Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Beschwerde, Verfahrensmangel, Anfechtung, Berufung, Ablehnung, Rechtsmittel, Kostenentscheidung, Verfahren, FamFG, Beschwerdefrist, Statthaftigkeit, Auflage, Aufhebung, Gegenvorstellung, sofortige Beschwerde, sofortigen Beschwerde, angefochtene Entscheidung

Aktenzeichen  2 UF 1119/21

Datum:
26.10.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43255
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

538 F 8673/21 — AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 01.10.2021 wird die Vorlageverfügung des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 06.10.2021 aufgehoben.
2. Das Verfahren wird zur Durchführung des Beschwerdeabhilfeverfahrens an das Amtsgericht – Familiengericht – München zurückverwiesen.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 13.09.2021 an das Amtsgericht – Familiengericht – München beantragte der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen der Antragsgegnerin anzuordnen wegen eines Anspruchs des Antragstellers auf Zugewinnausgleich in Höhe von mindestens 100.000,00 €. Die Beteiligten sind seit dem Jahr 2017 miteinander verheiratet, seit dem 24.05.2020 leben sie dauerhaft voneinander getrennt. Das Scheidungsverfahren ist unter dem Az.: 538 F 3076/21 beim Amtsgericht München anhängig. Der Antragsteller begründete den Arrestanspruch damit, dass die Antragsgegnerin die Eigentümerin der vormaligen Ehewohnung sei, die sie im Jahr 2014 zum Preis von 213.000,00 € gekauft habe. Die Wohnung mit einer Größe von 76 m² und 4 Zimmern hätte während der Ehe eine deutliche Wertsteigerung erfahren, derzeit lägen die Kaufpreise bei ca. 10.000,00 € pro m². Der Antragsteller habe zudem erhebliche Renovierungsleistungen für die Wohnung erbracht. Er selbst verfüge über keinen Zugewinn. Ein Arrestgrund sei gegeben, die Antragsgegnerin beabsichtige die Wohnung zu verkaufen. Dies habe er von einem Nachbarn erfahren. Die Antragsgegnerin habe zudem ihm per SMS mitgeteilt, sie werde in Kürze umziehen. Den Sachverhalt versichert der Antragsteller an Eides statt, er legt des weiteren einen Screenshot eines Nachrichtenverlaufs auf türkisch vor.
Das Amtsgericht wies den Antrag des Antragstellers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 16.09.2021 zurück.
Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass vom Antragsteller das Anfangsvermögen der Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei nicht relevant was die Wohnung im Jahr 2014 wert gewesen sei, sondern bei Ehebeginn am 21.10.2017. Der Zugewinn könne nicht nachvollzogen werden.
Der Antragsteller legte gegen den ihm am 20.09.2021 zugestellten Beschluss mit Schreiben vom 01.10.2021 Beschwerde ein.
Das Amtsgericht legte die Beschwerde mit Verfügung vom 06.10.2021 dem Oberlandesgericht vor unter Hinweis auf die Rechtsmeinung, dass es zur Abhilfe nicht befugt sei (Münchner Kommentar/Drescher, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 922 Rn. 19-21).
II.
Die Vorlageverfügung des Amtsgerichts vom 06.10.2021 war aufzuheben und das Verfahren zur ordnungsgemäßen Durchführung des Beschwerdeabhilfeverfahrens dem Amtsgericht zurückzuverweisen.
Es ist umstritten, ob gegen die Ablehnung eines Arrestantrages in Familienstreitsachen ohne mündliche Verhandlung die sofortige Beschwerde nach den ZPO-Vorschriften oder die Beschwerde nach § 58 FamFG das statthafte Rechtsmittel ist.
Ältere Entscheidungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.08.2010, FamRZ 2011, 234; OLG München, Beschluss vom 16.11.2010, FamRZ 2011, 746) halten die Beschwerde nach § 58 ff FamFG für statthaft. Zur Begründung führen sie im Kern aus, es liege eine Endentscheidung in einer Familienstreitsache i. S. d. § 38 FamFG vor und § 119 Abs. 2 FamFG verweise für den Arrest in Familienstreitsachen nicht auf die ZPO Beschwerderegelungen.
Zahlreiche neuere Entscheidungen sind – teilweise unter Heranziehung der Entscheidung des BGH zur Anfechtung der isolierten Kostenentscheidung in Familienstreitsachen (FamRZ 2011, 1933) – der Auffassung, dass die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO eröffnet ist (OLG Jena, Beschluss vom 07.05.2014, 1 UF 235/14-, juris; OLG Celle, Beschluss vom 02.04.2013, FamRZ 2013, 1917; KG Berlin, Beschluss vom 28.03.2013, FamRZ 2014, 148; OLG Koblenz, Beschluss vom 18.12.2012, FamRZ 2013, 1602; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.02.2012, FamRZ 2012, 1078; OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.02.2012, FamRZ 2012, 902). Diese Auffassung wird auch von weiten Teilen der Literatur geteilt (Zöller/Vollkommer, ZPO 33. Auflage, § 922 Rn. 19; Hüßtege in Thomas/Putzo, 40. Aufl., § 119 Rn 5 a; Schmitz in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 10 Rn 495). Für die Anwendung der §§ 567 ff ZPO wird angeführt, der Verweis auf die Arrestvorschriften beinhalte auch die Inbezugnahme der zivilprozessualen Rechtsmittelvorschriften. Es sei nicht ersichtlich, dass der Rechtsschutz im Arrestverfahren in § 119 Abs. 2 FamFG abweichend von der zivilprozessualen Konzeption ausgestaltet werden sollte, zumal die zweiwöchige Beschwerdefrist dem Eilcharakter des Arrestverfahrens entspreche.
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Ein tragfähiger Grund dafür, dass die Verweisung in § 119 Abs. 2 S.2 FamFG nicht zugleich auch die entsprechend vorgesehenen Rechtsmittel einschließen sollte, ist nicht ersichtlich. Die §§ 916 ff ZPO beinhalten ein im Wesentlichen geschlossenes Verfahrens- und Rechtsmittelsystem; den Widerspruch gegen den Erlass des Arrestes ohne mündliche Verhandlung (§ 924 ZPO) und das Rechtsmittel gegen das Urteil, wenn nach mündlicher Verhandlung entschieden wird. Für die Ablehnung eines Arrestantrages ohne mündliche Verhandlung gilt die allgemeine Regel des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
Der Gesetzgeber (BT-Drs 16 /6308, S. 203) hat ausdrücklich betont: „Das Gesetz sieht (…) an verschiedenen Stellen die sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567-572 ZPO vor. Diese enthalten ein für die Anfechtung von Zwischen – und Nebenentscheidungen geeignetes Verfahren. (…) Die Anfechtbarkeit von nichtinstanzbeendenden Beschlüssen mit der sofortigen Beschwerde ergibt sich aus der jeweiligen Bezugnahme auf die ZPO. Damit ist gewährleistet, dass die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die auf der Grundlage von Vorschriften der ZPO getroffenen Neben- und Zwischenentscheidungen in Verfahren nach diesem Gesetz dieselbe ist wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.“
Unter Berufung auf den Gesetzgeber und im Wege der teleologischen Auslegung hat der BGH (FamRZ 2011, 1933) entschieden, dass gegen die isolierte Kostenentscheidung in Familienstreitsachen die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff statthaft ist. Die Argumentation, dass der Gesetzgeber mit dem FamFG die Familienstreitsachen weitergehend den Verfahrensvorschriften der ZPO unterstellen wollte als die übrigen nichtstreitigen Familiensachen, ist auch auf das Arrestverfahren zu übertragen. Darüber hinaus entspricht die sofortige Beschwerde mit einer zweiwöchigen Beschwerdefrist auch eher dem Eilcharakter des Arrestverfahrens als die Beschwerde nach § 58 FamFG, für die die Monatsfrist gilt. Die Korrektur des Beschwerdeverfahrens nach §§ 58 ff FamFG, die hinsichtlich der Frist (Geltung des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) teilweise für erforderlich gehalten wird (Musielak/Borth, FamFG 4. Aufl. § 119 Rn 12) bleibt damit entbehrlich (OLG Jena, Beschluss vom 07.05.2014, 1 UF 235/14-, juris).
Gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 572 Abs. 1 ZPO hat das Gericht bei einer Entscheidung abzuhelfen, wenn es eine Beschwerde für begründet hält. Das Abhilfeverfahren ist seiner Funktion nach ein aus Gründen der Prozessökonomie vorgeschriebenes Verfahren, das inhaltlich dem Verfahren auf Gegenvorstellung entspricht. Der Amtspflicht, den Inhalt der Beschwerdeschrift daraufhin zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist, darf nicht unter Berufung auf die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts ausgewichen werden. Grobe Verstöße gegen die Überprüfungspflicht können als wesentlicher Verfahrensmangel angesehen werden, der zur Aufhebung des Vorlagebeschlusses und zur Zurückverweisung führen kann (Zöller/Heßler, ZPO, 33. Auflage, § 572 Rn. 4, 7).
Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht die Akte, ohne sich mit dem Beschwerdevorbringen auseinander zu setzen, an das Beschwerdegericht übersandt. Es kann somit von einem ordnungsgemäßen Abhilfeverfahren nicht ausgegangen werden.
Die Vorlageverfügung ist aufzuheben und das Verfahren zur ordnungsgemäßen Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Amtsgericht zurückzugeben.


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