Medizinrecht

Versorgungsehe

Aktenzeichen  L 19 R 494/15

Datum:
25.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 134268
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 46 Abs. 1, Abs. 2a, § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 97
SGG § 143, § 144, § 151, § 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 193

 

Leitsatz

1. Bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Doch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet – überwiegend oder zumindest gleichwertig – aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. (Rn. 43)
2. Zu dem einer Versorgungsehe möglicherweise entgegenstehenden Umstand der Übernahme der Pflege des Versicherten. (Rn. 47)

Verfahrensgang

S 6 R 144/15 2015-04-28 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente gemäß § 46 SGB VI, da der Anspruch wegen § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen ist.
§ 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bestimmt, dass eine Witwe, die nicht wieder geheiratet hat, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf eine kleine Witwenrente hat, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Die Klägerin ist die Witwe des am 05.06.2014 verstorbenen Versicherten M. P., der die allgemeine Wartezeit gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt hatte. Sie hat nach dessen Tod auch nicht wieder geheiratet. Damit besteht gemäß § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VI grundsätzlich ein Anspruch auf eine kleine Witwenrente für längstens 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist, d.h. vom 01.07.2014 bis 30.06.2016.
Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Hinterbliebene allerdings keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Im Fall der Klägerin hat die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert, da die Ehe am 23.08.2013 geschlossen wurde und der Versicherte am 05.06.2014 verstorben ist.
Damit gilt zunächst die gesetzlich festgelegte Annahme, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, dass also eine sogenannte Versorgungsehe vorgelegen hat. Die Annahme eines anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den – auf Grund Gesetzes angenommenen – Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 134/08 R; BSG Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R, jew. nach juris).
Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen (BSG Urteil vom 05.05.2009 a.a.O. m.w.N. – nach juris). Die Umstände sind nachzuweisen; die Beweislast trägt, wer die Hinterbliebenenrente beantragt – hier also die Klägerin (A. in: Meyer-Ladewig/A./ Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 118 Rn. 6).
Zu den zentralen äußeren Umständen zählt der Gesundheitszustand der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung. Der Ehemann der Klägerin litt zum Zeitpunkt der Eheschließung an einer Karzinomerkrankung, die nach sämtlichen hierin übereinstimmenden ärztlichen Unterlagen nicht mehr kurativ, sondern nur noch palliativ behandelt werden konnte und wurde. Die Erkrankungsprognose war bereits im Rehabilitationsentlassungsbericht für den Zeitpunkt der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme im Juli 2013 als infaust bezeichnet worden. Die Einschätzung, dass eine tödlich verlaufende Erkrankung beim Versicherten vorgelegen hatte, wird auch durch das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. bestätigt.
Auch wenn nach diesem Gutachten die ärztliche Dokumentation den genauen Umfang und Inhalt der ärztlichen Aufklärung nicht eindeutig habe erkennen lassen, ist der Senat der Überzeugung, dass die Eheleute wussten, dass die gesundheitliche Situation des Versicherten ernst war und anders als bei der Erstmanifestation eine Heilung nicht mehr möglich war. Dies ergibt sich zunächst schon aus den eigenen Angaben der Klägerin im Rentenantrag über das Vorliegen der lebensbedrohlichen Erkrankung. Dafür, dass die Eheleute die Tragweite der Situation erkannt hatten, spricht aber auch, dass sie von ihren ursprünglichen Vorstellungen über die fehlende Notwendigkeit einer Ehe und den in der Folgezeit nach der Ersterkrankung angedachten Gestaltungsplänen – etwa einer Trauung durch Herrn C., die ein terminliches Zuwarten gefordert hätte – abgewichen sind.
Dabei ist für die Beurteilung der gesundheitlichen Verhältnisse und der Kenntnis der Eheleute über den Schweregrad der Erkrankung zutreffend auf das Datum der Eheschließung bzw. das Datum der Anmeldung beim Standesamt abzustellen gewesen, wobei nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. zwischen diesen beiden kurz aufeinanderfolgenden Zeitpunkten kein wesentlicher Unterschied zu belegen war.
Der im Verlauf des Verfahrens getätigte Vortrag der Klägerin, dass der Entschluss zur Eheschließung bereits deutlich vor dem tatsächlichen Heiratstermin erfolgt gewesen sei und deshalb auf diesen früheren Zeitpunkt und nicht auf das Datum der Eheschließung für die Beurteilung der gesundheitlichen Situation des Versicherten und der Kenntnis der späteren Eheleute vom Schweregrad der Erkrankung abzustellen sei, hat sich nicht bestätigen lassen. Die Einvernahme des Bürgermeisters der Gemeinde A-Stadt, Herrn C., hat ergeben, dass der Versicherte ihn zwar bereits zu verschiedenen Zeitpunkten vor dem Erkrankungsrezidiv auf eine mögliche Eheschließung und deren Umsetzung angesprochen hatte, dass dies jedoch jeweils noch unverbindlich und ohne detaillierte Festlegung erfolgt war. Auch die Tatsache, dass die Eheschließung durch einen anderen Standesbeamten, an einem anderen Ort und in anderer Form – nämlich ohne große Feier – erfolgte, als ursprünglich angedacht, spricht dafür, dass die Eheschließung nicht die Umsetzung eines bereits vorher nach außen hin verbindlich festgelegten Entschlusses zur Heirat gewesen ist.
Aus Sicht des Senats kommt dem Vorliegen einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung zentrale Bedeutung zu, nicht dagegen unmittelbar der ärztlichen Prognose über die verbleibende Restlebenszeit. Es kommt also nicht darauf an, ob die behandelnden Ärzte oder die Gutachter im vorliegenden Fall von einer Überlebensdauer des Versicherten von mehr oder weniger als einem Jahr ausgegangen sind. Auch bei einer Prognose einer Lebenserwartung von mehr als einem Jahr kann ohne weiteres eine Versorgungsehe vorgelegen haben. Die Prognose spielt allerdings insofern eine indirekte Rolle als bei der Beurteilung eine Verknüpfung zwischen dem Schweregrad der Erkrankung und dem notwendigen Gewicht der anderweitigen Beweggründe hergestellt wird. Die Rechtsprechung geht dabei von Folgendem aus: Im Rahmen der Gewichtung ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Doch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet – überwiegend oder zumindest gleichwertig – aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei abschließender Gesamtbewertung diejenigen besonderen – inneren und äußeren – Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Demgemäß steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG Urteile vom 05.05.2009 und vom 06.05.2010 a.a.O.).
Auch wenn die Klägerin vorträgt, dass die Eheleute von einer längeren Ehedauer ausgegangen sind und das Attest des Dr. B. eine erwartete Überlebensdauer des Versicherten von um die 5 Jahre behauptet, konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass objektiv eine Überlebensdauer von mehr als einem Jahr sicher zu erwarten gewesen war und nur durch eine nicht vorhersehbare neue Erkrankung oder einen völlig unerwarteten Krankheitsverlauf ein Versterben bereits innerhalb des ersten Jahres nach der Eheschließung eingetreten war. Zwar war im Rehabilitationsbericht die Verschlechterung mit Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit als mittel- bis langfristig eingeordnet worden, allerdings ohne dass eine genaue Zeitperspektive mit diesen Begriffen verbunden worden wäre. Das Gutachten des Prof. Dr. E. benennt jedoch verschiedene nachteilige Umstände, die dafür sprachen, dass die restliche Lebensdauer des Versicherten deutlich unterhalb der möglichen statistischen Werte zu erwarten war, auch wenn der genaue Todeszeitpunkt selbstverständlich nicht sicher prognostizierbar gewesen war. Im Ergebnis ist der Prognosekorridor von 6 bis 20 Monaten aber weder geeignet, für einen sehr kurzen Zeitraum von deutlich weniger als einem Jahr zu sprechen, noch auf eine mehrjährige Überlebensdauer hinzuweisen.
Der von der Klägerseite angeführten Tatsache, dass kurz vor dem Versterben des Versicherten von der behandelnden Klinik ein weiterer Krankenhaustermin anberaumt worden war, kommt aus Sicht des Senates keine besondere Bedeutung zu, da es gerichtsbekannt ist, dass selbst bei Patienten mit geringsten Überlebensprognosen rein vorsorglich solche Folgetermine in die Klinikplanung eingestellt werden, da es leichter ist, den nicht erforderlichen Termin neu zu vergeben als einen nicht reservierten notwendigen Termin ggf. dann doch noch zu benötigen.
Der Senat konnte sich unter Abwägung aller ärztlichen Ausführungen nicht davon überzeugen, dass die Eheleute mit Sicherheit davon ausgehen durften, dass der Versicherte trotz seiner Erkrankung länger als ein Jahr leben würde. Die lebensbedrohliche Erkrankung mit fraglicher Überlebensperspektive von einem Jahr war als bedeutsames Faktum zu berücksichtigen.
Der von der Klägerin als besonderer Umstand angeführte Grund der Übernahme der Pflege des Versicherten wird in der Kommentarliteratur – z.B. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand September 2015, § 46 SGB VI, Rn. 46c – angesprochen. Der Senat sieht Überlegungen zur Eingehung der Ehe im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Pflege regelmäßig dann als von vornherein nicht angebracht an, wenn die verbleibende Lebenserwartung gerade keine längere Pflegedauer erwarten lässt. Aus diesem Grund hat der Senat bei einer Prognose zum Eintritt des Todes in ganz wenigen Monaten die vorgetragene Motivation der Sicherstellung der Pflege nicht als bedeutsam angesehen (vgl. Urteil des Senats vom 19.11.2014 – L 19 R 1053/12 – Rn. 44, veröffentlicht in juris). Im Fall der Klägerin und ihres Ehemannes ist eine objektive Prognosedauer von 6 bis 20 Monaten, d.h. im Mittel von 13 Monaten, angegeben worden. Wenn man noch unterstellt, was die ärztlichen Bescheinigungen nahelegen, dass die Prognose noch etwas positiver vermittelt worden war, ist die Annahme einer längeren Dauer für die Pflege des Versicherten durch die Klägerin als durchaus nachvollziehbar anzusehen. Dass die Klägerin tatsächlich eine solche Erwartung hatte, zeigt sich auch in ihren Äußerungen gegenüber dem Zeugen D., ihrem Vorgesetzten, und in dem tatsächlichen Verhalten der Klägerin bei der Gestaltung der Arbeitssituation: Bei einer kurzfristigen Pflegedauer wären andere Angebote des Arbeitgebers möglich gewesen, die die mittel- bis langfristige berufliche Perspektive der Klägerin nicht verschlechtert hätten. Für den Senat ergibt sich, dass es nicht von vornherein unrealistisch war eine Pflegedauer von zumindest mehr als einem Jahr anzunehmen.
Gleichwohl kommt der Senat nicht zum Ergebnis, dass in diesem Zusammenhang ein bedeutsames, der gesetzlich vermuteten Versorgungsabsicht zumindest gleichwertiges Motiv vorgelegen hätte. Dies ergibt sich daraus, dass eine sogenannte Pflegeehe als Motiv die Erwartung eines Versicherten, der fremder Hilfe bedarf, verlangt, mit der Heirat seine Pflege sicherzustellen. Somit sind zunächst also nicht die Überlegungen der Klägerin bedeutsam, sondern die ihres pflegebedürftigen Partners. Dass dieser Äußerungen in dieser Richtung getätigt hätte, ist nicht vorgebracht und nicht belegt. Zudem hat die Klägerin auch schon vor der Eheschließung pflegeähnliche Unterstützung wie die Begleitung zu Arztbesuchen übernommen gehabt.
Soweit die Klägerin eine Notwendigkeit zur Eheschließung darin sieht, dass sie als Ehefrau leichter die Zustimmung ihres Arbeitgebers zur Arbeitsreduzierung für die Pflege des Versicherten hätte erlangen können, hat sich dieses Motiv nicht nachweisen lassen. Die Gespräche über die Arbeitszeitverkürzung hatten jedenfalls schon vor der Eheschließung und auch vor der Anmeldung beim Standesamt begonnen und die Regelung war bereits vorbereitet. Dass hierbei die Frage eine Rolle gespielt hätte, ob die Pflege den nicht ehelichen Lebenspartner oder den Ehegatten betreffen würde, ist nicht ersichtlich geworden. Zumindest die kurzfristigen Freistellungen waren auch für die Erkrankung des nicht ehelichen Lebenspartners gewährt worden.
Der Senat sieht darüber hinaus die in der Kommentarliteratur angedeutete weite Verwendung des Begriffs der Pflegeehe im Zusammenhang mit dem in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 03.09.1986 (Az. 9a RV 8/84 – nach juris) nicht gedeckt. Dort bestand zwar ein dauerhafter Pflegebedarf, aber es war keine lebensbedrohliche Erkrankung der Anlass des Pflegebedarfs gewesen, so dass der Eintritt des Todes innerhalb eines Jahres überraschend war und die Frage der Pflegeehe nur insofern zu diskutieren war, als seinerzeit im Instanzenzug das Eingehen einer Ehe ohne erkennbare persönliche (Liebes-) Beziehung als möglicher Ausschlussgrund für Hinterbliebenenversorgung angeführt worden war. Ohne dass es im vorliegenden Fall noch darauf ankommen würde, wäre zusätzlich zu bedenken, dass diese Entscheidung des BSG vor Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung und der dadurch ermöglichten Absicherung des Pflegebedarfs ergangen ist und deshalb heute – auch im Hinblick auf das gewandelte Frauenbild – so nicht mehr in vollem Umfang Fortbestand haben kann.
Der von der Klägerseite als weiteres Motiv für die Eheschließung genannte Umstand, dass dadurch die Handlungsfähigkeit der Klägerin gegenüber Behörden u.ä. hergestellt werden sollte, mag zwar nicht zu widerlegen sein. Ihm kommt angesichts der Tatsache, dass die Handlungsfähigkeit auch durch eine Vollmacht für den nichtehelichen Lebenspartner hergestellt hätte werden können, nur eine untergeordnete Bedeutung zu.
Auch aus der Tatsache, dass die Klägerin eigene Versorgungsansprüche aus eigener Beschäftigung hat und möglicherweise im Zusammenhang mit der Änderung ihrer beruflichen Tätigkeit aus Anlass der Pflege ihres Ehegatten Einbußen erlitten hat, bei denen ein vollständiger Ausgleich durch eine mögliche Hinterbliebenenrente nicht offensichtlich ist – zumal auch noch über § 97 SGB VI eine Anrechnung eigenen Einkommens erfolgt -, führt nicht dazu, dass die gesetzlich vermutete Versorgungsabsicht widerlegt wäre. Wie bereits dargelegt, geht es vorrangig um die Ermittlung und Bewertung weiterer bedeutsamer Gründe für die Eheschließung. Außerdem ist beim Vergleich finanzieller Vor- und Nachteile auch das gesamte Wirkungsspektrum, etwa auch (erbschafts-) steuerrechtlicher Art, in den Blick zu nehmen.
Es ist auch bereits wiederholt entschieden worden (vgl. z.B. Bayer. Landessozialgericht Urteil vom 20.04.2011 – L 20 R 20/09 – Rn. 41, veröffentlicht in juris), dass das Vorliegen einer Liebesbeziehung allein nicht ausreicht, die Vermutung über das Vorliegen einer Versorgungsehe hinreichend zu erschüttern, wenn die vorliegende schwere und akut lebensbedrohliche Erkrankung den Nachweis besonderer Gründe erforderlich macht (a.a.O. Rn. 40).
In der Gesamtbetrachtung sah der Senat die dargelegten anderen Motive nicht als zumindest gleichwertig zur unterstellten Versorgungsabsicht an und zwar weder allein, noch in der Summe.
Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2015 ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden und die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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