Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Revision, Berufung, Zulassung, Streitwertfestsetzung, Zustimmung, Vermieter, Klage, Wohnraummiete, Vergleich, Kostenentscheidung, Form, Voraussetzungen, Beweis, Protokoll, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  7 S 5871/19

Datum:
4.6.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57586
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

16 C 2248/19 2020-08-14 Urt AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 14.8.2020, Az. 16 C 2248/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Nürnberg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung in beiden Fällen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird insoweit zugelassen, als sie die Frage betrifft, ob die Teilrücknahme eines Mieterhöhungsverlangens in der Klage ein neues Mieterhöhungsverlangen darstellt.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 547,44 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Urteil vom 14.8.2019, Az. 16 C 2248/19, hat das Amtsgericht Nürnberg der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung zum 1.1.2019 von 490,69 Euro auf 536,31 Euro stattgegeben. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Bl. 42 ff. d.A.).
Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten, die ihr ursprüngliches Ziel – Klageabweisung – auch in der Berufungsinstanz weiterverfolgen. Die Beklagten sind insbesondere der Auffassung, dass das in der Klage reduzierte Mieterhöhungsverlangen ein neues Mieterhöhungsverlangen darstelle, das sämtliche formelle Voraussetzungen zu erfüllen habe. Da dies nicht der Fall sei, liege kein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen vor.
Der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das überhöhte Mieterhöhungsverlangen mit Schreiben vom 10.10.2018 sei wirksam.
Die Kammer hat keinen Beweis erhoben. Auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 5.5.2020 wird Bezug genommen. Beide Parteien haben die Zulassung der Revision beantragt.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1. Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 10.10.2018 zum 1.1.2019 war formell wirksam. Von der Berufung wird in diesem Zusammenhang im Wesentlichen gerügt, dass der Vermieter das ursprüngliche Mieterhöhungsverlangen in der Klage nicht einseitig ermäßigen dürfe. Dies stelle vielmehr ein neues Angebot dar, mit der Folge, dass die Zustimmungs- und Überlegungsfristen neu anlaufen würden.
Nach herrschender Ansicht ist jedoch eine einseitige Ermäßigung des im Erhöhungsverlangen genannten Betrages durch den Vermieter auch in der Klage zulässig (LG Berlin, Urteil vom 20.1.1998, 64 S 304/97; Schultz in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. III Rn. 1336 m.w.N.). Die allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB gelten insoweit nicht (Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, 14. Aufl., § 558a Rn. 19). Der Hinweis auf die BGH-Entscheidung vom 31.1.2018, VIII ZB 74/16, ist insofern nicht zielführend, als dass in dieser Entscheidung nicht grundlegend in Abrede gestellt wird, dass die Vorschriften der §§ 145 ff. BGB im Rahmen der Mieterhöhung nur teilweise – nämlich in der durch die §§ 558 ff. BGB modifizierten Form – Anwendung finden.
Klagt der Vermieter daher lediglich einen Teil der im Mieterhöhungsverlangen geltend gemachten. Erhöhung ein, so gilt das Mieterhöhungsverlangen hinsichtlich des überschießenden Teils als zurückgenommen (AG Wolfsburg, Urteil vom 22.8.1983, 12 C 514/82; Börstinghaus in: Schmidt-Futterer § 558 a, 14. Aufl., Rn. 23). Es wird dabei kein neues Mieterhöhungsverlangen gestellt, sondern lediglich ein Minus verlangt. Im Falle einer solchen Ermäßigung soll der Mieter den ermäßigten Erhöhungsbetrag im Prozess mit der für ihn günstigen Kostenfolge des § 93 ZPO sofort anerkennen können (Schultz in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. III Rn. 1336).
Die Kammer übersieht im vorliegenden Fall nicht, dass es aus rechtspolitischen Erwägungen opportun sein könnte, die Teilrücknahme der Mieterhöhung in der Klage als neues Mieterhöhungsverlangen zu werten, das insbesondere neue Zustimmungsfristen in Lauf setzt. Dies könnte insbesondere vor dem Hintergrund angezeigt sein, dass ein Vermieter – wie offenbar vorliegend – bewusst oder aufgrund mangelnder Organisation eine Vielzahl überhöhter Mieterhöhungsschreiben versendet, von denen zumindest einige von den Mietern – aus Unkenntnis oder aufgrund oberflächlicher Prüfung – auch Zustimmung erfahren.
Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass dem Mieter im Vorverfahren die Informationen gegeben werden, die er benötigt, um die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu prüfen. Er soll somit in überschaubarer Zeit gezwungen werden, sich zu überlegen, ob er der Mieterhöhung gar nicht, teilweise oder ganz zustimmt (Börstinghaus in: Schmidt-Futterer § 558 a, 14. Aufl., Rn. 2; anders, allerdings zur alten Rechtslage LG Stuttgart, Urteil vom 15.3.1974, 4 S 322/73). Diesem Gesetzeszweck würde es zuwiderlaufen, wenn der Mieter zunächst untätig ohne (Prozess-)Kostenrisiko abwarten könnte, ob der Vermieter tatsächlich Klage erhebt und dann zusätzlich neue Zustimmungsfristen zur begehrten Mieterhöhung laufen sollten. Letztlich handelt es sich bei der Frage, welche Ausstattungsmerkmale vorhanden sind und welche Miete gerechtfertigt ist, um materielle Gesichtspunkte, die im Vorverfahren selbst nicht zu prüfen sind und die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens unberührt lassen.
Die Kammer hält daher die Klage auf Zustimmung zu einer – im Vergleich zum Mieterhöhungsschreiben – reduzierten Mieterhöhung für zulässig.
2. Einwände gegen die materielle Wirksamkeit der Mieterhöhung werden nicht vorgebracht. Die Klägerin verlangt den Mittelwert der einschlägigen Mietspiegelspanne, sodass auch die Kammer keine Anhaltspunkte hat, dass die erhöhte Miete nicht der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Erwägungen des Erstgerichts Bezug genommen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 ZPO. § 713 ZPO ist nicht einschlägig, da die Revision zugelassen wird.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG (547,44 Euro: 12 mal die zusätzlich geforderte Miete in Höhe von 45,62 Euro).
Die Revision war zuzulassen, soweit sie die formelle Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens aufgrund der Teilrücknahme betrifft. Es handelt sich – soweit ersichtlich – um eine höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage. Eine höchstrichterliche Entscheidung würde der Fortbildung des Rechts dienen und Rechtssicherheit schaffen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO).


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