Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Die Bestellung eines Richters am Amtsgericht zum Mitglied einer Strafvollstreckungskammer ist zulässig

Aktenzeichen  Ws 771/19

Datum:
7.11.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41419
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
DRiG § 29 S. 1, § 37 Abs. 1, S. 3
GVG § 59 Abs. 3, § 78b Abs. 2
StGB § 67d Abs. 6
StPO § 25 Abs. 2 S. 2, § 33a, § 356a

 

Leitsatz

1. Entscheidet das Oberlandesgericht in einer Strafvollstreckungssache im Beschlusswege, ist ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur solange möglich, bis die das Verfahren abschließende Sachentscheidung ergangen ist. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge nach § 33a StPO verbunden wird. (Rn. 2)
2. Bei der Bestellung eines Richters am Amtsgericht zum Mitglied der Strafvollstreckungskammer gemäß § 78b Abs. 2 GVG handelt es sich nicht um einen Fall der Abordnung. (Rn. 7)
3. Die Mitwirkung eines gemäß § 78b Abs. 2 GVG bestellten Richter am Amtsgericht und einer Richterin auf Probe an einer Entscheidung der großen Strafvollstreckungskammer verstößt nicht gegen § 29 Abs. 1 DRiG. (Rn. 6)

Tenor

1. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 02.11.2019 auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht K. und der Richter am Oberlandesgericht S. und Dr. W. wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.
2. Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers vom 02.11.2019 wird zurückgewiesen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Anhörungsrügenverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antrag des Beschwerdeführers, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K. und die Richter am Oberlandesgericht S. und Dr. W. wegen Besorgnis der Befangenheit für das Verfahren nach § 33a StPO abzulehnen, ist verspätet und daher unzulässig (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Der Senat entscheidet über die Verwerfung nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO, ohne dass die abgelehnten Richter ausscheiden.
Entscheidet das Gericht – wie hier – außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, ist ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur solange möglich, bis die das Verfahren abschließende Sachentscheidung ergangen ist (BVerfG, NStZ 2007, 709 juris Rn. 12 ff.; BGH, NStZ-RR 2013, 289 juris Rn. 2; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 25 Rn 11 m.w.N.). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge nach § 33a StPO verbunden wird. Dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anhörungsrüge nach § 356a StPO (BGH, NStZ-RR 2013, 289 juris Rn. 3 m.w.N.), die damit begründet wird, dass die Regelung des § 356a StPO dem Revisionsgericht die Möglichkeit geben solle, einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen. Der Rechtsbehelf diene indes nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs doch noch Geltung zu verschaffen. Dies gilt bei einer Anhörungsrüge nach § 33a StPO ebenso (OLG Celle, NStZ-RR 2015, 219 juris Rn. 5).
II.
Die Anhörungsrüge bleibt in der Sache ohne Erfolg, da das Recht des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt wurde. Der Senat hat das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit es entscheidungserheblich war, berücksichtigt.
1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war zum einen die durch Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 25.09.2019 angeordnete Änderung der Führungsaufsichtsweisungen dahingehend, dass wegen Wohnsitzwechsels des Beschwerdeführers nunmehr eine andere Fachambulanz zuständig ist, bei der er sich vorzustellen und in ambulante Nachbehandlung zu begeben hat. Zum anderen hat die Strafvollstreckungskammer den erneuten Antrag des Beschwerdeführers auf Erledigung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 StGB zurückgewiesen und hierbei zutreffend auf die auf die nach wie vor gültigen Begründungen der vorangegangenen Beschlüsse der Kammer (das sind diejenigen vom 13.11.2018, 20.11.2018, 06.12.2019 und 14.05.2019) verwiesen.
Das Landgericht Passau hat mit Urteil vom 16.04.2013 (KLs 216 Js 1555/11) die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dieses Urteil ist rechtskräftig und deshalb vom Senat zu beachten. Soweit der Beschwerdeführer dieses Urteil für rechtswidrig hält, bleibt es ihm unbenommen, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen. Hierfür ist jedoch der Senat nicht zuständig. Die vom Beschwerdeführer diesbezüglich vorgetragenen Argumente sind somit für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich.
2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die Strafvollstreckungskammer, an deren Entscheidung ein Vorsitzender Richter am Landgericht, ein Richter am Amtsgericht und eine Richterin auf Probe mitgewirkt haben, gemäß § 78b Abs. 2, § 59 Abs. 3 GVG ordnungsgemäß besetzt. Ein Verstoß gegen § 29 Satz 1 DRiG, wonach bei einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr als ein Richter auf Probe oder ein Richter kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter mitwirken darf, liegt nicht vor.
Die entgegenstehende Ansicht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 26.11.2015 – 2 Ws 495/15, in juris, und vom 16.02.2016 – 2 Ws 595/15, StraFo 2016, 125; MüKo-StPO/Schuster, 1. Aufl. 2018, § 78b Rn. 7; Staats, DRiG, 1. Aufl. 2012, § 29 Rn. 2) überzeugt nicht, da es sich bei der Bestellung eines Richters am Amtsgericht zum Mitglied der Strafvollstreckungskammer gemäß § 78b Abs. 2 GVG nicht um einen Fall der Abordnung handelt (hiervon geht auch Barthe, in KK-StPO, 8. Aufl. § 22 GVG Rn. 8 aus).
Gemäß § 78b Abs. 2 GVG werden die Mitglieder der Strafvollstreckungskammer vom Präsidium des Landgerichts aus der Zahl der Mitglieder des Landgerichts und der in seinem Bezirk angestellten Richter beim Amtsgericht bestellt. Die derart bestellten Richter des Amtsgerichts sind entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe sowie der genannten Kommentarliteratur nicht an ein anderes Gericht abgeordnete Richter, sondern Richter, die das Präsidium des Landgerichts durch einen auf der selbstständigen Ermächtigungsgrundlage des § 78b Abs. 2 GVG beruhenden Beschluss mit Wirkung über das eigene Gericht hinaus herangezogen hat. Hierbei handelt es sich um die geschäftsverteilungsmäßige Übertragung einer richterlichen Aufgabe, die ohne Weiteres und vor allem ohne Beteiligung der Justizverwaltung wirksam und für den herangezogenen Richter verbindlich ist, und nicht um die Übertragung eines konkreten Richteramtes oder um eine Abordnung (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 22 Rn. 16; § 78b Rn. 14). Abgeordnet ist ein Richter, wenn er sein Richteramt im Sinne des § 27 Abs. 1 DRiG bei einem anderen Gericht innehat und an dem entscheidenden Gericht auf Grund einer Abordnungsverfügung mitwirkt (vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. 2009, § 29 Rn. 6). Die Abordnung ist überdies – abgesehen vom Sonderfall der bis zu drei Monaten innerhalb eines Geschäftsjahres und eines Gerichtszweiges dauernden Vertretung eines Richters (§ 37 Abs. 1 und 3 DRiG) – gemäß § 37 Abs. 1 DRiG nur mit Zustimmung des betroffenen Richters möglich. Einer solchen Zustimmung des Richters am Amtsgericht bedarf es bei der Bestellung gemäß § 78b Abs. 2 GVG nicht, der sich hiergegen auch nur mit den Mitteln der Geschäftsverteilung (vgl. hierzu Kissel/Mayer, a.a.O., § 21e Rn. 121) und nicht des Deutschen Richtergesetzes wehren kann (vgl. Kissel/Mayer, a.a.O., § 22 Rn. 16).
Dementsprechend gründet auch die Mitgliedschaft des Richters am Amtsgericht Dr. G. der sein Richteramt nach wie vor beim Amtsgericht Straubing ausübt, in der Strafvollstreckungskammer vorliegend auf einer Bestellung durch Beschluss des Präsidiums des Landgerichts Regensburg.
Gemäß dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Straubing für das Jahr 2019 ist RiAG Dr. G. für den Geschäftskreis VII zuständig. Zu diesem gehören als Geschäftsaufgaben gemäß Ziffern 1 bis 5 unter anderem bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Rechtshilfen, WEG-Sachen und gemäß Ziffer 6 „Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Str. mit 1/4 seiner Arbeitskraft gemäß Präsidialbeschluss des Landgerichts Regensburg (Gz. 3204 E II) vom 18.12.2018)“. Dementsprechend wurde im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Regensburg für das Jahr 2019 kenntlich gemacht, dass RiAG Dr. G. als Mitglied der auswärtigen Strafvollstreckungskammer mit dem Sitz in Str. „gem. § 78 b II GVG bestellt“ wurde.
Eine Abordnung liegt somit nicht vor, so dass an der Fassung des Beschlusses vom 25.09.2019 von den in § 29 DRiG genannten Personen nur eine Richterin auf Probe mitgewirkt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO analog.
Die Gehörsrüge ist als eigenständiger Rechtsbehelf ausgestaltet. Die Entscheidung, durch die ein Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs nach §§ 33a, 311a Abs. 1 Satz 1, § 356a StPO in vollem Umfang verworfen oder zurückgewiesen wird, löst im Strafverfahren den Gebührentatbestand Nr. 3920 in dem durch das Anhörungsrügengesetz vom 09.12.2004 (BGBl. 2004 I S. 3226) eingeführten Hauptabschnitt 9 zu Teil 3 des Kostenverzeichnisses und damit eine Gebühr in Höhe von 60 € aus. Mit dieser Gebührenregelung hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er die Verfahren über eine Gehörsrüge als selbstständige Verfahren ansieht, die zu einer abschließenden Entscheidung im Sinne des § 464 Abs. 1 StPO führen. Daher ist eine Kostengrundentscheidung geboten, damit eine Kostenfestsetzung nach Nummer 3920 KV-GVG erfolgen kann; andernfalls würde die Ergänzung des Kostenverzeichnisses durch das Anhörungsrügengesetz ins Leere gehen (vgl. OLG Köln, NStZ 2006, 181 juris Rn. 7 ff.).


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