Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Streitwert in Wohnungseigentumssachen

Aktenzeichen  32 W 1603/18 WEG

Datum:
23.10.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38659
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 9
GKG § 47 Abs. 1, § 49a

 

Leitsatz

1. In Wohnungseigentumssachen ist der Gebührenstreitwert auch in der Berufung nach § 49a GKG zu berechnen. Ausgangspunkt sind die Klageanträge jedoch gemäß § 47 Abs. 1 GKG nur, soweit sie in der Berufung noch verfolgt werden. (Rn. 12 – 14)
2. Soweit § 49a GKG auf das Interesse der Parteien und aller Beigeladenen abstellt, ist dieses Interesse auf Grundlage der allgemeinen Wertvorschriften in den §§ 3 – 9 ZPO zu bemessen. (Rn. 18)
3. Das Interesse an der Vermietung einer Sondereigentumseinheit oder einer Sondernutzungsfläche durch einen Wohnungseigentümer ist gemäß § 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der konkret zu erzielenden Miete zu bewerten, sofern nicht eine kürzere Mietdauer vereinbart wurde oder werden sollte oder sofern als Nachteil nicht nur die Differenz zu einer niedrigeren Miete vorgetragen wird. (Rn. 15 – 22)
4. Ist nicht ersichtlich, dass eine Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer zu einer Verringerung der Werte ihrer Sondereigentumseinheiten führt, kann deren Interesse mit € 5.000,00 als Regelstreitwert bemessen werden. (Rn. 23 – 26)

Verfahrensgang

1 S 4634/18 WEG 2018-05-07 Bes LGMUENCHENI AG Sonthofen

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 20.06.2018, Az. 1 S 4634/18 WEG, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Kläger begehren eine Herabsetzung des vom Landgericht für das Berufungsverfahren festgesetzten Streitwerts.
Die Kläger und die Beklagten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft T-Straße in S. In der Gemeinschaftsordnung ist den Klägern das ausschließliche Nutzungsrecht an einem Kellerraum eingeräumt. Die gewerbliche Nutzung bedarf der Zustimmung des Verwalters oder eines zustimmenden Beschlusses der Wohnungseigentümer. Die Kläger haben den Kellerraum an einen Kaminfeger vermietet, der den Raum als Lagerraum und als Sozialraum nutzt. Die Verwaltung hat der Vermietung nicht zugestimmt. Auf der Eigentümerversammlung vom 22.04.2017 haben die Wohnungseigentümer unter TOP 7 den Beschlussantrag der Kläger auf Zustimmung zur Vermietung abgelehnt.
Mit ihrer Klage vom 16.05.2017 fochten die Kläger den Beschluss zu TOP 7 an und stellten zugleich den Antrag, die Beklagten zur Zustimmung zu ihrem in der Eigentümerversammlung gestellten Antrag zu verpflichten.
Das Amtsgericht wies die Klage im Endurteil vom 28.02.2018 ab. Den Streitwert setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 20.03.2018 entsprechend den Angaben in der Klage ohne weitere Begründung auf € 5.997,60 fest.
Ihre Berufung nahmen die Kläger nach einem Hinweis des Landgerichts zurück. Mit Beschluss vom 20.06.2018 erklärte das Landgericht die Kläger ihres Rechtsmittels für verlustig und setzte den Streitwert zugleich auf € 5.997,60 fest.
Mit Schreiben vom 23.07.2018 an das Landgericht München I, bei Gericht eingegangen am 25.07.2018, legten die Kläger selbst Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes in dieser Höhe ein und beantragten, den Streitwert auf € 500,00 festzusetzen.
Der an das Landgericht gerichteten Beschwerde half zunächst das Amtsgericht in dem Beschluss vom 10.09.2018 nicht ab unter Bezugnahme auf den insoweit nicht begründeten Beschluss des Landgerichts vom 20.06.2018.
Das Landgericht hat der Beschwerde in dem Beschluss vom 12.10.2018 nicht abgeholfen. Der Streitwert sei in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, 9 ZPO festzusetzen. Ausschlaggebend für das Interesse seien die erzielbaren Mieteinnahmen, deren Wert nach § 9 ZPO mit der 42-fachen Monatsmiete in Ansatz zu bringen sei. Der Streitwert betrage danach € 5.880,00. Im Hinblick darauf, dass kein Gebührensprung vorliege, bestehe für eine Teilabhilfe kein Anlass.
Der Beklagtenvertreter hat sich einer Herabsetzung des Streitwertes mit Schriftsatz vom 10.10.2018 widersetzt.
II.
1. Die befristete Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss ist zulässig (§ 68 Abs. 1, 66 Abs. 3 bis 6 GKG), insbesondere besteht kein Anwaltszwang, auch nicht wenn der Prozess als Anwaltsprozess zu führen war (BDPZ/Zimmermann, § 66 GKG, Rn. 46).
2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend der Beschwerde der Kläger nicht abgeholfen. Der Streitwert beträgt für das Berufungsverfahren gemäß der §§ 47, 48, 49a GKG, § 9 ZPO € 5.880,00.
Das Landgericht hat – im Ergebnis ohne Auswirkung – übersehen, dass der Gebührenstreitwert in Wohnungseigentumssachen auf Grundlage des § 49a GKG zu bestimmen ist. Die Vorschrift gilt auch für das Rechtsmittelverfahren. Nach § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert auf 50 Prozent des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Er darf das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten, § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG. Weitere – hier nicht relevante – Begrenzungen ergeben sich aus § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG und aus § 49a Abs. 2 GKG.
Daher sind zunächst das Interesse der Kläger und das Interesse der Beklagten festzustellen. Die Hälfte der daraus gebildeten Summe ist der Regelstreitwert nach § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG.
a) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert grundsätzlich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 Satz 1 GKG. In Verbindung mit § 49a GKG folgt daraus, dass im Rechtsmittelverfahren das Interesse der Klageseite bei der Bemessung des Streitwertes auf Grundlage der noch im Rechtszug verfolgten Klageziele zu bewerten ist. Die Kläger haben mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Dabei betreffen der Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses zu TOP 7 und der als Antrag auf Beschlussersetzung auszulegende Antrag zu 2. das gleiche wirtschaftliche Interesse. Wird der Antrag auf Beschlussersetzung mit einer Anfechtung des Negativbeschlusses verbunden, mit dem der Antrag eines Klägers, den er nun mit der Beschlussersetzung weiterverfolgt, abgelehnt wurde, erhöht die Anfechtung nicht den Streitwert, da sich der Antrag auf Beschlussersetzung und die Anfechtung des Negativbeschlusses auf das gleiche wirtschaftliche Interesse richten (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 49a GKG Rn. 10 „Negativbeschluss“).
b) Das Interesse der Kläger an einer Genehmigung der Vermietung des Kellerraums ist auf Grundlage des Sachvortrags der Parteien in Anlehnung an § 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Wert der konkret erzielbaren Jahresmiete zu bemessen. Damit beträgt das Interesse der Kläger – wie vom Landgericht zutreffend ermittelt – € 5.880,00.
Generell könnte in die Bewertung des Interesses einer Partei an der Vermietung von Sondereigentum oder von Sondernutzungsflächen auch die Auswirkung von Vermietungsbeschränkungen auf den Wert des Eigentums einfließen. Es könnte auch eine Rolle spielen, ob die betreffende Fläche ohne die begehrte Genehmigung durch die Beklagten gar nicht oder nur zu einem geringeren Mietzins zu vermieten wäre. Die Parteien haben dazu allerdings nicht vorgetragen.
Das Interesse der Kläger ist daher in Anlehnung an die Regelung in § 9 ZPO zu bemessen (vgl. LG München I, Beschluss vom 25.9.2017 – 36 S 8485/17, ZMR 2018, 74; LG Frankfurt, Beschluss vom 02. Februar 2017 – 2-13 T 4/17, ZMR 2017, 500). Nach § 9 Satz 1 ZPO wird der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist, § 9 Satz 2 ZPO.
Zwar richten sich gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands nur, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gemeint sind damit besondere kostenrechtliche Wertvorschriften, die nur für den Gebührenstreitwert gelten und für diesen den prozessualen Wertvorschriften vorgehen (BeckOK KostR/Toussaint § 48 GKG Rn. 26). Damit werden die in den §§ 3 – 9 ZPO enthaltenen Wertvorschriften grundsätzlich von § 49a GKG verdrängt. Der Regelungsgehalt von § 49a GKG betrifft aber nicht die Bewertung des Interesses der jeweiligen Partei, sondern schreibt vor, dass sowohl das Interesse der Klagepartei als auch das Interesse der Beklagten und der Beigeladenen zu berücksichtigen ist, und gibt zudem bestimmte Höchstgrenzen für die Bemessung des Streitwertes vor. Daher kann auch im Anwendungsbereich des § 49a GKG für die Bewertung der Interessen der Parteien und aller Beigeladenen auf die allgemeinen Wertvorschriften in den §§ 3 – 9 ZPO zurückgegriffen werden.
Die Kläger verlangen die Zustimmung der übrigen Eigentümer zu dem Mietvertrag mit dem Kaminfeger, also zu einem Vertrag, der Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen begründet.
Die Zustimmung zu dem Vertragsschluss kann den von § 9 ZPO geregelten Fällen gleichgesetzt werden (vgl. BGH Urt. v. 27.1.2011 – V ZB 255/10, NZM 2011, 367).
Soweit in der Rechtsprechung bei Vermietungsbeschränkungen der Streitwert auf Grundlage des Jahresmietzinses befürwortet wurde (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20. September 2001 -2Z BR 39/01, ZWE 2002, 127), gilt dies nach Auffassung des Senates in Ansehung von § 9 Satz 2 ZPO nur, wenn auch die Mietdauer entsprechend beschränkt ist.
Nach dem für die Bemessung des Streitwertes maßgeblichen Vortrag der Kläger beträgt die von dem Kaminfeger monatlich zu entrichtende Miete € 140,00. Es wurde nicht vorgetragen, dass die Mietzeit auf einen Zeitraum beschränkt wurde, der die Dauer von dreieinhalb Jahren unterschreitet. Das Interesse der Kläger beträgt mithin € 5.880,00.
bb) Das Interesse der Beklagten bemisst der Senat mit einem Regelstreitwert in Höhe von € 5.000,00. Das Interesse der Beklagten ist auch im Rahmen des vorrangigen § 49a GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.
Nach dem Vortrag der Parteien wurde die Zustimmung zur Vermietung an den Kaminfeger abgelehnt, weil es bei der Nutzung des Raumes durch die Mitarbeiter des Kaminfegers als Sozialraum zu Lärmbelästigungen gekommen sei und die Mitarbeiter außerdem tagsüber ihre Privatfahrzeuge auf den Gemeinschaftsflächen abstellen würden.
Das Interesse der Beklagten besteht daher in der Vermeidung der genannten Störungen. Grundsätzlich kann bei erheblichen Störungen das Interesse der beeinträchtigten Eigentümer mit der Werteinbuße bemessen werden, die das Eigentum der anderen Eigentümer durch das Vorhandensein der Störungen erleidet.
Zu eventuellen Werteinbußen haben die Beklagten jedoch nicht vorgetragen. Die Störungen wurden auch nicht als derart gravierend geschildert, dass der Senat überhaupt von einer Wertminderung anderer Sondereigentumseinheiten ausgeht. In einem solchen Fall ist auf einen Regelstreitwert zurückzugreifen, den der Senat in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG mit € 5.000,00 ansetzt.
cc) Der Streitwert beträgt € 5.880,00. Zwar berechnet sich nach § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG ein Streitwert von € 5.440,00 (50% von (€ 5.880,00 + € 5.000,00 =) € 10.880,00). Jedoch darf der Streitwert nach § 49a Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GKG das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten. Das Interesse der Klageseite bildet nach dem Gesetz den Mindeststreitwert, soweit das Interesse nicht den Verkehrswert der Sondereigentumseinheiten der auf der Klageseite stehenden Eigentümer überschreitet, vgl. § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 49a GKG Rn. 21).
3. Die Beschwerde der Kläger bleibt erfolglos und die Streitwertbeschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts sind auch nicht zu korrigieren. Denn mit der Festsetzung des Streitwertes jeweils auf € 5.997,60 haben sie gebührenrechtlich den Streitwert auf bis € 6.000,00, also auf eine bestimmte Streitwertstufe festgesetzt. Für eine Änderung des Streitwertes innerhalb einer Streitwertstufe ist kein Rechtsschutzbedürfnis ersichtlich.
4. Wegen der Zulässigkeit der Beschwerde sind im Beschwerdeverfahren keine Gebühren entstanden; eine Kostenerstattung für Auslagen findet nicht statt (§ 68 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG).


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