürzester Zeit zu verbreiten und zu verändern, nicht auf jeden einzelnen Landkreis abgestellt werden, wenn sich das Virus bereits bundes- und europaweit verbreitet hat (vgl. oben die Ausführungen zum Vorliegen einer Tierseuche). Gegen eine andere Sichtweise spricht auch bei diesem Prüfungspunkt, dass ansonsten Seuchenbekämpfungsmaßnahmen zu sehr eingeschränkt würden und eine seuchenartige Verbreitung nicht effektiv verhindert werden könnte.
Des Weiteren war das Verbot der Taubenausstellung als Mittel geeignet, eine weitere Verbreitung der Geflügelpest zu verhindern. Laut den nachvollziehbaren Ausführungen in der Begründung der Allgemeinverfügung vom 24. November 2016, die bereits die knappen aber wesentlichen Ausführungen enthielt, können Tauben als passive Überträger der Geflügelpest dienen und bei einem Kontakt auf Taubenausstellungen mit Vögeln aus unterschiedlichen Betrieben und infizierten Wildvögeln ein Infektionsrisiko darstellen, da sie auch häufig in gemischten Beständen gehalten werden. Vertieft wurde in der Klageerwiderung nachvollziehbar ausgeführt, die Taube erkranke zwar in der Regel nicht an der aviären Influenza, jedoch könne eine Verschleppung des Virus durch die Taube nicht ausreichend sicher ausgeschlossen werden. Insbesondere dann, wenn weiteres Geflügel gemeinsam mit Tauben gehalten werde, Tauben frei fliegen dürften oder in offenen Volieren gehalten würden und mögliche Kontakte so überhaupt nicht bekannt seien. Folglich bestehe ein signifikantes Ansteckungsrisiko für gehaltene Vögel (Geflügel oder in Gefangenschaft gehaltene Vögel anderer Arten) durch Tauben. Tauben könnten das Virus der Geflügelpest als Vektoren an im gleichen Bestand gehaltene Vögel und insbesondere auf Ausstellungen an Geflügel aus anderen Beständen weitergeben. Auch in der mündlichen Verhandlung wiederholte der Beklagtenvertreter Veterinär-Oberrat Dr. M. diese Einschätzung. Tauben hätten eine Vektorfunktion und könnten zur Übertragung beitragen.
Die Geeignetheit wird auch durch die Risikoeinschätzungen des FLI bestätigt. Zwar waren in der Risikoeinschätzung des FLI mit Stand 18. November 2016 noch bloße Zugangsbeschränkungen zu Vogelschauen empfohlen worden. Aber bereits wenige Tage später in der Risikoeinschätzung des FLI Stand 25. November 2016 (Blatt 84 der Behördenakte) wurde empfohlen, dass Geflügel-Ausstellungen unterbleiben sollten; dies gelte auch für Taubenausstellungen (wenngleich Tauben bisher von Infektionen mit H5N8 nicht betroffen waren). Obwohl zeitlich der Stand dieser Empfehlung einen Tag nach Erlass der Allgemeinverfügung ist, kann die Empfehlung dennoch wegen der zeitlichen Nähe zur Untermauerung der Geeignetheit als Mittel herangezogen werden. Auch in der Risikoeinschätzung mit Stand 22. Dezember 2016 (Blatt 129 der Behördenakte) wurde diese Empfehlung aufrechterhalten. Eine solche Empfehlung birgt in sich bereits die Aussage, dass die Maßnahme des Verbots einer Taubenausstellung geeignet ist, eine weitere Verbreitung der Geflügelpest zu verhindern. Die Empfehlung des FLI kann auch aufgrund der vorrangigen fachlichen Beurteilungskompetenz des FLI der Beurteilung der Geeignetheit des Verbots von Taubenausstellungen zugrunde gelegt werden. Das FLI als Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit ist eine selbstständige Bundesoberbehörde und nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 TierGesG zuständig für die Herstellung von Risikobewertungen auf dem Gebiet der Tierseuchenbekämpfung und somit für eine fachliche Beurteilung von tierischen Seuchengeschehen besonders prädestiniert.
Diese nachvollziehbare Einschätzung wird nicht durch das klägerische Vorbringen – wissenschaftlich belegt sei, dass Tauben keine Überträger des H5N8 Virus seien – widerlegt. Ein bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung des Landratsamts H., der Regierung von Unterfranken und der Empfehlung des FLI reicht nicht aus, um die fachlichen Beurteilungen zu entkräften. Vielmehr ist zur Entkräftung dieser fachlichen Beurteilungen ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (vgl. vorrangige Beurteilungskompetenz durch verbeamtete Tierärzte BayVGH, B. v. 23.5.2017 – 9 C 16.2602 – juris, Orientierungssatz). An einem solchen substantiierten Gegenvorbringen fehlt es vorliegend. Konkrete wissenschaftliche Begründungen wurden nicht vorgetragen.
Ein milderes Mittel mit gleicher Effektivität wie das Taubenausstellungverbot war vorliegend nicht gegeben. Insbesondere ist den nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagtenvertreter in der Begründung der Allgemeinverfügung, in deren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung zu folgen, dass das Taubenausstellungsverbot aufgrund der damaligen Dynamik des Geschehens im Hinblick auf die Risikominimierung das erforderliche, also effektivste und zugleich mildeste Mittel, zur Bekämpfung der Geflügelpest war.
Da die tierseuchenrechtlichen Bestimmungen in den Bereich der Gefahrenabwehr zu verorten sind, muss gerade bei der Überprüfung, ob die tierseuchenrechtlichen Maßnahme das mildeste und zugleich effektivste Mittel ist, berücksichtigt werden, dass im Zeitpunkt der Entscheidung letztlich nur ein Prognose, die jedoch den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen muss, getroffen werden kann. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ein mögliches milderes Mittel auch mindestens die gleiche Sicherheit und Eignung zur Verhinderung der Weiterverbreitung der Tierseuche bieten muss.
Daher kann aufgrund der vielen Unwägbarkeiten einer Tierseuche bei der Wahl des Mittels von den entscheidenden Beklagtenvertretern nicht gefordert werden, ein nicht überschaubares Risiko einzugehen. So ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagtenvertreter die Auswahl der Maßnahme unter anderem anhand des Kriteriums der höchst möglichen Risikominimierung trafen. Der Beklagtenseite ist zuzugestehen, dass sie nicht verpflichtet ist, ein milderes Mittel mit einer geringeren Effektivitätsprognose zu wählen. Insbesondere ist gerade das Verbot der Taubenausstellung das mildeste und effektivste Mittel gewesen, um den Kontakt von Vögeln aus unterschiedlichen Betrieben, die möglicherweise Kontakt mit Wildvögeln hatten, und zugleich eine mögliche Übertragung der Tierseuche zu verhindern. Da die Taubenzüchter ihre Tiere in Volieren oder im Freiflug halten, ist ein Kontakt zu möglicherweise infizierten Wildvöglen nicht ausgeschlossen. Sicherlich sind auch noch andere Übertragungswege möglich, bezüglich derer dann aber separate Maßnahmen getroffen werden müssen.
Im Gegensatz zum Taubenausstellungsverbot stellen Desinfektionsmatten oder sonstige Hygienevorkehrungen kein milderes und gleich effektives Mittel zur Geflügelpestbekämpfung dar. Diesbezüglich kann auf die plausiblen Erläuterungen von Dr. M. in der mündlichen Verhandlung verwiesen werden. Nach dessen nachvollziehbarer Einschätzung sind Desinfektionsmatten im Eingangsbereich einer Taubenausstellung nicht risikominimierend, da die Hobbyzüchter keine professionellen Hygienekenntnisse haben im Vergleich zu professionellen Geflügelbetrieben, in denen sonst solche Desinfektionsmatten zum Einsatz kommen. Eine Überprüfung der Einhaltung solcher Hygienemaßnahmen bei Taubenausstellungen ist nach den Angaben von Dr. M. in der Praxis nicht zu leisten. Entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich, zumal im Zusammenhang mit mehreren Taubenausstellungen in einem Landkreis und einem aktiven Tierseuchengeschehen jede Personalkapazität eines Veterinäramtes an ihre Grenzen kommt.
Auch kann der Erforderlichkeit des Verbots zur Seuchenbekämpfung nicht entgegen gehalten werden, dass die Allgemeinverfügung nicht unerlässlich für die Seuchenbekämpfung gewesen sei, da es im Landkreis selbst keine Fälle gegeben habe. Zum einen gab es laut Angabe des Dr. M* … in der mündlichen Verhandlung nach dem Erlass der Allgemeinverfügung vom 24. November 2016 im Landkreis H. circa 20 Fälle von betroffenen Wildvögeln. Vor allem aber kann die Erforderlichkeit zum anderen nicht aufgrund der im Gefahrenabwehrrecht vorzunehmenden Prognoseentscheidung anhand einer Betrachtung aus der Sicht nach dem Ende der Tierseuche beurteilt werden, sondern maßgeblich ist die ex-ante Sicht im Zeitpunkt der Anordnung des Verbots. Andernfalls würde die Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahme, auch wenn sie kausal die Verbreitung einer Tierseuche verhindert hätte, im Nachhinein entfallen und die Maßnahme rechtswidrig werden, was mit den Besonderheiten des Gefahrenrechts nicht vereinbar wäre.
Aus dem gleichen Grund kann auch nicht eingewendet werden, dass es bei der Ausstellung in Erfurt mit 22.000 Tieren zu keinen Seuchenübertragungen kam und nach den Ausführungen der Klägerseite daher keine Nachweise über eine Übertragung des Geflügelpestvirus durch eine Ausstellung vorlägen.
Zudem ist das Verbot im Vergleich zu anderen Maßnahmen wie Flugverboten und Aufstallungsanordnungen oder Tiertötungen das mildere Mittel zur Bekämpfung der Geflügelpest.
Dem Landratsamt H2 sind bei der Ausübung des Ermessens keine Ermessensfehler unterlaufen.
Nach § 114 Abs. 1 VwGO darf nur eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung erfolgen. Das Gericht darf daher nur prüfen, ob Ermessensfehler gemacht wurden. Solche Ermessensfehler sind weder in Form eines Ermessensausfalls noch eines Ermessensdefizits feststellbar.
Ein Ermessensausfall liegt nicht vor. Die Lenkung der Ermessenshandhabung durch die Weisung der Regierung von Unterfranken vom 24. November 2016 führt nicht zu einem Ermessensausfall. Ermessensfehlerhaft ist eine durch Weisung gelenkte Entscheidung nur dann, wenn die zur Ermessensentscheidung berufene Behörde keine eigenen Ermessenserwägungen anstellt, auf Weisung einer anderen Behörde entscheidet und die Weisung ihrerseits nicht den Anforderungen genügt, die an eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zu stellen sind (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 114 Rn. 14; Schoch/Schneider/Bier/Gerhardt, VwGO, § 114 Rn. 17). Die Regierung war auch zur Weisung befugt nach Art. 102 Abs. 1 Satz 2 LKrO i.V.m. Art. 95 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LKrO. Ob die Ermessensentscheidungen letztlich der Weisung zu entnehmen sind oder das Landratsamt H2 nochmals eigene Erwägungen anstellte oder letztlich eine Kombination erfolgte, ist nicht entscheidungserheblich, da jedenfalls bereits in der Begründung der Allgemeinverfügung eine Abwägung der Belange der betroffenen Tierhalter und der Belange der Gesamtwirtschaft vorgenommen wurde. Zusätzlich zu den Ermessenserwägungen in der Weisung nahmen die Beklagtenvertreter nach ihren glaubhaften Angaben eine eigenständige Ermessensausübung vor. So gab in der mündlichen Verhandlung der Beklagtenvertreter Veterinär-Oberrat Dr. M. an, dass sehr wohl Gedanken zur Angemessenheit gemacht worden seien, da sie geprüft hätten, wie viele Taubenhalter auch anderes Geflügel hielten und dass bei einer bundesweiten Ausstellung das Risiko deutlich höher gewesen sei.
Ein unzulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht erfolgt. Die wesentlichen Ermessenserwägungen sind bereits in der Allgemeinverfügung vom 24. November 2016 enthalten. Dort wird bereits eine, wenn auch knappe Abwägung der Belange der betroffenen Tierhalter und der Gesamtwirtschaft vorgenommen. Die Ermessenserwägungen wurden in der Klageerwiderung und der mündlichen Verhandlung lediglich ergänzt bzw. vertieft.
Ebenso wenig kann das Gericht ein Ermessensdefizit feststellen. Die vorgebrachten klägerischen Argumente, die Vereinsinteressen seien nicht berücksichtigt worden, da das Verbot der Taubenausstellung dazu führe, dass viele Züchter mangels Motivation die Zucht aufgeben würden und dies daher einen Kahlschlag für das gesamte Vereinsleben bedeute, können ein Ermessensdefizit nicht begründen.
Von einem Ermessensdefizit ist auszugehen, wenn die Behörde nicht alle nach Lage des Falles betroffene Belange in ihre Ermessensentscheidung einstellt. Ferner liegt ein Ermessensdefizit dann vor, wenn die Behörde zwar alle wesentlichen Gesichtspunkte ermittelt hat, diese aber falsch gewichtet (Decker in BeckOK, VwGO, Stand 1.10.2017, § 114 Rn. 21).
Im vorliegenden Fall hat das Landratsamt H., die Umstände des Falles in ihre Abwägung einbezogen, die nach Lage der Dinge und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen waren. Erkannt und in der Begründung der Allgemeinverfügung einbezogen wurden zwar nicht direkt die Interessen des konkreten Klägers als Verein, aber die Nachteile für die betroffenen Tierhalter. Vertieft wurden die Ermessenserwägungen im Schreiben des Landratsamts H. vom 12. Januar 2017, in dem auch auf die wirtschaftlichen Nachteile des Klägers und der Einschränkungen der Handlungsfreiheit durch das Taubenausstellungsverbot behandelt wurden.
Fehler bei der Gewichtung der wesentlichen abwägungsrelevanten Gesichtspunkte wurden nicht gemacht. Dass durch das Landratsamt H. dem Gesundheitswohl der Allgemeinheit, dem Tierwohl des ansteckungsgefährdeten Geflügels, dem finanziellen und beruflichen Interesse anderer Geflügelhalter und dem durch eine ausufernde Verbreitung der Geflügelpest drohenden gesamtwirtschaftlichen Schaden für die Geflügel- und Lebensmittelindustrie ein erheblich höheres Gewicht gegenüber den wirtschaftlichen und ideellen Belangen des Klägers als Taubenzüchterverein eingeräumt wurde, entspricht grundsätzlich den mit einer Tierseuche verbundenen erheblichen Risiken für das Allgemeinwohl und die Geflügel- und Lebensmittelindustrie. Daher können die achtenswerten ideellen Vereinsinteressen im Verhältnis zu den benannten gefährdeten Interessen nicht überwiegen. Sonstige Anzeichen hinsichtlich einer Fehlgewichtung der Belange sind nicht gegeben. Das Gericht verkennt nicht, dass es für den vom Ausstellungsverbot betroffenen Kläger zu Nachteilen im Vereinsleben, wie etwa Mitgliederschwund kommen kann. Jedoch war die Ermessensentscheidung des Beklagten bei der damals aktuellen Gefahrenlage mit kurzfristigem Handlungsbedarf nicht zu beanstanden.
Weiterhin ergibt sich kein Ermessensfehler aus einer fehlenden Einzelfallbetrachtung. Einzelfallbetrachtung bedeutet, dass die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls beachtet werden müssen und nicht, dass eine Einzelfallbetrachtung die Einbeziehung von landes- und bundesgebietsübergreifenden Belangen verbietet. Die Besonderheit des Geflügelpestgeschehens 2016/2017 bestand gerade unter anderem darin, dass die festgestellten Fälle des H5N8-Virus bundes- und sogar europaweit aufgetreten waren und daher insbesondere diese weitgehende Verbreitung bei der Einzelfallbeurteilung zu berücksichtigen war. Zum anderen wurden auch die Belange des Landkreises H. einbezogen, da – wie der Beklagtenvertreter ausführte – unter anderem geprüft wurde, wie viele Taubenhalter auch anderes Geflügel hielten. Zudem wären durch eine Verbreitung der Geflügelpest im Landkreis H. ebenfalls das Allgemeinwohl und die finanziellen und beruflichen Interessen der anderen ansässigen Geflügelhalter betroffen gewesen. Dass letztlich ein bayernweites Verbot zustande kam, beruht darauf, dass die Auswirkungen und Gefahren der Verbreitung der Geflügelpest nicht an den Grenzen eines Landkreises endeten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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