Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ordnungsgemäße Widerrufsinformation – keine Beeinträchtigung durch unrichtige Zusätze

Aktenzeichen  19 U 5797/19

Datum:
24.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24326
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 267
ZPO § 148

 

Leitsatz

Die Deutlichkeit einer Widerrufsinformation und damit deren Klarheit und Verständlichkeit wird nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (Rn. 15). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

29 O 10205/19 2019-09-05 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.09.2019, Aktenzeichen 29 O 10205/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.837,68 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre vermeintlichen Ansprüche auf Rückabwicklung eines Darlehensvertrages mit der Beklagten vom 10.02.2016 über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von EUR 28.837,68 zuzüglich einer Anzahlung i. H. v. EUR 3.000,00, abgeschlossen zur Finanzierung des Kaufes eines Fahrzeuges der Marke BMW, Typ 525 d, weiter, den sie mit Schreiben vom 12.11.2018 widerrufen hat. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 05.09.2019, Aktenzeichen 29 O 10205/19, Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO). Das Landgericht München I hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung.
Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts (Az. 29 O 10205/19) wird wie folgt erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nummer …44 über nominal 28.837,68 € ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 12.11.2018 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei und Herrn M. …, … K. als Gesamtgläubiger 18.678,45 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeugs BMW 525D mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …72 nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 2 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 749,34 € freizustellen.
Weiterhin beantragt die Klägerin, die Hilfswiderklage der Beklagten insgesamt abzuweisen und rein vorsorglich, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 29.01.2020 (Bl. 308 / 316 d.A.) wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Mit Schriftsatz vom 21.02.2020 (Bl. 317 / 324 d.A.) nahm die Klägerin dazu Stellung. Darauf wird jeweils Bezug genommen Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.09.2019, Aktenzeichen 29 O 10205/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat hält das angefochtene Urteil für offensichtlich zutreffend und nimmt darauf Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweis vom 29.01.2020. Auch der weitere Schriftsatz der Klägerin vom 21.02.2020 gab keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.
1. Eine Aussetzung des Berufungsverfahrens gemäß Art. 148 ZPO und Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst. Dies gilt auch, soweit das LG Ravensburg, Beschluss vom 07.01.2020 – 2 O 315/19 oder Urteil vom 19.11.2015 – 2 O 223/15, das LG Saarbrücken, Beschluss vom 17.01.2019 – 1 O 164/18 und vom 27.02.2019 – 1 O 176/18 oder auch das LG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2020 – 13 O 1/19 verschiedene Fragen dem EuGH vorgelegt haben.
Die Auslegung des Unionsrechts ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Damit besteht schon deshalb kein Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV und eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO.
Dies sieht auch der Bundesgerichtshof, dem sich der Senat anschließt, ebenso:
(a) So hat der Bundesgerichtshof explizit unter Bezugnahme auf den zitierten Vorlagebeschluss des LG Saarbrücken der von der Klägerin geforderten Vorlage eine deutliche Absage erteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18; BGH, Beschluss vom 02.04.2019 – XI ZR 488/17), der sich der Senat anschließt:
„Zum anderen ergibt der Wortlaut des Artikel 10 Absatz 2 lit. p der RL 2008/48/EG offenkundig und ohne dass für vernünftige Zweifel Raum bliebe, dass in der Widerrufsinformation bei der Umschreibung der Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht sämtliche Informationen iSd Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 lit. b der RL 2008/48/EG aufgelistet sein müssen (…). Dem entspricht, dass die Studie der Generaldirektion Interne Politikbereiche, Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik (Implementation of the Consumer Credit Directive, PE 475.083, 2012, S. 33 f. und S. 36 f.) die deutschen Regelungen zur Umsetzung der RL 2008/48/EG und den Verweis auf eine gesetzliche Vorschrift zwecks Umschreibung der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht als der Richtlinie widersprechend beanstandet hat (…). Schließlich ist das deutsche Gesetz und der Wille des deutschen Gesetzgebers derart eindeutig, dass eine entgegenstehende richtlinienkonforme Auslegung ausscheidet“ (vgl. BGH, Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18 m.w.N.).
(b) Für eine Vorlage an den EuGH sah der BGH in den Verfahren XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19, in denen er sich mit den zu erteilenden Pflichtinformationen zur außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrages, zum Verzugszins und zur Vorfälligkeitsentschädigung befasste, keinen Anlass.
(c) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Deutlichkeit einer Widerrufsinformation und damit deren Klarheit und Verständlichkeit nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 17.9.2019 – XI ZR 662/18).
2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Es liegt weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 522 Abs. Nr. 2 und 3 ZPO).
(a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 12).
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage im Übrigen nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 12; Beschluss vom 22. September 2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN).
Dies ist vorliegend nicht der Fall, zumal mit den Urteilen des BGH vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19 bereits höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen.
Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 14; Beschluss vom 22. September 2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 5).
(b) Die Revision ist nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen.
Das wäre dann der Fall, wenn in der Entscheidung des Berufungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt würde, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 10; Beschluss vom 29. Mai 2002 – V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45; Beschluss vom 1. Oktober 2002 – XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 186; Beschluss vom 27. März 2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 293 mwN; Beschluss vom 9. Juli 2007 – II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074 Rn. 2).
Eine solche Abweichung ist nicht ersichtlich und wird von der Berufung auch nicht vorgetragen. Der Senat weicht – wie aufgezeigt – in seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab. Divergenzen zu oberlandesgerichtlichen Endentscheidungen sind nicht bekannt und werden auch von der Berufung nicht dargelegt.
(c) Die Fortbildung des Rechts erfordert ebenfalls keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 15; Beschluss vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225). Dies ist nach Ansicht des Senats und – soweit bekannt – erkennbar auch der überwiegenden Mehrheit der Oberlandesgerichte nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO bestimmt, wobei Nettodarlehensbetrag und Anzahlung zu Grunde gelegt wurden.


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