Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens

Aktenzeichen  20 U 3224/17

Datum:
28.3.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5342
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGZPO § 26 Nr. 8
ZPO § 313a, § 540 Abs. 2
BGB § 271, § 286

 

Leitsatz

1 Hat der Käufer den Restkaufpreis für eine Immobilie „10 Tage nach Übergabe der Abbruchgenehmigung“ zu zahlen, so liegt darin eine aufschiebende Fälligkeitsbedingung mit der Folge, dass die Kaufpreiszahlung nicht jederzeit, spätestens aber nach Übergabe erfolgen muss, sondern – erst und nur – spätestens 10 Tage nach Übergabe der Abbruchgenehmigung (ähnlich OLG Rostock BeckRS 2006, 12524). (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat der Verkäufer die Abbruchgenehmigung beizubringen, so kann er diese Verpflichtung erfüllen, wenn eine Abbrucherlaubnis iSd Denkmalschutzrechts gemeint ist. Er muss sie mangels vertraglicher Fristsetzung sofort erfüllen (§ 271 BGB) und haftet anderenfalls gem. § 286 BGB auf Schadensersatz. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

15 O 21673/16 2017-09-04 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 4.9.2017, AZ: 15 O 21673/16, dahingehend abgeändert, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt werden an die Klägerin 1890,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 70% und die Beklagten 30%.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit die Berufung zurückgewiesen wurde, sind vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6343,96 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Darstellung eines Tatbestandes bedarf es nicht, denn der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR nicht (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Nach herrschender Meinung ist § 313 a ZPO, auf den § 540 Abs. 2 ZPO ausdrücklich verweist, auch auf Berufungsurteile anwendbar (Thomas/Putzo, ZPO, 38. Auflage, § 313 a, Rn. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Auflage, § 313 a, Rn. 2).
Der Senat hat Hinweise erteilt mit Verfügung vom 20.12.2017 und in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2018. Ergänzend wird hierauf Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
Die Klägerin hat gemäß § 286 BGB Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens in Höhe von 1890,96 €.
1. Die Beklagten sind mit der Vorlage einer „Abbruchgenehmigung“, die sie gemäß Ziff. 3.3(3) der Kaufvertragsurkunde vom 18.08.2014 geschuldet haben, seit dem 01.02.2015 in Verzug gekommen.
Unter Ziffer 3.3(3) der streitgegenständlichen Kaufvertragsurkunde (Anlage K 1) vereinbarten die Parteien, dass ein Restkaufpreis in Höhe von 300.000,00 € fällig ist, wenn der Verkäufer (die Beklagten) dem Käufer (der Klägerin) die Abbruchgenehmigung der zuständigen Behörde im Original übergeben haben, wonach sämtliche auf dem Vertragsobjekt befindlichen Gebäulichkeiten vollständig abgebrochen werden dürfen. Dies korrespondiert mit der unter Ziffer 5.2 vereinbarten Beschaffenheit des Vertragsobjekts, dass keines der Gebäude unter Denkmalschutz steht. Die Vereinbarung in Ziffer 3.3(3) ist bereits nach ihrem Wortlaut als aufschiebende Fälligkeitsbedingung zu verstehen. Der Formulierung „Zahlung erfolgt 10 Tage nach Übergabe der Abbruchgenehmigung“ ist zu entnehmen, dass eine Zahlung nicht jederzeit, spätestens aber nach Vorlage der Abbruchgenehmigung erfolgen sollte, sondern – erst und nur – spätestens 10 Tage, nachdem die Genehmigung vorgelegt wurde. Eine Verpflichtung der Klägerin, den Restkaufpreis in jedem Fall zu bezahlen, auch wenn eine Abbruchgenehmigung nicht vorgelegt werden würde, würde die wechselseitigen Interessen der Vertragschließenden, insbesondere das Interesse der Klägerin am Einverständnis der Denkmalschutzbehörde, nicht berücksichtigen. (OLG Rostock vom 29.06.2005, 2 U 58/04).
Mangels einer in den Vertrag aufgenommenen Fristsetzung bestand für die Beklagten die Verpflichtung zur Beibringung dieser Fälligkeitsbedingung sofort (§ 271 BGB). Die Klägerin konnte sie daher mit Mahnschreiben vom Januar 2015 mit Fristsetzung zum 31.1.2015 in Verzug setzen.
Der Verzug endete am 04.08.2015 mit der Erteilung der Abbrucherlaubnis durch die Denkmalschutzbehörde (Anlage K 26).
2. Der Eintritt des Verzugs scheitert nicht daran, dass die Beklagten den Inhalt ihrer Leistungspflicht aus Ziffer 3.3(3) des Vertrages verkannt haben. Ein solcher Rechtsirrtum über den Inhalt der Leistungspflicht schließt den Verzugseintritt nicht grundsätzlich aus (Palandt/Grüneberg BGB 77. Aufl. § 286 Rn. 34 und § 276 Rn. 22 m.w.Nw.). Anderes kann allenfalls im Ausnahmefall gelten, wenn die Rechtslage in besonderem Maße unklar ist, wofür hier keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen. Insbesondere exculpiert die Einholung von Rechtsrat einen Schuldner gerade dann nicht, wenn – wie hier – über den Inhalt der Leistungspflicht Uneinigkeit besteht. Das Verzugsrisiko verbleibt beim Schuldner.
3. Der Eintritt des Verzugs scheitert auch nicht an einer etwaigen Unmöglichkeit der Herbeiführung der Fälligkeitsbedingung. Die Erfüllung war den Beklagten ohne Mitwirkung der Klägerin möglich.
Inhalt der in Ziffer 3.3(3) übernommenen Verpflichtung war lediglich, eine behördliche Bestätigung darüber beizubringen, dass dem Abbruch der Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück Denkmalschutz nicht entgegensteht. Dies ergibt eine Zusammenschau der Beschaffenheitsvereinbarung in Ziff. 5.2 des Vertrages mit der Fälligkeitsbedingung in Ziff. 3.3(3). Sinn und Zweck der Fälligkeitsbedingung war ausschließlich, sicherzustellen, dass eine Neubebauung des streitgegenständlichen Grundstückes nicht an Denkmalschutzgesichtspunkten scheitern würde. Die Erfüllung darüber hinausgehender öffentlich-rechtlicher Anforderungen an eine anderweitige Bebauung des Grundstücks oblag gemäß Ziffer 10 des Vertrages allein der Klägerin. Damit war keine baurechtliche Abbruchgenehmigung geschuldet, sondern eine Abbrucherlaubnis nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz, welche die Beklagten problemlos ohne Mitwirkung der Klägerin beantragen konnten.
4. Der zu ersetzende Verzugsschaden in Höhe von 1890,96 € setzt sich zusammen aus einer verzugsbedingten Erhöhung der Grunderwerbssteuer und Rechtsverfolgungskosten.
a) Aus der Grunderwerbssteuer ergibt sich ein Verzugsschaden in Höhe von 1.843,00 €. Dieser errechnet sich basierend auf der Berechnung des Finanzamtes M.(Anlage K 29, K 30) für den oben dargestellten verkürzten Verzugszeitraum vom 01.02.2015 bis 04.08.2015 bei einem Vervielfältiger von 0,532 aus einem Kapitalwert der Vorausleistung während des Verzuges in Höhe von 52.668,00 €.
b) Von den Rechtsanwaltskosten ist die Geschäftsgebühr inklusive der Pauschale und der Umsatzsteuer zu erstatten. Dies ergibt bei einem Gegenstandswert von 301.843,00 € einen Betrag in Höhe von 3.880,47. Hiervon sind unstreitig bereits 3.832,51 € bezahlt, so dass ein zu erstattender Restbetrag in Höhe von 47,96 € verbleibt.
Nicht erstattungsfähig ist die darüber hinaus geltend gemachte Einigungsgebühr für die Mitwirkung des Klägervertreters an der Nachtragsvereinbarung vom 29.07.2015 (Anlage K 25). Zwar wäre es zur Nachtragsvereinbarung sicher nicht ohne den Verzug der Beklagten gekommen, jedoch ist die Nachtragsvereinbarung keine adäquat kausale Folge dieses Verzugs. Die Adäquanztheorie dient der Ausgrenzung derjenigen Kausalverläufe, die dem Schädiger billigerweise rechtlich nicht mehr zugerechnet werden können (Palandt/Grüneberg BGB 77. Aufl. Vorb. v § 249 Rn. 26). Dies ist bei der Einigungsgebühr der Fall.
Der Senat folgt den Ausführungen der Klagepartei, dass der Nachtrag nicht der erstmaligen Klärung diente, auf welche Weise Ziffer 3.3(3) der Kaufvertragsurkunde vom 18.08.2014 erfüllt werden könne. Der Nachtrag war damit für die Verzugsbeendigung nicht erforderlich, sondern diente allenfalls der Klarstellung einer mehrdeutigen Formulierung im Kaufvertrag. Anders als die Klagepartei meint, diente der Nachtrag aber auch nicht dazu, einen wegen des Verzugs der Beklagten drohenden, noch größeren Verzögerungsschaden wegen einer verspäteten Beleihungsmöglichkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zu verhindern. Diesem Zweck sollte wohl die Belastungsvollmacht unter Ziffer 4 der Nachtragsurkunde dienen. Diese Vereinbarung, die die Klägerin ultimativ bis zum 31.07.2015 einforderte (zuletzt Schreiben vom 23.07.2015, Anlage K 24), war allerdings bereits nach klägerischem Vortrag zur Schadensabwendung bis zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich. Aus dem Schreiben des Ehemannes der Klägerin vom 20.07.2015 (Anlage K 22) ergibt sich, dass Voraussetzung für die fristgerechte Beleihung die Eintragung einer Grundschuld am Vertragsobjekt bis zum 01.09.2015 war. Die Abbrucherlaubnis der Denkmalschutzbehörde, die die Klägerin bereits am 05.07.2015 beantragt hatte, wurde am 04.08.2015, also 4 Wochen vor Fristablauf für die Grundschuldeintragung, erteilt. Am 25.08.2015 war die Klägerin Eigentümerin im Grundbuch. Die Notwendigkeit der Nachtragsvereinbarung im Juli 2015 war – wie auch aus dem Schreiben des Ehemannes der Klägerin vom 20.07.2015 (Anlage K 22) ersichtlich – wohl dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin im August im Urlaub war und höchstvorsorglich Sicherheit schaffen wollte. Dies allerdings ist kein Umstand, den sich die Beklagten zurechnen lassen müssen.
5. Der entstandene Verzugsschaden ist nicht – wie die Beklagten meinen – durch die Nachtragsvereinbarung entfallen. Richtig ist zwar, dass vereinbart wurde, dass die Fälligkeitsvoraussetzung gemäß Ziff. 3.3(3) des Kaufvertrages vertragsgemäß erfüllt ist, wenn der klägerische Antrag auf Erlaubnis nach dem Denkmalschutzgesetz positiv verbeschieden wird. Jedoch stellt der Nachtrag unter 5.1 in der Schlussbestimmung klar, dass sämtliche im Zusammenhang mit der Vorurkunde bestehenden bzw. bereits entstandenen Ansprüche der Beteiligten unberührt bleiben sollen. Dazu gehören auch die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711, 713, 543 Abs. 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.


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