Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz bei im Mai 2016 erworbenem, vom Abgasskandal betroffenem (Gebraucht-)Fahrzeug

Aktenzeichen  19 U 3449/19

Datum:
28.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30918
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Vgl. zum Kauf nach Bekanntwerden des Dieselskandals im Ergebnis wie hier: BGH BeckRS 2020, 19146; OLG München BeckRS 2020, 28520; OLG Frankfurt BeckRS 2020, 18189; BeckRS 2019, 43569; OLG Bamberg BeckRS 2020, 29275; BeckRS 2020, 29353; sowie mit zahlreichen weiteren Nachweisen OLG München BeckRS 2020, 27980 (dort Leitsatz 1); OLG Stuttgart BeckRS 2020, 7457 (dort Leitsatz 4); noch weitergehend: OLG Braunschweig BeckRS 2020, 28511; a.A. noch: OLG Köln BeckRS 2020, 7312; OLG Hamm BeckRS 2019, 20495; OLG Oldenburg BeckRS 2020, 280; BeckRS 2020, 6021; OLG Dresden BeckRS 2020, 4135; OLG Koblenz BeckRS 2020, 5086; BeckRS 2020, 17856; differenzierend OLG Stuttgart BeckRS 2020, 5609 (Kenntnis erst ab März 2016). (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch des Käufers eines vom Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens scheitert (jedenfalls hier) an der fehlenden Kausalität einer unterstellten sittenwidrigen vorsätzlichen Täuschung der Herstellerin für den Willensentschluss des Käufers, das streitgegenständliche Fahrzeug im Mai 2016 zu erwerben. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn gegensätzliche Urteile auf einer unterschiedlichen Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht beruhen, begründet dies keine Divergenz (stRspr BGH BeckRS 2007, 15401). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 5540/18 2019-05-08 Urt LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 08.05.2019, Aktenzeichen 11 O 5540/18 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu bis zu 25.000,00 € festgesetzt.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlich geltend gemachten vermeintlichen Ansprüche auf Schadensersatz wegen des Erwerbs eines gebrauchten … mit einem Dieselmotor vom Typ EA … am 27.05.2016 weiter.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 08.05.2019 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die die Berufung des Klägers, der beantragt,
1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München II vom 05.05.2019 (11 O 5540/18) wird die Beklagte verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von € 23.107,34 nebst Zinsen
– in Höhe von 4% aus € 24.650,00 vom 27.05.2016 bis einen Tag vor Rechtshängigkeit sowie
– in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 23.107,34 seit Rechtshängigkeit,
Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW …, FIN …
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung gemäß Ziffer 1 in Verzug befindet.
3. Es wird angeregt, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 25.02.2020 (Bl. 386/394 d.A.), auf die Bezug genommen wird, wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
In seiner Stellungnahme vom 27.04.2020 (Bl. 185/189) verweist der Kläger auf die Urteile verschiedener Oberlandesgerichte, welche den Autokäufern Ansprüche aus § 826 BGB zugesprochen hätten, obwohl diese das jeweilige Auto nach dem 22.09.2015 erworben hatten. In diesen Fällen sei entscheidend gewesen, ob der jeweilige Kläger bei Kauf von der Betroffenheit des von ihm erworbenen Autos vom VW-Diesel-Abgasskandal gewusst hätte. Hierzu sei die Anhörung des Landgerichts völlig unzureichend gewesen, weil es diese Frage nicht gestellt habe (KlSS vom 27.04.2020, Seite 1/2).
Desweiteren seien diese OLG-Senate dazu gekommen, dass im Zeitpunkt des Kaufs noch ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten vorgelegen habe und der Zurechnungszusammenhang sowie der Schädigungsvorsatz zu bejahen seien. Aufgrund dieser divergierenden Rechtsprechung sei kein Raum für einen Beschluss nach § 522 Abs. 1 ZPO.
Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II, Aktenzeichen 11 O 5540/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat hält das angefochtene Urteil des Landgerichts München II für offensichtlich zutreffend und nimmt auf dieses Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweis des Senats vom 25.02.2019, wonach er die Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält.
Ergänzend ist noch auszuführen:
1. Auch die weiteren Ausführungen des Klägers vermögen keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB begründen. Dieser scheitert jedenfalls an der fehlenden Kausalität einer unterstellten sittenwidrigen vorsätzlichen Täuschung der Beklagten für den Willensentschluss des Klägers, das streitgegenständliche Fahrzeug zu erwerben. Soweit der Kläger seine Behauptung wiederholt, er sei vom Landgericht nicht gefragt worden, ob er gewusst habe, dass das von ihm erworbene Fahrzeug von dem Dieselskandal betroffen sei, lässt er völlig außer acht, dass dies sehr wohl Gegenstand seiner Anhörung war. Auf die Ausführungen im Hinweis vom 25.02.2020, dort Ziffer 1.1. letzter Absatz, wird zur Meidung von Wiederholungen Bezug genommen. Den weiteren Ausführungen des Senats in 1.1. des Hinweises vom 25.02.2020, auf die Bezug genommen wird, tritt der Kläger nicht entgegen, so dass es dabei sein Bewenden hat.
2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind – anders als der Kläger ausführt (KlSS vom 27.04.2020, Seite 2 ff) – nicht gegeben.
Es liegt weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 522 Abs. Nr. 2 und 3 ZPO).
(1) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 12).
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage im Übrigen nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 12; Beschluss vom 22. September 2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN). Dies ist nicht der Fall. Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 14; Beschluss vom 22. September 2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 5).
(2) Die Revision ist nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen.
Das wäre dann der Fall, wenn in der Entscheidung des Berufungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt würde, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 10; Beschluss vom 29. Mai 2002 – V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45; Beschluss vom 1. Oktober 2002 – XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 186; Beschluss vom 27. März 2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 293 mwN; Beschluss vom 9. Juli 2007 – II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074 Rn. 2).
Eine solche Abweichung ist nicht ersichtlich und wird von der Berufung auch nicht vorgetragen. Der Senat weicht in seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab. Insbesondere liegt auch keine Divergenz zu den vom Kläger benannten Urteilen (OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18; OLG Oldenburg, Urteil vom 16.01.2020 – 14 U 166/19; OLG Köln, Urteil vom 04.01.2019 – 19 U 98719 und OLG Stuttgart, Urteil vom 02.04.2020 – 2 U 249/19) vor.
Der Senat nimmt vielmehr lediglich eine tatrichterliche Würdigung im Einzelfall vor und stellt keinen abstrakten und für eine Vielzahl von Fällen gültigen Rechtssatz auf. Wenn aber gegensätzliche Urteile auf einer unterschiedlichen Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht beruhen, begründet dies keine Divergenz (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2007 – II ZR 95/06; BGH, Beschluss vom 22. September 2008 – II ZR 235/07).
(3) Die Fortbildung des Rechts erfordert ebenfalls keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 15; Beschluss vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225). Dies ist nach Ansicht des Senats und – soweit bekannt – erkennbar auch der überwiegenden Mehrheit der Oberlandesgerichte nicht der Fall.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Der Streitwert von bis zu 25.000,00 € (Klageantrag 1: 24.650,00; Klageantrag 2: 0,00 €) das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 47, 48 GKG, § 3, 4 ZPO bestimmt.


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