Medizinrecht

Zur beihilferechtlichen Erstattungsfähigkeit von Krankenhausleistungen in der Schweiz

Aktenzeichen  1 K 17.136

Datum:
17.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6605
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 28, § 45 Abs. 1 S. 1, S. 5, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 48 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Unter einer Notfallbehandlung ist das Erkennen drohender oder eingetretener Notfallsituationen und die Behandlung von Notfällen einschließlich der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung akut bedrohter Vitalfunktionen zu verstehen; ein Notfall zeichnet sich hierbei dadurch aus, dass es sich um ein akutes, unerwartet auftretendes Ereignis handelt, welches einer sofortigen Behandlung bedarf. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Ausnahme von einem für die Erstattungsfähigkeit von außerhalb der EU entstandenen ärztlichen Behandlungskosten durchzuführenden Kostenvergleich wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten im Inland gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BayBhV setzt zwingend eine Anerkennung der Beihilfefähigkeit vor Reiseantritt voraus. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Beschränkung von Beihilfeleistungen für Aufwendungen für Krankenhausleistungen in der Schweiz auf die Höhe der im Inland erstattungsfähigen Kosten verstößt nicht gegen das das Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz (vgl. BVerwG BeckRS 2011, 55860). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage in Höhe von 1.474,53 EUR zurückgenommen wurde, wird das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen W 1 K 18.516 eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

I.
Das Verfahren war nach entsprechender Teilrücknahme der Klage durch Schriftsatz vom 5. April 2018 sowie in der mündlichen Verhandlung insoweit abzutrennen, § 93 Satz 2 VwGO, und einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO, als der Kläger eine weitere Beihilfe für die Rechnungen vom 26. November 2015 und 28. Januar 2016 sowie bezüglich der Rechnung vom 23. Dezember 2015 hinsichtlich der von der Beihilfestelle vorgenommenen Kürzungen der beihilfefähigen Aufwendungen sowie der in Abzug gebrachten Eigenbeteiligungen (Hinweisnummern 0301,0308, f1, f2, f3) – insgesamt 1.474,53 EUR – begehrt hatte.
II.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat über die bereits erhaltene Beihilfe zur streitgegenständlichen Klinikrechnung vom 23. Dezember 2015 hinaus keinen Anspruch auf eine weitere Beihilfeleistung dahingehend, dass diese Rechnung der Beihilfegewährung ohne Durchführung eines Kostenvergleichs nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BayBhV zu Grunde gelegt wird. Der durchgeführte Kostenvergleich anhand der vom Kläger vorgelegten vier Vergleichsrechnungen der Orthopädischen Klinik König-Ludwig -Haus war vielmehr rechtmäßig. Der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2017 ist – soweit noch Gegenstand des Verfahrens – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandene Aufwendungen nur beihilfefähig, wenn es sich um Aufwendungen nach den §§ 8-29 sowie 31-34 handelt und nur insoweit und bis zu der Höhe, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland beim Verbleiben am Wohnort entstanden und beihilfefähig gewesen wären (Kostenvergleich). Nachdem vorliegend die Erstattung von Krankenhausleistungen nach § 28 BayBhV in Streit steht, sind diese zwar grundsätzlich erstattungsfähig, jedoch entsprechend dem Grundsatz des § 45 Abs. 1 Satz 1 BayBhV nur in dem Umfang, wie er sich nach einem durchzuführenden Kostenvergleich mit den in der Bundesrepublik Deutschland beim Verbleiben am Wohnort entstehenden und beihilfefähigen Kosten ergibt. Die in § 45 BayBhV geregelten Ausnahmen von der Verpflichtung zur Vornahme eines solchen Kostenvergleichs sind hier sämtlich nicht einschlägig.
Da die Behandlung des Klägers in der Schweiz und damit nicht innerhalb der Europäischen Union stattgefunden hat, greift die Ausnahmeregelung des § 45 Abs. 1 Satz 3 BayBhV nicht.
Auch liegt kein Fall des § 45 Abs. 1 Satz 5 BayBhV vor, wonach die Beschränkungen der Sätze 1,3 und 4 nicht für Aufwendungen gelten, die anlässlich von stationären Notfallbehandlungen entstehen. Unter einer Notfallbehandlung ist das Erkennen drohender oder eingetretener Notfallsituationen und die Behandlung von Notfällen einschließlich der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung akut bedrohter Vitalfunktionen zu verstehen (vgl. Mildenberger, Beihilferecht, Bd. 1, § 11 Rn. 10 (4)). Ein Notfall zeichnet sich hierbei dadurch aus, dass es sich um ein akutes, bei Reiseantritt unvorhersehbares, unerwartet auftretendes Ereignis handelt, welches einer sofortigen Behandlung bedarf. Namentlich ist ein derartiger Notfall im Rahmen eines Unfalles gegeben (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2011 – 2 C 14/10 – juris). Vorliegend stellt der stationäre Aufenthalt in der Schulthess-Klinik in Zürich vom 9. – 26. November 2015 und insbesondere die dort durchgeführte Operation an der Wirbelsäule des Klägers keinen Notfall dar. Dies ergibt sich grundlegend daraus, dass der Kläger mit Telefax der Klinik vom 29. Oktober 2015 und mithin bereits zehn Tage vor der Aufnahme in die Klinik auf den stationären Aufenthalt hinweisen ließ. Auch die Diagnose „Pseudarthrose L4/5 bei Schraubenlockerung L5“ weist gerade nicht auf das Vorliegen eines Notfalles hin. Es handelte sich demzufolge um eine mit zeitlichem Vorlauf geplante stationäre Behandlung, die u.a. der Fixierung der seit der ersten Operation des Klägers in der Schulthess-Klinik am 31. Juli 2014 gelockerten Schrauben an der Wirbelsäule dienen sollte. Folgerichtig wird in dem Schreiben der Klinik an die Beihilfestelle als Eintrittsgrund auch „Krankheit“ und als einweisender Arzt „Selbsteinweisung“ genannt; ein Hinweis auf eine notfallmäßige Behandlung findet sich darin nicht. Hinweise auf das Vorliegen eines Notfalles finden sich überdies auch nicht dem vorgelegten Operationsbericht vom 10. November 2015 sowie dem Austrittsbericht der Klinik vom 22. November 2015. Mithin handelte es sich nicht um einen Unfall oder ein anderweitiges unerwartet auftretendes Ereignis, sondern um eine geplante Operation des chronisch an der Wirbelsäule erkrankten Klägers.
Die vom Kläger vorgetragene Ausschöpfung sämtlicher Behandlungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland führt ebenfalls nicht zur Annahme eines Notfalles. Zum einen wird die vorgetragene fehlende Behandelbarkeit in Deutschland systematisch allenfalls von § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBhV erfasst und zum anderen ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Kläger tatsächlich sämtliche Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland erfolglos ausgeschöpft hätte. Er hat vor dem hier allein in Streit stehenden stationären Aufenthalt vom November 2015 keinerlei medizinische Nachweise zur Ausschöpfung der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten vorgelegt und auch in der mündlichen Verhandlung allein erklären lassen, dass man ihn – vor der ersten Operation im Jahre 2014 – von Seiten verschiedener Ärzte in Würzburg sowie in Köln auf Dr. J. in der Schulthess-Klinik in Zürich verwiesen habe. Soweit der Kläger insoweit vor der ersten Operation mit Schreiben an die Beihilfestelle vom 14. April 2014 sowie 9. Juli 2014 mitgeteilt hatte, dass die zuletzt erfolgten Eingriffe in Würzburg keinen Erfolg mehr gezeigt hätten und er sich auf Ratschlag eines Neurochirurgen am Universitätsklinikum Würzburg an Dr. J. wende, so kann dem weder entnommen werden, dass die Behandlungsmöglichkeiten für die Erkrankung des Klägers in Deutschland ausgeschöpft sind noch dass die Behandlung durch Dr. J. zwingend notwendig ist, weil dadurch eine wesentlich größere Erfolgsaussicht zu erwarten wäre. Es handelt sich vielmehr um eine nicht näher substantiierte Empfehlung, die sich zu den vorgenannten Fragen in keiner Weise verhält. In gleicher Weise gilt dies für den am 24. Juli 2014 bei der Beihilfestelle vorgelegten Arztbericht des Orthopäden Dr. H., der aufgrund des komplexen Krankheitsbildes Dr. J. in Zürich als ausgewiesenen Spezialisten empfehle. Der Kläger hat vielmehr keinerlei objektiv greifbare Anhaltspunkte dafür geliefert, dass er in Deutschland austherapiert gewesen wäre und eine Operation durch Dr. J. zwingend notwendig erscheint, was angesichts der hoch qualifizierten medizinischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht naheliegend erscheint. Zudem hat der Kläger mit Schreiben vom 9. Juli 2014 selbst erklärt, dass er verschiedene Ärzte in Würzburg zum weiteren medizinischen Vorgehen befragt habe, die ihm unterschiedliche Lösungen vorgeschlagen hätten, was per se bereits impliziert, dass eine Behandlung durch Dr. J. nicht alternativlos war. Eine stationäre Notfallbehandlung ist daher vorliegend nicht einschlägig.
Darüber hinaus liegt auch die weitere Ausnahme von einem durchzuführenden Kostenvergleich nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBhV nicht vor, welche voraussetzt, dass die Beihilfefähigkeit vor Antritt der Reise anerkannt worden ist. Die Anerkennung der Beihilfefähigkeit kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten nachgewiesen ist, dass die Behandlung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zwingend notwendig ist, weil hierdurch eine wesentlich größere Erfolgsaussicht zu erwarten ist. Auf diese Vorschrift kann sich der Kläger bereits deshalb nicht berufen, da die zwingend erforderliche Anerkennung der Beihilfefähigkeit vor Antritt der Reise in die Schweiz nicht erfolgt ist. Ebenso wenig liegt diesbezüglich ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten vor, das die zwingende Notwendigkeit der Behandlung durch Dr. J. und die dortige wesentlich größere Erfolgsaussicht bestätigen würde. Eine nachträgliche Anerkennung sieht die genannte Vorschrift nicht vor; eine solche lässt sich jedoch auch § 48 Abs. 5 BayBhV nicht entnehmen, wonach bei Unterbleiben der vorherigen Anerkennung in den dort enumerativ aufgeführten Fällen eine Beihilfe gewährt wird, wenn das Versäumnis entschuldbar ist und die sachlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Beihilfefähigkeit nachgewiesen sind.
Darüber hinaus bestand jedoch für die Beihilfestelle auch kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBhV einzuholen. Insbesondere hat der Kläger vor dem hier streitigen stationären Aufenthalt lediglich die Bitte um eine Kostengutsprache durch die Klinik mit entsprechender stichwortartiger Diagnose vorlegen lassen, jedoch keinerlei ärztliche Unterlagen; eine weitergehende Kontaktaufnahme durch den Kläger oder gar ein Antrag auf Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens ist nicht erfolgt. Aber auch unter Berücksichtigung der Vorgeschichte des Klägers ergab sich kein ausreichender Anhalt dafür, dass ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten hätte eingeholt werden müssen (vgl. obige Ausführungen). Nach alledem stellt es – entgegen der Annahme des Klägers – auch keinen Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben dar, sich seitens des Beklagten bei der gegebenen Sachlage auf das Fehlen der vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit zu berufen.
Soweit der Kläger schriftsätzlich verschiedene Beweisanträge zur Einholung eines Sachverständigengutachtens angekündigt hatte, so hat er diese Anträge in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht zum Beweis der Tatsache, dass die Heilbehandlung in der Schweiz zwingend notwendig gewesen sei, nachdem sämtliche Behandlungsversuche in Deutschland gescheitert waren, musste nicht erfolgen, da es dieser Frage schon an der Entscheidungserheblichkeit mangelt, § 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog, da die zwingend erforderliche vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit, § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBhV, nicht erfolgt ist und eine nachträgliche Anerkennung von Rechts wegen nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus handelt es sich hierbei um einen nicht zulässigen Ausforschungsbeweisantrag, da angesichts obiger Ausführungen für den Wahrheitsgehalt der behaupteten Beweistatsache keine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 86 Rn. 27, 38 m.w.N.). Soweit der Kläger zudem Gutachten dazu gefordert hat, dass er sich im Jahre 2014 vor unerträglichen Schmerzen kaum noch habe bewegen können, schließlich inkontinent geworden sei und die Erkrankung so komplex geworden sei, dass eine endgültige Behebung zur Aufrechterhaltung der Lebensqualität unumgänglich gewesen sei, so ist dies für die vorliegend in Streit stehende stationäre Behandlung im November 2015 bereits nicht entscheidungserheblich. Schließlich können die vorgetragenen Schmerzen und gesundheitlichen Beschwerden sowie die weiterhin bestehende dringliche Behandlungsbedürftigkeit als wahr unterstellt werden, § 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 7 StPO analog, ohne dass dies jedoch rechtlich zu einem anderen Ergebnis führen würde.
Auch die anderweitig in § 45 BayBhV geregelten Ausnahmen von dem grundsätzlich vorzunehmenden Kostenvergleich sind vorliegend nicht einschlägig.
Aus Europarecht folgt ebenfalls kein Anspruch des Klägers auf die weiter geltend gemachte Beihilfe, insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Abkommen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Freizügigkeit vom 21.6.1999 vor, welches durch Ratifikation Deutschlands vom 2.9.2001 in den Rang einfachen Bundesrechts überführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu grundlegend entschieden, dass ein Verstoß gegen das Freizügigkeitsabkommen nur vorliegt, soweit bei der Bewilligung einer Beihilfe zu Aufwendungen für Krankenhausleistungen in der Schweiz der Berechnung nicht die höchsten Kosten zu Grunde gelegt werden, die bei einer vergleichbaren Inlandsbehandlung beihilfefähig gewesen wären. Eine Beschränkung der Beihilfeleistungen auf die Höhe der im Inland erstattungsfähigen Kosten verstößt demgegenüber nicht gegen das Abkommen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2011 – 2 C 14/10 – juris). Vorliegend hat die Beihilfefestsetzung auf der Basis von Vergleichsrechnungen der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus stattgefunden. Über diese Begrenzung auf die erstattungsfähigen Kosten im Inland hinaus wurde keine weitere Beschränkung vorgenommen. Auch der in § 45 BayBhV enthaltene Passus, wonach nur die Kosten zu Grunde gelegt werden dürfen, die beim Verbleiben am Wohnort entstanden und beihilfefähig gewesen wären, führt hier zu keinem anderen Ergebnis, da nichts dafür ersichtlich ist, dass gerade aufgrund der Berücksichtigung einer Vergleichsrechnung einer Klinik am Wohnort des Klägers eine zusätzliche Beschränkung der Beihilfeleistungen stattgefunden hätte. Im Übrigen entscheidet der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung (welche auch hier herangezogen werden kann), dass, wenn kein Notfall gegeben ist, auch im Lichte der passiven Dienstleistungsfreiheit bei fehlender vorheriger Genehmigung eine Beschränkung der Erstattung von Kosten medizinischer Auslandsdienstleistungen auf die im Inland geltenden Tarife zur Sicherung des finanziellen Gleichgewichts der mitgliedstaatlichen Sozialsysteme grundsätzlich gerechtfertigt ist (vgl. EUGH, U.v. 28.4.1998- C 158/96, U.v. 18.3.2004 – C-8/02; U.v. 16.5.2006 – C-372/04; VG Stuttgart, U.v. 19.2.2014 – 12 K 2075/11 – jeweils juris).
Soweit der Kläger vorträgt, dass er von der Beihilfestelle fürsorgepflichtwidrig nicht über den nur sehr geringen Beihilfeerstattungsbetrag aufgeklärt worden wäre, so ist diese Argumentation bereits deswegen unbehelflich, da eine etwaig unterbliebene bzw. fehlerhafte Aufklärung per se nicht dazu führen kann, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch einer weitergehenden Beihilfe nach § 45 BayBhV begründet wäre, sondern allenfalls ein Schadensersatzanspruch in Betracht käme. Einen solchen hat der Kläger ausweislich seines Klageantrags, der explizit auf eine weitere Beihilfeleistung bezogen ist, mit seiner Klage nicht geltend gemacht. Darüber hinaus ist festzustellen, dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht hier auch nicht gegeben ist. Denn der Kläger wurde mit Schreiben der Beihilfestelle vom 16. November 2015 über die Beihilfefähigkeit von außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandener Aufwendungen informiert und insbesondere deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass die durchzuführende Vergleichsberechnung zu einer erheblichen finanziellen Belastung und erheblichen ungedeckten Kosten führen könne. Gleichartige Informationen hatte der Kläger bereits vor seiner ersten Operation in der Schulthess-Klinik mit Schreiben vom 6. Mai 2014 sowie 25. Juni 2014 erhalten. Die Auffassung, dass der Kläger nur mangelhaft hinsichtlich des Erstattungsniveaus aufgeklärt worden sei bzw. er nicht gewusst habe, dass er ggf. erhebliche Eigenleistungen tragen müsse, erscheint nach alledem abwegig, zumal der Kläger die Größenordnung der Kürzungen anhand der Beihilfegewährung für seine erste Operation in der Schulthess-Klinik mit Bescheid vom 20. Januar 2015 eindrücklich vor Augen hatte (Rechnungsbetrag: 68.950,70 €, erstattete Beihilfe: 12.727,04 €).
Nach alledem erweist sich die Durchführung eines Kostenvergleichs nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BayBhV dem Grunde nach als rechtmäßig. Auch hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung des Kostenvergleichs und mithin der Höhe der berechneten Beihilfe bestehen keine rechtlichen Bedenken. Dem Kostenvergleich wurden vorliegend die vom Kläger vorgelegten vier Vergleichsrechnungen der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus und damit die Kosten, die in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus entstanden wären, zu Grunde gelegt. Hierbei handelt es sich um die höchsten Kosten, die bei einer vergleichbaren Inlandsbehandlung beihilfefähig gewesen wären, § 28 BayBhV (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2011 – 2 C 14/10 – juris Rn. 13). Diese zum Kostenvergleich geeigneten Rechnungen summieren sich auf insgesamt 18.876,11 €. Hiervon ausgehend hat die Beihilfestelle – unter Streichung bestimmter, nicht von der Gebührenordnung für Ärzte gedeckter Gebührenziffern sowie Abzug einer Eigenbeteiligung für wahlärztliche Leistungen sowie die Inanspruchnahme eines Zweibettzimmers (Art. 96 Abs. 2 Satz 7 BayBhV), was infolge Klagerücknahme jedoch nicht mehr Streitgegenstand ist – die dem Kläger zustehende Beihilfe unter Berücksichtigung seines Bemessungssatzes von 70 v.H. korrekt berechnet.
Daher war die Klage im Übrigen abzuweisen. Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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