Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kostenschuldner des Wohngeldes beim sog. Zweit- bzw. Dritterwerb von Wohnungseigentum

Aktenzeichen  36 S 10312/17 WEG

Datum:
29.5.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23148
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2
ZPO § 257, § 258, § 259

 

Leitsatz

1. Kostenschuldner für Wohngeldzahlungen gem. § 16 Abs. 2 WEG ist, wer zum Zeitpunkt der Fälligkeit im Grundbuch als Wohnungseigentümer eingetragen ist. Die Ausnahme hiervon für solche Ersterwerber vom teilenden Eigentümer, die eine grundbuchrechtlich gesicherte Position und den Besitz an der Wohnung erlangt haben, ist nicht auf Veräußerungen von Wohnungen aus einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft heraus (sog. Zweiterwerb) übertragbar. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Klage auf künftige Wohngeldzahlungen ist unter den Voraussetzungen der §§ 257 ff. ZPO zulässig. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

36 S 10312/17 2018-04-19 Endurteil LGMUENCHENI AG München

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 09.06.2017, Aktenzeichen 481 C 3768/17 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die beklagte Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.184,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage vom 16.2.2017 gegen die Beklagte als eingetragene Eigentümerin Wohngeldvorauszahlungen für die Wohnungen 92 bis 99 für Januar/Februar 2017 sowie künftig fällig werdende Beträge für den Zeitraum März bis Dezember 2017 kraft Wirtschaftsplan geltend.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Amtsgerichts München vom 9.6.2017 Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Klage sei zulässig und die Klägerin, vertreten durch ihre Verwalterin, sei auch aktivlegitimiert. Die Regelung in § 16 Ziffer 2 der Gemeinschaftsordnung sowie die Vollmacht vom 6.11.1996 in Anlage 6.4. zum Verwaltervertrag seien in ihrem Wortlaut der zwischenzeitlich geänderten Rechtslage nicht angepasst worden und daher unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens ergänzend dahingehend auszulegen, dass die Verwalterin – wie in der Praxis die Regel – dahingehend ermächtigt sei, Wohngeldforderungen für die WEG als teilrechtsfähigen Verband geltend zu machen. Der Anspruch folge aus § 28 Abs. 2 WEG in Verbindung mit dem Beschluss zu TOP 4.1. der Eigentümerversammlung vom 3.5.2016; dieser sei bestandskräftig und es könne daher im Zahlungsprozess nicht geltend gemacht werden, dass die Einzelwirtschaftspläne fehlerhaft seien. Die Beklagte als Eigentümerin der Sondereigentumseinheiten sei auch passivlegitimiert. Die Grundsätze der werdenden WEG seien nicht anwendbar, nachdem hier bereits eine Vollrechtsgemeinschaft bestanden habe, als die Beklagte entsprechend ihrer Befugnis aus der Teilungserklärung eine Aufstockung und Aufteilung der Einheit Nr. 92 vorgenommen habe. Aus einer schon bestehenden Vollrechtsgemeinschaft könne jedoch durch die Aufteilung einer Sondereigentumseinheit nicht erneut eine werdende WEG werden. Der Bundesgerichtshof habe die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers im Falle der Veräußerung von Wohnungen aus einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft ausdrücklich abgelehnt. Nichts anderes könne hier gelten. Ein praktisches Bedürfnis für eine Vorverlagerung der wohnungseigentumsrechtlichen Vorschriften bestehe – anders als in der Gründungsphase bei Aufteilung von Alleineigentum – nicht. Auch der als Anlage B 1 vorgelegte Kaufvertrag begründe keine Schuldbefreiung der Beklagten, da dieser nur inter partes wirke. Soweit es die noch nicht fälligen Beträge betreffe, seien die Voraussetzungen der §§ 257, 258 und 259 ZPO erfüllt. Trete Fälligkeit bei Antragstellung nach § 257 ZPO während des Verfahrens ein, so könne ohne Antragsänderung unbedingtes Urteil ergehen.
Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Endurteil vom 9.6.2017 (Bl. 24/31 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 14.6.2017 zugestellte Urteil hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 12.7.2017 (Bl. 41/42 d.A.), welcher am gleichen Tag beim Landgericht München I einging, Berufung eingelegt. Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 28.7.2017 (Bl. 45/49 d.A.) begründet. Die Berufung rügt einen Rechtsfehler dergestalt, dass das Amtsgericht hier unzutreffend die Passivlegitimation der Beklagten angenommen habe. Es sei sachlich falsch, wenn das Amtsgericht ausführe, die Erwerber hätten nicht vom Aufteiler erworben, sondern von einer Miteigentümenn. Die Beklagte habe das Sondereigentum Nr. 92 nur zu dem Zweck erworben, es weiter aufzuteilen und die Wohnungen zu veräußern. Gemäß der Gemeinschaftsordnung sei das Sondereigentum mit der Nummer 92 von jeder Wohngeldzahlungspflicht bis zur Bezugsfertigkeit der zusätzlichen Wohnungen befreit gewesen und es habe letztlich eine zeitlich versetzte Maßnahme des ursprünglichen Aufteilers nach Vorratsteilung vorgelegen. Der Erwerb einer Eigentumswohnung vom Bauträger sei kein Zweiterwerb einer Bestandswohnung. Gerade für Lebenssachverhalte wie diesen habe der Bundesgerichtshof die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers entwickelt. Das Amtsgericht dürfe nicht einerseits das Sondereigentum mit der Nummer 92 so behandeln, als wäre es zufällig bezugsfertig geworden und andererseits den Erwerbern die Rechtsstellung als werdende Wohnungseigentümer versagen, obwohl die Wohnungen nach Eintragung einer den Eigentumsübergang sichernden Vormerkung allesamt bezogen und bewohnt seien und anteilig Betriebskosten der Wohnanlage verbraucht würden. Durch die Auffassung des Amtsgerichts würden die alten und neuen Eigentümer in eine völlige Dualität getrieben. Die Beklagte als Grundbucheigentümerin habe in vielen Fällen ein Stimmrechtsverbot in der Versammlung. Gegen die MBW KG laufe ein Beweissicherungsverfahren der WEG als teilrechtsfähigem Verband wegen Gewährleistungsfragestellungen zum Gemeinschaftseigentum. Vom Amtsgericht befeuert, würden die Erwerber der Wohnungen auf dem Dach und die Alteigentümer weiterhin gegeneinander arbeiten, obwohl das Gemeinschaftseigentum aller betroffen sei. Insbesondere komme es nicht zu einer vernünftigen Abnahmeregelung unter Einbeziehung der Alteigentümer. Dem amtierenden Verwalter fehle zudem die Aktivlegitimation für die Zahlungsklage. Den eindeutigen Wortlaut einer Gemeinschaftsordnung dürfe kein Amtsgericht umdeuten. Für die Wohngeldraten ab Juni 2017 fehle es an der Fälligkeit. Es gebe wegen der definitiven Beschlusslage zur Wohngeldzahlungsverpflichtung in monatlichen Raten auch keine Ansprüche auf Zahlung von künftigen Leistungen, wie es vom Amtsgericht postuliert werde.
Mit Schriftsatz vom 10.10.2017 wurde Vollmachtsrüge erhoben. Das Original der Prozessvollmachten der Klägerin für die erste und die zweite Instanz wurde mit Schriftsatz vom 1.2.2018 und vom 12.3.2018 (Bl. 68 und 70 d.A.) vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 28.7.2017 und die weiteren Schriftsätze vom 10.10.2017 und vom 22.3.2018 (Bl. 45/49, 64/66, 71/72 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt:
I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 9.6.2017 wird aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dahingehend erwidert, dass es sich bei der streitgegenständlichen Wohnanlage um eine Bestandsimmobilie handele, die bereits im Jahr 1997, also vor 20 Jahren, von der … AG in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt worden sei. Diese sei bis zum 5.7.2012 als Erstaufteilerin Eigentümerin der streitgegenständlichen Sondereigentumseinheit Nr. 92 gewesen, habe jedoch von ihrem Ausbau- und Aufteilungsrecht gemäß Teilungserklärung/GemO keinen Gebrauch gemacht. Vom 5.7.2012 bis 4.9.2013 sei die … GmbH Bau- und Immobilien Eigentümerin der streitgegenständlichen Einheit gewesen und habe die Einheit Nr. 92 in die Einheiten Nr. 92 bis 99 aufgeteilt, was am 30.1.2013 durch Eintragung in die Grundbücher vollzogen worden sei. Vom 4.9.2013 bis 6.8.2014 sei die Modern Wohnbau GmbH Eigentümerin der Einheiten Nr. 92 bis 99 gewesen. Erst seit dem 6.8.2014 habe die Beklagte die Eigentümerstellung an den streitgegenständlichen Einheiten erlangt und habe diese ausgebaut. Es sei also nicht die Beklagte gewesen, die die Sondereigentumseinheit Nr. 92 aufgeteilt habe; diese sei in Bezug auf die Einheit Nr. 92 Vierteigentümerin und in Bezug auf die Einheiten Nr. 93 bis 99 Dritteigentümerin. Die Erwerber seinen allein schon deshalb keine Ersterwerber im Sinne einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft; diese hätten gerade nicht vom damaligen Errichter der Wohnanlage bzw. vom Erstaufteiler erworben. Für die Anwendung der Grundsätze der werdenden WEG bestehe auch kein Bedürfnis. Die Beklagte habe durch die Aufteilung keine größere Entscheidungsmacht erlangt: Zwar gelte gemäß § 15 Abs. 4 GemO das Objektprinzip; die Unterteilung in insgesamt acht Einheiten führe jedoch nicht zu einer Stimmrechtsvermehrung. Vorliegend bestehe auch eine gänzlich andere Interessenlage als beim Ersterwerb vom Bauträger. Während die Ersterwerber im Gründungsstadium ein schutzwürdiges kollektives Gleichberechtigungs- und Demokratisierungsinteresse daran hätten, vorzeitig Gemeinschaftsmitglied zu werden, bestünde hier lediglich ein individuelles Vorverlagerungsinteresse, welches beim Zweit- oder Folgeerwerb gerade nicht geschützt werde. Der BGH habe mit seiner Rechtsprechung ein nachvollziehbares Regel-Ausnahmeprinzip festgelegt. Die Regel sei der Zweit- oder Folgeerwerb, einzige Ausnahme der Ersterwerb vom teilenden Eigentümer in der Entstehungsphase der Gemeinschaft. Nur in dem letzteren, zeitlich klar begrenzten und aufgrund objektiver Kriterien für jedermann erkennbaren Ausnahmefall dürfe faktisches Eigentum das im Grundbuch eingetragene Eigentum ersetzen und der werdende Eigentümer in die Rechte und Pflichten des wirklichen Eigentümers eintreten. Ansonsten bleibe immer der Grundbucheintrag ausschlaggebend. So auch hier.
Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz vom 22.9.2017 (Bl. 55/63 d.A.) Bezug genommen.
Die Kammer hat mit Hinweisbeschluss vom 19.4.2018 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, die Berufung gegen das angefochtene Endurteil gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss (Bl. 73/82 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat dazu mit Schriftsatz vom 7.5.2018 Stellung genommen und beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und vorsorglich die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen, weil der BGH zum nachträglichen Dachgeschossausbau nach Vorratsteilung noch nichts entschieden habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens, das im wesentlichen die bisherigen Argumente aufgreift und zusammenfasst, wird auf den Schriftsatz vom 7.5.2018 (Bl. 83/87 d.A.) Bezug genommen.
II.
1. Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege zurückzuweisen, da die Kammer diese nach wie vor für offensichtlich aussichtslos hält (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 ZPO). Eine mündliche Verhandlung erscheint nicht veranlasst; das Amtsgericht hat sich sehr sorgfältig mit der Sach- und Rechtslage befasst und der Klage mit zutreffenden Erwägungen, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt, stattgegeben. Auch hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 und 3 ZPO).
1.1. Nach herkömmlicher Definition ist eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Alleine der Umstand, dass der Bundesgerichtshof zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage noch nicht Stellung genommen hat, rechtfertigt die Zulassung der Revision für sich genommen nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Rechtsfrage umstritten ist oder dass ihr ein verallgemeinerungsfähiger Sachverhalt zugrunde liegt, für dessen Beurteilung es an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, ZMR 2011, 967, 968). Beides ist hier nicht der Fall. Nach hiesiger Auffassung hat der Bundesgerichtshof die grundlegenden Maßstäbe in einer Reihe von Entscheidungen, wie im Hinweisbeschluss zitiert und ausgewertet, vorgegeben und die entscheidende Weichenstellung in der Abgrenzung zwischen Erst- und Zweiterwerb gesehen. Während zur Beendigung der Alleinherrschaft des aufteilenden Eigentümers in der Entstehungsphase der WEG eine vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes geboten ist, sobald die Käufer eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition und ein berechtigtes Interesse an der Ausübung der mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte haben, hat der Bundesgerichtshof bei der Veräußerung von Wohnungen aus einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft heraus – wie es hier seit 20 Jahren der Fall ist – die vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes stets abgelehnt (BGH, NJW 2015, 2877 ff.; BGHZ 87, 138 ff.; BGHZ 106, 113 ff.; BGHZ 197, 285 ff.). Es geht also darum, die vorliegende Konstellation, die insoweit besonders gelagert ist, als 20 Jahre nach Aufteilung weitere „werdende“ Eigentümer hinzutreten, in das bestehende System einzuordnen. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 5.6.2008, Az.: V ZB 85/07, NJW 2008, 2639 ff, erwogen hat, für einen gewissen Übergangszeitraum auch solche Ersterwerber vor Eintragung als Wohnungseigentümer zu behandeln, die eine grundbuchrechtlich gesicherte Erwerbsposition und den Besitz erst nach der Eintragung des ersten Erwerbers erlangen (vgl. auch die Fortführung im Urteil vom 11.5.2012, Az.: V ZR 196/11, NJW 2012, 2650 ff.), ist diese zeitliche Grenze nach 20 Jahren jedenfalls überschritten.
1.2. Auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts ist nicht gegeben. Er setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des formellen oder des materiellen Rechts auszufüllen. Ein solcher Anlass für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann, wenn es für die rechtliche Bewertung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. Insoweit bestehen Überschneidungen zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung. An einer solchen Orientierungshilfe fehlt es angesichts der im Hinweisbeschluss zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die die maßgeblichen Leitlinien vorgegeben haben, nicht.
1.3. Soweit die Beklagtenpartei unter Ziffer a) bis c) eine andere Auffassung vertritt und ausführt, dass es um Rechtsprobleme gehe, die in Zeiten der Verdichtung von Wohnraum in Ballungsräumen in den kommenden Zeiten geballt auftreten würden und gerade der vorliegende Fall hierbei wichtige Bezüge zum Problemkreis ungesunder Flächenfraß, gewollte Nachverdichtung, Vergemeinschaftung von Gewährleistungsansprüchen statt individueller Rechtsverfolgung und Rechtswegegarantie aufweise, vermag dies keine grundsätzliche Bedeutung zu begründen. Um all dies geht es hier nicht; streitgegenständlich ist allein die Frage der Zahlungspflicht bei Eigentümerwechsel nach Ausbau und Unterteilung einer Einheit, 20 Jahre nach Aufteilung des Alleineigentums.
2. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf den Hinweisbeschluss der Kammer vom 19.4.2018 (Bl. 73/82 d.A.) Bezug genommen; in diesem befinden sich die tragenden Erwägungen der Kammer, an denen auch unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahme der Beklagtenpartei, die die Kammer geprüft hat, festgehalten wird. Im Folgenden soll daher nurmehr zu den Einwendungen in dem auf den Hinweis konzipierten Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 7.5.2017 Stellung genommen werden.
2.1. Soweit unter Ziffer d) weiterhin die Auffassung vertreten wird, dass die Aktivlegitimation fehle, wird dies nicht weiter spezifiziert. Auf den Hinweisbeschluss der Kammer unter Ziffer 1 wird Bezug genommen; weitere Ausführungen waren mangels neuer Argumente nicht veranlasst. Es geht nicht darum, dass sich das Gericht über das Gesetz hinwegsetzen würde, sondern um eine ergänzende Auslegung der Teilungserklärung. Die maßgeblichen Belegzitate hatte bereits das Amtsgericht zitiert; die Kammer hatte auch diese in Bezug genommen. Warum die Auslegung der Teilungserklärung das Rechtsinstitut der Vorfälligkeitsregelung durch Beschluss unterlaufen würde, erschließt sich nicht. Beides betrifft rechtlich unterschiedliche Aspekte.
2.2. Unter Ziffer e) wird ausgeführt, dass es keine Klage gemäß § 259 ZPO bei einem Anspruch auf wiederkehrende Leistungen mit vereinbarter monatlicher Fälligkeit gebe Wenn die Rechtsauffassung der Kammer zutreffe, könnte der Verwalter gleich alle Wohngelder bis 2015 einklagen Schon diese Überlegung belege, dass dies so eigentlich nicht sein könne.
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass auch eine Klage auf künftige Wohngeldvorauszahlungen eine Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan bezogen auf das konkrete Wirtschaftsjahr voraussetzt. Eine Klage auf Jahrzehnte ermöglichen also auch die §§ 257 ff. ZPO nicht. Im übrigen ist nicht ersichtlich, warum diese allgemeinen prozessualen Vorschriften hier, zumal nach Überführung des Verfahrensrechts in die ZPO, nicht anwendbar sein sollen (in diesem Sinne die entsprechende Anwendung von § 259 ZPO selbst im „alten“ Recht des Verfahrens der Freiwilligen Gerichtsbarkeit bejahend Staudinger/Bub, Bearbeitung 2005, § 28 Rdnr. 266 a). Wie das Amtsgericht zutreffend subsumiert hat, waren hier sowohl § 257 ZPO als auch § 258 ZPO und § 259 ZPO tatbestandlich erfüllt. Die Beklagte hat fällige Wohngelder nicht bezahlt und gibt durch ihren nachhaltigen Verweis auf die fehlende Passivlegitimation Anlass zur Besorgnis, dass sie sich auch künftig der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Im übrigen ist für die Bewertung der Zulässigkeit der Klage auf zukünftige Leistungen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. im Rahmen des Vorgehens gemäß § 522 Abs. 2 ZPO der diesem gleichgestellte Zeitpunkt maßgebend. Danach ist jedenfalls nunmehr Fälligkeit eingetreten. Eine Änderung der Kostenentscheidung kommt nicht in Betracht.
2.3. Soweit die Beklagte unter Ziffer f) ausführt, dass die Beklagte schon deshalb nicht „grundsätzlich“ als im Grundbuch eingetragener Eigentümer Kostenschuldnerin sein könne, weil die Zahlungspflicht für die Wohngelder an die Fertigstellung der Wohnungen unter dem Dach geknüpft ist, wird wiederum auf den Hinweisbeschluss Bezug genommen, wonach der ursprünglich gegebene Befreiungstatbestand nunmehr gerade weggefallen ist.
2.4. Unter Ziffer g) rügt die Beklagte die Ausführungen des Berufungsgerichts unter Ziffer 2.1. als unverständlich und zu juristisch untragbaren Ergebnissen führend. Die Kammer hat unter den Ziffern 2.1. bis 2.4. lediglich die maßgeblichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, der für die Frage des „richtigen“ Wohngeldschuldners zwischen Erst- und Zweiterwerb differenziert, zusammengefasst und ausgewertet.
2.5. Unter Ziffer h) wird ausgeführt, dass unter Ziffer 2.2. des Hinweisbeschlusses den neuen Miteigentümern der WEG ohne dogmatische Begründung das berechtigte Interesse abgesprochen werde, die mit dem neuen Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Anlage vor der kommenden Grundbuchumschreibung auszuüben.
Unter Ziffer 2.2. wird lediglich zum Ersterwerb ausgeführt, bei dem dem Erwerber gerade entsprechende Mitwirkungsrechte zukommen. Ein Fall des Ersterwerbs liegt hier jedoch nicht vor, wie im Hinweisbeschluss ausgeführt. Die dogmatische Begründung dafür, dass dem Erwerber beim Zweiterwerb die Stellung als Eigentümer und die damit verbundenen Mitwirkungsrechte erst mit Eintragung im Grundbuch zukommen, liegt in dem vom Bundesgerichtshof herausgearbeiteten Grundsatz, wonach der Veräußerer bis zur Eigentumsumschreibung im Grundbuch rechtlich Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft bleibt.
2.6. Soweit unter Ziffer i) moniert wird, dass die Kammer den vom BGH behandelten Zweiterwerb nicht richtig verstanden habe und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs einen Fall behandelt habe, in dem ein werdender Wohnungseigentümer die Wohnung mit Abtretung des Auflassungsanspruchs weiterverkauft habe, ist richtig, dass ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Diese Entscheidung, wonach der Zedent auch dann Mitglied des Verbands bleibt, wenn er die Einheit unter Abtretung des vorgemerkten Übereignungsanspruchs und Übertragung des Besitzes veräußert, wurde lediglich als Beleg dafür genommen, dass die Grundsätze des Ersterwerbs als Ausnahme zur Regel, wonach es für die Frage des Kostenschuldners auf die Eintragung im Grundbuch ankommt, eng zu fassen sind, und es auf die wirtschaftliche Interessenlage und die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse, mit denen die Beklagte argumentiert, nicht ankommt.
2.7. Unter Ziffer k) rügt die Beklagte den Rückgriff auf die Entscheidungen des BGH vom 5.6.2008 und vom 11.5.2012 als unverständlich. In diesen werden die maßgeblichen Leitlinien skizziert und gerade auf die Frage des Erst- und Zweiterwerbs abgestellt.
2.8. Der Aufsatz von Wenzel, NZM 2008, 625 ff., auf den in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.5.2012, Az. V ZR 196/11 Bezug genommen wurde, befasst sich auf den S. 4 ff. mit der sich im Rahmen der zeitlichen Begrenzung stellenden Frage, wann eine Vorratshaltung durch den Bauträger in einen Eigenerwerb umschlägt und die anschließende Weiterveräußerung zu einem Zweiterwerb werden lässt. Eine solche Vorratshaltung ist hier bei einem Zeitablauf von 20 Jahren jedenfalls gegeben. Insoweit handelt es sich um eine durchaus speziell gelagerte Konstellation.
2.9. Unter Ziffer m) und o) wird ausgeführt, dass bei objektiver Betrachtung streitgegenständlich ein Ersterwerb schon deshalb vorliege, weil es dort unter dem Dach vorher keine Wohnungen gegeben habe. Unterteilung und Dachausbau sind unstreitig; der vorliegende Fall weist jedoch die Besonderheit auf. dass es sich um einen Erwerb in einer bereits vollständig in Vollzug gesetzten WEG handelt, bei dem der BGH die Anwendung der Grundsätze der werdenden WEG bzw. des werdenden Wohnungseigentümers stets abgelehnt hat.
2.10. Unter Ziffer n) moniert die Beklagte, dass die entscheidende Rechtsfrage – gibt es die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers auch dann, wenn der Verband der WEG schon seit Jahren existiert – zwar im Beschluss unter Ziffer 2.5. thematisiert, aber mit der abwegigen Überlegung abgelehnt werde, dass es neben der WEG D.str. 1-3/N.str. 25-27 keine daneben bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft in Gestalt der Erwerber der neu geschaffenen Einheiten Nr. 93 bis 99 geben dürfe; dies habe keine Partei behauptet oder so vorgetragen. Dies ist nicht zutreffend; vielmehr hat die Klagepartei in ihrer Berufungserwiderung auf S. 6 unten ausdrücklich ausgeführt, dass die vorhandene Gemeinschaft seit Jahrzehnten existiere; eine weitere teilrechtsfähige Gemeinschaft neben dieser existiere nicht und habe insbesondere auch nicht durch die weitere Aufteilung der Sondereigentumseinheit Nr. 92 zur Entstehung gelangen können. Diesen Gedanken hat die Kammer – ebenso wie das Amtsgericht auf S. 10 seines Endurteils – aufgegriffen.
2.11. Unter Ziffer p) und q) wird sodann zu Gewährleistungsfragen ausgeführt.
Es ist erneut darauf hinzuweisen, dass die vorverlagerte Anwendung der WEG-rechtlichen Vorschriften auf die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft insbesondere mit dem Demokratisierungsinteresse der Erwerber begründet wird. Die Bewirtschaftung der Anlage kann sinnvollerweise nicht allein dem Veräußerer überlassen bleiben; dies ist damit gemeint, wenn im Hinweisbeschluss die Formulierung von Dr. Reichert, ZWE 2017, 142 ff, aufgegriffen wird, wonach es gilt, „die Alleinherrschaft des teilenden Eigentümers zu brechen“. Hier ist die WEG jedoch seit Jahrzehnten demokratisiert. Es handelt sich hier nicht um ein schon vor Eigentumsumschreibung schützenswertes kollektives Gleichberechtigungs- und Mitverwaltungsinteresse, wie es der Wohnungseigentümergemeinschaft in der Gründungsphase immanent ist, sondern um ein rein persönliches bzw. individuelles der Erwerber. Eine Rechtslosstellung sieht die Kammer nicht. Soweit die Beklagte ausführt, die neuen Miteigentümer könnten keine Gewährleistungsansprüche am Gemeinschaftseigentum geltend machen, weil sie (angeblich) noch kein Gemeinschaftseigentum haben, ist schon der Ansatz nicht zutreffend. Gewährleistungsrechte sind keine Frage der dinglichen Rechtslage, sondern resultieren allein aus den schuldrechtlichen Verträgen; aus diesen haben die Erwerber Ansprüche auf mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentums.
2.11. Soweit unter Ziffer r) ausgeführt wird, das Gericht unterliege auf Seite 7 Mitte einem Irrtum mit dem Hinweis, die Beklagte wäre eine Ersterwerberin vom ursprünglichen Aufteiler von vor 20 Jahren, hat die Kammer gerade das Gegenteil ausgeführt. Es handelt sich um einen Erwerb von einem eingetragenen Eigentümer aus einer vollständig in Vollzug gesetzten WEG, Es liegt damit ein Zweiterwerb vor, bei dem es bei dem Grundsatz verbleibt, dass erst die Eintragung im Grundbuch dem Erwerber die Stellung als Miteigentümer mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten verschafft.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
3. Die Streitwertfestsetzung erfolgte nach dem bezifferten Zahlungsantrag; dabei handelt es sich um das klägerische Interesse, das nicht unterschritten werden darf, § 49 a GKG.


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