Medizinrecht

Verordnung der häuslichen Krankenpflege und Medikamentenplan nicht beihilfefähig

Aktenzeichen  W 1 K 17.680

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11421
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GOÄ § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 4
GOÄ-Ziff. 70, 75

 

Leitsatz

Die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und ein Medikamentenplan sind nicht als kurze Bescheinigung iSd GOÄ-Ziff. 70 beihilfefähig, sondern mit der Abrechnung der Beratung nach GOÄ-Ziff. 1 bzw. 3 bereits abgegolten. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht über die vorliegende Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Beihilfe zur Rechnung vom 8. Februar 2017. Der Bescheid der PBeaKK vom 10. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Anspruchsgrundlage für Gewährung der Beihilfe nicht §§ 30, 31 der Satzung der PBeaKK, sondern § 80 BBG i.V.m. § 6 BBhV. Die Satzung der PBeaKK kann lediglich Versicherungsleistungen zum Gegenstand haben. Vorliegend steht jedoch die Gewährung von Beihilfeleistungen in Streit, die durch die PBeaKK lediglich im Auftrag der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost unter Anwendung der gesetzlichen Vorschriften durchgeführt wird.
Die Klägerin ist als Versorgungsempfängerin beihilfeberechtigt nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG. Beihilfefähig sind nach § 80 Abs. 3 Nr. 1 BBG grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, gegeben war (BVerwG U.v. 30.4.2009 – 2 C 127.07 – juris Rn. 7; U.v. 15.12.2005 – 2 C 35.04 – BVerwGE 125, 21). Danach findet für die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen aus dem Februar 2017 die auf Grundlage von § 80 Abs. 4 BBG erlassene Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I 2009, S. 326), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Oktober 2016 (BGBl. I 2016, S. 2403), Anwendung.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind beihilfefähig grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV sind wirtschaftlich angemessen grundsätzlich Aufwendungen für ärztliche Leistungen, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) entsprechen. Da die Verordnungen zur häuslichen Pflege bzw. der Medikamentenplan nicht nach GOÄ-Ziff. 70 gesondert abrechenbar waren, handelt es sich nicht um wirtschaftlich angemessene Aufwendungen, welche daher auch nicht beihilfefähig sind.
GOÄ-Ziff. 70 erfasst kurze Bescheinigungen oder kurze Zeugnisse, wie bspw. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Weder bei der Verordnung der häuslichen Krankenpflege noch bei dem Medikamentenplan handelt es sich jedoch um eine kurze Bescheinigung i.S.d. GOÄ-Ziff. 70. Vielmehr ist die Ausstellung der Verordnung der häuslichen Krankenpflege bzw. des Medikamentenplans vorliegend mit der zugleich erfolgten Abrechnung der Beratung nach GOÄ-Ziff. 1 bzw. 3 abgegolten. Ein Rezept, dem die Verordnung der häuslichen Krankenpflege gleichzusetzen ist, ist keine „Bescheinigung“ sondern eine zur Beratungsleistung gehörende Verordnung. Die Beratung gehört zu den wichtigsten ärztlichen Leistungen überhaupt und schließt unter anderem folgende Teilleistungen mit ein: Anhören der Beschwerden, Anamnese, Erteilung von Auskünften, Besprechung von Verhaltensmaßnahmen, Ausstellung von Verordnungen, Rezepten und Überweisungen (vgl. Brück, Kommentar zur GOÄ, Stand Mai 2017, Ziff. 1 Rn. 2; Ziff. 70 Rn. 2). Bestätigt wird dies auch durch die Aussage der Arztpraxis, wonach zur Ausstellung der Verordnung der häuslichen Krankenpflege auch immer eine ärztliche Beratung erforderlich ist. Die Erstellung des Medikamentenplans ist als Teilleistung der Ausstellung der Verordnung zu sehen bzw. als Besprechung von Verhaltensmaßnahmen. Eine gesonderte Berechnung neben der Beratungsleistung ist jedenfalls nicht gerechtfertigt.
Die gesonderte Berechnung der Ausstellung von Verordnungen und Rezepten wäre nur nach GOÄ-Ziff. 2 möglich, sofern es sich um ein Wiederholungsrezept handelt und nicht zugleich eine andere Leistung berechnet wird. Vorliegend hat ausweislich der Rechnung vom 8. Februar 2017 zugleich mit der Ausstellung der Verordnung eine Beratung stattgefunden und wurde als solche auch abgerechnet (GOÄ-Ziff. 1 bzw. 3), so dass auch die GOÄ-Ziff. 2 nicht hätte angesetzt werden können.
Dass die Verordnung der häuslichen Krankenpflege bzw. des Medikamentenplans keine kurze Bescheinigung gem. GOÄ-Ziff. 70 darstellen, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass Ziff. 70 (und Ziff. 75) in der Regel nicht neben der eingehenden Beratung nach GOÄ-Ziff. 3 ausgeschlossen sind. Der fehlende Ausschluss neben Ziff. 3 resultiert daraus, dass der Leistungsinhalt der Ziffern 70 und 75 GOÄ zumeist erst zu einem Zeitpunkt erfüllt ist, der nicht mehr im Zusammenhang mit der Leistungserbringung nach GOÄ-Ziff. 3 steht. Der Medikamentenplan bzw. die Verordnung der häuslichen Krankenpflege stehen jedoch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Behandlung bzw. Therapie, die im Rahmen der Beratung besprochen wird. Sie unterscheiden sich somit von bspw. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Anwesenheitsbescheinigungen, die unabhängig von der Behandlung und Therapie (mit Ausstellung der erforderlichen Rezepte) im Anschluss an eine Beratung ausgestellt werden können.
Auch handelt es sich vorliegend nicht um ausführliche schriftliche Krankheits- und Befundberichte nach GOÄ-Ziff. 75. Ein solcher zeichnet sich aus, durcheine individuelle, auf den Patienten abgestellte epikritische Bewertung der Anamnese, der erhobenen Befunde und ggf. des Krankheitsverlaufs sowie der Therapie (vgl. Brück, Kommentar zur GOÄ, Stand Mai 2017, Ziff. 75 Rn. 2). Die vorgelegten Verordnungen der häuslichen Krankenpflege erhalten jedoch lediglich die Diagnosen sowie die durch den Pflegedienst auszuführenden Maßnahmen und erfüllen daher diese Erfordernisse nicht.
Auch eine analoge Abrechnung der GOÄ-Ziff. 70 kommt nicht in Betracht, da eine hierfür erforderliche Kennzeichnung nach § 12 Abs. 4 GOÄ in der Rechnung vom 8. Februar 2017 nicht erfolgt ist. Zudem handelt es sich, wie oben erörtert, bei der Ausstellung der Verordnung der häuslichen Krankenpflege sowie des Medikamentenplans gerade nicht um selbstständige ärztliche Leistungen gem. § 6 Abs. 2 GOÄ. Diese sind vielmehr von der Beratung umfasst.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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