Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags zur Wasserversorgungseinrichtung

Aktenzeichen  B 4 K 17.710

Datum:
27.2.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 39780
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 122
ZPO § 178
BayKAG Art. 5 Abs. 2a
BayKAG Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Die Gemeinde … ist zunächst richtiger Klagegegner nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, obwohl der streitige Bescheid von der Verwaltungsgemeinschaft … erlassen wurde. Da der Erlass des Beitragsbescheids eine laufende Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Beklagten war und auf deren Weisung erfolgte, war die Klage gegen die Gemeinde selbst zu richten gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat Bayern (VGemO).
b) Der Bescheid wurde der Klägerin spätestens am 22. Dezember 2016 wirksam bekanntgegeben.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) Kommunalabgabengesetz (KAG) i.V.m. § 122 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird.
aa) Mangels einer einschlägigen spezialgesetzlichen Regelung bestimmt die Behörde die Bekanntgabeform nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei die Beklagte die Bekanntgabe durch persönliche Übergabe gewählt hat. Die Erfüllung der Bekanntgabevoraussetzungen richtete sich dabei insbesondere nicht nach Art. 5 BayVwZVG, da dies gesetzlich nicht vorgesehen war, seitens der Beklagten bei der Zustellung kein Empfangsbekenntnis verwendet wurde und auch aus den übrigen Umständen, speziell der Behördenakte, nichts dafür ersichtlich ist, dass eine förmliche Zustellung beabsichtigt war. Dies wurde vom 1. Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überdies bestätigt.
bb) Abgesehen von den Formvorschriften der Bekanntgabe setzt diese im Weiteren den wirksamen Zugang des Verwaltungsakts beim Empfänger voraus, vgl. § 122 Abs. 2 AO. Zur Ermittlung des Zugangszeitpunkts ist dabei nach allgemeiner Meinung auch im öffentlichen Recht auf die Grundsätze des Bürgerlichen Rechts über das Wirksamwerden von Willenserklärungen zurückzugreifen (vgl. BeckOK VwVfG/Tiedemann, Stand: 1.4.2019, § 41, Rn. 8; Kopp/Ramsauer VwVfG, 16. Auflage, § 41, Rn. 13; BeckOK AO/Füssenich, Stand: 1.4.2019, § 122, Rn. 46; Klein AO/Ratschow, 14. Auflage 2018, § 122, Rn. 1). Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB analog wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die in Abwesenheit des Erklärungsempfängers abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm zugeht. Der Zugang ist dann erfolgt, wenn der Verwaltungsakt so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit besitzt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (BGH, U.v. 3.11.1976 – VIII ZR 140/75; BVerwG, B.v. 22.2.1994 – 4 B 212.93). Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es hingegen nicht an (Huck/Müller VwVfG/Müller, 2. Auflage, § 41, Rn. 8). Die Kundgabe gegenüber einem Empfangsboten ist als Bekanntgabe unter Abwesenden zu behandeln. Eine Erklärung, die ein Empfangsbote entgegennimmt, geht dem Adressaten in dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressaten zu erwarten war (BVerwG, U.v. 31.5.2012 – 3 C 12/11 – Rn. 18). Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt wurde oder wer nach der Verkehrsanschauung dazu als bestellt anzusehen ist. Dazu zählen nach der bayerischen Rechtsprechung bei schriftlichen Erklärungen zumindest alle Personen, die auch von § 178 ZPO erfasst werden (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2008 – 11 C 08.274 – Rn.12).
Daran gemessen wurde die Schwiegermutter der Klägerin, die den Verwaltungsakt als empfangsbedürftige Willenserklärung entgegennahm, nach der Verkehrsanschauung als Empfangsbotin derselben tätig. Nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge war damit zu rechnen, dass sie den Bescheid spätestens am nächsten Tag an die Klägerin weiterleiten würde. Zwar wohnte die Schwiegermutter den Angaben der Klägerin zufolge nicht in der gleichen Wohnung, sodass sie wohl nicht unter den Personenkreis des § 178 ZPO zu fassen ist. Für die Stellung als Empfangsbotin reicht es nach der Verkehrsanschauung jedoch bereits aus, wenn diese eine nur im gleichen Anwesen befindliche Wohnung oder ein sonstiges soziales Näheverhältnis zur Adressatin innehat (BayVGH, B.v. 17.3.2008 – 11 C 08.274 – Rn.13; OLG Köln, B.v. 18.1.2006 – 22 U 164/05). Aufgrund der sowohl engen räumlichen Beziehung als auch des verwandtschaftlichen Verhältnisses verkörpert die Schwiegermutter nach außen hin die Stellung einer Empfangsbotin. Neben der Schwägerschaft als enges soziales Band sprechen dafür vor allem die konkreten Wohnverhältnisse. Während sich die – wenn auch abgetrennte – Wohnung der Schwiegermutter im Erdgeschoss befindet, liegen sowohl die Wohnung der Klägerin und ihres Mannes (Obergeschoss) als auch das Büro des Mannes (Erdgeschoss neben der Wohnung der Schwiegermutter) im gleichen Wohnhaus. Dem 1. Bürgermeister der Beklagten als Erklärenden waren diese Umstände im Übrigen bekannt, sodass er von der Botenstellung der Schwiegermutter ausgehen konnte.
Für den Zeitpunkt des Zugangs ist der regelmäßige Verlauf der Weiterleitung entscheidend, also der Zeitablauf, den der Empfangsbote für die Übermittlungstätigkeit normalerweise benötigt. Dieser Zeitraum kann sich ggf. sogar auf Null reduzieren, wenn der Empfangsbote die Erklärung im räumlichen Machtbereich des Adressaten, beispielsweise in dessen Wohnung, entgegennimmt, der Fall also ähnlich liegt, wie wenn die Erklärung in den Briefkasten des Adressaten eingeworfen oder unter der Tür der Wohnung durchgeschoben wird. Andernfalls muss die Zeitspanne berücksichtigt werden, die der Bote bei sachgerechter Ausübung seiner Botenfunktion normalerweise benötigen würde, um die Erklärung dem Adressaten tatsächlich zu übermitteln (vgl. BGH, U.v. 15.3.1989 – VIII ZR 303/87).
Damit war für den 1. Bürgermeister der Beklagten im vorliegenden Fall von der Weiterleitung des Bescheids unter normalen Umständen spätestens am nächsten Werktag auszugehen. Nachdem er den Bescheid am 21. Dezember 2016 an die Schwiegermutter übergab, konnte er damit rechnen, dass diese den Brief entweder am gleichen Tag, jedenfalls aber spätestens am nächsten Tag an die Klägerin übergeben werde. Ein Empfangsbote, der im gleichen Haus wohnt sowie in einem auf Verwandtschaft gegründeten Näheverhältnis zum Zustellungsadressaten steht, händigt einen übergebenen Brief in aller Regel noch am gleichen Tag aus (BayVGH, B.v. 17.3.2008 – 11 C 08.274 – Rn.14), jedenfalls spätestens am nächsten Tag. Vor dem Hintergrund, dass der Brief von der Beklagten stammte und vom Bürgermeister persönlich übergeben wurde, drängte sich der Schwiegermutter die Wichtigkeit der Zuleitung geradezu auf. Da unter normalen Verhältnissen mit der Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch die Klägerin spätestens am 22. Dezember 2016 zu rechnen war, sind die außergewöhnlichen Umstände, die aufgrund der Erkrankungen des Vaters der Klägerin sowie ihres Schwiegervaters vorlagen, für die Frage des Zustellungszeitpunkts ohne Belang. Die verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden geht dem Empfänger auch dann an dem Tag zu, an dem bei gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist, wenn er durch Krankheit, Urlaub, Haft oder – wie hier – durch sonstige Abwesenheit aufgrund der Krankenbesuche daran gehindert ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Die Herbeiführung des Zugangs muss zum Schutz des Erklärenden, der von diesen Umständen oftmals keine Kenntnis haben wird, weiterhin möglich sein.
cc) Dem wirksamen Zugang steht auch nicht entgegen, dass die Schwiegermutter der Klägerin – gemäß dem Vorbringen der Klägerseite – die Entgegennahme des Bescheids zunächst ablehnte. Ungeachtet der gegensätzlichen Ausführungen der Beteiligten zur Übergabe des Bescheids und ohne Beachtung der Beweislastverteilung zu diesem Vorgang handelte die Schwiegermutter auch bei Wahrunterstellung der Angaben der Klägerseite als wirksame Empfangsbotin. Durch die letztlich erfolgte Entgegennahme und das Behalten des Briefes hat die Schwiegermutter nach außen hin ihre Bereitschaft zur Weiterleitung kenntlich gemacht.
Lehnt der Empfänger grundlos die Annahme einer Willenserklärung ab, so muss er sich nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB jedenfalls dann so behandeln lassen, als sei das Schreiben im Zeitpunkt der Ablehnung zugegangen, wenn er mit rechtserheblichen Mitteilungen rechnen muss. Verhindert hingegen ein nur als Empfangsbote in Betracht kommender Dritter durch Annahmeverweigerung den Zugang der Willenserklärung, so kann dies dem Adressaten nicht zugerechnet werden, wenn er hierauf keinen Einfluss hat. Er muss die Erklärung in diesem Fall nur dann als zugegangen gegen sich gelten lassen, wenn der Dritte im Einvernehmen mit ihm bewusst die Entgegennahme verweigert und damit den Zugang vereitelt hat (BAG, U.v. 11.11.1992 – 2 AZR 328/92).
Auf den Sachverhalt übertragen ist für eine vorangegangene Absprache mit der Klägerin zunächst nichts ersichtlich, sodass dies als typisches Übermittlungsrisiko zu Lasten des Erklärenden, folglich der Beklagten ginge. Allerdings stellt das von der Klägerseite geschilderte Verhalten der Schwiegermutter keine Zugangsverhinderung dar. Selbst wenn sie dem Bürgermeister gegenüber – was von diesem bestritten wird – zunächst geäußert habe, dass sie den Brief nicht annehmen wolle, hat sie mit ihrem weiteren Verhalten letztlich der Beklagten gegenüber zum Ausdruck gebracht, den Brief schließlich doch weiterleiten zu wollen. Den klägerischen Sachverhaltsablauf unterstellt, hat sie den Brief, nachdem er ihr zugesteckt worden ist, kommentarlos behalten und vor allem keinen Versuch unternommen, diesen wieder an den Bürgermeister bzw. die Beklagte zurückzugeben, beispielsweise durch den Hinweis an den Bürgermeister, den Bescheid wieder mitzunehmen oder durch eine postalische Rücksendung des Bescheids an die Beklagte. Dies war die Vorgehensweise einer vergleichbaren Empfangsbotin in einem Fall, in dem das Bundesarbeitsgericht die Voraussetzungen einer Annahmeverweigerung für einschlägig hielt (BAG, U.v. 11.11.1992 – 2 AZR 328/92). Die hier durch die Schwiegermutter erfolgte Entgegennahme und Mitnahme des Briefes in ihre Wohnung, wo sie denselben dann angeblich vergessen habe, lassen keinen Schluss auf eine fehlende Übermittlungsbereitschaft zu. Auch die – angeblich mit deutlicher zeitlicher Verzögerung – erfolgte tatsächliche Weitergabe des Bescheids deutet auf den Willen zur Weiterleitung hin. Dass die Weiterleitung dann nach den Angaben der Klägerseite erst im neuen Jahr erfolgte, ist für die grundsätzliche Bereitschaft ohne Belang.
c) Der Bescheid begegnet im Übrigen auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen Bedenken.
Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Herstellungsbeitrag sind Art. 5 Abs. 1, Abs. 2a KAG i.V.m. der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS-WAS) der Beklagten vom 17. Oktober 2006 i.d.F. der fünften Änderungssatzung vom 12. September 2012.
aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung oder Verbesserung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch die öffentlich-rechtlich betriebenen Wasserversorgungseinrichtungen. Ändern sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich und erhöht sich dadurch der Vorteil, so entsteht grundsätzlich ein zusätzlicher Betrag, Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte durch den Erlass der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS-WAS) vom 17. Oktober 2006 i.d.F. der fünften Änderungssatzung vom 12. September 2012 Gebrauch gemacht. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die hier einschlägige Nacherhebung des Herstellungsbeitrages für das klägerische Grundstück ist speziell in § 2 Satz 1 und 2, § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BGS-WAS geregelt. § 2 Satz 1 BGS-WAS legt fest, dass ein Beitrag für bebaute, bebaubare oder gewerblich genutzte oder gewerblich nutzbare Grundstücke erhoben wird, wenn für sie nach § 4 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungsanlage der Gemeinde … (Wasserabgabesatzung – WAS) vom 10. Februar 1982 i.d.F. der dritten Änderungssatzung vom 2. Juni 2010 ein Recht zum Anschluss an die Wasserversorgungsanlage besteht. Nach Satz 2 der Norm wird ein Beitrag auch für Grundstücke erhoben, die an die Wasserversorgungsanlage tatsächlich angeschlossen sind oder die auf Grund einer Sondervereinbarung nach § 8 WAS an die Wasserversorgungsanlage angeschlossen werden. Nach § 3 Abs. 2 BGS-WAS der Beklagten entsteht die Beitragsschuld mit dem Abschluss der Maßnahme, durch die eine Veränderung der Fläche oder der Bebauung des Grundstückes vorgenommen wird, die beitragsrechtliche Auswirkungen hat. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS-WAS wird der Beitrag nach der Grundstücksfläche und der zulässigen Geschossfläche berechnet. Wird ein Grundstück vergrößert und wurden für diese Flächen noch keine Beiträge geleistet, so entsteht die Beitragspflicht auch hierfür.
bb) Daran gemessen wurde der Herstellungsbeitrag für das streitgegenständliche Grundstück zu Recht nacherhoben, da aufgrund des Erlasses des Änderungsbebauungsplans mit der darin enthaltenen Ausweisung des Sondergebiets „Biogasanlage“ ein zusätzlicher Vorteil entstanden ist.
Zunächst ist für das klägerische Grundstück ein Beitrag zu erheben, da dieses tatsächlich an die Wasserversorgungsanlage angeschlossen ist und nunmehr infolge der Überplanung ganzflächig bebaubar bzw. gewerblich nutzbar ist. Die Beitragsschuld entstand am 4. Juni 2012 durch das Inkrafttreten des Änderungsbebauungsplans, das den Abschluss der Maßnahme darstellte. Den Maßstab, nach dem sich die nachzuerhebende Fläche bemisst, gibt § 5 Abs. 5 BGS-WAS vor. Dieser sieht für die Bemessung der Nacherhebung den Grundfall der Flächenvergrößerung durch den Hinzuerwerb einer Grundstücksfläche vor. Die hier gegebene Konstellation der nachträglichen Überplanung eines Außenbereichsgrundstücks stellt hingegen einen Sonderfall dar. Durch die spätere Überplanung eines im Außenbereich belegenen Grundstücks, das bislang mit einer hinter der Größe des Buchgrundstücks zurückbleibenden Umgriffsfläche herangezogen worden ist, liegt ebenfalls eine Mehrung der bebaubaren Flächen vor, sofern die überplante Fläche die bislang herangezogene Fläche übersteigt (Thimet, Kommunalabgabenrecht Bayern, 90. Akt., Januar 2019, Abschnitt IV, Art. 5, Abschnitt A, Frage 17. Nr. 7.1). Der Erlass des Änderungsbebauungsplans stellt eine Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände dar, die für die Klägerin eine Erhöhung des Vorteils bedeutet, der aus der Bebaubarkeit sowie gewerblichen Nutzbarkeit des gesamten Grundstücks resultiert. Die bislang im Außenbereich und nur aufgrund der landwirtschaftlichen Privilegierung bebaubare Grundstücksfläche ist infolge der Überplanung nun auch unabhängig von den Privilegierungsvoraussetzungen als ausgewiesenes Sondergebiet „Biogasanlage“ vollständig bebaubar. Da sich damit auch in diesem Spezialfall eine Erhöhung des Vorteils durch die rechtliche Erweiterung der bebaubaren Fläche ergibt, ist dies dem Regelfall der Nacherhebung durch den Hinzuerwerb einer Grundstücksfläche als tatsächliche Erweiterung gleichzustellen. Nachdem bislang auch nur eine Grundstücksumgriffsfläche in Höhe von 2.500 m² veranlagt wurde, war die Flächendifferenz zur gesamten überplanten Grundstücksfläche nachzuerheben. Eine Flächenbegrenzung, wie sie von der Klägerseite geltend gemacht wurde, ist im überplanten Bereich nicht vorgesehen. Auch hält sich § 5 Abs. 5 BGS-WAS in den von Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG festgesetzten Grenzen der Nacherhebung. Der Anwendungsbereich der Satzung ist vielmehr deutlich enger gefasst als die gesetzliche Norm, sodass die Regelung ebenfalls keinen Bedenken begegnet.
cc) Dem steht auch die zwischen den Beteiligten geschlossene Sondervereinbarung (SV) vom 9. August 2001 i.d.F. der Ergänzungsvereinbarung vom 15. Juli 2004 nicht entgegen.
Nach § 7 Abs. 1 SV wird das Grundstück Fl.-Nr. 564 mit dem tatsächlichen Anschluss an die öffentliche Versorgungsanlage beitragspflichtig. Nach Satz 2 der Regelung wird als beitragspflichtige Grundstücksfläche eine Fläche von 1.000 m² herangezogen. Satz 3 regelt, dass als fiktive Geschossfläche gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 BGS-WAS eine Fläche von 250 m² zugrunde gelegt wird. § 7 Abs. 2 SV sieht vor, dass der auf die Geschossfläche entfallende Wasserbeitrag solange zinslos gestundet wird, bis auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet wird, welches einen Bedarf nach Wasserversorgung auslöst oder welches einen tatsächlichen Wasseranschluss hat. In diesem Fall wird nach § 7 Abs. 2 Satz 2 SV der Beitrag für die Grundstücks- und Geschossfläche gemäß § 5 Abs. 5 und Abs. 6 BGS-WAS neu ermittelt. Nach § 8 SV gelten im Übrigen für die gegenseitigen Rechte und Pflichten, soweit in der Sondervereinbarung nichts anderes festgelegt ist, die Bestimmungen der WAS vom 10. Februar 1982 und der BGS-WAS vom 16. September 1976 in der jeweils geltenden Fassung.
Demnach entsprach die bisherige Veranlagung zu einem Herstellungsbeitrag den Regelungen der Sondervereinbarung, indem die Grundstückseigentümer mit Bescheid vom 14. August 2003 zu einem Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgung – entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 2 SV – mit einer reduzierten Grundstücksfläche von 1.000 m² sowie einer fiktiven Geschossfläche von 250 m² herangezogen wurden. Die Nachveranlagung der Grundstücksfläche in Höhe von 1.500 m² und der tatsächlichen Geschossfläche von 81,76 m² mit Bescheid vom 10. November 2005 erfolgte auf Grundlage von § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 SV, da die Eigentümer in der Zwischenzeit ein Blockheizkraftwerk auf dem Grundstück errichtet hatten, das einen tatsächlichen Wasseranschluss hat. Den nunmehr vorliegenden Fall der nachträglichen Überplanung der klägerischen Grundstücksfläche sieht die Regelung in § 7 SV hingegen nicht vor. Mangels einer anderweitigen einschlägigen Regelung in der Sondervereinbarung ist daher – entgegen der Klägeransicht – auf die Verweisung des § 8 SV zurückzugreifen, sodass sich die streitige Nacherhebung nach den allgemeinen Satzungsvorschriften der Beklagten und damit nach § 5 Abs. 5 BGS-WAS bestimmt.
Zwar verweist § 8 SV auf die BGS-WAS vom 16. September 1976, die durch die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung der Beklagten vom 17. Oktober 2006 außer Kraft trat und somit keine rechtliche Wirkung mehr entfaltet. Bei der Sondervereinbarung handelt es sich seiner Rechtsnatur nach aufgrund der darin geregelten Inhalte (Gestattung des Grundstücksanschlusses an die gemeindliche Wasserversorgung; Kosten der Unterhaltung des Anschlusses; von den Eigentümern zu zahlende Herstellungsbeiträge) allerdings um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nach Art. 54 ff. BayVwVfG. Bei diesem gelten nach Art. 62 Satz 2 BayVwVfG ergänzend die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Demnach ist der Rechtsgedanke aus §§ 133, 157 BGB analog heranzuziehen, wonach der Wille der Parteien für die Auslegung des Vertrages maßgeblich ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Sondervereinbarung nicht den Fall bedacht haben, dass die damals gültige Satzung außer Kraft tritt oder nichtig ist. Zur Vermeidung dieser Regelungslücke in der Sondervereinbarung ist diese daher „unter Berücksichtigung des Regelungsplans der Parteien nach Treu und Glauben“ (Palandt, BGB/Ellenberger, 76. Auflage, § 157, Rn. 2) ergänzend dahingehend auszulegen, dass die Parteien in § 8 SV auf die jeweils wirksame Satzung der Beklagten verweisen wollten. Insbesondere aus dem Umstand, dass sich die Klägerseite nach wie vor auf die Regelungen der Sondervereinbarung beruft, kann geschlossen werden, dass darin die Rechte und Pflichten des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgung zwischen den Parteien dauerhaft und unabhängig von Veränderungen im Satzungsrecht der Beklagten geregelt werden sollten. Für diese Auslegung spricht überdies, dass § 11 SV vorsieht, dass sich die Vertragsteile dazu verpflichten, eine unwirksame Bestimmung durch eine ihrem Sinne entsprechende Gültige zu ersetzen. Genau dieser Absicht kann durch die hier vorgenommene ergänzende Auslegung entsprochen werden. Folglich war für die streitgegenständliche Nachveranlagung auf die wirksame BGS-WAS vom 17. Oktober 2006 i.d.F. der fünften Änderungssatzung vom 12. September 2012 abzustellen.
dd) Schließlich ist auch der tatsächliche Verbrauch auf dem Grundstück für die Nacherhebung ohne Bedeutung. Es kommt nicht auf den Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme der Anlage an; entscheidend für die Beitragserhebung ist allein der Vorteil, der sich aus der Nutzungsmöglichkeit für den Grundstückseigentümer ergibt (PdK Bayern, Bayerisches Kommunalgabengesetz/Seemüller, Bay E-4a, KAG Art. 5 2. 2.1, 2. Fssg, 2019).
Somit war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 ZPO.
3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr.3 und Nr.4 VwGO liegen nicht vor.


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