Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Beseitigungsanspruch – Entfernung von Dachflächenfenstern

Aktenzeichen  1 S 1978/16 WEG

Datum:
15.11.2017
Fundstelle:
GE – 2018, 137
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1
WEG § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3, § 21 Abs. 4
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
GG Art. 14

 

Leitsatz

1. Tritt ein Beseitigungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB (hier: Anspruch auf Rückbau eigenmächtig eingebauter Dachflächenfenster) konkurrierend neben die sich aus § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 280 BGB und § 823 Abs. 1 BGB ergebenden Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums, so ist der einzelne Wohnungseigentümer nicht dazu berechtigt, den Beseitigungsanspruch ohne Ermächtigung durch die übrigen Anspruchsinhaber geltend zu machen. (Rn. 36)
2. Bei einer Störung des Eigentums durch Umgestaltung (hier: eigenmächtig eingebaute Dachflächenfenster) findet die Beseitigung der Störung bzw. der Störungsquelle gem. § 1004 Abs. 1 BGB nur durch komplette Rückgestaltung statt. (Rn. 34)

Verfahrensgang

483 C 21827/15 WEG 2015-12-10 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 10.12.2015, Az. 483 C 21827/15 WEG, aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist in Ziff. 2 vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Kläger und die Beklagte gehören einer Wohnungseigentumsgemeinschaft an. Auf dem Haus befindet sich ein Satteldach mit Dachpfannen. Nach Osten zur Straße hin gibt es zwei Dachgauben, zum Garten hin Dacheinschnitte. Die Beklagte hat eigenmächtig im Jahr 2013 vor dem 9.7.2013 in ihren Einheiten insgesamt fünf Dachflächenfenster neu einbauen lassen. Auf das Bildmaterial über die Situation vorher und nachher (nachher: Anlagen K1 und K2; vorher: Anlage B 8 Blatt 2 und Blatt 3) wird Bezug genommen. Die Zustimmung aller Miteigentümer lag nicht vor. Ein nachträglicher mehrheitlicher Genehmigungsbeschluss (TOP 10 a und 10 b der Eigentümerversammlung vom 9.7.13) wurde rechtskräftig gerichtlich für nichtig erklärt. Im vorliegenden Verfahren machen die Kläger, die nicht die Stimmenmehrheit in der WEG aufbringen, im Wesentlichen Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüche wegen der fünf Dachflächenfenster gegen die Beklagte geltend.
Nachdem die Kläger das vorliegende Verfahren mit Klageschrift vom 10.9.2015, den Beklagten noch im September 2015 zugestellt, eingeleitet hatten, fasste die Mehrheit der Eigentümer (gegen die Stimmen der Kläger) in Eigentümerversammlungen die folgenden Vergemeinschaftungsbeschlüsse:
Zu TOP 14 wurde am 14.10.15 mehrheitlich beschlossen:
„Der Rückbauanspruch gegen Frau (…) wird von der Eigentümergemeinschaft an sich gezogen.“
Das Anfechtungsverfahren gegen diesen Beschluss wurde mit Blick auf den Beschluss vom 21.1.2016 übereinstimmend für erledigt erklärt (AG 483 C 24770/15 hinzuverb 24782/16), die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist noch anhängig beim Landgericht München I, Az. 1 T 5592/16.
Zu TOP 2 wurde am 21.1.2016 mehrheitlich beschlossen:
„Der in der Versammlung vom 14.10.2015 zu TOP 14 gefasste Beschluss wird aufgehoben.
Die Gemeinschaft zieht die Geltendmachung der wegen des Einbaus von 5 Dachflächenfenstern bestehenden Rückbauansprüche der übrigen Wohnungseigentümer gegen die Wohnungseigentümerin (…) an sich.
Der Verwalter wird beauftragt und ermächtigt, namens der Gemeinschaft einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin mit der zunächst außergerichtlichen Geltendmachung der genannten Ansprüche zu mandatieren. Das Mandat umfasst den Auftrag und die Befugnis, die Miteigentümerin (…) gleichzeitig aufzufordern, den übrigen Eigentümern ein Angebot über eine vergleichsweise Erledigung durch Abschluss einer Vereinbarung, z.B. durch Zahlung einer noch zu fixierenden Geldsumme in die Instandhaltungsrücklage, zu unterbreiten. Das Mandat umfasst ferner die Befugnis, mit der Eigentümerin (…) etwaige Vergleichsverhandlungen zu führen.
Die entstehenden Rechtsanwaltskosten werden aus dem laufenden Budget finanziert.“
Das Anfechtungsverfahren gegen diesen Beschluss ist beim Amtsgericht München anhängig (483 C 1667/16 WEG AG München).
Mit bestandskräftigem Beschluss vom 16.8.2016 wurde der Beschluss zu TOP 2 vom 21.1.2016 – mit Ausnahme seines ersten Absatzes – aufgehoben.
Zu TOP 11 wurde am 25.7.2017 (Prot Anl B 5) mehrheitlich beschlossen:
„Die Gemeinschaft zieht die Geltendmachung der wegen des Einbaus von 5 Dachflächenfenstern bestehenden Rückbauansprüche der übrigen Eigentümer gegen die Eigentümerin Frau (…)an sich. Unberührt bleibt die Geltendmachung bestehender Schadensersatzansprüche durch die Gemeinschaft wegen des Einbaus der Fenster.“
Gegen diesen Beschluss ist eine Anfechtungsverfahren beim Amtsgericht München (483 C 15873/17) anhängig.
Die Gemeinschaft ist bislang nicht gegen die Beklagte mit dem Ziel des Rückbaus der Dachflächenfenster vorgegangen. Es haben in der Vergangenheit erfolglose Vergleichsverhandlungen über eine finanzielle Kompensation stattgefunden.
Die Kläger behaupten, die Vergemeinschaftungsbeschlüsse seien nur zu dem Zweck erfolgt, die Individualprozesse der Kläger zu vereiteln und einen Rückbau zu verhindern. Die Mehrheit der Eigentümer wolle und werde gegen die Dachflächenfenster nicht vorgehen. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Vergemeinschaftungsbeschlüsse daher rechtsmissbräuchlich seien.
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des Amtsgerichtsurteils Bezug genommen.
Die Klägerin zu 1 hat erstinstanzlich beantragt:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, die drei nebeneinander liegenden Dachflächenfenster (abgebildet auf der als Anlage K1 beigefügten Fotografie), gelegen auf dem nach Osten /zur Straßenseite hin gerichteten Dach des Hauses (…) Str. .. in … München (von der O-Straße aus gesehen links neben dem Gebäudevorsprung) zu entfernen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen
II.
Die Beklagte wird verurteilt, die zwei übereinander liegenden Dachflächenfenster (abgebildet auf der als Anlage K 2 beigefügten Fotografie), gelegen auf dem nach Westen zur Gartenseite hin gerichteten Dach des Hauses O-Str. … München (von der O-Straße aus gesehen links neben dem Loggia-Einschnitt), zu entfernen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen
Die Klägerin zu 2 hat erstinstanzlich beantragt,
I.
Die Beklagte wird verurteilt, die drei nebeneinander liegenden Dachflächenfenster (abgebildet auf der als Anlage K1 beigefügten Fotografie), gelegen auf dem nach Osten / zur Straßenseite hin gerichteten Dach des Hauses O-Str. 75 in .. München (von der OStraße aus gesehen links neben dem Gebäudevorsprung) zu entfernen und nach Entfernung der drei vorbenannten Dachflächenfenster an den durch die Entfernung dieser Dachflächenfenster entstehenden Öffnungen eine Wärmedämmung, eine Feuchtigkeitsschutzschicht und eine Hinterlüftung zu installieren sowie die Dacheindeckung so herzustellen, dass der Dachaufbau dem angrenzenden Dachaufbau entspricht
Hilfsweise: und den ursprünglichen Zustand insoweit wiederherzustellen.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, die zwei übereinander liegenden Dachflächenfenster (abgebildet auf der als Anlage K 2 beigefügten Fotografie), gelegen auf dem nach Westen zur Gartenseite hin gerichteten Dach des Hauses O-Str., … München (von der O-Straße aus gesehen links neben dem Loggia-Einschnitt), zu entfernen
und
nach Entfernung der zwei vorbenannten übereinander liegenden Dachflächenfenster an den durch die Entfernung dieser Dachflächenfenster entstehenden Öffnungen eine Wärmedämmung, eine Feuchtigkeitsschutzschicht und eine Hinterlüftung zu installieren sowie die Dacheindeckung so herzustellen, dass der Dachaufbau dem angrenzenden Dachaufbau entspricht.
Hilfsweise: Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands in diesem Bereich.
Der Kläger zu 3 und die Klägerin zu 4 haben erstinstanzlich beantragt,
I.
Die Beklagte wird verurteilt, die drei nebeneinander liegenden Dachflächenfenster (abgebildet auf der als Anlage K1 beigefügten Fotografie), gelegen auf dem nach Osten / zur Straßenseite hin gerichteten Dach des Hauses O-Str. … München (von der OStraße aus gesehen links neben dem Gebäudevorsprung) zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen;
hilfsweise:
nach Entfernung der drei vorbenannten Dachflächenfenster an den durch die Entfernung dieser Dachflächenfenster entstehenden Öffnungen eine Wärmedämmung, eine Feuchtigkeitsschutzschicht und eine Hinterlüftung zu installieren sowie die Dacheindeckung so herzustellen, dass der Dachaufbau dem angrenzenden Dachaufbau entspricht.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, die zwei übereinander liegenden Dachflächenfenster (abgebildet auf der als Anlage K 2 beigefügten Fotografie), gelegen auf dem nach Westen zur Gartenseite hin gerichteten Dach des Hauses OStr. (…) München (von der O Straße aus gesehen links neben dem Loggia-Einschnitt), zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen;
hilfsweise:
nach Entfernung der zwei vorbenannten übereinander liegenden Dachflächenfenster an den durch die Entfernung dieser Dachflächenfenster entstehenden Öffnungen eine Wärmedämmung, eine Feuchtigkeitsschutzschicht und eine Hinterlüftung zu installieren sowie die Dacheindeckung so herzustellen, dass der Dachaufbau dem angrenzenden Dachaufbau entspricht.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Amtsgericht hat entschieden:
1. Die Beklagte wird verurteilt, die drei nebeneinander liegenden Dachflächenfenster (abgebildet auf der als Anlage K1 beigefügten Fotografie), gelegen auf dem nach Osten / zur Straßenseite hin gerichteten Dach des Hauses O-Str. (…) München (von der O-Straße aus gesehen links neben dem Gebäudevorsprung) zu entfernen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen.
2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, die zwei übereinander liegenden Dachflächenfenster (abgebildet auf der als Anlage K 2 beigefügten Fotografie), gelegen auf dem nach Westen zur Gartenseite hin gerichteten Dach des Hauses O-Str. (…) München (von der O-Straße aus gesehen links neben dem Loggia-Einschnitt), zu entfernen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage der Klägerin zu 2 abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Beklagte beantragt mit ihrer Berufung,
das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2017 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet.
Die Wiederherstellungsanträge scheitern allerdings nicht bereits an Unbestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der vorherige Zustand ist angesichts der hinreichend aussagekräftigen Lichtbilder Anlage B 8 Blatt 2 und Blatt 3, welche unstreitig den ursprünglichen Zustand vor Einbau der Dachfenster zum Garten hin (Blatt 2) und den ursprünglichen Zustand zur Straße hin (Blatt 3) zeigen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2017 S. 2), hinreichend klar bestimmt.
Den Klägern fehlt für die gestellten Klageanträge, die auf Schadensersatz bzw. auf Beseitigung der fünf Dachflächenfenster und Wiederherstellung des vorherigen Zustands gerichtet sind, jedoch die Prozessführungsbefugnis. Die Klage ist daher unzulässig.
1. Der Einbau der fünf Dachflächenfenster ohne Zustimmung aller anderen Mitglieder der Wohnungseigentumsanlage stellt eine unzulässige bauliche Änderung dar, weil er die Rechte der anderen Eigentümer über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt und die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung aller anderen Eigentümer fehlt. Hierzu kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden.
Nachteilig im Sinne von § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG ist im Grundsatz jede nicht unerhebliche Beeinträchtigung. Diese muss konkret und objektiv sein. Eine erhebliche Beeinträchtigung ist nicht erforderlich; nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH, Urteil vom 24. Januar 2014 – V ZR 48/13, ZMR 2014, 464 Rn. 8 mwN; BGH, Urteil vom 13. Januar 2017 – V ZR 96/16 –, Rn. 15, juris).
Wenn eine erhebliche optische Veränderung des gesamten Gebäudes mit der Maßnahme einhergeht, ist ein Nachteil regelmäßig anzunehmen und die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2012 – V ZR 224/11 –, BGHZ 196, 45 Rn. 5 mwN; BGH, Urteil vom 18. November 2016 – V ZR 49/16 –, Rn. 18, juris).
Hier ist das Amtsgericht nachvollziehbar von einer erheblichen optischen Beeinträchtigung des Gesamtgebäudes ausgegangen, von der sich auch die Kammer durch Einsichtnahme des vorgelegten aussagekräftigen Bildmaterials über den Zustand vor und nach Einbau der Dachflächenfenster einen Eindruck verschafft hat. Auch nach Ansicht der Kammer macht es für das optisch-architektonische Gesamterscheinungsbild des Gebäudes – und nicht nur des Daches – einen erheblichen Unterschied, ob sich im Dach diese fünf weiteren Dachflächenfenster befinden oder nicht.
Eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung nach § 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG ist zudem deshalb anzunehmen, weil mit dem Einbau der Dachflächenfenster die Dachhaut verletzt werden musste und sich der künftige Instandsetzungs- und Instandhaltungsbedarf am Gemeinschaftseigentum gegenüber der Situation ohne diese fünf Dachflächenfenster erhöht hat. Dieser Nachteil entfällt nicht bereits dadurch, dass sich die Beklagte zur Übernahme des Mehraufwandes bereit erklärt hat, weil diese Bereitschaft die rechtlich vorgesehene Kostenverteilung nicht abändert.
Die Maßnahme ist nicht etwa deshalb zulässig, weil es sich um eine Instandsetzung mit Blick auf Dämm- oder Belichtungsdefizite gehandelt hätte. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen.
2. Aus dieser Überschreitung des zulässigen Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums bzw. aus der damit einhergehenden Beschädigung des gemeinschaftlichen Eigentums folgt ein Schadensersatzanspruch auf Wiederherstellung des vorherigen Zustands aus §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB bzw. aus § 823 Abs. 1 BGB. Das Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
Zur gerichtlichen Geltendmachung eines sich aus der Überschreitung des zulässigen Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums aus § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB bzw. aus einer Beschädigung des gemeinschaftlichen Eigentums aus § 823 Abs. 1 BGB ergebenden, auf die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes gerichteten Schadensersatzanspruchs fehlt den Klägern allerdings die Prozessführungsbefugnis. Denn gemäß § 249 Abs. 1, Abs. 2 BGB hat der Geschädigte hier grundsätzlich die Wahl zwischen Naturalrestitution, also der Wiederherstellung des Zustandes, der ohne den Eintritt des zum Ersatz verpflichtenden Umstandes bestehen würde, und Geldersatz. Dieses Wahlrecht würde den übrigen Eigentümern genommen und dadurch in ihr Recht zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums eingegriffen, wenn ein Einzelner den Anspruch ohne ihre Ermächtigung selbständig geltend machen könnte. Schon deshalb sind solche auf die Wiederherstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichtete Schadensersatzansprüche, auch wenn Inhaber dieser Ansprüche die einzelnen Eigentümer sind und nicht die Gemeinschaft, im Interesse einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums einheitlich, d. h. aufgrund einer gemeinschaftlichen Entscheidung der Berechtigten, geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2014, Az: V ZR 25/13, juris Rn 17; BGH, Urteil vom 11.12.1992, Az: V ZR 118/91, juris, Rn 10ff). In einer WEG besteht daher eine geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft i. S. des § 10 Abs. 6 S. 3, Halbsatz 1 WEG für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung des Gemeinschaftseigentums (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2014, Az: V ZR 25/13, juris Rn 17; Bärmann/Suilmann, 13. Aufl., Rn 249 zu § 10 WEG).
3. Die Kläger können den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf Beseitigung der fünf Dachflächenfenster und Wiederherstellung des vorherigen Zustands auch nicht auf den quasinegatorischen Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB stützen.
a) Zwar folgt ein Anspruch auf Beseitigung einer Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums aus diesen Vorschriften. Auch ist der einzelne Wohnungseigentümer grundsätzlich dazu befugt, Beseitigungsansprüche aus § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB ohne Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2014, Az: V ZR 25/13, juris Rn 17; BGH, Urteil vom 05.12.2014, Az: V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn 6).
Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG ist ferner nicht nur auf die Beseitigung der Dachflächenfenster, sondern auch auf die Rechtsfolge der Wiederherstellung des Daches gerichtet. Zwar richtet sich der sog. quasinegatorische Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG grundsätzlich nur auf die Beseitigung der Beeinträchtigung durch deren Abstellung für die Zukunft, nicht hingegen auf die Herstellung des früheren Zustandes durch Beseitigung ihrer Folgen, die nur als Schadensersatz nach § 823 BGB bzw. vorliegend auch nach § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 280 BGB verlangt werden kann (vgl. Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., § 1004 Rn. 28; BGH, Urteil vom 12.12.2003, Az: V ZR 98/03, juris Rn 8). Doch findet bei einer Störung durch Umgestaltung die Beseitigung der Störung bzw. der Störungsquelle nur durch komplette Rückgestaltung statt. Die Wiederverschließung des Daches gehört damit schon zur unmittelbaren Störungsbeseitigung und nicht etwa nur zur Beseitigung weiterer Störungsfolgen.
Zudem umfasst der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB neben der Beseitigung der unmittelbar störenden Einwirkung auch die Beseitigung derjenigen Beeinträchtigungen, die zwangsläufig Folge der Beseitigung sind (BGH, Urteil vom 04. Februar 2005 – V ZR 142/04 –, Rn. 9, juris; Urteil vom 18. April 1997 – V ZR 28/96 –, BGHZ 135, 235 Rn. 10 nach juris). Würde man die Verschließung des Daches nicht ohnehin zur Beseitigung der Störung selbst zählen, dann wäre das unverschlossene Dach eine zwangsläufige Eigentumsbeeinträchtigung durch die Störungsbeseitigung und die Wiederverschließung des Dachs in den vorherigen Zustand aus diesem Grund geschuldet.
b) Tritt ein Beseitigungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB – wie hier – konkurrierend neben die sich aus § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 280 BGB und § 823 Abs. 1 BGB ergebenden Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums, so ist der einzelne Eigentümer allerdings nicht dazu berechtigt, den Beseitigungsanspruch ohne Ermächtigung durch die übrigen Anspruchsinhaber geltend zu machen (vgl. LG Hamburg Urt 25.2.2015 – 318 S 110/14). Denn würde man dies zulassen, so könnte hierdurch wiederum das allen Berechtigten im Rahmen des ihnen zustehenden Schadensersatzanspruchs aus § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 280 BGB und § 823 Abs. 1 BGB zukommende Wahlrecht zwischen Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) und Geldersatz (§ 249 Abs. 2 BGB) vereitelt werden (vgl. für den Schadensersatzanspruch: BGH, Urteil vom 07.02.2014, Az: V ZR 25/13, juris Rn 17). Auch bestünde die Gefahr, dass der Schuldner mit zwei verschiedenen Gläubigern konfrontiert wäre, wenn die Eigentümer gemeinsam den ihnen zustehenden Schadensersatzanspruch und ein einzelner Eigentümer daneben den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB geltend machen könnte. Da es sich letztlich um einen einheitlichen prozessualen Streitgegenstand handelt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., Einl. Rn. 69, 71), kann auch die Prozessführungsbefugnis nur einheitlich für sämtliche hiervon erfassten materiell-rechtlichen Ansprüche beurteilt werden.
Vor dem Hintergrund des unverjährbaren Anspruchs auf ordnungsmäßige Verwaltung eines jeden Wohnungseigentümers nach § 21 Abs. 4 WEG, das nach entsprechender Vorbefassung der Eigentümerversammlung ggfs gerichtlich nach § 21 Abs. 8 WEG durchgesetzt werden kann, steht auch nicht zu befürchten, dass das Eigentumsrecht des Einzelnen, das durch § 22 Abs. 1 WEG besonders geschützt wird, auf diese Weise ausgehöhlt werden würde. Das Ermessen der Eigentümer dürfte dabei mit Blick auf das grundrechtlich durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsrecht des einzelnen Wohnungseigentümers eher gering sein.
4. Eines Vergemeinschaftungsbeschlusses bedurfte es deshalb nach Auffassung der Kammer nicht, um den Klägern die Prozessführungsbefugnis für den vorliegenden Rechtsstreit zu nehmen.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
3. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der inmitten stehenden Rechtsfragen betreffend die Prozessführungsbefugnis der Kläger für die geltend gemachten Wiederherstellungsansprüche zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt vor, wenn eine für den Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage bisher höchstrichterlich nicht geklärt, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist und wenn sie das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Dabei kann sich die Grundsatzbedeutung einer Rechtsfrage auch ohne Streit in Rechtsprechung oder Literatur allein aus ihrem Gewicht für die beteiligten Verkehrskreise ergeben (Zöller/Heßler, 31. Aufl., Rn 11 zu § 543 ZPO; Thomas/Putzo, 37. Aufl., Rn 20 zu § 511 ZPO). Dies ist hier anzunehmen.
Nach Ansicht der Kammer bleibt in der Entscheidung des BGH vom 07.02.2014, Az: V ZR 25/13 offen, ob im Falle einer Konkurrenz von Beseitigungsansprüchen nach § 1004 Abs. 1 BGB mit Schadensersatzansprüchen nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit § 249 Abs. 1 BGB für die Ansprüche insgesamt eine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft besteht, oder ob der einzelne Eigentümer den auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützten Beseitigungsanspruch noch selbständig geltend machen kann (dagegen etwa LG Hamburg Urteil vom 25.2.2015 – 318 S 110/14, juris Rn. 18). Das Problem stellt sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen, weil unzulässige bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum ein häufig auftretendes Phänomen in Eigentümergemeinschaften darstellen und sich deshalb die Frage der Prozessführungsbefugnis des einzelnen Eigentümers für den Rückbauanspruch in zahllosen Fällen immer wieder stellt.
Die Frage ist hier auch entscheidungserheblich.
Die Kammer käme insbesondere auf der Grundlage der Gegenansicht nicht zum selben Ergebnis. Zwar liegt mit dem noch bestehenden angefochtenen Beschluss zu TOP 11 vom 25.7.2017 ein Vergemeinschaftungsbeschluss vor, der der Klage des Einzelnen grundsätzlich die Prozessführungsbefugnis nehmen würde (vgl. BGH, 5.12.2014 – V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn 13 f.), solange er nicht nichtig und nicht rechtskräftig für ungültig erklärt ist. Diese Wirkung des Vergemeinschaftungsbeschlusses setzt auch – anders als das Amtsgericht meint – grundsätzlich nicht voraus, dass er bereits zu prozessualem Vorgehen ermächtigt.
Hier spräche allerdings viel für die Nichtigkeit des Beschlusses vom 25.7.2017 wegen Rechtsmissbräuchlichkeit (vgl. allgemein zur Rechtsmissbräuchlichkeit von Vergemeinschaftungsbeschlüssen: Dötsch ZWE 2016, 149, 150), weil er nur darauf gerichtet ist, die bereits gerichtshängige individuelle Rechtsdurchsetzung der Kläger zu vereiteln, ohne dass eine Durchsetzung der Ansprüche gegen die Beklagte auf Rückbau gerichtlich oder außergerichtlich in absehbarer Zeit überhaupt beabsichtigt ist und dies trotz des dadurch für die Kläger bestehenden Kostenrisikos. Die Mehrheit der Eigentümer wollte das Problem – wenn überhaupt – vergleichsweise mit einer finanziellen Kompensation lösen, nicht durch Forderung und Durchsetzung des Rückbaus. Hierfür spricht bereits der Inhalt der drei seit Anhängigkeit der vorliegenden Beseitigungsklage gefassten Beschlüsse, von denen keiner ein gerichtliches Vorgehen gegen die Fenster vorsieht, vielmehr ermächtigen sie allenfalls zu Vergleichsverhandlungen für eine finanzielle Kompensation. Hierfür spricht weiter, dass die Beschlüsse alle in Kenntnis der vorliegenden Individualklagen gefasst wurden, dass sie sich mit diesem Gerichtsverfahren nicht befassen und schließlich, dass seit Fassung der drei Vergemeinschaftungsbeschlüsse keine Maßnahme zur Aufforderung oder Durchsetzung eines Rückbauanspruchs seitens der WEG gegen die Beklagte unternommen worden ist außer der Teilnahme an Vergleichsverhandlungen über eine finanzielle Kompensation. Dabei mag grundsätzlich das Bemühen um eine einvernehmliche Lösung nicht zu beanstanden sein. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 25.7.2017 war aber für alle Beteiligten klar, dass die Vergleichsverhandlungen gescheitert waren und der Vergemeinschaftungsbeschluss allein darauf zielte, die Anstrengungen der Kläger gegen die unzulässige bauliche Veränderung zu vereiteln, ohne dass die Gemeinschaft bzw. die Mehrheit der Eigentümer ihrerseits Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung ergreifen wollten.
Selbst wenn der Vergemeinschaftungsbeschluss vom 25.7.2017 nicht nichtig und nach § 23 Abs. 4 S. 2 WEG von seiner Wirksamkeit auszugehen wäre, könnte die Kammer nicht entscheiden, weil sie dann das Verfahren mit Blick auf das anhängige Anfechtungsverfahren als vorgreiflich aussetzen oder jedenfalls aus Gründen des fairen Prozesses und des effektiven Rechtsschutzes den Klägern – auch mit Blick auf die Verjährungsproblematik – die Gelegenheit einräumen müsste, vor Abschluss des vorliegenden Verfahrens im Anfechtungsverfahren abschließend die Gültigkeit des Vergemeinschaftungsbeschlusses und damit den Bestand der eigenen Prozessführungsbefugnis für das vorliegende Verfahren zu klären. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Beklagten wie bereits in der Vergangenheit auch künftig neue Vergemeinschaftungsbeschlüsse fassen würden.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2017 auf 36.000 € festgesetzt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.


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