Medizinrecht

Verlegung des Versammlungsortes

Aktenzeichen  W 5 K 20.113

Datum:
25.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15511
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO  § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4, § 114 S. 1, § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 S. 3, § 167
BayVersG Art. 15 Abs. 1 S. 1, Art. 16 Abs. 2 Nr. 1, Art. 20 Abs. 2 Nr. 4, Art. 21 Nr. 6
GG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 8, Art. 12, Art. 14
BayVwVfG Art. 36 Abs. 2 Nr. 5, Art. 43 Abs. 2, Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass Ziffer 2 Satz 1 der Verfügungen/Beschränkungen des Bescheids der Beklagten vom 17. Dezember 2019 rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Fortsetzungsfeststellungsklage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden durfte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat lediglich im tenorierten Umfang Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft. Die im Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2019 enthaltenen, vom Kläger angegriffenen Regelungen haben sich durch Zeitablauf erledigt, weshalb über die Rechtmäßigkeit der einzelnen Maßnahmen nicht durch Anfechtungsklage, sondern durch Fortsetzungsfeststellungsklage zu befinden ist.
Der Kläger ist als Veranstalter der von ihm geplanten Versammlung am 17. Dezember 2019 in Aschaffenburg klagebefugt. Zur Vermeidung von Popularklagen ist es bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage wie bei einer Feststellungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderlich, dass der Kläger geltend macht, durch die Maßnahme in eigenen Rechten verletzt worden zu sein (BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 42 Rn. 62 m.w.N.). Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. etwa BVerwG, U.v. 23.3.1982 – 1 C 157/79 – juris Rn. 23; U.v. 10.7.2001 – 1 C 35/00 – juris Rn. 15 jeweils m.w.N.). Der Kläger hat eine Verletzung seiner Grundrechte auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG), Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) geltend gemacht. Es ist zumindest möglich, dass er durch die Verlegung und die weiteren Beschränkungen der von ihm geplanten Versammlung in diesen subjektiven Rechten verletzt wurde.
Die Voraussetzungen der das besondere Feststellungsinteresse begründenden Wiederholungsgefahr liegen ebenfalls vor. Die Feststellung der Voraussetzungen einer Wiederholungsgefahr erfolgt im Zuge der Amtsermittlung durch das Gericht, wobei die in diesem Zusammenhang an den Kläger zu stellenden Darlegungsanforderungen zu konkretisieren sind. Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Veranstalter nicht auf die Alternative zukünftig möglichen Eilrechtsschutzes verwiesen werden (BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris). Eine drohende Wiederholungsgefahr ist in versammlungsrechtlichen Streitigkeiten dann nicht mehr gegeben, wenn die konkret betroffene Behörde eindeutig hat erkennen lassen, in Zukunft von einer Wiederholung der betreffenden Beschränkung absehen zu wollen (BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 44; BayVGH, U.v. 22.5.2006 – 24 B 05.3099 – juris Rn. 58; OVG NRW, B.v. 1.6.2011 – 5 A 1374/10 – juris Rn. 4). Angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters, über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer Versammlung selbst zu bestimmen, darf für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 42). Ausreichend ist vielmehr bereits der erkennbare Wille des Klägers, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können.
Auf Grundlage dieser Maßstäbe geht die Kammer von einer Wiederholungsgefahr in Bezug auf die im Bescheid vom 17. Dezember 2019 ausgesprochene Verlegung des Versammlungsortes und die angegriffenen Beschränkungen aus. So ist es nach den nicht in Abrede gestellten Darlegungen der Klägerseite zunächst hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger künftig vergleichbare Versammlungen, gegebenenfalls sogar erneut auf dem Stadthallenplatz der Beklagten, durchführen möchte. Der Kläger hat unwidersprochen ausgeführt, dass er über eine antifaschistische Grundhaltung verfügt und allein im Jahr 2019 insgesamt vier Mal eine Versammlung als Veranstalter angemeldet hat, was nahelegt, dass er politisch motivierte Veranstaltungen in Form einer Versammlung auch in Zukunft wieder durchführen wird. Der Stadthallenplatz der Beklagten wird nach den unwidersprochenen Darlegungen der Klägerseite für diverse Märkte, Feste und Messen genutzt, so dass auch die Möglichkeit besteht, dass die Veranstaltung des Klägers mit einer anderen Veranstaltung, die vor der Stadthalle der Beklagten stattfindet, zeitlich zusammenfällt. Das gilt umso mehr, als dass vorliegend vom Kläger gerade beabsichtigt war, die Veranstaltung auf dem Weihnachtsmarkt durchzuführen. Ebenso ist – mangels gegenteiliger Einlassung der Beklagtenseite – davon auszugehen, dass die Beklagte voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten und Beschränkungen der Durchführung weiterer vergleichbarer Versammlungen des Klägers wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 43). Es ist damit hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger erneut eine Veranstaltung initiieren wird, bei der die im hiesigen Verfahren relevanten Rechtsfragen eine relevante Rolle spielen könnten.
Offenbleiben kann damit, ob das geltend gemachte Rehabilitationsinteresse und der Hinweis der Klägerseite auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geeignet sind, das besondere Feststellungsinteresse in der vorliegenden Fallkonstellation zu begründen.
2. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
Die im Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2019 vorgesehene Ziffer 2 Satz 1 der „Verfügungen/Beschränkungen“ war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Demgegenüber waren die Verlegung des Versammlungsortes und die übrigen vom Kläger angegriffenen „Verfügungen/Beschränkungen“ des Bescheids vom 17. Dezember 2019 rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
Maßgeblich für die gerichtliche Prüfung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes (Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) – hier der durch Zeitablauf erledigten (vgl. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) versammlungsrechtlichen Beschränkungen gemäß Art. 15 BayVersG – ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage (BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 10 B 17.1996 – juris m.w.N.).
2.1. Rechtsgrundlage für die Verlegung des Versammlungsorts ist Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde eine Versammlung insbesondere beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
Es steht für die Kammer dabei außer Zweifel, dass die Behörde die Verlegung der Versammlung in Form eines Verwaltungsakts auf die rechtliche Grundlage von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG gestützt hat. Die Versammlungsbehörde hat den Entscheidungsausspruch hinsichtlich der Verlegung der Versammlung nicht in den ausdrücklich als „Bescheid“ gekennzeichneten Teil des Schreibens vom 17. Dezember 2019 aufgenommen, sondern anstelle dessen die Entscheidung in einem vorangestellten Anschreiben getroffen, indem sie in Bezug auf den „geplanten Ablauf“ der Veranstaltung des Klägers einen von der Anmeldung abweichenden Veranstaltungsort angegeben hat. In den Gründen des Bescheids hat die Behörde sodann Ausführungen zur Verlegung des Versammlungsorts getroffen (S. 3 f. des Schreibens vom 17.12.2019). In deren Anschluss hat sie allein in Bezug auf die von ihr unter Ziffer I des Bescheids ausgesprochenen „Verfügungen/Beschränkungen“ ausdrücklich auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG und auf die hierfür geltenden Maßstäbe Bezug genommen (vgl. Seite 4, 2. Absatz des Schreibens vom 17.12.2019). Ungeachtet der sich daraus ergebenden aufbautechnischen Mängel hat die Behörde insgesamt in – auch für den Empfänger – hinreichend erkennbarer Weise zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auch in Bezug auf die Verlegung des Veranstaltungsorts der Handlungsform eines Verwaltungsakts auf Grundlage von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG bedient hat. Dafür spricht schon der Betreff des Schreibens vom 17. Dezember 2019 („Art. 15 Abs. 1 BayVersG – Beschränkungen“), der sich auf das gesamte Schreiben und nicht nur auf den als „Bescheid“ gekennzeichneten Teil des Schreibens bezieht. Weiterhin hat die Behörde im Rahmen ihrer Ausführungen zur Verlegung des Versammlungsorts diese ausdrücklich als „Auflage“ bezeichnet (vgl. S. 3 des Schreibens vom 17.12.2019, letzter Absatz). Vor allem aber entsprechen ihre inhaltlichen Ausführungen, namentlich die geäußerten Sicherheitsbedenken, der nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG anzustellenden Gefahrenprognose und enthalten darüber hinaus eine Abwägungsentscheidung, wie sie für die nach dieser Vorschrift erforderliche Ermessensausübung erforderlich ist (vgl. hierzu nachstehende Ausführungen unter 2.2.3. und 2.3.). In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass die Behörde die Verlegung des Versammlungsorts nicht etwa rechtsgrundlagenlos und entgegen dem Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, sondern auf Grundlage des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG vorgenommen hat.
2.2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG sind erfüllt.
2.2.1.
Bei der vom Kläger angezeigten ortsfesten Veranstaltung unter freiem Himmel am 17. Dezember 2019 in Aschaffenburg handelt es sich um eine Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 BayVersG. Eine Versammlung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 – juris Rn. 41; BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 15). Weitgehend übereinstimmend definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Diese Voraussetzungen sind hier – was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – erfüllt, weil die vom Kläger und zwei weiteren Personen geplante Kunst-Performance unter Beteiligung von weiteren Besuchern des Weihnachtsmarktes die gemeinschaftliche Teilhabe an der öffentlichen – hier insbesondere politischen – Meinungsbildung bezweckte.
2.2.2.
Bei der Verlegung der Versammlung handelt es sich um eine Beschränkung i.S.v. Art. 15 Abs. 1 BayVersG. Zwar kann eine angeordnete Verlegung einer Versammlung nach den Umständen des Einzelfalls als faktisches Verbot zu qualifizieren sein. Das ist vorliegend aber nicht der Fall, weil es bei der Verlagerung des vom Kläger gewünschten Versammlungsplatzes nur um eine Modalität der Versammlungsdurchführung in örtlicher Hinsicht geht, die nicht so wesentlich ist, dass die Maßgabe einem Verbot gleichkommt. Der Kläger konnte die von ihm geplante Versammlung nämlich zur selben Zeit und mit demselben Thema in der von ihm beabsichtigten Art und Weise durchführen. Die Veranstaltung konnte zudem nach wie vor in der Aschaffenburger Innenstadt – nur ca. 30 m vom vorgesehenen Standort entfernt – unmittelbar vor dem Eingang des Weihnachtsmarkts – durchgeführt werden. Eine rechtlich relevante Beeinträchtigung der Meinungskundgabe oder der Öffentlichwirksamkeit der Versammlung ist damit nicht verbunden. Der örtliche Bezug zur in der Stadthalle Aschaffenburg stattfindenden AfD-Veranstaltung einerseits und dem Weihnachtsmarkt andererseits, an deren Verknüpfung dem Kläger im Rahmen der beabsichtigten Kunst-Performance gelegen war, wurde vielmehr nur in geringfügiger Weise verändert, so dass hier von einer örtlichen Beschränkung und nicht von einem Versammlungsverbot auszugehen ist.
2.2.3.
Nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen war die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung am vom Kläger gewünschten Standort unmittelbar gefährdet.
In Ansehung der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) darf die Behörde bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die von ihr vorzunehmende Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde und den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz des Art. 8 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16).
Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses war aufgrund nachvollziehbarer Anhaltspunkte von einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung auszugehen. Der Kammer erscheint insbesondere plausibel, dass für die Durchführung der Versammlung am vom Kläger angemeldeten Ort nicht ausreichend Fläche zur Verfügung stand. Die Veranstaltung des Klägers war auf einer Fläche geplant, die bereits für den Weihnachtsmarkt vorgesehen war (vgl. § 1 Abs. 2 der Weihnachtsmarktverordnung). Es stand zu erwarten, dass Weihnachtsmarktbesucher während der geplanten zweistündigen Veranstaltung des Klägers zu den Abendstunden an Ort und Stelle verharren, um der zur Schau gestellten Kunst-Performance beizuwohnen bzw. daran teilzunehmen. Damit wäre die vor Ort – an einer zentralen und engen Stelle des mit Aufbauten versehenen Weihnachtsmarkts – ohnehin stark belastete Bewegungsfreiheit noch weiter eingeschränkt worden, wodurch die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, hier des Fußgängerverkehrs, unmittelbar gefährdet worden wäre. Zugleich lag darin eine unmittelbare Gefährdung der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten körperlichen Unversehrtheit und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) von Anwesenden und Passanten, weil diese sich einer so entstehenden räumlichen Enge nicht ohne weiteres entziehen können. Das gilt umso mehr, als dass sich die Teilnehmer- und Zuschauerzahlen der Kunst-Performance des Klägers und damit das Ausmaß des sich anstauenden Besucherverkehrs nicht vorhersehen ließen. Die von der Beklagten so getroffene Gefahreneinschätzung wird auch durch die von Klägerseite im Klageverfahren vorgelegten Lichtbilder bestätigt. Auch daraus wird ersichtlich, dass die von der Beklagten im Rahmen ihrer Gefahrenprognose vorgebrachten Sicherheitsbedenken nicht von der Hand zu weisen sind. So liegt der vom Kläger angemeldete Versammlungsort („X2“) direkt im Bereich zwischen zwei Zugängen des Weihnachtsmarkts („X1“ und „X3“). Zudem besteht an ebendieser Stelle (zwischen Stadthalle und Touristeninformation) schon gebäudebedingt ein räumlicher Engpass. Unter zusätzlicher Berücksichtigung des hohen Personenandrangs und der weiteren Aufbauten auf dem Weihnachtsmarkt liegt für die Kammer die Annahme nahe, dass ein reibungsloser Zu- und Ablauf des Besucherverkehrs mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr gewährleistet werden und eine nicht beherrschbare Gefahr für die körperliche Unversehrtheit von Passanten entstehen konnte. Zu berücksichtigen ist außerdem das zwischen der AfD-Versammlung in der Stadthalle und der Gegenveranstaltung des Klägers bestehende Konfliktpotential, welches – auch unter Berücksichtigung des Alkoholausschanks auf dem Weihnachtsmarkt – zu nicht beherrschbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung führen konnte. Nicht zu beanstanden, sondern vielmehr unter Berücksichtigung der durch den Weihnachtsmarkt bedingten Unübersichtlichkeit nachzuvollziehen, ist die Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde auch insoweit, als dass sie zu der Einschätzung gelangt ist, dass sich den zu erwartenden Störsituationen mangels hinreichender Aktionsfläche auch nicht durch die Polizei im Einsatzfall wirkungsvoll begegnen ließen (vgl. auch BVerfG, B.v. 2.12.2005 – 1 BvQ 35/05 – juris).
Entsprechend ließ die Durchführung der Versammlung des Klägers zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Behörde Verstöße gegen § 4 Abs. 1 der Verordnung der Stadt Aschaffenburg über den Aschaffenburger Weihnachtsmarkt auf dem Platz vor der Stadthalle am Schloss (Weihnachtsmarktverordnung) vom 21. November 2003, öffentlich bekannt gemacht am 28. November 2003, erwarten. Gemäß § 4 Abs. 1 der Weihnachtsmarktverordnung hat sich jede Person auf dem Weihnachtsmarkt so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen vermeidbar behindert oder belästigt wird. Es erscheint der Kammer plausibel, dass es nicht nur zu Beeinträchtigungen des Fußgängerverkehrs, sondern aufgrund des Charakters der geplanten Versammlung als Gegenveranstaltung zu der in der nahgelegenen Stadthalle stattfindenden AfD-Versammlung und der damit einhergehenden politischen Kontroverse auch zu verbalen Auseinandersetzungen, Anfeindungen oder anderen Zwischenfällen kommen konnte, aufgrund derer Schädigungen, Gefährdungen oder zumindest vermeidbare Behinderungen oder Belästigungen i.S.v. § 4 Abs. 1 der Weihnachtsmarktverordnung zu erwarten waren. Dabei ist – wie vorerwähnt und auch von der Beklagten in ihrer Gefahrenprognose hervorgehoben – zu berücksichtigen, dass aller Voraussicht nach auch alkoholisierte Besucher des Weihnachtsmarktes mit herabgesetzter Aggressionsschwelle zum potentiellen Besucherkreis der Versammlung des Klägers gehörten. Angesichts all dessen ist es unrealistisch anzunehmen, dass die beiden Veranstaltungen reibungslos und „friedlich“ parallel nebeneinander abgelaufen wären. Vielmehr sieht die Kammer ein erhebliches Risiko dafür, dass es zu Störungen des Weihnachtsmarkts und dessen Besuchern gekommen wäre. Ebenso stand zu erwarten, dass aufgrund der eingesetzten Musik über eine Verstärkerbox Weihnachtsmarktbesucher i.S.v. § 4 Abs. 1 der Weihnachtsmarktverordnung belästigt werden.
Schließlich stand die Durchführung der Versammlung des Klägers in Widerspruch zu § 4 Abs. 3 Satz 1 der Weihnachtsmarktverordnung der Beklagten. Nach dieser Vorschrift sind außerhalb der vom Veranstalter zugewiesenen Standflächen der Verkauf von Waren aller Art, die Abgabe von Speisen und Getränken, das Anbieten gewerblicher oder freiberuflicher Leistungen, das Aufsuchen von Bestellungen auf gewerbliche oder freiberufliche Leistungen und die Veranstaltung von Vergnügungen verboten. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung gilt dies auch für nicht gewerbsmäßige Darbietungen von Schaustellungen, Musikaufführungen oder sonstige unterhaltende Vorstellungen. Im Widerspruch dazu ging die vom Kläger geplante Versammlung mit einer ebensolchen nicht gewerbsmäßigen Darbietung einer Schaustellung – hier in Form eines stilisierten Weihnachtsbaums – sowie mit einer Musikaufführung über eine Verstärkerbox einher. Die Durchführung der Versammlung hätte daher einen Verstoß gegen § 4 Abs. 3 der Verordnung und damit auch unter diesem Aspekt eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nach sich gezogen. Unschädlich ist dabei, dass die Behörde die Regelung des § 4 Abs. 3 der Verordnung in der Gefahrenprognose nicht explizit erwähnt hat, zumal die vom Schutzzweck der Regelung umfassten Rechte und Interessen, namentlich der über Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Geschäftsbetrieb der Händler des Weihnachtsmarkts, in die Gefährdungsprognose eingeflossen sind.
Der Klägerseite ist zwar zuzugestehen, dass die Gefahrenprognose der Beklagten teilweise knapp gehalten ist und auch einzelne Elemente aufweist, die auf bloßen Vermutungen gründen, wie die Annahme einer vom Kläger „offensichtlich gewollten Provokation“. Hierdurch verliert die Gefahrenprognose der Beklagten jedoch nicht entscheidend an Tragfähigkeit, da ungeachtet dessen – wie vorausgeführt – nach den für die Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderstellung erkennbaren Umständen konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung vorlagen. Dabei ist auch nicht von einer Fallkonstellation auszugehen, in der die Versammlungsbehörde die von ihr zu fordernden Bemühungen um Sachaufklärung nicht zum Zeitpunkt ihrer Verfügung, sondern erst nachträglich im Verwaltungsstreitverfahren unternommen und mit den nachgeschobenen Gründen – selbst bei unveränderter Sachlage – die getroffene Entscheidung nach deren Unwirksamwerden zu rechtfertigen versucht hat (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 10 B 17.1996 – juris). Vielmehr lagen die für die Gefahrenprognose maßgeblichen Gesichtspunkte für die Versammlungsbehörde in einer für sie erkennbaren und hinreichend ausermittelten Weise vor und fanden auch Eingang in die Gründe des Bescheids.
2.3. Die von der Behörde vorgesehene Verlegung des Versammlungsorts von dem Bereich des Weihnachtsmarkts vor der Stadthalle der Beklagten auf den Bereich zwischen der Treibgasse und der Strickergasse vor dem Weinhaus K* … beruht auf einer pflichtgemäßen Ermessensausübung.
Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG sieht auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen der Versammlungsbehörde vor, das heißt (auch) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage steht die Anordnung von Beschränkungen der Versammlung im Ermessen der Behörde, das diese im Rahmen des Art. 40 BayVwVfG unter Berücksichtigung der Grundrechte des Klägers und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben hat. Insoweit ist die Ermessensausübung der Versammlungsbehörde durch die Gerichte nach § 114 Satz 1 VwGO überprüfbar.
Hier hat die Versammlungsbehörde in Bezug auf die Verlegung des Versammlungsorts das ihr auf Grundlage von Art. 15 Abs. 1 BayVersG zustehende Ermessen erkannt. In den Gründen hat sie dies, allerdings in Bezug auf die unter Ziffer I des Bescheids ausgesprochenen „Verfügungen/Beschränkungen“ (vgl. Seite 4, 2. Absatz des Schreibens vom 17.12.2019), ausdrücklich erläutert. Wenngleich es näher gelegen hätte, diese Erläuterungen bereits im Rahmen der Ausführungen zur Verlegung des Versammlungsorts zu treffen bzw. die Verlegung des Versammlungsorts im Bescheid als eine der aufgeführten „Verfügungen/Beschränkungen“ einzuordnen, ist dennoch auch im maßgeblichen Abschnitt des Bescheids deutlich geworden, dass die Behörde das Erfordernis einer Abwägung erkannt hat („in Abwägung der Belange der Sicherheit, der Grundrechte Dritter erforderlich und angemessen“).
Der Bescheid leidet hinsichtlich der Verlegung des Versammlungsorts auch nicht an sonstigen Ermessensfehlern. Die Beklagte hat zwar knapp, jedoch in eindeutiger Weise ausgeführt, dass es in Abwägung der Belange der Sicherheit und der Grundrechte Dritter erforderlich und angemessen sei, die Versammlung in unmittelbare Nähe des gewählten Versammlungsorts außerhalb der Veranstaltungsfläche des Weihnachtsmarkts zu verlegen. Insbesondere wurden auch die Rechte des Klägers gesehen und in die Abwägung einbezogen; sie wurden jedoch als nachrangig bewertet, weil nach der behördlichen Einschätzung alle von ihm für die Versammlung geplanten Aktionen im neu festgesetzten Bereich durchgeführt werden könnten. Insoweit ist die Beklagte auf die zuvor in der Gefahrenprognose erläuterten, öffentlichen Sicherheitsinteressen und Grundrechtspositionen Dritter eingegangen und hat diese mit den zwar nicht ausdrücklich bezeichneten, aber doch in den Blick genommenen Veranstaltungsrechten des Klägers aus Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 GG abgewogen.
Die versammlungsrechtliche Beschränkung erweist sich aus Sicht der Kammer auch nicht als unverhältnismäßig. Die Versammlungsbehörde führte mit der von ihr verfügten Verlegung des Versammlungsorts vorliegend insbesondere eine rechtlich nicht zu beanstandende praktische Konkordanz zwischen den widerstreitenden Rechten und Interessen herbei.
Geht es um die versammlungsbehördliche Verlegung der Versammlung von dem angemeldeten an einen anderen Ort bzw. um die Beschränkung des beabsichtigten Versammlungsorts, ist zu berücksichtigen, dass von dem Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters nach Art. 8 Abs. 1 GG prinzipiell auch die Auswahl des Orts und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst ist. Die Behörde hat im Normalfall lediglich zu prüfen, ob durch die Wahl des konkreten Versammlungsorts Rechte anderer oder sonstige verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter der Allgemeinheit beeinträchtigt werden. Ist dies der Fall, kann der Veranstalter die Bedenken durch eine Modifikation des geplanten Ablaufs ausräumen, oder aber es kommen versammlungsrechtliche Auflagen in Betracht, um eine praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz herzustellen. Art. 8 Abs. 1 GG und dem aus ihm abgeleiteten Grundsatz versammlungsfreundlichen Verhaltens der Versammlungsbehörde entspricht es, dass auch bei Auflagen das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters im Rahmen des Möglichen respektiert wird. Ferner ist von Bedeutung, ob durch die Auflage die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit beseitigt werden kann, ohne den durch das Zusammenspiel von Motto und geplantem Veranstaltungsort geprägten Charakter der Versammlung – ein Anliegen ggf. auch mit Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen am Wirksamsten zur Geltung zu bringen – erheblich zu verändern (zum Ganzen: OVG Münster, U.v. 4.2.2020 – 15 A 355/19 – juris m.w.N.).
Auch wenn es sich bei dem Aufbau des stilisierten Weihnachtsbaums nicht nur um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG, sondern auch um durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Kunstausübung handelt, sind Beschränkungen der Versammlungsfreiheit auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 1 BayVersG unter Beachtung der Voraussetzungen, unter denen in das nicht unter einem Gesetzesvorbehalt stehende Grundrecht der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG eingegriffen werden kann, nicht ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 CS 15.431 – juris m.H.a. HessVGH, U.v. 17.3.2011 – 8 A 1188/10 – juris). Da die Kunstfreiheit dabei ihre Grenzen in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes findet, die ein anderes in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen, kommen Beschränkungen insbesondere zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Betracht (BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 CS 15.431 – juris).
Am Veranstaltungstag bestand ein Nutzungskonflikt mit Blick auf die Fläche vor der Stadthalle in Aschaffenburg. Während der Kläger dort seine Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG und die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Kunstausübung realisieren wollte, bezweckten die Beklagte und der Veranstalter des Weihnachtsmarkts die gefahrlose Durchführung des Weihnachtsmarkts und damit den Schutz der Rechtsgüter aus Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 12 und 14 GG. Hier hat die Beklagte – nach einem erfolglosen Kooperationsgespräch – im angegriffenen Bescheid in hinreichender Weise dargelegt, welche Sicherheitsinteressen und welche sonstigen Rechte beeinträchtigt würden, wenn der Kläger für die angemeldete Versammlung den Bereich vor der Stadthalle in Anspruch nehmen würde. Sie hat dabei insbesondere auf das Konfliktpotenzial mit der in der Stadthalle stattfindenden AfD-Veranstaltung, auf die Interessen der Weihnachtsmarkthändler und auf den Umstand verwiesen, dass für die Versammlung an Ort und Stelle nicht ausreichend Fläche zur Verfügung stand, ebenso wenig wie für einen im Einsatzfall erforderlichen polizeilichen Aktionsradius.
Die Beklagte hat durch die Verlegung des Versammlungsorts die Kollisionslage zwischen den widerstreitenden Interessen des Klägers einerseits und den öffentlichen Sicherheitsinteressen sowie den Grundrechten Dritter andererseits durch die Erzielung einer praktischen Konkordanz in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aufgelöst. Durch die Verlegung des Versammlungsorts wurde den wechselseitigen Interessen in bestmöglicher Weise Rechnung getragen. So wurde die Versammlungsfreiheit des Klägers aus Art. 8 Abs. 1 GG und die Kunstausübungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG durch die Verlegung des Versammlungsorts um ca. 30 m auf einen Bereich außerhalb der Veranstaltungsfläche für den Weihnachtsmarkt, jedoch unmittelbar an einen seiner Zugänge, allenfalls unwesentlich beeinträchtigt. Die Versammlung konnte zwar nicht mehr an ganz zentraler Stelle auf dem Weihnachtsmarkt, jedoch immer noch in unmittelbarer Nähe zum Weihnachtsmarkt stattfinden. Der Kläger als Veranstalter und die Teilnehmer der Versammlung waren damit weiterhin in der Lage, ihr kommunikatives Anliegen gegenüber der Öffentlichkeit und speziell gegenüber Besuchern des Weihnachtsmarkts zu transportieren. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, weshalb sich die vom Kläger angestrebte Verknüpfung zwischen der weihnachtlichen Stimmung des Weihnachtsmarkts und der AfD-Veranstaltung am neu festgesetzten Ort nicht mehr habe verwirklichen lassen. Eine räumliche Nähe zur AfD-Versammlung, die für die Versammlung des Klägers von symbolischer Bedeutung war, war nach wie vor gegeben. Insoweit misst die Kammer den öffentlichen Sicherheitsinteressen, die auf den Schutz der Grundrechte der Passanten aus Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 GG sowie der Ladeninhaber aus Art. 12 und 14 GG abzielen, ein höheres Gewicht bei als den allenfalls geringfügig betroffenen Rechten des Klägers aus Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 GG.
2.4. Damit erweist sich die Verlegung des Versammlungsortes als rechtmäßig.
3. Die Ziffer 2 Satz 1 der Verfügungen/Beschränkungen war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten. Die übrigen vom Kläger angegriffenen Verfügungen/Beschränkungen des Bescheids vom 17. Dezember 2019 waren rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
3.1. Die Ziffer 2 Satz 1 der Verfügungen/Beschränkungen, wonach nur die angemeldeten Versammlungsmittel verwendet werden dürfen, war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten. Die Regelung lässt sich nicht auf Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG stützen, weil – anders als die Beklagte annimmt – nicht in Bezug auf alle durch die Regelung ausgeschlossenen Versammlungsmittel eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung angenommen werden kann. Zutreffend weist die Klägerseite darauf hin, dass Versammlungsmittel von der Anzeige- und Mitteilungspflicht des Art. 13 BayVersG nicht umfasst sind. Das Verbot des Mitsichführens von Waffen, Schutzwaffen und gleichgestellten Gegenständen ergibt sich unmittelbar aus Art. 6 und 16 BayVersG. Unmittelbar zu beachten ist außerdem das Uniformierungs- und Militanzverbot (Art. 7 BayVersG). Jenseits dessen obliegt es (auch) der Versammlungsbehörde hinsichtlich nachträglich eingesetzter Versammlungsmittel, eine eigene Gefahrenprognose auf Grundlage von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG zu treffen, die sich jedoch nicht in dem Sinne pauschalieren lässt, dass von vornherein in Bezug auf sämtliche nicht angemeldete Versammlungsmittel eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung angenommen werden darf. Daran ändert auch die von der Beklagtenseite eingeräumte Möglichkeit einer nachträglichen Zulassung der Mittel vor Ort nichts.
Die Maßgaben von Ziffer 2 Satz 2 und Satz 3 der Verfügungen/Beschränkungen waren rechtmäßig. Die Regelungen zur Beschaffenheit, Länge und Durchmesser von Fahnenstangen und Transparentstangen sind nicht zu beanstanden. Stangen mit einer Länge von mehr als 1,50 m und Durchmesser über 2 cm können als Schlagwerkzeuge eingesetzt werden. Konkreter Anhaltspunkte für eine unfriedliche Verwendung bedarf es insoweit nicht, weil die Gefährlichkeit auf der Hand liegt. Entsprechend ist es aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sachgerecht und notwendig, die Länge und Stärke von Stangen, die bei einer Veranstaltung mitgeführt werden, zu regeln. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Gegenstände mitgeführt werden, die, ohne dass dies für Zwecke der Versammlung erforderlich wäre, als Waffen genutzt und herangezogen werden können (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2005 – 24 CS 05.3215 – juris). Die hierdurch erwirkte Einschränkung der Versammlungsteilnehmer ist im Übrigen marginal.
Soweit in Ziffer 2 Satz 4 der Verfügungen/Beschränkungen das Tragen von Weihnachtsvollmasken untersagt wird, ist auch dies nicht zu beanstanden. Gemäß Art. 16 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG ist es u.a. verboten, an Versammlungen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel in einer Aufmachung teilzunehmen, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern. Dieser Regelung entspricht es, wenn die Versammlungsbehörde das Tragen von Weihnachtsvollmasken untersagt. Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) liegt insoweit nicht vor. Aus dem Begriff „Weihnachtsvollmaske“ wird aus Empfängersicht hinreichend deutlich, dass damit lediglich eine (nahezu) vollständige Gesichtsverdeckung zum Zweck der Verhinderung einer Identitätsfeststellung gemeint ist. Für den Empfänger ist insbesondere erkennbar, dass das Tragen eines weißen Weihnachtsmannbarts in der Regel nicht unter die vorgenannte Bestimmung fällt. Denn ein Weihnachtsmannbart stellt dem Wortsinn nach schon gar keine „Maske“ dar. Er verdeckt das Gesicht der ihn tragenden Person regelmäßig auch nur teilweise und ist seinem Zweck nach in aller Regel nicht dazu bestimmt, die Identitätsfeststellung zu verhindern. Dem entsprechend ist im vorliegenden Fall auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte des Klägers, namentlich in seine Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG), gegeben. Mit der Bestimmung unter Ziffer 2 Satz 4 der Verfügungen/Beschränkungen wird nicht verhindert, dass die Veranstalter der Kunst-Performance – wie vom Kläger nach seinen Angaben in der Anmeldung der Versammlung beabsichtigt – in einer dem üblichen Bild einer Weihnachtsmannfigur entsprechenden Weise, einschließlich eines Weihnachtsmannbarts, auftreten dürfen.
3.2. Bezüglich der unter Ziffern 3 und 9 ausgesprochenen Verfügungen/Beschränkungen zur Einhaltung der Wegebeziehungen am Versammlungsort und des Einsatzes von Ordnern bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie lassen sich auf Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG stützen, weil mit der Versammlungsbehörde davon auszugehen ist, dass die auf einen unbeschränkten Teilnehmerkreis (Gäste des Weihnachtsmarkts) ausgerichtete Versammlung zu einer unmittelbaren Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs führen kann. Es ist nicht erkennbar, weshalb die unter Ziffer 3 der Verfügungen/Beschränkungen angeordnete Pflicht zur Einhaltung der Wegebeziehungen am Versammlungsort und der vorgegebene Einsatz von Ordnern zur Gewährleistung eines 2 m breiten Weges unverhältnismäßige Auswirkungen auf den Kläger haben könnten. Gleiches gilt für die unter Ziffer 9 der Verfügungen/Beschränkungen getroffene Spezifizierung zur Anzahl (1 Ordner pro 30 Teilnehmer, mindestens 2) und Geeignetheit der Ordner (Volljährigkeit, fachliche und persönliche Geeignetheit, Fähigkeit zum Verstehen und Umsetzen von Anweisungen des Versammlungsleiters, dessen Vertreters und der Polizei). Gemäß Art. 13 Abs. 7 BayVersG kann die zuständige Behörde dem Veranstalter aufgeben, die Anzahl über einen Ordner (vgl. Art. 13 Abs. 6 BayVersG) hinaus zu erhöhen, wenn ohne die Erhöhung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu besorgen ist. Es erscheint der Kammer plausibel, dass bei einer zweistündigen Veranstaltung mit unbestimmtem Teilnehmerkreis, die zudem als Gegenveranstaltung zu einer nahegelegenen politischen Veranstaltung konzipiert ist, zur kontinuierlichen und hinreichenden Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs sowie zum Vorbeugen und gegebenenfalls Abwenden weiterer Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mindestens zwei Ordner und bei steigender Zahl an Teilnehmern gegebenenfalls auch mehr Ordner einzusetzen sind. Insbesondere ist auch die Vorgabe, dass je angefangene 30 Teilnehmer ein Ordner einzusetzen ist, nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, welcher sich die Kammer anschließt, sind grundsätzlich ein Ordner pro angefangene 25 Teilnehmer als ausreichend anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2008 – 10 ZB 07.2665 – juris). Die behördliche Vorgabe bleibt insoweit hinter diesen Anforderungen zurück und hält sich im üblichen Rahmen. Nicht zu folgen ist dem Einwand des Klägers, dass neben seiner Person nur zwei weitere Personen an der Veranstaltung beteiligt sein würden und dass sich deshalb nur noch eine Person um die Kunst-Performance kümmern könne. Zum einen ist die Versammlung – wie vorerwähnt – für einen unbestimmten Kreis an Teilnehmern geöffnet worden, zum anderen ist durch die angegriffene Maßgabe nicht vorgegeben, dass die eingesetzten Ordner aus dem Kreis der Veranstalter oder der die Kunst-Performance ausführenden Personen entstammen müssen. Die von der Beklagten vorgesehene Zahl an Ordnern hält sich somit im Rahmen des Verhältnismäßigen.
3.3. Die Ziffer 4 der Verfügungen/Beschränkungen, wonach Weisungen der Polizeikräfte Folge zu leisten ist und insbesondere beim Einsatz akustischer Demonstrationsmittel darauf zu achten ist, dass Weisungen der Polizeikräfte wahrgenommen werden können, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie lässt sich ohne weiteres auf Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG stützen. Sollte den Weisungen von Polizeikräften keine Folge geleistet werden beziehungsweise sollten die Weisungen nicht wahrgenommen werden können, können unweigerlich Situationen eintreten, die eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung befürchten lassen. Weshalb der Inhalt der Regelung – wie der Kläger meint – einer Maßgabe nach Art. 15 BayVersG nicht zugänglich sein sollte, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Anders als der Kläger meint, enthält diese Verfügung/Beschränkung auch eine konkrete Handlungspflicht, nämlich das Folgeleisten polizeilicher Weisungen sowie das Sicherstellen ihrer Wahrnehmbarkeit. Die Versammlungsteilnehmer und auch die Veranstalter werden hierdurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Ebenso wenig bestehen Zweifel an ihrer von Klägerseite lediglich pauschal in Abrede gestellten Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).
3.4. Keinerlei rechtliche Bedenken bestehen auch in Bezug auf Ziffer 10 der Verfügungen/Beschränkungen, wonach den Versammlungsteilnehmern die sie betreffenden Auflagen rechtzeitig und in geeigneter Weise bekannt zu machen sind. Sie lässt sich auf die Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG stützen. Die in Ziffer 10 der Verfügungen/Beschränkungen enthaltene Maßgabe ist zwingende Voraussetzung für das Abwenden unmittelbarer Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Kommt der Veranstalter dieser Pflicht nicht nach, steht zu erwarten, dass die Versammlungsteilnehmer nicht in die Lage versetzt werden, die ihnen obliegenden Maßgaben umzusetzen. In einem solchen Fall käme der Leiter auch nicht seiner Pflicht nach, während der Versammlung für Ordnung zu sorgen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayVersG). Entgegen der Auffassung der Klägerseite beinhaltet Ziffer 10 der Verfügungen/Beschränkungen nicht nur eine allgemeine Rechtspflicht, sondern eine konkrete Handlungspflicht des Veranstalters, nämlich die Versammlungsteilnehmer über die sie betreffenden Auflagen rechtzeitig und in geeigneter Weise zu informieren.
3.5. Bei Ziffer 11 der Verfügungen/Beschränkungen handelt es sich um einen Auflagenvorbehalt i.S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG. Er gibt der Behörde auch nach Erlass des Verwaltungsakts die Befugnis zu entsprechenden Anordnungen einschließlich einer Erweiterung und Verschärfung bestehender Auflagen. Auch diese Regelung ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil sich die Auswirkungen der Versammlung im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht voll übersehen ließen. Unschädlich ist insoweit, dass die Versammlungsbehörde den Auflagenvorbehalt fehlerhaft als „Auflage“ bezeichnet hat.
4. Damit erweist sich die Klage lediglich hinsichtlich Ziffer 2 Satz 1 der Verfügungen/Beschränkungen als begründet. Im Übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kammer geht dabei von einem nur geringfügigen Unterliegen der Beklagten aus.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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