Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Stimmrechte bei Stimmrechtsentzug für Stellplatzeigentümer in der Teilungserklärung

Aktenzeichen  36 S 5357/18 WEG

Datum:
7.2.2019
Fundstelle:
ZWE – 2020, 91
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 10 Abs. 2 S. 2, § 16 Abs. 1, Abs.5, § 25 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Ist der Stimmentzug für Eigentümer von Teileigentumseinheiten (Tiefgaragen) nichtig, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung der Teilungserklärung nicht in Betracht, denn es liegt keine planwidrige Regelungslücke vor, sondern eine beabsichtigte, die zur Nichtigkeit der Regelung führt. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist eine Regelung über die Stimmverteilung in der Teilungserklärung nichtig, gilt die gesetzliche Regelung des § 25 Abs. 2 S. 1 WEG. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Abstimmung, die gegen das Kopfstimmprinzip des § 25 Abs. 2 S. 1 WEG verstößt, führt nicht zu nichtigen, sondern nur zu anfechtbaren Beschlüssen. Wäre auch bei Anwendung des richtigen Stimmprinzips das Abstimmungsergebnis identisch, liegt kein durchgreifender formeller Fehler vor. (Rn. 19 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Darlegungs- und Beweislast für Anfechtungsgründe liegt beim Kläger, in Einzelfällen können aber die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

482 C 11785/17 WEG 2018-02-21 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.02.2018, Az. 482 C 11785/17 WEG, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Es wird festgestellt, dass folgende Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 16.05.2017 nichtig sind:
-TOP 3: „Zu Lasten der Rücklagen werden auf Basis des Angebots der Firma U… sämtliche zugänglichen Absperr- und Regulierungsventile, darüber hinaus die Hauswasserstationen und Wasseraufbereitung von Haus 54 erneuert. Kostenobergrenze € 15.000,00, bei Zustimmung der Beiräte maximal € 20.000,00 pro Haus.“
-TOP 4: „Zum nächstmöglichen Zeitpunkt wird im Haus 54 eine neue Koaxial-Verkabelung mit je einem Übergabepunkt pro Wohnung auf Basis des Angebots der Firma T… vom 04.05.2017 installiert.“
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 54.870,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Nach §§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen sowie der Antragsstellungen erster Instanz zunächst Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts München vom 21.02.2018.
Das Amtsgericht München hat darin antragsgemäß festgestellt, dass die Beschlüsse zu TOP 1. a)., 1. b), 2., 3., 4., 5., 6., 7., 8. und 9. der Eigentümerversammlung vom 16.05.2017 nichtig sind. Zur Begründung hat das Amtsgericht angeführt, dass die Regelungen in der Teilungserklärung bezüglich der Stimmrechte Zweifel im Hinblick auf die Stimmrechte der Tiefgarageneigentümer offenließen. Infolge dieser Zweifel sei auf die gesetzliche Regelung zurückzugreifen, wonach die Tiefgarageneigentümer nach dem Kopfprinzip abstimmen. Die Festlegung auf den Abstimmungsmodus nach Miteigentumsanteilen auf Dauer durch die Eigentümer sei nichtig. Dies schlage auf alle streitgegenständlichen Beschlüsse durch.
Gegen dieses den Beklagten am 28.03.2018 zugestellte Urteil haben diese – mit Ausnahme der Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse zu TOP 3. und 4. durch das Amtsgericht – Berufung eingelegt. Die mit Schriftsatz vom 17.04.2018 eingelegte Berufung ging am 18.04.2018 beim Landgericht München I ein und wurde mit Schriftsatz vom 09.05.2018, eingegangen am 11.05.2018, begründet.
Die Beklagten begründen die Berufung damit, dass die Beschlüsse entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht nichtig seien. In der Abstimmung sei kein Beschluss über den Abstimmungsmodus gefasst, sondern nur der zuvor von der Rechtsanwaltskanzlei M… empfohlene Abstimmungsmodus angewandt worden. Kein Sondereigentümer sei von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen gewesen. Die Klägerin habe nicht ansatzweise angeführt, dass der hier gewählte Abstimmungsmodus sich auf die Abstimmungsergebnisse ausgewirkt haben könne. Die Beklagten haben unter Beweisantritt behauptet, dass sich der hier gewählte Abstimmungsmodus nicht auf die konkreten Abstimmungsergebnisse ausgewirkt haben könne. Dies sei von der Klägerin nicht zivilprozessual wirksam bestritten worden. Die Beschlüsse zu TOP 1. a), 1. b) und 2.), deren Ungültigkeit mit dem Hilfsantrag der Klägerin beantragt werde, seien aus den innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG vorgetragenen Gründen nicht für ungültig zu erklären. Die Verwalterin habe für jede Einheit eine gesonderte Abrechnung als kombinierte Einzel- und Gesamtabrechnung vorgelegt. Bezüglich der Rüge der Kosten der TV-Versorgung sei unklar, welche Abrechnungsposition damit angegriffen werde. Die Kosten der Sanierung der Dachterrasse Nr. 1 seien durch die Gemeinschaft aufgrund bestandskräftiger Beschlüsse ausgelöst und daher auf alle Eigentümer zu verteilen gewesen. Waschmaschineneinnahmen seien im streitgegenständlichen Wirtschaftszeitraum nicht erzielt worden. Hinsichtlich des Entlastungsbeschlusses sei ein hinreichend konkreter „Tatsachenkern“ binnen der Anfechtungsbegründungsfrist nicht vorgetragen worden. Für jede Einheit sei ein Einzel- und Gesamtwirtschaftsplan für 2016 vorgelegt worden.
Die Beklagten beantragen,
das Endurteil des Amtsgerichts München vom 21.02.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Beschlüsse zu TOP 1. a), 1. b), 2., 5., 6., 7., 8. und 9. für nichtig erklärt wurden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie stellt unstreitig, dass über den Abstimmungsmodus kein Beschluss gefasst wurde, ist aber der Auffassung, dass die Eigentümer keine Beschlusskompetenz für die streitgegenständlichen Beschlüsse gehabt hätten, da diese zu einer Abänderung der Teilungserklärung auf Dauer geführt habe. Es spiele keine Rolle, ob die Abstimmung bei korrektem Verhalten quantitativ das gleiche Ergebnis erbracht hätte. Ebenso wenig komme es auf die Kausalität im Hinblick auf die Abstimmung an, weil die Abänderung der Teilungserklärung auf Dauer bestehe würde und damit alle weiteren Beschlussfassungen in Zukunft nichtig machen würde. Die Änderung des Abstimmungsmodus habe Auswirkungen auf die Kostenverteilung. Die Verwaltung habe die Eigentümer darüber getäuscht. Die Konsequenz daraus könne nur die Nichtigkeit sämtlicher Beschlüsse sein. Die Bewirtschaftungskostenabrechnung zum 31.12.2016 sei schon formell falsch, weil die Aufteilung in zwei Abrechnungen mit zwei unterschiedlichen Abrechnungsmodi und zwei Rücklagen unzulässig sei. Die getrennte Vorlage der Wirtschaftspläne sei zu unterlassen gewesen. Dies führe zur Unwirksamkeit der Wirtschaftspläne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.02.2019.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Berufung wurde frist- und formgerecht gemäß §§ 517, 519 ZPO und unter Beachtung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegt.
Die Berufung wurde zulässigerweise insoweit beschränkt, als sie nicht gegen die Feststellung der Nichtigkeit der zu TOP 3. und 4. gefassten Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 16.05.2017 gerichtet war; insoweit war das amtsgerichtliche Urteil im Tenor aufrechtzuerhalten.
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
1. Die angefochtenen Beschlüsse sind, soweit im Berufungsverfahren noch über diese zu entscheiden ist, nicht nichtig, sondern wegen Verstoßes gegen § 25 Abs. 2 S. 1 WEG lediglich anfechtbar.
a) Zutreffend geht das Amtsgericht zunächst davon aus, dass die Regelungen der Teilungserklärung vom 13.02.1974, § 8 h und im Nachtrag zur Teilungserklärung vom 23.02.1977, § 4 h, nach § 134 BGB nichtig sind, da den Teileigentümern der Tiefgaragenstellplätze danach kein Stimmrecht in der Eigentümerversammlung eingeräumt wird. Zwar ist die gesetzliche Regelung in § 25 Abs. 2 S. 1 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat (sog. „Kopfstimmrecht“), grundsätzlich durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG abdingbar, soweit nicht das Wohnungseigentumsgesetz in Einzelfällen die Abstimmung nach Köpfen vorsieht (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 19.09.2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 = NZM 2002, 997; Fortführung durch BGH, Urteil vom 28.10.2011, BGHZ 191, 245 = ZWE 2012, 80; BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 198/14, NZM 2015, 785; BayObLG, Beschluss vom 19.12.2001 – 2Z BR 15/01, ZMR 2002, 527, Rn. 23 bei juris; BayObLG, Beschluss vom 23.12.1981 – 2Z 11/81, Rpfleger 1982, 143; OLG Hamm, Beschluss vom 25.02.1986 – 25 W 406/86, WE 1990, 70; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10.07.1989 – 3 W 72/89, OLGZ 1990, 186 = ZMR 1990, 30; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.09.1983 – Justiz 1983, 412; Staudinger/Häublein (2018), WEG, § 25, Rn. 36, 40 m.w.N.; Merle, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 25, Rn. 130; Schultzky, in: Jennißen, WEG, 5. Auflage 2017, § 25, Rn. 8; Hügel/Elzer, in: Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 25, Rn. 3 m.w.N.; Chr. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 25, Rn. 8; Schöner/Stöber, in: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, Rn. 2926 m.w.N.). Die für Vereinbarungen von Wohnungseigentümer grundsätzlich geltende Gestaltungsfreiheit endet aber dort, wo die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer ausgehöhlt wird (BGH, Beschluss vom 11.11.1986 – V ZB 1/86, NJW 1987, 650, 650 a.E.). Dieses mitgliedschaftsrechtliche Element verbietet einen Ausschluss des Stimmrechts eines Wohnungs- oder Teileigentümers. Eine entsprechende Regelung in einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer ist daher nach § 134 BGB nichtig (BGH, Beschluss vom 11.11.1986 – V ZB 1/86, NJW 1987, 650, 651; bestätigt in BGH, Urteil vom 10.12.2010 – V ZR 60/10, NJW 2011, 679, 680, Rn. 6 bei juris; OLG Hamm, Beschluss vom 25.02.1986 – 25 W 406/86, WE 1990, 70).
b) Rechtsfolge der Nichtigkeit dieser Regelung der Teilungserklärung bzw. deren Nachtrag ist jedoch nicht, dass insoweit eine ergänzende Auslegung der Teilungserklärung dahingehend vorzunehmen wäre, dass hier nach Miteigentumsanteilen abzustimmen sei, wie es im Rechtsgutachten der Kanzlei M… empfohlen wird. Zwar sind Regelungen in einer Teilungserklärung gem. § 8 Abs. 1 WEG als einseitiger Willenserklärung des teilenden Wohnungseigentümers der ergänzenden Auslegung im Grundsatz zugänglich (BGH, Beschluss vom 05.10.2004 – V ZB 22/04, NJW 2004, 3413, 3416; BGH, Urteil vom 25.09.2015 – V ZR 203/14, ZWE 2016, 87, Rn. 20 bei juris). Gleiches gilt für Vereinbarungen über Nachträge der Teilungserklärung. Die ergänzende Auslegung einer solchen Regelung setzt jedoch voraus, dass diese eine planwidrige Regelungslücke enthält. Dies ist hier nicht der Fall. Im vorliegenden Fall enthält die Teilungserklärung in § 8 h bzw. der Nachtrag vom 23.02.1977 in § 4 h zwar jeweils eine Regelungslücke, da sich keine Regelung des Stimmrechts der Eigentümer der Tiefgaragenstellplätze darin findet. Jedoch ist diese Regelungslücke gerade nicht planwidrig.
Kennzeichnend für eine planwidrige Regelungslücke ist, dass der Erklärende mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollte, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten oder wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse nicht gelungen ist (BGH, Beschluss vom 05.10.2004 – V ZB 22/04, NJW 2004, 3413, 3416; BGH, Urteil vom 13.02.2004 – V ZR 225/03, NJW 2004, 1873; BGH, Urteil vom 14.11.2003 – V ZR 346/02, NJW-RR 2004, 554; Suilmann, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 10, Rn. 131). In einem solchen Fall wäre der hypothetische Parteiwille zu ermitteln, wobei zu fragen wäre, welche Regelung der teilende Eigentümer bei einer angemessenen Abwägung der Interessen redlicherweise getroffen hätte, wenn er den von ihm – unbewusst bzw. unerkannt – nicht geregelten Fall bedacht hätte (BGH, Urteil vom 25.09.2015 – V ZR 203/14, ZWE 2016, 87, Rn. 21 bei juris). Um einen solchen Fall handelt es sich aber gerade nicht, wenn – wie hier – eine Regelung in einer Teilungserklärung eine bewusste Lücke enthält, die zur Nichtigkeit der Regelung führt. Die Kammer legt die Regelungen in § 8 h der Teilungserklärung bzw. § 4 h des Nachtrags vom 23.02.1977 dahingehend aus, dass mit diesen gerade das Ziel erreicht werden sollte, den Eigentümern von Tiefgaragenstellplätzen kein Stimmrecht bei den Eigentümerversammlungen zukommen zu lassen. Dies zeigt der bei der Auslegung von Vereinbarungen von Wohnungseigentümern maßgebliche Wortlaut und Sinn der Regelungen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGH, Urteil vom 10.09.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 291 ff.; BGH, Urteil vom 02.03.2012 – V ZR 174/11, NJW 2012, 1722, Rn. 8 bei juris; vgl. weitere Nachweise aus der Rspr. bei Krause, in: Jennißen, WEG, 5. Auflage 2017, § 8, Rn. 16). Die Regelungen der Teilungserklärung vom 13.02.1974, § 8 h und im Nachtrag zur Teilungserklärung vom 23.02.1977, § 4 h stellen übereinstimmend bereits nach ihrem Eingangswortlaut ausdrücklich nur auf Sondereigentum an Wohnungen ab. Danach gewährt „jedes Sondereigentum an Wohnungen (…) pro angefangenen 100 qm Wohnfläche bei Abstimmungen 1 Stimme“. Untermauert wird dies im weiteren Verlauf des Regelungstextes dadurch, dass im Folgenden jede Wohnung einzeln mit ihrer jeweiligen Wohnfläche und der sich daraus für den Eigentümer der jeweiligen Wohnung ergebenden Stimmenanzahl aufgeführt wird; Garagenstellplätze finden sich in beiden Regelungen nicht. Garagenstellplätze haben keine Wohnfläche und sind auch von der Größenordnung der auf sie entfallenden Fläche nicht mit der Größenordnung einer Wohnung vereinbar, deren Eigentümer je angefangene 100 qm eine Stimme in der Eigentümerversammlung haben sollen. Diese Auslegung der Kammer wird gestützt dadurch, dass auch in § 4 h des Nachtrags vom 23.02.1977 zur Teilungserklärung keine Regelung über ein Stimmrecht für die Sondereigentümer der Tiefgaragenstellplätze aufgenommen wurde. Dies spricht dagegen, dass es sich um eine planwidrige Regelungslücke handelte. Bei unbefangener Betrachtung des Wortlauts der Vereinbarungen ist es vielmehr gerade deren nächstliegender Sinn und Zweck, den Teileigentümern von Garagenstellplätzen kein Stimmrecht zukommen zu lassen. Gerade dieses mit der Vereinbarung erkennbar verfolgte Ziel führt zur Nichtigkeit der entsprechenden Regelungen der Teilungserklärung in § 8 h und des ersten Nachtrags zur Teilungserklärung in § 4 h.
Die darin enthaltene Lücke bezogen auf Tiefgaragenstellplätze war nach Auffassung der Kammer also nicht planwidrig, sondern planmäßig. Damit liegen die Voraussetzungen für eine ergänzende Auslegung nicht vor. Bei der ergänzenden Auslegung geht es stets darum, den in dem Vereinbarten zu Tage tretenden Planvorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen (BGH, Urteil vom 14.11.2003 – V ZR 346/02, NJW-RR 2004, 554). Sind diese Planvorstellungen gerade dadurch verwirklicht, dass in der Vereinbarung eine bewusste Lücke gelassen wird, die dazu führt, dass das Vereinbarte nichtig ist, so liegt zum einen schon keine planwidrige Regelungslücke vor mit der Folge, dass die Voraussetzungen für eine ergänzende Auslegung nicht gegeben sind, und zum anderen besteht kein Bedürfnis für eine ergänzende Auslegung, die dazu dienen würde, gerade den in dem Vereinbarten zu Tage tretenden Planvorstellungen, welche zur Nichtigkeit der Regelung geführt haben, zum Durchbruch zu verhelfen.
c) Rechtsfolge der Nichtigkeit dieser Regelungen ist daher, dass mangels abweichender Vereinbarungen der Wohnungseigentümer die gesetzliche Regelung über das Stimmrecht gilt, wie es das Amtsgericht in seiner Entscheidung auch zutreffend ausgeführt hat. Es gilt somit gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 WEG, dass jeder Wohnungseigentümer unabhängig von der Größe und dem Wert seines MEA oder der Anzahl der in seinem Eigentum stehenden Sondereigentumseinheiten über eine Stimme verfügt (sog. Kopfprinzip, vgl. Merle, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 25, Rn. 29). Gemäß § 1 Abs. 6 i.V.m. § 25 Abs. 2 S. 1 WEG verfügt daher auch der Eigentümer einer oder mehrerer Tiefgaragenstellplätze über eine Stimme, unabhängig davon, ob er Eigentümer einer oder mehrerer Sondereigentumseinheiten in der WEG ist.
d) Die hier praktizierte Abstimmung nach Miteigentumsanteilen in der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung verstieß gegen das Kopfstimmprinzip gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 WEG. Dieser Verstoß führt indes entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur Nichtigkeit der angefochtenen Beschlüsse.
Nichtig ist ein Beschluss gemäß § 23 Abs. 4 S. 1 WEG nur, wenn er gegen eine Vorschrift verstößt, auf deren Einhaltung nicht verzichtet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein Beschluss gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB) verstößt, wenn er in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift oder gegen zwingende Vorschriften des Wohnungseigentumsrechts verstößt (vgl. Merle, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 23, Rn. 135 ff.; T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 23, Rn. 27 ff.).
Die Argumentation, es habe den Eigentümern hier an der Beschlusskompetenz gefehlt, da im Hinblick auf den Abstimmungsmodus eine Abänderung der Teilungserklärung beschlossen worden sei, geht fehl, da ein solcher Beschluss vorliegend nicht gefasst wurde. Die Klägerin stellt unstreitig, dass über den Abstimmungsmodus kein Beschluss gefasst wurde. Einem solchen Beschluss hätte zwar die Beschlusskompetenz gefehlt. Wird hingegen in einer Eigentümerversammlung – wie hier – ein bestimmter Abstimmungsmodus angewandt, so hat diese Anwendung selbst weder Beschluss-, noch Vereinbarungscharakter, noch aus sonstigen Gründen irgendeine Bindungswirkung für die Zukunft. Da kein Beschluss über Änderungen der Teilungserklärung gefasst wurde, stellt sich die Frage der Beschlusskompetenz hier nicht.
Auch die einzelnen Beschlüsse verstoßen nicht im Sinne des § 23 Abs. 4 S. 1 WEG gegen Vorschriften, auf deren Einhaltung nicht verzichtet werden kann, da die Regelung über die Abstimmung nach dem Kopfprinzip gem. § 25 Abs. 2 S. 1 WEG, gegen die hier verstoßen wurde, gerade nicht unverzichtbar, sondern grundsätzlich abdingbar ist (s. oben). Es handelt sich dabei gerade nicht um eine zwingende Vorschrift des Wohnungseigentumsrechts. Daher führt gemäß § 23 Abs. 4 S. 1 WEG ein Verstoß gegen den gesetzlichen Abstimmungsmodus nach § 25 Abs. 2 S. 1 WEG auch nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 25 Abs. 2 S. 1 WEG ist vielmehr, dass der entsprechende Beschluss mit einem formellen Fehler behaftet ist (Chr. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 25, Rn. 14).
Im Falle eines formellen Fehlers kann nur ausnahmsweise von einem Verstoß ausgegangen werden, der ein Vertrauen auf den Beschluss als nicht schützenswert erscheinen lässt (T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 23, Rn. 30), namentlich bei Eingriffen in den Kernbereich des Wohnungseigentums (Teilnahme- und Mitwirkungsrecht), etwa bei böswilligem gezielten Ausschluss eines Wohnungseigentümers von der Versammlung durch bewusste Nichteinladung (BGH, Urteil vom 20.07.2012 – V ZR 235/11, ZWE 2012, 429, 430; T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, a.a.O.). Ansonsten führt ein formeller Fehler nur zur Anfechtbarkeit der entsprechenden Beschlüsse (ders., a.a.O.; BGH, a.a.O.).
So liegt der Fall hier. Im vorliegenden Fall wurden – entgegen der Teilungserklärung, die ein Stimmrecht nur für Wohnungseigentümer vorsieht – sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer zur Eigentümerversammlung geladen und hatten die Möglichkeit abzustimmen; lediglich wurden die Abstimmungsergebnisse nach einem falschen Modus, nämlich nach Miteigentumsanteilen an Stelle des Kopfstimmrechts gem. § 25 Abs. 2 S. 1 WEG ermittelt. Damit wurde bei der Einladung zur und Durchführung der Versammlung vorliegend gerade keinem Eigentümer das Stimmrecht genommen, sondern nur die Stimmkraft im Rahmen der Abstimmung falsch gewichtet.
e) Die Abstimmung nach Miteigentumsanteilen entgegen § 25 Abs. 2 S. 1 WEG führt also nicht zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse, sondern nur zu deren Anfechtbarkeit (vgl. umfassend T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 23, Rn. 30).
2. Es ist daher über die Hilfsanträge der Klage zu II. zu entscheiden. Diese sind nach Maßgabe des Umfangs der Berufung ausschließlich auf die Ungültigerklärung der Beschlüsse zu TOP 1. a), 1. b) und TOP 2 gerichtet.
a) Die Beschlüsse sind wegen des Verstoßes gegen § 25 Abs. 2 S. 1 WEG im vorliegenden Fall nicht für ungültig zu erklären.
Bei formellen Fehlern ist die Anfechtung nur dann begründet, wenn sich die Mängel auf das Ergebnis des Beschlussanfechtungsverfahrens zumindest ausgewirkt haben können. Umgekehrt scheidet eine Ungültigerklärung aus, wenn mit Sicherheit – nicht nur hoher Wahrscheinlichkeit – feststeht, dass der jeweilige Beschluss auch bei ordnungsgemäßem Verfahren gefasst worden wäre (st. Rspr., etwa LG München I, Urteil vom 24.06.2010 – 36 S 12044/09; vgl. weitere Nachweise bei T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 23, Rn. 38 und Merle, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 23, Rn. 185). Insoweit tragen die Wohnungseigentümer, die sich auf die Wirksamkeit des Beschlusses berufen, d.h. hier die Beklagten, die Darlegungs- und Beweislast im gerichtlichen Verfahren, wobei an die Feststellung, wonach die Beschlüsse nicht auf dem formalen Mangel beruhen würden, strenge Anforderungen zu stellen sind (LG München I, Urteil vom 24.06.2010 – 36 S 12044/09; OLG Hamm, Beschluss vom 19.4.1995 – 15 W 26/95). Deshalb wirkt es sich hier nicht aus, dass innerhalb der Klagefrist von Klägerseite nicht ausgeführt wurde, dass die streitgegenständlichen Beschlüsse auf dem formellen Fehler beruhen; die Darlegungslast liegt insoweit bei den Beklagten, die hierzu auch bereits in der Klageerwiderung substantiiert vorgetragen haben.
Der substantiierte Vortrag der Beklagten, wonach sich der Verstoß gegen § 25 Abs. 2 S. 1 WEG auf das Beschlussergebnis nicht ausgewirkt habe, wurde klägerseits aber gerade nicht bestritten. Gemäß § 138 Abs. 3 ZPO sind Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Parteien hervorgeht. Von einem Nichtbestreiten ist dabei dann auszugehen, wenn die betroffene Partei ihre Absicht, bestimmten Sachvortrag der Gegenpartei bestreiten zu wollen, unmissverständlich fallengelassen hat (vgl. Wöstmann, in: Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 138, Rn. 6). Zweifel am Nichtbestreitenwollen, etwa infolge einer widersprechenden Darstellung (vgl. Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Auflage 2018, § 138, Rn. 14; Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 138, Rn. 10) hat das Gericht hier nicht. Die Beklagten haben erstinstanzlich die Begründung der Klageerwiderung unter einer eigenen Überschrift mit konkreten und substantiierten Ausführungen dazu eingeleitet, dass sich die Abstimmung nach Miteigentumsanteilen, selbst wenn sie fehlerhaft sei, auf die Beschlussergebnisse nicht ausgewirkt habe (Seite 2/3 der Klageerwiderung = Bl. 24/25). Als Beweisangebot haben sie eine Tabelle mit einer Übersicht über eine alternative Abstimmung als Anlage B 1 vorgelegt. In ihrer Replik vom 18.10.2017 ging die Klägerin darauf ausdrücklich mit den Worten ein, es „komm[e] nicht darauf an, ob bei einer ordnungsgemäßen Anwendung des Stimmrechts die Abstimmungen zu den jeweiligen Beschlüssen im Ergebnis genauso ausgefallen wären wie in der streitgegenständlichen Versammlung“. Dem entgegneten die Beklagten schriftsätzlich, „selbstverständlich ist Voraussetzung der Beschlussungültigkeit die Kausalität“, wozu die Klägerin binnen Anfechtungsbegründungsfrist nicht vorgetragen habe. Hierauf entgegnete die Klägerin wiederum schriftsätzlich: „Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die Auszählung der Stimmen bei Gegenüberstellung der beiden Prinzipien keinen Unterschied aufweist“ (Bl. 74/75). Damit hat die Klägerin die Behauptung der Beklagten, dass sich der Verstoß gegen § 25 Abs. 2 S. 1 WEG auf das Beschlussergebnis nicht ausgewirkt habe, im Ergebnis unstreitig gestellt. Selbst auf die Aussage der Beklagten im Berufungsverfahren, dies sei „von der Klägerin nicht zivilprozessual wirksam bestritten worden“, wandte diese erneut lediglich ein, es spiele „keine Rolle, ob die Abstimmung bei korrektem Verhalten quantitativ das gleiche Ergebnis erbracht hätte“. Damit hatte auch die Berufungskammer keinen Raum, von einer anderen Bewertung des Prozessverhaltens der Klägerin als derjenigen auszugehen, dass sie die substantiierte Behauptung der Beklagten, dass sich der Verstoß gegen § 25 Abs. 2 S. 1 WEG auf das Beschlussergebnis nicht ausgewirkt habe, im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO nicht bestritten hat.
Somit scheidet eine Ungültigerklärung der hier angefochtenen Beschlüsse wegen Verstoßes gegen § 25 Abs. 2 S. 1 WEG aus.
b) Der Beschluss zu TOP 1. a) ist aus den innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist gem. § 46 Abs. 1 S. 2 WEG vorgetragenen Gründen nicht für ungültig zu erklären. Der Lebenssachverhalt, aus dem sich die Anfechtungsgründe ergeben sollen, auf die sich die Klagepartei beruft, muss sich zumindest in seinem wesentlichen Kern aus den innerhalb der Begründungsfrist eingegangenen Schriftsätzen ergeben; dass er sich aus den Anlagen selbst ergibt, reicht hierfür nicht (BGH, Urteil vom 16.01.2009 – V ZR 74/08, NJW 2009, 999, Rn. 19, 20 bei juris; BGH, Urteil vom 17.02.2012 – V ZR 251/10, NJW 2012, 1434, Rn. 5 m.w.N.; BGH, Urteil vom 16.09.2016 – V ZR 3/16, MDR 2017, 107, Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch Roth, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 46, Rn. 98; Einsiedler, in: Elzer/Fritsch/Meier, Wohnungseigentumsrecht, 3. Auflage 2018, § 4, Rn. 104).
aa) Soweit die Klägerin darin rügt, dass getrennte Abrechnungen für die Einheiten vorgelegt worden seien, sind die angefochtenen Beschlüsse nicht für ungültig zu erklären. Eine Jahresabrechnung besteht aus einer Gesamtabrechnung und den daraus zu entwickelnden Einzelabrechnungen. Die Gesamtabrechnung im Sinne von § 28 Abs. 3 WEG ist eine reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung, die den Wohnungseigentümern aufzeigen soll, welche Ausgaben und welche Einnahmen die Eigentümergemeinschaft im Abrechnungszeitraum wirklich hatte (T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 28, Rn. 31; BGH, Urteil v. 04.12.2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2127). Aus der Jahresgesamtabrechnung sind die Einzelabrechnungen abzuleiten, in denen verbindlich festgelegt wird, welcher Anteil an den Einnahmen und Ausgaben der WEG auf jeden Wohnungseigentümer entfällt (vgl. T. Spielbauer, a.a.O. m.w.N.). Dabei muss zwingend für jedes Wohneigentum oder Teileigentum eine objektbezogene Einzelabrechnung erstellt werden, die die Beitragsleistung des einzelnen Wohnungseigentümers bezogen auf jede Sondereigentumseinheit endgültig festlegt (Becker, in: Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 28, Rn. 135). Diesem Grundsatz wurde vorliegend Genüge getan.
bb) Soweit in den Abrechnungen nach Miteigentumsanteilen abgerechnet wurde, entspricht dies der Regelung in § 5 a des Nachtrags zur Teilungserklärung vom 13.02.1974 (Anlage B 3), durch welche die vorangegangene Regelung in § 9 a) der Teilungserklärung („nach Maßgabe der § 16 Abs. 1-5 WEG entsprechend dem Verhältnis ihrer Wohnfläche“) abgeändert wurde. Die Klägerin kritisiert an der Abrechnung, wie sich im Laufe der Erörterungen in der mündlichen Berufungsverhandlung abzeichnete, offenbar die sich aus der vorgelegten Abrechnung ergebende Aufteilung bestimmter Kosten auf die Eigentümer der Wohnungen einerseits, und der Tiefgaragenstellplätze andererseits. Dies wurde jedoch innerhalb der Klagebegründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG von der Klägerin nicht gerügt. Vielmehr bezieht sich die Klägerin in der Klagebegründung vom 17.07.2017 (Bl. 10/17 d.A.) zunächst darauf, dass die Kosten- und Lastenverteilung in § 9 der Teilungserklärung nach Wohnfläche geregelt sei, wobei übersehen wird, dass diese Regelung in § 5 a des Nachtrags zur Teilungserklärung vom 13.02.1974 dahingehend abgeändert wurde, dass die anteiligen Kosten und Lasten des Gemeinschaftseigentums von allen Sondereigentümern entsprechend dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen sind. Aus § 9 der Teilungserklärung leitet die Klägerin sodann ab, dass die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums in einer Abrechnung nach Tausendstel aufzuteilen seien und eine Aufteilung in zwei Abrechnungen mit zwei unterschiedlichen Abrechnungsmodi und zwei Rücklagen unzulässig sei. Erstmals in der mündlichen Berufungsverhandlung am 07.02.2019 berief sich die Klägerin sodann darauf, dass sie vier Abrechnungen, nämlich zwei Abrechnungen pro Einheit, erhalten habe. Dem Gericht liegen lediglich zwei Abrechnungen, nämlich jeweils eine kombinierte Gesamt- und Einzelabrechnung pro Einheit vor. Dies ist, wie dargelegt, nicht zu beanstanden. Soweit die Kammer nun aufgrund der mündlichen Ausführungen in der Berufungshauptverhandlung davon ausgeht, dass sich die Klägerin eigentlich gegen die in den Einzelabrechnungen vorgenommene Verteilung der Kosten und Lasten des Gemeinschaftseigentums auf die Sondereigentümer wenden wollte, war dies innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG gerade nicht in seinem wesentlichen Kern vorgetragen worden. Vielmehr wurde diese Rüge erst durch die mündliche Erläuterung durch die Klägerin in der Berufungshauptverhandlung am 07.02.2019 in Zusammenschau mit den in Anlage vorgelegten Jahresabrechnungen ersichtlich. Dies reicht zur Wahrung der Anfechtungsbegründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG nicht aus.
cc) Soweit die Klägerin rügt, die Kosten der TV-Versorgung seien in der zu TOP 1. a) beschlossenen Jahresabrechnung auf die Gemeinschaft umgelegt worden, obwohl diese Kosten vom Sondereigentümer zu tragen seien, und soweit sie darüber hinaus Ausgaben für die Terrasse der Wohnung Nr. 1 beanstandet, ergibt sich daraus nicht, dass der Beschluss über die Jahresabrechnung insoweit für ungültig zu erklären wäre. Selbst wenn eine Rüge hinsichtlich einzelner Kostenpositionen einer Jahresgesamt- oder der Einzelabrechnungen durchgreift, so ist der Beschluss in der Regel nicht insgesamt, sondern nur in Bezug auf diese Kostenpositionen für ungültig zu erklären (BGH, Versäumnisurteil vom 11. Mai 2012 – V ZR 193/11, NJW 2012, 2648). Dies setzt voraus, dass seitens der Klagepartei innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG) die beanstandeten Positionen der Abrechnung hinreichend konkret bezeichnet werden. Seitens der Klägerin wurde innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist aber bereits nicht vorgetragen, auf welche Positionen der Jahresabrechnung sie sich insoweit bezieht. Das Gericht vermag dies in der vorgelegten Jahresabrechnung auch nicht zu erkennen; darin ist nicht erkennbar, dass irgendeine der Kostenpositionen Ausgaben für die TV-Versorgung oder für die Terrasse der Wohnung Nr. 1 beinhaltet. Selbst wenn die Gemeinschaft hier aber ohne Rechtsgrund Ausgaben zu Gunsten einzelner Eigentümer getätigt haben sollte, so wären diese gleichwohl ebenfalls in die Jahresabrechnung einzustellen und nach dem geltenden Verteilungsschlüssel zu verteilen. In die Jahresabrechnung sind auch solche Ausgaben einzustellen, die der Verwalter unberechtigterweise aus Mitteln der Gemeinschaft getätigt hat (BGH, Urteil vom 04. März 2011 – V ZR 156/10, NJW 2011, 1346, Leitsatz 1 und Rn. 6 f. bei juris; BGH, Urteil vom 06. März 1997 – III ZR 248/95, NJW 1997, 2106, Rn. 27, juris). Dies gilt unbeschadet etwaiger Ausgleichsansprüche infolge unberechtigter Ausgaben. Auch auf Grundlage dieser Rügen ist der Beschluss zu TOP 1. a.) daher nicht für ungültig zu erklären.
dd) Soweit die Klägerin vorgetragen hat, die Abrechnung enthalte keine Einnahmen aus dem Betrieb der Waschmaschinen, fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung der Klägerin, welche konkreten Einnahmen insoweit von der Gemeinschaft erzielt wurden; demgegenüber haben die Beklagten die – nicht substantiierte – Behauptung der Klägerin, aus dem Betrieb der Waschmaschinen habe die WEG Einnahmen gehabt, substantiiert bestritten. Grundsätzlich hat derjenige, der aus einer ihm günstigen Norm Rechte herleitet, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (sog. Normentheorie, st. Rspr.; vgl. Nachweise bei Elzer, in: BeckOK WEG, 37. Ed. 1.5.2019, § 43, Rn. 26). Die Darlegungs- und Beweislast bei der Anfechtungsklage gem. § 43 Nr. 4 WEG liegt daher grundsätzlich beim Kläger (LG München I, Urteil vom 27.04.2009 – 1 S 20171/08 WEG, NJW-RR 2009, 1672; zust. Dötsch/Hogenschurz, NZM 2010, 297, 299). Dies bedeutet, dass der Kläger in einer Beschlussanfechtungsklage alle Tatsachen darlegen – und ggf. unter Beweis stellen – muss, aus denen sich nach seiner Auffassung die Ungültigkeit des angefochtenen Beschlusses ergibt. Rügt der Kläger substantiiert, kann die beklagten Wohnungseigentümer ggf. eine sekundäre Behauptungslast bzw. die Verpflichtung zu substanziiertem Bestreiten treffen. Das ist der Fall, wenn ihnen ausnahmsweise zuzumuten ist, die prozessordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben zu ermöglichen (Elzer, in: BeckOK WEG, a.a.O., Rn. 28; LG München I, a.a.O.). Die Klägerin rügte zur Begründung der Beschlussanfechtungsklage zunächst nur, Einnahmen aus dem Betrieb der Waschmaschinen seien nicht in der Jahresabrechnung enthalten (Bl. 13 d.A.). Die Beklagten erwiderten darauf, es habe keine Einnahmen aus dem Betrieb der Waschmaschinen gegeben. Vielmehr seien die Waschmaschinen und Trockner im Jahre 2012 kaputtgegangen. Als Ersatzlösung hätten die Eigentümer unter TOP 6 der Eigentümerversammlung am 30.05.2012 beschlossen, dass die Firma Matern neue eigene Waschmaschinen stelle und als Gegenleistung das gesamte Waschgeld erhalte (Bl. 33 d.A., Anlage B 6). Auf dieses substantiierte Bestreiten der Beklagten wäre es an der Klägerin gewesen, falls dieser Vortrag unzutreffend war, ggf. konkret darzulegen und unter Beweis zu stellen, welche Einnahmen im fraglichen Wirtschaftsjahr aus dem Betrieb der Waschmaschinen erzielt wurden, bzw. woraus sich ergebe, dass die WEG überhaupt Einnahmen in nicht näher genannter Höhe erzielt habe. Die Einlassung der Beklagten wurde von der Klägerin zwar bestritten und ein Zeuge für die Behauptung, die WEG habe Einnahmen gehabt, angeboten, dies wurde aber von der Klägerin nicht weiter substantiiert. Die Klägerin gab lediglich an, aus dem vorgelegten Beschluss aus dem Jahre 2012 ergebe sich nicht, dass eine Firma als Gegenleistung das komplette Waschgeld erhalte. Selbst wenn die genannte Firma die Waschmaschinen bereitgestellt habe und die dafür angefallenen Kosten von dem Waschgeld bezahlt worden seien, so ergebe sich als Konsequenz, dass über das Waschgeld abgerechnet werden müsse (Bl. 54 d.A.). Damit ist die Klägerin zum einen schon ihrer Darlegungslast dafür, dass die WEG konkrete Einnahmen aus dem Betrieb der Waschmaschinen gehabt habe, nicht nachgekommen. Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat (BGH, Urteil vom 03.02.1999 – VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405). Hier haben die Beklagten substantiiert dargelegt und unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 30.05.2012 (Anlage B 6) unter Beweis gestellt, dass die Waschmaschinen von einer Firma bereitgestellt und betrieben werden, die im Gegenzug das Waschgeld erhalte. Dies hat die Klägerin lediglich bestritten, insoweit aber keinen substantiierten eigenen Sachvortrag gebracht. Darüber hinaus ergibt das als Anlage B 6 vorgelegte Beschlussprotokoll nach Auffassung der Kammer, dass die WEG im Hinblick auf die Waschmaschinen weder Ausgaben, noch eigene Einnahmen hatte. Die Kammer kann den Beschluss selbst auslegen, wobei im Rahmen der insoweit gebotenen objektiv-normativen Auslegung vom Wortlaut des Beschlusses auszugehen ist, sonstige Umstände aber berücksichtigt werden können, wenn diese nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind, weil sie sich etwa aus dem übrigen Versammlungsprotokoll ergeben (BGH, Urteil vom 18.03.2016 – V ZR 75/15, NJW 2016, 2177, 2178 m.w.N.). Aus dem vorgelegten Protokoll ergibt sich, dass die Eigentümer ein Angebot der Firma M… vorliegen hatten, wonach diese die Waschmaschinen zur Verfügung stellt, die Eigentümer hierfür aber nichts investieren mussten, sondern alleine die Nutzer durch ihr Waschgeld die Maschinen finanzieren. Auf dieser Grundlage stimmten die Eigentümer dem Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung zu, wobei das Protokoll ergibt, dass diese das Angebot der Firma M… betraf. Bei dieser Konstellation entstehen für die Gemeinschaft weder Einnahmen noch Ausgaben, da das Waschgeld von den Nutzern der Waschmaschinen direkt in den Münzeinwurf des Betreibers der Waschmaschinen – hier der Firma Materne – bezahlt wird. Die Klägerin hat demgegenüber keinen Sachvortrag gebracht, aus dem sich ergeben würde, dass die WEG selbst Einnahmen hatte. Daher bestand auch insoweit keine Grundlage, den Beschluss über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen für 2016 unter TOP 1. a) der Eigentümerversammlung vom 16.05.2017 für ungültig zu erklären.
c) Infolgedessen bestand auch keine Grundlage, den Beschluss zu TOP 1. b) über die Entlastung der Hausverwaltung für ungültig zu erklären.
d) Infolgedessen bestand auch keine Grundlage, den Beschluss zu TOP 2. über den Wirtschaftsplan für 2017 aus den innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist vorgetragenen Gründen für ungültig zu erklären. Insoweit hatte die Klägerin lediglich auf die Begründung zu den Hausgeldabrechnungen Bezug genommen.
3. Die Berufung war daher in vollem Umfang erfolgreich. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.02.2018 war somit nur in dem Umfang, in dem die Beklagten keine Berufung hiergegen eingelegt haben, aufrecht zu erhalten; im Übrigen war die Klage abzuweisen.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 ZPO. Soweit das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.02.2018 aufrechterhalten bliebt, betraf dies die beiden Beschlüsse zu TOP 3 und 4, auf die nach der Festsetzung des Amtsgerichts ein Teilstreitwert von 5.076,25 € entfiel (vgl. Bl. 78, 80 i.V.m. Bl. 4/5 d.A.). Dies entspricht weniger als 1/10 der übrigen Forderung, hinsichtlich derer die Klägerin unterlegen ist, zudem hat dies keinen Gebührensprung nach Anlage 2 zu § 34 GKG ausgelöst. Damit waren die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegeben (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 39. Auflage 2018, § 92, Rn. 8).
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit unterbleibt auch dann nicht, wenn die Revision nicht zugelassen ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 708 Rn. 11). Gem. § 713 ZPO hat die Kammer davon abgesehen, eine Abwendungsbefugnis i.S.v. § 711 ZPO auszusprechen, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen. Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO ausgeschlossen, da der Beschwerdewert vorliegend zwanzigtausend Euro eindeutig nicht übersteigt. Entscheidend ist insoweit die Einschätzung des Berufungsgerichts (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., § 713 Rn. 2 für die Rechtsmittelsumme).
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung.
4. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren erfolgte gem. § 49 a Abs. 1 GKG entsprechend der unbeanstandet gebliebenen und zutreffenden Festsetzung durch das Amtsgericht mit Ausnahme der Beschlüsse zu TOP 3. und 4., die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens wurden.


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