Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Vormerkung für eine Sozialwohnung mit bestimmter Größe

Aktenzeichen  M 12 K 16.2584

Datum:
11.8.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWoBindG BayWoBindG Art. 3 Abs. 2 S. 1, Art. 4
BayWoFG BayWoFG Art. 14 Abs. 3 S. 2
VwGO VwGO § 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 4, S. 7, § 88, § 102 Abs. 2, § 113 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Im Rahmen der Vormerkung für eine Sozialwohnung scheidet eine „punktgenaue“ Auslegung dergestalt, dass für einen konkreten Wohnungssuchenden nur eine Wohnung mit einer ganz bestimmten Quadratmeterzahl und/oder Zimmeranzahl angemessen wäre, naturgemäß aus. Die für den jeweiligen Wohnungssuchenden (und seine Haushaltsangehörigen) „angemessene“ Wohnungsgröße bewegt sich vielmehr innerhalb einer gewissen Bandbreite. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2016 entschieden werden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger ist form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage ist gem. § 88 VwGO aufgrund der Klagebegründung dahingehend auszulegen, dass der Kläger unter Aufhebung der Nr. 2 des Bescheids vom 1. Juni 2016 die Verpflichtung der Beklagten begehrt, eine Wohnfläche mit mindestens 40 qm als angemessene Wohnungsgröße festzusetzen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung von mindestens 40 qm als angemessene Wohnungsgröße (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte hat ermessensfehlerfrei einen Wohnraum mit einer Wohnfläche ab 10 qm als angemessene Wohnungsgröße festgesetzt. Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Wohnraumförderung in Bayern (Bayerisches Wohnraumförderungsgesetz – BayWoFG) in der Fassung vom 10. April 2007 wird ein Wohnberechtigungsschein erteilt, wenn die Größe des Wohnraums angemessen ist. Eine Definition der angemessenen Wohnraumgröße findet sich aber weder im Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz noch im Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern (Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz – BayWoBindG) oder in der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsrechts und des Besonderen Städtebaurechts (DVWoR). Eine „punktgenaue“ Auslegung dergestalt, dass für einen konkreten Wohnungssuchenden nur eine Wohnung mit einer ganz bestimmten Quadratmeterzahl und/oder Zimmeranzahl angemessen wäre, scheidet naturgemäß aus. Die für den jeweiligen Wohnungssuchenden (und seine Haushaltsangehörigen) „angemessene“ Wohnungsgröße bewegt sich vielmehr innerhalb einer gewissen Bandbreite. Solange die Behörde diese Bandbreite nicht unter- oder überschreitet, also den Wohnungssuchenden nicht für eine unangemessen kleine oder unangemessen große Wohnung vormerkt, liegt es im Ermessen der Behörde, welchen Wohnungstyp bzw. welche Wohnungsgröße sie im Rahmen der Vormerkung festsetzt. Die Beklagte hat das ihr diesbezüglich zustehende Ermessen durch verschiedene Dienstanweisungen allgemein ausgeübt.
Solange kein besonderer Mehrraumbedarf vorliegt, bewegt sich die Behörde innerhalb der durch den Begriff der Angemessenheit vorgegebenen Bandbreite, wenn sie vor dem Hintergrund der schwierigen Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt Ein-Personen-Haushalte nur für einen Wohnraum mit einer Wohnfläche ab 10 qm vormerkt. Die Beklagte verstößt mit dieser restriktiven Praxis auch nicht gegen die sie bindenden Regelungen in Nr. 5.7 Satz 2 der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr erlassenen Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts (VVWoBindR) vom 27. Februar 2013, wonach für einen Alleinstehenden bis zu 50 qm Wohnfläche oder bis zu zwei Wohnräume angemessen sind. Diese Regelung bezieht sich direkt nur auf die Ausstellung des Wohnberechtigungsscheins nach Art. 4 BayWoBindG (vgl. die Überschrift von Nr. 5 VVWoBindR), der in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf nicht zwingend erforderlich ist (vgl. § 3 Abs. 2 Halbsatz 2 DVWoR), in den Gebieten ohne erhöhten Wohnungsbedarf für den Verfügungsberechtigten jedoch den Nachweis darstellt, dass die freigewordene Wohnung dem Wohnungssuchenden überlassen werden darf, wenn die im Wohnberechtigungsschein angegebene Wohnungsgröße „nicht überschritten“ wird (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayWoBindG). Die in Nr. 5.7 VVWoBindR angegebenen Werte sind daher nur Obergrenzen. Das geht auch aus dem Wortlaut deutlich hervor. Dies korrespondiert auch mit den Wohnraumförderungsbestimmungen 2012 (WFB 2012) der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 22. Januar 2012, Az. IIC1-4700-001/11 (AllMBl S. 592). Nach Nr. 22.2 WFB 2012 ist eine Einzimmerwohnung mit höchstens 40 qm für eine Person angemessen.
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist die Ermessensentscheidung der Beklagten im Fall des Klägers als angemessene Wohnungsgröße einen Wohnraum ab 10 qm festzusetzen, rechtlich nicht zu beanstanden. Ein Mehrraumbedarf ist vorliegend nicht ersichtlich. Dieser ergibt sich auch nicht aus der Größe des Hausstandes des Klägers. Durch die Größe des Hausstandes ergibt sich weder ein unabweisbares persönliches Bedürfnis des Klägers noch ein zwingender zusätzlicher, künftiger Raumbedarf. Im Hinblick auf den geringen Bestand von Sozialwohnungen in München und der großen Nachfrage von Wohnberechtigten sind diese Begriffe restriktiv auszulegen. Dass bei einem Umzug in eine kleinere Wohnung ein Teil des Hausstandes nicht mitgenommen werden kann, ist nicht außergewöhnlich und belastet den Kläger nicht stärker als andere Wohnungssuchende.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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