Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Mischnutzung einer Zweitwohnung

Aktenzeichen  4 BV 16.2343

Datum:
17.7.2018
Fundstelle:
NVwZ-RR – 2019, 162
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 105 Abs. 2a S. 1
KAG Art. 3

 

Leitsatz

1 Im Fall einer Mischnutzung, in dem eine Zweitwohnung teilweise selbst genutzt und teilweise vermietet wird, unterliegt der Wohnungsinhaber der Zweitwohnungsteuerpflicht, wenn er sich die Möglichkeit zur Selbstnutzung in rechtlich gesicherter Form vorbehalten hat; die bloße objektive Möglichkeit der Eigennutzung durch den Zweitwohnungsinhaber schließt die Annahme einer zweitwohnungsteuerfreien reinen Kapitalanlage dagegen nicht aus (ebenso BVerwG BeckRS 2001, 30208285). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Abgrenzung zwischen zweitwohnungsteuerfreier Kapitalanlage und zweitwohnungsteuerpflichtiger Vorhaltung der Wohnung (auch) für die persönliche Lebensführung bedarf es einer umfassenden Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls. Maßgeblich ist nicht die subjektive Zweckbestimmung des Wohnungsinhabers, sondern die unüberprüfbare innere Absicht muss auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender und nachprüfbarer Umstände beurteilt werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Abschluss eines Dauermietvertrags mit einer Vermietungsgesellschaft zur ganzjährigen Vermietung, in dem der Eigentümer die rechtliche und tatsächliche Verfügungsmacht über seine Wohnung vollständig an diese Gesellschaft abgibt und in dem kein Zeitraum zur ausschließlichen Nutzung durch den Eigentümer vertraglich festgelegt wird, spricht dafür, dass es sich bei der Wohnung um eine Kapitalanlage handelt. Die gleichzeitige vertragliche Vereinbarung einer Nutzungsmöglichkeit durch den Eigentümer steht der Einordnung als Kapitalanlage jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Nutzung unter den Bedingungen freier Kapazitäten und einer vierwöchigen Voranmeldung steht und ihm auch kein Recht zur Nutzung gerade der eigenen Wohnung eingeräumt wird. Hieran ändert auch die Bestimmung von Sonderkonditionen (Ermäßigung des Mietpreises) nichts. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 16.264 2016-10-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Über die Berufung kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
2. Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. Oktober 2016 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2015 zu Recht aufgehoben, weil er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Der Kläger war im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum nicht zweitwohnungsteuerpflichtig, weil er im Gemeindegebiet der Beklagten keine Zweitwohnung im Sinne von § 2 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer der Beklagten vom 8. Dezember 2004 (ZwStS) Innehatte. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Wohnung keine Zweitwohnung und damit kein tauglicher Steuergegenstand nach § 2 ZwStS ist.
a) Die Zweitwohnungsteuer ist als Aufwandsteuer im Sinn von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG eine Steuer, die auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhoben wird, welche in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (BVerfG, B.v. 6.12.1983 – 2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325/346; BVerwG, U.v. 10.10.1995 – 8 C 40.93 – BVerwGE 99, 303/305; BayVGH, U.v. 27.6.2013 – 4 B 13.592 – juris Rn. 16). In dem Innehaben einer weiteren Wohnung, die ihrem Zweck nach zur Nutzung als Zweitwohnung (neben einer Erstwohnung) bestimmt ist, liegt ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit belegt. Die Festlegung der Nutzung zur persönlichen Lebensführung kann nur derjenige treffen, der über eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Wohnung verfügen kann. Er muss entsprechend seinen Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst bestimmen können, ob, wann und wie er die Wohnung nutzt, ob und wann er sich selbst darin aufhalten will oder ob er sie anderen zur Verfügung stellt (BVerwG, U.v. 13.05.2009 – 6 C 8.08 – juris Rn. 16). Diese Entscheidungsfreiheit ist Kennzeichen einer Aufwandsteuer, die zudem nicht für Gegenstände erhoben werden kann, die nicht der Einkommensverwendung (dem privaten Aufwand), sondern allein der Einkommenserzielung dienen. Es ist daher maßgeblich darauf abzustellen, ob die Wohnung dem persönlichen Lebensbedarf dient oder als reine Geld- oder Vermögensanlage eingesetzt wird (BVerwG, U.v. 6.12.1996 – 8 C 49.95 – juris Rn. 13).
In den Fällen, in denen die Wohnung teilweise selbst genutzt und teilweise vermietet wird (sog. Mischnutzung), unterliegt der Wohnungsinhaber der Zweitwohnungsteuerpflicht, wenn er sich eine rechtlich gesicherte Möglichkeit zur Selbstnutzung vorbehalten hat; die bloße objektive Möglichkeit der Eigennutzung durch den Zweitwohnungsinhaber schließt die Annahme einer zweitwohnungsteuerfreien reinen Kapitalanlage nicht aus (BVerwG, U.v. 26.9.2001 – 9 C 1.01 – BVerwGE 115, 165/169 = juris Rn. 36). Auch steht der fehlende vertragliche Ausschluss einer objektiven Eigennutzungsmöglichkeit der Annahme einer reinen Kapitalanlage nicht entgegen (BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 6.13 – juris Rn. 13 m.w.N.). Hält sich der Inhaber die Möglichkeit zur Eigennutzung offen, kommt es für die Entstehung der Steuerpflicht nicht darauf an, ob die Wohnung im maßgeblichen Erhebungszeitraum auch tatsächlich zur persönlichen Lebensführung genutzt wurde (BVerwG, U.v. 10.10.1995 – 8 C 40.93 – BVerwGE 99, 303/307). Für die Abgrenzung zwischen zweitwohnungsteuerfreier Kapitalanlage und zweitwohnungsteuerpflichtiger Vorhaltung (auch) für die persönliche Lebensführung bedarf es einer umfassenden Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls. Denn maßgeblich ist nicht die subjektive Zweckbestimmung des Wohnungsinhabers, sondern die unüberprüfbare innere Absicht muss auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender und nachprüfbarer Umstände beurteilt werden (BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 5.13 – juris Rn. 12). Dem Wohnungsinhaber muss aber der Nachweis gestattet sein, dass seine Wohnung entgegen einer möglicherweise zunächst begründeten Vermutung nicht der persönlichen Lebensführung dient, sondern ausschließlich zur Kapitalanlage verwendet wird (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.1995 – 1 BvR 1800/94 – NVwZ 1996, 57/58; BVerwG, U.v. 10.10.1995, a.a.O.).
b) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nicht der Zweitwohnungsteuerpflicht unterliegt, weil er durch Abschluss des mit einer Vermietungsgesellschaft abgeschlossenen Dauermietvertrags objektiv nachgewiesen hat, dass das in einer Ferienwohnanlage liegende Appartement als Kapitalanlage dient und nicht zur persönlichen Lebensführung vorgehalten wird. Mit dem Nutzungsvertrag, der inhaltsgleich mit allen Eigentümern der Ferienwohnanlage abgeschlossen wurde und auf dessen inhaltliche Ausgestaltung der Kläger keinen Einfluss hatte, hat der Kläger die rechtliche Verfügungsmacht über seine Wohnung an die Vermietungsgesellschaft E. GmbH abgegeben, weil sämtliche Nutzungsrechte, die sich aus dem Sondereigentum, dem Wohnungseigentumsgesetz oder der Gemeinschaftsordnung ergeben, während der Vertragslaufzeit ausschließlich der E. GmbH als Mieterin übertragen wurden (§ 1 des Vertrags). Ein Zeitraum, in dem die Nutzung des Appartements ausschließlich dem Kläger zusteht, wurde vertraglich nicht festgelegt. Der Kläger hat sich somit für keinen Zeitraum eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit vorbehalten.
Die im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum in § 4b des Vertrags noch eingeräumte Eigennutzungsmöglichkeit steht der Einordnung der Wohnung als reine Kapitalanlage nicht entgegen. Zwar ist in § 4b des Vertrags festgehalten, dass eine persönliche Nutzung des Mietgegenstands durch den Vermieter grundsätzlich immer möglich ist. Jedoch steht die Eigennutzung unter dem Vorbehalt freier Kapazitäten und einer Voranmeldung von maximal vier Wochen. Selbst dann hat der Kläger keinen Anspruch darauf, seine eigene Wohnung zu nutzen; vielmehr kann er bei Belegung der eigenen Wohnung auch auf die Nutzung eines anderen Appartements in der Wohnanlage verwiesen werden. Dem Kläger ist durch diese Bestimmung weder von vornherein ein Eigennutzungsrecht für Teilzeiträume innerhalb eines Kalenderjahres vorbehalten worden, noch begründet diese Regelung für sich genommen ein Besitz- und Verfügungsrecht an der Wohnung. Sie ist lediglich eine (vor-)vertragliche Vereinbarung über den Abschluss eines Nutzungsvertrags, der dem Kläger – allerdings nur, sofern er die eigene Wohnung betrifft – die tatsächliche Verfügungsgewalt und die rechtliche Verfügungsbefugnis (wieder) verschaffen kann. Der Kläger besitzt daher keine rechtlich gesicherte Verfügungsmöglichkeit über seine Wohnung, sondern hat nur ein zeitlich und inhaltlich begrenztes Optionsrecht auf Nutzung eines – nicht zwingend seines eigenen – Appartements in der Ferienwohnanlage. Der Kläger steht daher hinsichtlich der Frage, ob bei ihm ein besonderer, die Besteuerung rechtfertigender Aufwand für eine Zweitwohnung vorliegt, nicht anders als Feriengäste, die eine Ferienwohnung mieten. Beide sind darauf angewiesen, dass ihnen die Nutzungsmöglichkeit an der Wohnung wegen fehlender anderweitiger Belegung auch tatsächlich eingeräumt wird. Die das Wesen einer Aufwandsteuer kennzeichnende Entscheidungsfreiheit, die sich in einer rechtlich gesicherten Nutzungsmöglichkeit der Wohnung zeigt, bei der frei und entsprechend eigener Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst bestimmt werden kann, ob, wann und wie die Wohnung genutzt wird, ist bei dieser Vertragsgestaltung gerade nicht gegeben. Auch die Tatsache, dass die Wohnung (nach vorheriger Anmeldung) nur bei kurzfristig freier Kapazität genutzt werden kann, so dass im Regelfall kein den Ertrag schmälernder Mietausfall eintritt und die Eigennutzung keine Auswirkungen auf die Mietzahlung hat (§ 4b Satz 5 des Vertrags), lässt erkennen, dass der Zweck des Innehabens der Wohnung auf eine Einkommenserzielung gerichtet ist.
Da ausschlaggebendes Kriterium für die rechtliche Bewertung des „Innehabens einer Zweitwohnung“ die Frage ist, ob sich der Inhaber der Wohnung die Möglichkeit zur Eigennutzung offengehalten hat und es hierfür – wie bereits ausgeführt wurde – auf die rechtliche und tatsächliche Verfügungsbefugnis über die Wohnung ankommt, ist für die Abgrenzung zwischen zweitwohnungsteuerpflichtiger Zweitwohnung und zweitwohnungsteuerfreier Kapitalanlage nicht entscheidend, ob dem Eigentümer im Fall einer tatsächlich erfolgenden Eigennutzung Sonderkonditionen eingeräumt werden. Eine solche Vertragsgestaltung mag im Einzelfall die Höhe des Kapitalertrags beeinflussen oder für die Entscheidung, sich um die Nutzung der Wohnung zu bewerben, eine Rolle spielen, hat aber keine Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis über die Wohnung. Gleiches gilt für die Möglichkeit, dass die Wohnung nicht nur selbst genutzt werden kann, sondern die Nutzung auch durch autorisierte Dritte erfolgen kann. Denn auch in diesem Fall ist für das Innehaben zur persönlichen Lebensführung im Sinn von § 2 der Zweitwohnungsteuersatzung erforderlich, dass der Eigentümer eine gesicherte tatsächliche und rechtliche Verfügungsbefugnis hat. Fehlt diese, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, wer die Wohnung dann im Einzelfall tatsächlich nutzt.
c) Im vorliegenden Fall bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die im Nutzungsvertrag aus dem Jahr 1999 gewählte Vertragsgestaltung gezielt den Zweck verfolgen würde, der Zweitwohnungsteuerpflicht zu entgehen. Einer solchen Umgehungsabsicht steht schon entgegen, dass der Nutzungsvertrag zu einem Zeitpunkt abgefasst und geschlossen wurde, als die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in Bayern nach dem damals gültigen Art. 3 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264) gesetzlich ausgeschlossen war. Die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer ist infolge der Änderung dieser Bestimmung durch Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juli 2004 (GVBl S. 272) erst seit 1. August 2004 zulässig. Die Beklagte hat durch Erlass der Zweitwohnungsteuersatzung vom 8. Dezember 2004 von diesem Recht ab dem 1. Januar 2005 Gebrauch gemacht. Auch die Tatsache, dass die Vertragsparteien im November 2015 nach Bekanntwerden der Absicht der Beklagten, die streitgegenständliche Wohnung zur Zweitwohnungsteuer heranzuziehen, die vertragliche Klausel zur Eigennutzung ab 1. Januar 2016 aufgehoben haben, lässt weder auf eine zuvor bestehende Eigennutzungsabsicht noch auf eine bewusste Ausnutzung rechtlicher Gestaltungsspielräume zur Umgehung einer Steuerpflicht schließen. Dieses Vorgehen belegt vielmehr, dass es dem Kläger gerade nicht auf die Eigennutzung seiner Wohnung ankam und er mit seinem Verhalten lediglich der veränderten rechtlichen Beurteilung durch die Beklagte klarstellend Rechnung trug. Die fehlende Eigennutzungsabsicht wird im Übrigen dadurch belegt, dass ausweislich der ab dem Jahr 2009 abgerufenen Daten aus dem Buchungssystem der E. GmbH, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgelegt worden sind, keine Buchungen oder Reservierungen unter dem Namen des Klägers erfolgt sind, dieser also die eigene Wohnung über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg nachweislich nicht angemietet hat.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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