Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kein Unterlassungsanspruch wegen Verbringens von ein bis zwei Schaufeln Schnee auf das Nachbargrundstück

Aktenzeichen  213 C 7060/17

Datum:
28.7.2017
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 903 S. 1, § 1004 Abs. 1

 

Leitsatz

Nicht jede Einwirkung auf das Grundstückseigentum stellt auch eine Beeinträchtigung desselben dar. Eine solche erfordert vielmehr einen dem Inhalt des Eigentums widersprechenden Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers, ohne dass es einer Einwirkung auf die Substanz bedürfte. Das Verbringen von lediglich ein bis zwei Schaufeln Schnee genügt diesen Anforderungen nicht, da es – in dieser Menge – keinerlei spürbare Auswirkungen auf die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Grundstückseigentümers hat. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
In Betracht kommt hier allenfalls ein Anspruch gem. § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 903 S. 1 BGB. Dem Kläger ist jedoch der Nachweis einer rechtswidrigen Beeinträchtigung seines Eigentums nicht gelungen.
1. Soweit absichtliche Einwirkungen durch den Beklagten auf das Grundstück des Klägers nachgewiesen werden konnten, erreichen diese nicht die Schwelle einer Beeinträchtigung i.S.v. § 1004 BGB.
a) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht aufgrund der glaubhaften Aussagen der insoweit glaubwürdigen Zeugen Blaser und Lowrie zur Überzeugung des Gerichts lediglich fest, dass der Beklagte zu einem nicht mehr näher eingrenzbaren Zeitpunkt im Winter 2013/2014 eine Schaufel Schnee über den Grenzzaun auf das Grundstück des Klägers ausgeleert hat, selbiges Verhalten zu einem weiteren, nicht mehr näher eingrenzbaren Zeitpunkt zwischen diesem ersten Ereignis und dem 28.12.2014 wiederholte, sodann am 28.12.2014 gegen 11:30 Uhr zwei weitere Schaufeln Schnee auf das Grundstück des Klägers entleerte und schließlich zu einem weiteren, nicht mehr näher eingrenzbaren Zeitpunkt nach diesem 28.12.2014, aber vor dem Winter 2016/2017, nochmals eine Schaufel Schnee über den Grenzzaun entleerte. Ein weitergehendes absichtliches Verbringen von Schnee durch den Beklagten über den Zaun auf das Grundstück des Klägers konnte nicht nachgewiesen werden. Vielmehr steht ausweislich der Aussage der Zeugin Lowrie fest, dass der Beklagte im Winter 2015/2016 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen ist, selbst Schnee zu räumen oder gar über den Zaun auf das Nachbargrundstück zu verbringen. Zudem konnte der Zeuge Blaser ein derartiges Verhalten jedenfalls im Winter 2016/2017 nicht beobachten.
Das Gericht kann in diesem, wenn auch absichtlichen Verbringen von lediglich ein bis zwei Schaufeln Schnee auf das Grundstück des Klägers jedoch keine hinreichende Beeinträchtigung des Grundstückseigentums erkennen. Denn nicht jede Einwirkung auf das Grundstückseigentum stellt auch eine Beeinträchtigung desselben dar. Eine solche Beeinträchtigung erfordert vielmehr einen dem Inhalt des Eigentums widersprechenden Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers, ohne dass es einer Einwirkung auf die Substanz bedürfte. Das Verbringen von lediglich ein bis zwei Schaufeln Schnee mag hier zwar geeignet sein, den Kläger zu provozieren und das Verhältnis der Parteien untereinander weiter zu verschlechtern. Darüber hinaus hat es jedoch – in dieser Menge – keinerlei spürbare Auswirkungen auf die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Klägers, da es sich bei dem mit der Schaufel absichtlich verbrachten Schnee lediglich um einige Liter Wasser handelt, welche sich allenfalls bis zum selbständigen Schmelzen infolge Erwärmung auf dem Grundstück des Klägers, welches ohnehin aufgrund der natürlichen Witterung ebenfalls schneebedeckt war, befinden.
b) Zusammenfassend ist insoweit festzuhalten, dass es sich hier letztlich um bloße Provokationen unter Nachbarn handelt. Zwischen dem Kläger und dem Zeugen Blaser einerseits und dem Beklagten und seiner Lebensgefährtin andererseits besteht ein bereits seit vielen Jahren andauernder Nachbarschaftsstreit. Das Gericht vermochte weder zu klären, worauf dieser letztlich zurückzuführen ist, noch ist es dem Gericht trotz mehrfacher Versuche gelungen, die Parteien zu einer gütlichen Einigung zu bewegen. Der Vorschlag der Hinzuziehung eines Güterichters wurde seitens des Klägers abgelehnt. Aufgrund dieses Streits mag der Kläger die vorliegende Schneelagerungsproblematik subjektiv als Beeinträchtigung seiner Grundstückeigentumsrechte empfunden haben, tatsächlich hat diese jedoch, soweit sie nachgewiesen werden konnte, objektiv das Stadium einer Provokation aber nicht verlassen. Als bloße Provokationen und Störung des nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis wurde das Verbringen von Schnee im Übrigen auch noch in einem anwaltlichem Schreiben des Klägers vom 25.01.2015 (vgl. Ablage K 3) verstanden.
2. Soweit auf den als Anlage K 1 und K 5 vorgelegten Lichtbildern mengenmäßig mehr Schnee als die durch die aufgrund der Aussage des Zeugen Blaser nachgewiesenen ein bis zwei Schaufeln auf dem Grundstück des Klägers zu erkennen ist, rechtfertigt auch dies keinen Unterlassungsanspruch des Klägers.
a) So konnte die jeweils durch den Kläger vorgefundene Schnee-Situation nach der Beweisaufnahme schon nicht eindeutig kausal auf ein Verhalten des Beklagten zurückgeführt werden, da der Beklagte dargelegt und auch nachgewiesen hat, dass nicht nur er, sondern jedenfalls auch seine Lebensgefährtin, die Zeugin Lowrie, im betreffenden Bereich Schnee geräumt hat.
b) Im Übrigen lässt sich den Bildern aber auch nicht entnehmen, dass der betreffende Schnee über den Zaun geworfen oder anderweitig absichtlich auf das Grundstück des Klägers verbracht worden wäre. Vielmehr legen diese Bilder nahe, dass der Schnee hier – wie von dem Beklagten dargelegt – auf dem Grundstück des Beklagten an dem an der Grenze befindlichen Maschendrahtzaun zusammengeschoben und im Anschluss ggf. aufgrund der Konsistenz des Schnees oder der nachfolgenden Wetterbedingungen durch den Zaun hindurch auf das Grundstück des Klägers gedrückt wurde. Bei einer derartigen grenzüberschreitenden Einwirkung durch einen Stoff wie Wasser oder Schnee ist jedoch, da ein absichtliches Verbringen insoweit nicht angenommen werden kann, zumindest der sich aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebende Rechtsgedanke des § 906 ZPO entsprechend heranzuziehen und ein Anspruch aus § 1004 BGB auf die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen der Nutzung eines Grundstücks zu beschränken. Aus der sich aus den vorgelegten Bildern ergebenden Menge des Schnees lässt sich aber gerade keine wesentliche Nutzungseinschränkung des Klägers oder seiner Mieter erkennen, eine solche wurde im Übrigen auch nicht vorgetragen. Jedenfalls wäre sie aber auch nicht erheblich, zumal der Schnee, wie bereits dargelegt, mit dem übrigen auf dem Grundstück befindlichen Schnee ohne Zutun des Klägers mit Erwärmung schmelzen wird. Eine durch das im Boden versickernde Wasser relevante Nutzungsbeeinträchtigung wurde ebenfalls nicht dargelegt. Angesichts der Tatsache, dass sich zwischen den Grundstücken der Parteien eben nur ein Maschendrahtzaun befindet, der Beklagte grundsätzlich nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, den Schnee auf seinem Grundstück zu räumen, und er insoweit sein Grundstück zur Lagerung des Schnees verwenden darf, und die auf das Grundstück des Klägers übertretenden Mengen an Schnee als zumutbar einzustufen sind, ist der Kläger insoweit jedenfalls verpflichtet, einen solchen ohne Zutun des Beklagten erfolgten Grenzübertritt des Schnees zu dulden.
3. Insgesamt kann hier, soweit durch Zeugen oder Fotos nachgewiesen, daher auch nicht von einer Ablagerung von „Schneemassen“ ausgegangen werden, welche Schäden am Bewuchs infolge verzögerter Begrünung nach sich ziehen könnten. Auch kann bei diesen Mengen an Schnee jedenfalls nicht von einer erheblichen Splittablagerung gesprochen werden. Im Übrigen handelt es sich insoweit auch um eine lediglich pauschale Behauptung möglicher Folgen, ohne dass diese näher konkretisiert oder deren Eintritt zu irgendeinem Zeitpunkt beobachtet oder beweissicher festgehalten worden wären.
4. Lediglich ergänzend bleibt festzuhalten, dass das Gericht darüber hinaus erhebliche Zweifel an der für einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr hat.
Wie bereits oben dargelegt, hat das Verhalten des Beklagten, soweit ihm Absicht nachgewiesen werden konnte, insgesamt das Stadium der bloßen Provokation nicht verlassen. Weitergehendes absichtliches Verbringen von Schnee durch den Beklagten nach dem anwaltlichen Schreiben des Klägers vom 25.01.2015, in welchem die Störung des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses angemahnt wurde, konnte letztlich nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Mit Schreiben vom 13.03.2017 wurde auch seitens des Beklagten, der bis zuletzt bereit war, im Vergleichswege bei Kostenaufhebung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, was der Kläger ablehnte, schriftlich bestätigt, dass vermieden werde, Schnee auf das Grundstück des Klägers „zu schaufeln“, so dass insbesondere auch angesichts des geringen Einwirkens hier die Vermutung einer Wiederholungsgefahr jedenfalls hinreichend erschüttert wurde. Da das zuletzt nachgewiesene absichtliche Verbringen von Schnee auf den Winter 2014/2015 datiert, konnte eine tatsächliche Wiederholungsgefahr seitens des Klägers ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Hierauf kommt es jedoch mangels Eigentumsbeeinträchtigung im Ergebnis nicht an.
5. Da der geltend gemachte strafbewehrte Unterlassungsanspruch des Klägers nicht besteht, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.
6. Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach § 3 ZPO.


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