Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Nichtiges Stimmrecht bei Änderung der Vorgaben in der Teilungserklärung

Aktenzeichen  482 C 11785/17 WEG

Datum:
21.2.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28018
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 25 Abs. 2 S. 1, § 43 Nr. 4, § 62 Abs. 1

 

Leitsatz

Ist eine Regelung in der Teilungserklärung in Bezug auf die Stimmrechte unklar, stellt die Festlegung bei der Abstimmung auf einen Abstimmungsmodus eine Abänderung der Teilungserklärung auf Dauer dar und ist per se nichtig. Bei Zweifeln ist auf die gesetzliche Regelung des Kopfstimmrechts zurückzugreifen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass folgende Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 16.05.2017 nichtig sind:
– TOP 1. a) „Die Bewirtschaftungskosten-Abrechnung per 31.12.2016 wird hiermit genehmigt (Gesamt- und Einzelabrechnungen).“
– TOP 1. b) „Beirat und Verwalter werden aus ihrer Tätigkeit im Wirtschaftsjahr 2016 entlastet.“
– TOP 2. „Der für das Rechnungsjahr 2018 vorgelegte Wirtschaftsplan (Gesamt- und Einzelwirtschaftsplan) wird samt der darin vorgesehenen Umlageschlüssel für die einzelnen Kostenarten angenommen.“
– TOP 3. „Zu Lasten der Rücklagen werden auf Basis des Angebots der Firma … sämtliche zugänglichen Absperr- und Regulierventile, darüber hinaus die Hauswasserstationen und die Wasseraufbereitung von Haus 54 erneuert. Kostenobergrenze € 15.000,00, bei Zustimmung der Beiräte maximal € 20.000,00 pro Haus.“
– TOP 4. „Zum nächstmöglichen Zeitpunkt wird im Haus 54 eine neue Koaxial-Verkabelung mit je einem Übergabepunkt pro Wohnung auf Basis des Angebots der Firma … vom 04.05.2017 installiert.“
– TOP 5. „Die Beschlüsse 7 a und b aus 2016 werden aufgehoben, jeder Eigentümer installiert die Rauchwarnmelder in seiner Wohnung eigenverantwortlich gemäß bayerischer Bauordnung.“
– TOP 6. „Auf Basis des Angebots der Firma … vom 16.05.2017 werden die Lampen im Treppenhaus auf eine Steuerung über Bewegungsmelder umgebaut.“
– TOP 7. „Die Beschlüsse Nr. 5 und 6 vom 24.05.2016 werden aufgehoben.“
– TOP 8. „Zur Klärung der Möglichkeit der Aufgabe der Dienstbarkeit zur Nutzung des Schwimmbades des Hauses 54 a/56 soll auf Basis der Stellungnahme von Rechtsanwalt … vom 24.03.2014 die Thematik nochmals rechtlich geprüft werden.“
– TOP 9. „Die Wohnungseigentümergemeinschaft möge beschließen eine auf die Besonderheiten der Anlage eingehende Hausordnung aufzustellen.“
II. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 59.946,25 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig gemäß § 23 Nr. 2 c GVG und §§ 43 Nr. 4, 62 Abs. 1 WEG.
Die zulässige Klage ist auch vollumfänglich begründet. Die streitgegenständlichen Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 16.05.2017 sind nichtig.
Die angeführten Regelungen in der Teilungserklärung bezüglich der Stimmrechte lassen in Bezug auf die Stimmrechte der Tiefgaragenstellplatzeigentümer Zweifel offen, wie hier abgestimmt werden soll. Eine Möglichkeit wäre die von den Beklagten favorisierte Abstimmung nach Miteigentumsanteilen. Die Festlegung auf diesen Abstimmungsmodus würde jedoch eine Abänderung der Teilungserklärung auf Dauer darstellen und ist per se nichtig. Die Eigentümer haben insoweit keine Beschlusskompetenz zur Abänderung der Teilungserklärung. Dies kann nur im Wege einer Vereinbarung geschehen. Abweichungen von der gesetzlichen Regelung sind grundsätzlich eng auszulegen. Die von den Beklagten vorgenommene ergänzende Auslegung stellt jedoch ein aliud zu der Regelung in der Teilungserklärung dar. Es handelt sich hier nicht um eine enge Auslegung, sondern eher um eine weitestmögliche und damit nicht zulässige Auslegung. Bei Zweifeln, die hier gegeben sind, ist auf die gesetzliche Regelung zurückzugreifen, wonach die Tiefgarageneigentümer nach dem Kopfprinzip abstimmen.
Es ist nicht entscheidungserheblich, ob die Auszählung der Stimmen bei Gegenüberstellung der beiden Prinzipien keinen Unterschied aufweisen. Auch auf eine Kausalität im Hinblick auf die Abstimmung kommt es nicht an, da hier die Nichtigkeit dieser Abänderung auf Dauer auf alle Beschlussfassungen durchschlägt.
Es war daher, wie beantragt, zu entscheiden.
Als Unterlegene tragen die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits, § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet auf § 709 S. 1 u. 2 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 49 a Abs. 1 S. 1 GKG festgesetzt. Hinsichtlich der Einzelstreitwerte wird auf die vorläufig Streitwertfestsetzung vom 21.06.2017 (Bl. 4 d.A.) Bezug genommen.


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