Medizinrecht

„Verkürzung“ des Genesenenstatus durch § 2 Nr. 4 SchAusnahmV i.V.m. § 22a Abs. 2 IfSG, Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines formellen Bundesgesetzes im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage bzw. im Eilverfahren, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bei Vorwegnahme der Hauptsache, Keine (hohe) Wahrscheinlichkeit der Verfassungswidrigkeit des § 22a Abs. 2 IfSG, Keine schweren und unzumutbaren Nachteile durch die Verkürzung des Genesenenstatus trotz (einrichtungsbezogener) Impfpflicht bei der Antragstellerin

Aktenzeichen  B 7 E 22.319

Datum:
5.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 7050
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
IfSG § 22a Abs. 2
IfSG § 20a
SchAusnahmV § 2 Nr. 4
BayIfSMV § 3 der 16.
ZustV § 65 S. 1

 

Leitsatz

1. Der beantragten (vorläufigen) Feststellung, dass der Genesenenstatus durch § 2 Nr. 4 SchAusnahmV i.V.m. § 22a Abs. 2 IfSG zum 19.03.2022 keine Änderung erfahren hat, sondern – wie im Genesenenzertifikat ausgewiesen – fortbesteht, liegt (noch) kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zugrunde. Insoweit handelt es sich nur um eine (bloße) Vorfrage für künftige Rechtsverhältnisse.
2. Ein streitiges Rechtsverhältnis zur Vollzugsbehörde besteht nur dann, wenn eine oder mehrere konkrete „Beschränkungen“ – nach IfSG bzw. nach der (nunmehr) 16. BayIfSMV – Gegenstand des Feststellungsbegehrens sind.
3. Trotz einrichtungsbezogener Impfpflicht entstehen ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung keine schweren und schlechthin unzumutbare Nachteile, da Überwiegendes dafür spricht, dass eventuelle Bußgelder bzw. Betretungsverbote für Betriebe, die der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nach § 20a IfSG unterliegen, für nicht geimpfte bzw. nicht genesene Mitarbeiter frühestens ab dem Sommer 2022 ausgesprochen werden, also erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Genesenenstatus auch nach „alter Rechtslage“ bereits abgelaufen ist.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verkürzung ihres Genesenenstatus infolge der am 19.03.2022 in Kraft getretenen Änderungen zur „Regelung des Genesenenstatus“.
Die nicht geimpfte Antragstellerin wurde am 07.12.2021 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet. Das im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Genesenenzertifikat weist eine Gültigkeit vom 04.01.2022 bis zum 05.06.2022 aus.
Mit Schreiben vom 25.02.2022 wandte sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin bezüglich deren Genesenenstatus an das Landratsamt B…, woraufhin dieses (Staatliches Landratsamt – Gesundheitswesen) mit Schreiben vom 28.02.2022 – unter Verweis auf den seinerzeit gültigen § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14.01.2022 – mitgeteilt hat, dass die angeforderte Erklärung, dass das am 04.01.2022 ausgestellte Zertifikat der Antragstellerin bis mindestens zum 05.06.2022 gültig sei, nicht abgegeben werden könne.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften vom 18.03.2022 (BGBl. I S. 466) wurde das IfSG zum Teil novelliert und der Genesenennachweis unmittelbar in § 22a Abs. 2 IfSG geregelt. Daneben wurde mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 18.03.2022 (BGBl. I S. 478) unter anderem § 2 Nr. 5 der SchAusnahmV aufgehoben und in § 2 Nr. 4 SchAusnahmV geregelt, dass im Sinne dieser Verordnung eine genesene Person eine asymptomatische Person ist, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises i.S.v. § 22a Abs. 2 IfSG ist. § 22a Abs. 2 Nr. 2 IfSG regelt nunmehr, dass die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegt, um als genesen zu gelten.
Mit Schriftsatz vom 28.03.2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 31.03.2022, beantragt der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen,
dass der Genesenenstatus der Antragstellerin, wie in dem Genesenen-Zertifikat vom 04.01.2022 ausgewiesen, fortbesteht und durch die Änderung des § 2 Schutzausnahmeverordnung durch Art. 1 G v. 18.03.2022 I 478 (Nr. 10) keine Änderung erfahren hat.
Zur Begründung des Eilantrags wird im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin begehre einstweiligen Rechtsschutz und den Erlass einer einstweiligen Anordnung, dass ihr Genesenennachweis auch weiter 180 Tage und nicht lediglich 90 Tage gültig sei.
Mit Schreiben vom 25.02.2022 habe sich ihr Bevollmächtigter mit dem Landratsamt B* … als untere Infektionsschutzbehörde in Verbindung gesetzt und dieses aufgefordert, zu bestätigen, dass das der Antragstellerin erteilte Genesenenzertifikat auch weiterhin eine Gültigkeit von 180 Tage habe, worauf das Landratsamt B* … mit Schreiben vom 28.02.2022 mitgeteilt habe, dass der Aufforderung nicht nachgekommen werden könne, da eine Rechtsgrundlage fehle.
Als Träger des Gesundheitsamtes/Fachbereiches Gesundheitswesen des Landratsamts B* … sei der Freistaat Bayern richtiger Antragsgegner. Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner bzw. dem Landratsamt B* … als der für ihren Wohnsitz zuständigen Infektionsschutzbehörde bestehe auch entsprechend der Entscheidung des BayVGH vom 03.03.2022 (Az. 20 CE 22.536) ein Rechtsverhältnis. Das Landratsamt B* …, dessen Träger der Antragsgegner sei, sei vorliegend Normanwender, die Antragstellerin Normadressat. Dies eröffne ein Rechtsverhältnis zwischen beiden, welches auch hinreichend konkret sei, da es sich auf einen bestimmten, überschaubaren Sachverhalt beziehe.
Die Dringlichkeit bestehe für die Antragstellerin darin, dass sie ohne einen Nachweis über einen Genesenenstatus aufgrund der 2G-Maßnahmen der 15. BayIfSMV, welche zuletzt am 18.03.2022 geändert worden sei und seit dem 21.03.2022 gelte, von weitgehenden Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen sei und ihr ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden könne. Darüber hinaus arbeite die Antragstellerin in einem Gesundheitsberuf, für welchen ab dem 15.03.2022 die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen gelte. Ohne vorläufige Regelung drohe der Antragstellerin die Gefahr, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben dürfe.
Es bestehe auch ein Anordnungsanspruch. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14.01.2022 sei verfassungswidrig gewesen, so dass der auf Grundlage des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV, gültig ab 09.05.2021 bis 14.01.2022, erteilte Genesenennachweis der Antragstellerin vom 04.01.2022 wie erteilt weitergegolten habe (wird umfassend ausgeführt). Zwar sei die Regelung in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV zwischenzeitlich aufgehoben worden. In § 2 Nr. 4 SchAusnahmV werde nunmehr geregelt, dass eine genesene Person eine asymptomatische Person sei, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises i.S.v. § 22 Abs. 1 IfSG (wohl gemeint § 22a Abs. 2 IfSG) sei. In § 22 Abs. 1 IfSG (wiederum wohl gemeint § 22a Abs. 2 IfSG) sei geregelt, dass ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus sei, wenn nach Nr. 2 die Testung durch den Nachweis der vorherigen Infektion mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliege. Zwar werde in den jetzigen Regelungen nicht mehr auf eine dynamische Internetseite des Robert Koch-Instituts verwiesen, jedoch erweise sich auch die jetzige Regelung als zumindest wahrscheinlich verfassungswidrig, da sie willkürlich sei. Belastbare wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse, aus denen sich ergebe, dass die ursprüngliche Regelung bezüglich der Gültigkeitsdauer eines Genesenenzertifikats von 180 Tagen nicht mehr bestandskräftig und nachvollziehbar sei, lägen nicht vor. Der Verordnungs- und Gesetzgeber mache willkürliche Vorgaben ohne Rückgriff auf belastbare medizinische und wissenschaftliche Erkenntnisse. Die jetzigen Regelungen in § 2 Nr. 4 SchAusnahmV und in § 22a IfSG würden nicht nachvollziehbar die Vorgaben des RKI, wonach allenfalls bei geimpften Personen nach 105 Tagen eine geringere Schutzwirkung gegen das Coronavirus bestehen könne, berücksichtigen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum in den gesetzlichen Regelungen 90 Tage angeführt würden, aber nicht die vom RKI angeführten 105 Tage. Auch der Verlauf der Gesetzgebung bzw. der Verordnungsgebung zeige, dass hier willkürlich unterschiedliche Zeiten bezüglich der Gültigkeitsdauer eines Zertifikats über den Genesenenstatus angegeben würden. Regelungen würden willkürlich geändert bzw. eingeführt und aufgehoben. Zu berücksichtigen sei auch der Bestandsschutz des der Antragstellerin erteilten Genesenenzertifikats. Dieses weise eine Gültigkeitsdauer von 180 Tagen aus. Diese werde nunmehr willkürlich verkürzt. Diese Verkürzung spiegle sich zwar nicht im schriftlichen Zertifikat wider, wohl aber in elektronischen Apps, in denen das Zertifikat eingelesen und gespeichert worden sei. Dort werde die Gültigkeitsdauer nun verkürzt angezeigt. Dies erfolge ohne nachvollziehbaren Grund und ohne belastbare medizinische Daten. Die Antragstellerin habe auf die Gültigkeitsdauer von 180 Tagen vertraut und deshalb auch noch keine Impfung durchführen lassen bzw. keine berufliche Neuorientierung durchgeführt. Außerdem habe sie Anfang 2022 eine Auslandsreise als Urlaub geplant. Sie sei davon ausgegangen, dass sie aufgrund ihres Genesenenstatus von 180 Tagen ohne Testung und ohne Impfung aus Deutschland ausreisen und nach Deutschland wieder einreisen dürfe. Nach derzeitigem Stand werde aufgrund des Wegfalls der ursprünglichen Gültigkeitsdauer des Zertifikats eine unproblematische Wiedereinreise nach Deutschland nicht möglich sein. Insbesondere mangle es an Übergangsregelungen oder ähnlichem. Bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung würden sich daher die jetzigen Regelungen in § 2 Nr. 4 SchAusnahmV und in § 22a Abs. 2 Nr. 2 IfSG als voraussichtlich verfassungswidrig erweisen, so dass der der Antragstellerin erteilte Genesenennachweis vom 04.01.2022 weitergelte und inhaltlich weiter richtig sei.
Mit Schriftsatz vom 04.04.2022 führt das Landratsamt B* … für den Antragsgegner im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Rechtslage werde auf den Wortlaut des § 22a Abs. 2 IfSG verwiesen, wonach sich die Gültigkeit des Genesenennachweises auf den Zeitraum zwischen 28 Tage bis 90 Tage nach positiver Testung beschränke. Den Kreisverwaltungsbehörden sei die Feststellung eines davon abweichenden Gültigkeitszeitraums mangels Normverwerfungskompetenz verwehrt. Da die Antragstellerin in der Stadt B* … wohne, sei zudem die Stadt B* … die gem. § 65 Satz 1 ZustV für den Vollzug des IfSG zuständige Kreisverwaltungsbehörde.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden.
Voraussetzung ist hierbei, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Über den Erfolg des Antrags ist aufgrund einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Ergibt die überschlägige rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der verfügbaren und vom Antragsteller glaubhaft zu machenden Tatsachenbasis, dass von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen ist, besteht regelmäßig ein Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. SächsOVG, B.v. 22.9.2017 – 4 B 268/17 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123, Rn. 26 m.w.N.).
Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Wird mit der begehrten Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B.v. 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris; vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris; BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 4 CE 21.1599 – juris).
1. Gemessen hieran hat die Antragstellerin jedenfalls keinen Anspruch auf die streitgegenständliche Feststellung gegenüber dem Freistaat Bayern als Rechtsträger des (staatlichen) Landratsamts B* … glaubhaft gemacht.
In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist mit Beschluss vom 03.03.2022 (Az. 20 CE 22.563) – auf den die Antragstellerseite selbst verweist – geklärt, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Feststellung der „Fortgeltung des Genesenenstatus“ allenfalls gegen den Rechtsträger der für die Antragstellerin zuständigen (unteren) Infektionsschutzbehörde (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3a BayVwVfG i.V.m. § 65 Satz 1 ZustV) gerichtet werden kann. Von diesem zutreffenden Ansatz geht zwar auch die Antragsschrift aus (vgl. Seite 5 unten bzw. Seite 10), es wird jedoch verkannt, dass die Antragstellerin in der Stadt B* … wohnt bzw. dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, so dass die Aufgaben der unteren Infektionsschutzbehörde gemäß § 65 Satz 1 ZustV i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 GO von der kreisfreien Stadt B* … im übertragenen Wirkungskreis wahrgenommen werden. Die Stadt B* … ist daher insoweit die für die Antragstellerin zuständige Kreisverwaltungsbehörde (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GO), worauf die Kammer schon auf Seite 8 des Beschlusses vom 02.03.2022 (Az. B 7 E 22.209) im „Erstverfahren“ der Antragstellerin hingewiesen hat. Gegen den Freistaat Bayern als Rechtsträger des für die Antragstellerin zuständigen (früheren) „Staatlichen Gesundheitsamts“, dessen Aufgaben nunmehr i.d.R. von den Landratsämtern als Kreisverwaltungsbehörden und damit als (untere) Behörden des Freistaats Bayern wahrgenommen werden (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 und Art. 4 Abs. 1 GDVG) besteht der gerichtlich geltend gemachte Anspruch hingegen nicht.
2. Selbst wenn die Antragstellerin den streitgegenständlichen Eilantrag gegen die Stadt B* … gerichtet hätte, bliebe dieser ohne Erfolg.
a) Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO gegen die Stadt B* …, gerichtet auf die (vorläufige) Feststellung, dass der Genesenenstatus der Antragstellerin bis zum 05.06.2022 fortbesteht und durch die Änderung des § 2 SchAusnahmV vom 18.03.2022 keine Änderung erfahren hat, wäre bereits unzulässig.
aa) Dem streitgegenständlichen Feststellungsbegehren läge schon kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und (dem Rechtsträger) der unteren Infektionsschutzbehörde i.S.d. § 65 Satz 1 ZustV zugrunde.
§ 43 Abs. 1 VwGO bestimmt, dass durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden kann. Im Fall eines vorläufigen Feststellungsbegehrens müssen diese Anforderungen des § 43 VwGO entsprechend vorliegen. Als Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Keine Rechtsverhältnisse im oben genannten Sinn sind bloße Vorfragen oder einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen, soweit sie nicht selbst den Charakter von Rechten oder Pflichten haben. Zu diesen Vorfragen oder Elementen gehört insbesondere die Frage, ob einzelne Tatbestandsmerkmale einer Norm erfüllt sind oder nicht (Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, B.v. 22.2.2022 – 20 CE 22.459).
Die „Verkürzung“ des Genesenenstatus auf 90 Tage aufgrund von § 2 Nr. 4 SchAusnahmV i.V.m. § 22a Abs. 2 IfSG zum 19.03.2022 ist nach Auffassung der beschließenden Kammer eine bloße Vorfrage für künftige Rechtsverhältnisse und (noch) kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten (vgl. bereits zu § 2 Nr. 5 SchAusnahmV i.d.F. vom 14.01.2022: VG Bayreuth, B.v. 23.2.2022 – B 7 E 22.177; VG Bayreuth, B.v. 15.3.2022 – B 7 E 22.263 – juris; VG Regensburg, B.v. 24.2.2022 – RN 5 E 22.254; VG Würzburg, B.v. 23.2.2022 – W 8 E 22.237; VG Augsburg, B.v. 14.2.2022 – Au 9 E 22.829; a.A. VG München, B.v. 22.2.2022 – M 26b E 22.730; VG Ansbach, B.v. 25.2.2022 – AN 18 E 22.402; zu undifferenziert: VG Würzburg, B.v. 8.3.2022 – W 8 E 22.258). Nach § 2 Nr. 4 SchAusnahmV ist eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises i.S.v. § 22a Abs. 2 IfSG ist. Dabei sehen weder bundes- noch die landesrechtlichen Regelungen vor, dass eine Genesenenbescheinigung durch die untere Infektionsschutzbehörde ausgestellt wird (vgl. § 22a Abs. 6 IfSG sowie – bereits im Hinblick auf § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV a.F. bzw. § 22 Abs. 6 IfSG a.F.: BayVGH, B. v. 7.2.2022 – 20 CE 22.226 – juris). Der erworbene Status ist deshalb nicht abhängig von einem Verwaltungshandeln einer Landesbehörde, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem anzuwendenden Recht. Aus § 2 Nr. 4 SchAusnahmV und § 22a Abs. 2 IfSG selbst folgen jedoch noch keine unmittelbaren Rechte für den Statusinhaber. Diese ergeben sich erst im Zusammenhang mit den Vorschriften des IfSG und den geltenden Regelungen der jeweiligen Länder, die an das Vorhandensein dieses Status bestimmte Folgen knüpfen (z.B. konkrete Zugangsbeschränkungen). Von daher unterscheidet sich das vorliegende Feststellungsbegehren, das sich allgemein auf die Dauer des Status der Antragstellerin als Genesene bezieht und alleine auf § 2 Nr. 4 SchAusnahmV i.V.m. § 22a Abs. 2 IfSG rekurriert, maßgeblich von der vom Bevollmächtigten der Antragstellerin zitierten Entscheidung des BayVGH vom 03.03.2022 (20 CE 22.536). Im dortigen Verfahren war ausdrücklich beantragt, vorläufig festzustellen, dass der Antragsteller bis einschließlich … (Ablaufdatum des Genesenennachweises) im Sinne des § 4 und 5 der 15. BayIfSMV als genesen gilt. Im Verfahren der hiesigen – anwaltlich vertretenen – Antragstellerin ist aber gerade nicht die gerichtliche Feststellung beantragt, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die (Zugangs-) Beschränkungen nach der 15. bzw. der gegenwärtigen 16. BayIfSMV – soweit solche dort noch vereinzelt geregelt sind, wie beispielsweise in § 3 Abs. 1 der 16. BayIfSMV*- bzw. unmittelbar nach dem IfSG (beispielsweise nach § 20a IfSG), die ein hinreichend konkretes und feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zur Vollzugsbehörde begründen (BayVGH, B.v. 3.3.2022 – 20 CE 22.536), als genesen gilt. Der Antrag, (weiterhin) als Genesene im Sinne des § 2 SchAusnahmV bzw. des § 22a Abs. 2 IfSG zu gelten, ist demgegenüber im Hinblick auf den Geltungsbereich der Feststellungswirkungen viel allgemeiner und begründet schon deswegen kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, zumindest nicht zwischen der Antragstellerin und der für den Vollzug zuständigen Infektionsschutzbehörde. Dem steht auch nicht entgegen, dass mit dem Genesenenstatus auch „durch Bundesrecht begründete Rechte und Pflichten verbunden“ sind. Soweit der BayVGH im Beschluss vom 03.03.2022 (20 CE 22.536, Rn. 8) auf die §§ 20a Abs. 2 Nr. 2, 28b und 28c, jeweils i.V.m. §§ 3 bis 6 SchAusnahmV verweist, ist darauf hinzuweisen, dass die vorstehenden Vorschriften (nur) partielle Vorgaben für die bereits nach dem IfSG bestehenden oder für durch Landesrecht näher auszugestaltende „Beschränkungen“ enthalten bzw. damals enthielten, so dass auch insoweit ein streitiges Rechtsverhältnis zur Vollzugsbehörde nur dann besteht, wenn eine oder mehrere konkrete Einschränkungen – nach IfSG bzw. nach der (nunmehr) 16. BayIfSMV – Gegenstand des Feststellungsbegehrens sind.
bb) Soweit verfassungsrechtliche Bedenken gegen die „Neuregelung“ des Genesenenstatus in § 22a Abs. 2 IfSG geltend gemacht werden, ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines formellen Bundesgesetzes im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage – und dementsprechend in einem „vorgelagerten“ Eilverfahren – nur zulässig ist, wenn es sich bei der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes um eine entscheidungserhebliche Vorfrage des Verwaltungsprozesses handelt, nicht aber, wenn die Verfassungsmäßigkeit des formellen Bundesgesetzes zur Hauptfrage wird. Ist – wie augenscheinlich im vorliegenden Eilverfahren – die Verfassungsmäßigkeit der formellen Bundesnorm des § 22a Abs. 2 IfSG die eigentliche Hauptfrage, so wandelt sich die Feststellungklage zu einer als inzidenten Normenkontrolle kaschierten prinzipalen Normenkontrolle, über die die Verwaltungsgerichtsbarkeit wiederum nur im Rahmen des § 47 VwGO – und damit nicht gegen förmliche Bundesgesetze – zur Entscheidung berufen ist (vgl. VG Bayreuth, B.v. 3.5.2021 – B 7 E 21.508 – juris m.w.N.).
cc) Da (auch) kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zur Stadt B* … bestünde, bedarf es vorliegend keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Antrag gegen die Stadt B* … bereits unzulässig wäre, wenn die zuständige untere Infektionsschutzbehörde vor der gerichtlichen Antragstellung nicht mit der Angelegenheit befasst wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.2021 – 6 VR 4.21 – juris m.w.N.; VG Würzburg, B.v. 23.2.2022 – W 8 E 22.222).
b) Der Eilantrag wäre – auch wenn dieser die Stadt B* … zur Antragsgegnerin hätte – zudem unbegründet, da die Antragstellerin weder einen Anordnungsanspruch (dazu aa) noch einen Anordnungsgrund (dazu bb) glaubhaft gemacht hat. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache im Falle einer stattgebenden Entscheidung ist vorliegend für den Erlass einer einstweilige Anordnung zu fordern, dass das weitere Abwarten für die Antragstellerin mit schweren und unzumutbaren Nachteilen verbunden ist und dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache besteht (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 4 CE 21.1599 – juris; BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris).
aa) Ein Anordnungsanspruch im vorstehenden Sinne – nämlich, dass eine (Feststellungs-) Klage in der Hauptsache mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit erfolgsversprechend sein wird – ist nicht glaubhaft gemacht.
Es scheint nicht einmal die Antragstellerseite selbst davon überzeugt zu sein, dass der notwendige Grad der hohen Wahrscheinlichkeit für den Erfolg einer Hauptsacheklage gegeben ist. Insoweit wird auf Seite 8 der Antragsschrift nämlich lediglich vorgetragen, dass die jetzige Regelung des Genesenenstatus in § 22a Abs. 2 IfSG „zumindest wahrscheinlich verfassungswidrig“ sei, da die Verkürzung des Genesenenstatus willkürlich sei. Im Übrigen bestehen nach Ansicht der beschließenden Kammer jedenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich dieser Norm, die dazu führen könnten, dass ihre Anwendung im Eilverfahren „suspendiert“ wird. Im Eilverfahren sind nämlich an die Nichtanwendung eines Gesetzes im formellen Sinn durch das Fachgericht wegen Annahme seiner Verfassungswidrigkeit mit Blick auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts hohe Anforderungen zu stellen (BayVGH, B.v. 13.1.2015 – 22 CS 14.2323 – juris m.w.N.) Soweit die frühere Regelung zum Genesenenstatus in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV i.d.F. vom 14.01.2022 von der Rechtsprechung in entsprechenden Eilverfahren als (voraussichtlich) verfassungswidrig angesehen wurde, ist der Bundesgesetzgeber der bisherigen verfassungsrechtlichen Kritik gerade durch die Regelung der Geltungsdauer des Genesenennachweises im IfSG selbst begegnet. Eine Verfassungswidrigkeit des § 22a Abs. 2 Nr. 2 IfSG aus anderen Gründen, insbesondere wegen der Verkürzung des Genesenenstatus von 180 Tagen auf 90 Tagen an sich, ist nach Ansicht des Gerichts unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Dies gilt auch, wenn unter den „Fachleuten“ gegenwärtig über die Rechtfertigung der Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monaten diskutiert wird. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, für dessen Überschreiten hier keine Anhaltspunkte bestehen (BVerfG, B.v. 19.12.2021 – 1 BvR 781.21 – juris; vgl. auch VG Würzburg, B.v. 25.3.2022 – W 8 E 22.456).
bb) Weiterhin hat die Antragstellerin die für eine Vorwegnahme der Hauptsache notwendigen schweren und unzumutbaren Nachteile, mithin einen Anordnungsgrund (vgl. hierzu auch BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris), nicht glaubhaft gemacht. Mit der 16. BayIfSMV vom 01.04.2022 wurden zum 03.04.2022 die bislang bestehenden Zugangsbeschränkungen für nicht geimpfte bzw. nicht genesene Personen weitestgehend aufgehoben. Zwar ist im Rahmen der „einrichtungsbezogenen Testerfordernisse“ nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der 16. BayIfSMV bezüglich einiger – vulnerabler – Einrichtungen der Zugang geimpften, genesenen oder getesteten Personen vorbehalten (sog. 3G-Regelung), wobei in gewissen Konstellationen jedoch auch geimpfte und genesene Personen Testnachweise vorzulegen haben (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 der 16. BayIfSMV). In Anbetracht dessen verfängt der Vortrag der Antragstellerin, sie werde „von weitgehenden Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen“ nicht (mehr). Soweit die Antragstellerin auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht nach § 20a IfSG und auf ihr Arbeitsverhältnis in einer dort aufgezählten Einrichtung verweist, sind ebenfalls keine schweren und unzumutbaren Nachteile durch die Verkürzung des Genesenenstatus glaubhaft gemacht. Der Genesenenstatus der Antragstellerin ist laut ihrer Bescheinigung, die aufgrund der vor dem 15.01.2022 gültigen Rechtslage ausgestellt wurde, ohnehin nur noch zwei Monate gültig. Derzeit sind die Arbeitgeber zunächst verpflichtet, entsprechende Arbeitnehmer an die Gesundheitsämter zu melden. Nicht geimpfte Arbeitsnehmern wird dann die Möglichkeit gegeben, eine Impfberatung wahrzunehmen und sich noch impfen zulassen. Erst im Anschluss erfolgt eine förmliche Aufforderung zur Vorlage der gesetzlichen festgelegten Nachweise beim Gesundheitsamt. Bleibt die Vorlage der Nachweise aus, wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Erst in letzter Konsequenz – und damit als ultima ratio – kann ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen werden. Insoweit ist daher davon auszugehen, dass die Umsetzung der Teilimpfpflicht „mit Augenmaß“ erfolgt und die Gesundheitsämter in die Einzelfallentscheidungen die konkrete Situation der jeweiligen Einrichtung einbeziehen. Im Übrigen ist damit zu rechnen, dass eventuelle Betretungsverbote für Betriebe, die der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nach § 20a IfSG unterliegen, für nicht geimpfte bzw. nicht genesene Mitarbeiter frühestens ab dem Sommer 2022 ausgesprochen werden (vgl. zum Ganzen: Pressemitteilung des StMGP vom 12.03.2022, abrufbar unter https://www.stmgp.bayern.de/presse/holetschek-digitales-meldeportal-zur-einrichtungsbezogenen-impfpflicht-bayimna-ab-montag/). Dass sich der „Vollzug“ der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Oberfranken, insbesondere im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamts B* …, anders darstellen wird, ist weder dargetan noch anderweitig ersichtlich (vgl. auch Nordbayerischer Kurier vom 30.03.2021, „Teilimpflicht: Weicher Kurs gegen Impfverweigerer“; https://www.infranken.de/ueberregional/ deutschland/bundeslaender-setzen-teil-impfpflicht-unterschiedlich-um-art-5411031). Daher bedarf es auch im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit der Klägerin nicht den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung unter Vorwegnahme der Hauptsache.
3. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Das Gericht sieht gem. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 aufgrund der Vorwegnahme der Hauptsache von einer Halbierung des Streitwertes ab.


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