Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Vormerkung für eine Sozialwohnung

Aktenzeichen  M 12 K 16.138

Datum:
3.3.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWoBindG Art.3 Abs. 2 S. 1, Art. 4, Art. 5, Art. 14 Abs. 3 S. 2
DVWoR DVWoR § 3 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht legt das klägerische Begehren gemäß § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend aus, dass der Kläger unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides vom 7. Dezember 2015 die Verpflichtung der Beklagten begehrt, als angemessene Wohnungsgröße 3 Wohnräume mit einer Fläche ab 10 qm festzusetzen.
Die so verstandene Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Festsetzung von 3 Wohnräumen mit einer Fläche ab 10 qm als angemessene Wohnungsgröße (§§ 113 Abs. 5 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO). Die im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 7. Dezember 2015 erfolgte Festsetzung der angemessenen Wohnungsgröße auf 2 Wohnräume mit einer Fläche ab 10 qm sowie 1 Wohnraum mit einer Fläche unter 10 qm erweist sich vielmehr als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 des Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes (BayWoFG) in der Fassung vom 10. April 2007, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. März 2009, wird ein Wohnberechtigungsschein erteilt, wenn die Größe des Wohnraums angemessen ist. Eine Definition der angemessenen Wohnraumgröße findet sich weder im Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz noch im Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz oder in der Verordnung zur Durchführung des Wohnraumförderungs- und Wohnungsbindungsrechts (DVWoR). Eine „punktgenaue“ Auslegung dergestalt, dass für einen konkreten Wohnungssuchenden nur eine Wohnung mit einer ganz bestimmten Quadratmeterzahl und/oder Zimmeranzahl angemessen wäre, scheidet naturgemäß aus. Die für den jeweiligen Wohnungssuchenden „angemessene“ Wohnungsgröße bewegt sich vielmehr innerhalb einer gewissen Bandbreite. Solange die Behörde diese Bandbreite nicht unter- oder überschreitet, also den Wohnungssuchenden nicht für eine unangemessen kleine oder unangemessen große Wohnung vormerkt, liegt es im Ermessen der Behörde, welchen Wohnungstyp bzw. welche Wohnungsgröße sie im Rahmen der Vormerkung festsetzt. Die Beklagte hat das ihr diesbezüglich zustehende Ermessen durch verschiedene Dienstanweisungen allgemein ausgeübt. Hinsichtlich der angemessenen Wohnraumgröße ist die Dienstanweisung Mehrraumbedarf (DA Mehrraum) vom 11.Oktober 2001 zu berücksichtigen.
Gemäß den Vorgaben der DA Mehrraum ist die Wohnungsgröße in der Regel angemessen, wenn auf jedes Haushaltsmitglied ein Wohnraum ausreichender Größe entfällt. Zusätzlicher Wohnraum kann insbesondere aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen oder z. B. für junge Familien gewährt werden. Solange kein besonderer Mehrraumbedarf vorliegt, bewegt sich die Behörde innerhalb der durch den Begriff der Angemessenheit vorgegebenen Bandbreite, wenn sie Einpersonenhaushalte nur für Einzimmerwohnungen vormerkt. Die Beklagte verstößt mit dieser restriktiven Praxis auch nicht gegen die sie bindenden Regelungen in Nr. 5.7 Satz 2 der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern erlassenen Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts (VVWoBindR) vom 2. Mai 2012, wonach für Alleinstehende bis zu 50 qm Wohnfläche oder bis zu zwei Wohnräume angemessen sind. Diese Regelung bezieht sich direkt nur auf die Ausstellung des Wohnberechtigungsscheins nach Art. 4 BayWoBindG (vgl. die Überschrift von Nr. 5 VVWoBindR), der in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf nicht zwingend erforderlich ist (vgl. § 3 Abs. 2 Halbsatz 2 DVWoR), in den Gebieten ohne erhöhtem Wohnungsbedarf für den Verfügungsberechtigten jedoch den Nachweis darstellt, dass die freigewordene Wohnung dem Wohnungssuchenden überlassen werden darf, wenn die im Wohnberechtigungsschein angegebene Wohnungsgröße „nicht überschritten“ wird (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayWoBindG). Die in Nr. 5.7 VVWoBindR angegebenen Werte sind daher nur Obergrenzen. Das geht auch aus dem Wortlaut deutlich hervor. Dies korrespondiert auch mit den Wohnraumförderungsbestimmungen 2012 (WFB 2012) der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 22. Januar 2012, Az. IIC1-4700-001/11 (AllMBl S. 592).
Zusätzlicher Wohnraum aus gesundheitlichen Gründen ist nach Nr. 1. der DA Mehrraum angemessen, wenn der Antragsteller oder ein Haushaltsangehöriger wegen einer dauerhaften, schweren Behinderung oder Erkrankung mit einer gesundheitlichen Gefährdung rechnen muss, falls er keinen zusätzlichen Raum, insbesondere als gesondertes Schlafzimmer erhält. Ist eine Pflegekraft rund um die Uhr anwesend oder übernachtet diese zumindest in der Wohnung, kann auch die Zubilligung einer Dreizimmerwohnung angemessen sein. Nach der Lebenserfahrung in absehbarer Zeit zu erwartender zusätzlicher Raumbedarf ist dabei anzuerkennen. Im Hinblick auf den geringen Bestand an Sozialwohnungen im Gebiet der Beklagten und der großen Nachfrage von Wohnberechtigten, sind die in der DA Mehrraum genannten Ausnahmen jedoch streng auszulegen. In der Regel ist nach Nr. 1.4. der DA Mehrraum davon auszugehen, dass Schwerkranke, die im Haushaltsverband in einer Wohnung leben, in der auf jedes Haushaltsmitglied ein Wohnraum ausreichender Größe entfällt, angemessen unterbracht sind. Anträge auf Mehrraumbedarf sind nach Nr. 1.6. der DA Mehrraum daher abzulehnen, wenn die vorgelegte ärztliche Bescheinigung nicht ausreicht, um die Notwendigkeit eines zusätzlichen Wohnraums zu begründen.
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist die Ermessensentscheidung der Beklagten, im Fall des Klägers als angemessene Wohnungsgröße 2 Wohnräume mit einer Fläche ab 10 qm sowie 1 Wohnraum mit einer Fläche unter 10 qm festzusetzen, rechtlich nicht zu beanstanden.
Durch die erfolgte Vormerkung für eine Sozialwohnung mit 2 Wohnräumen mit einer Fläche ab 10 qm steht jedem Haushaltsangehörigen entsprechend den Vorgaben der DA Mehrraum ein eigener Wohn- bzw. Rückzugsraum mit ausreichender Größe zur Verfügung. Zudem hat die Beklagte durch die Zuerkennung eines weiteren Wohnraums mit einer Fläche unter 10 qm dem Umstand Rechnung getragen, dass der Kläger infolge seiner Pflegebedürftigkeit auf Pflegeutensilien angewiesen ist, die in der Wohnung untergebracht werden müssen.
Ein hierüber hinausgehender Mehrraumbedarf aus gesundheitlichen Gründen ist hingegen nicht ersichtlich. Die Zuerkennung eines Wohnraums mit einer Fläche unter 10 qm erscheint ausreichend, um dort den vom Kläger benötigten Rollator unterzubringen und Windelhosen vorrätig zu halten (vgl. Rezepte vom 4. September 2015 und 28. Dezember 2015). Aus den vorgelegten Attesten geht nicht hervor, dass der Kläger darüber hinaus auf weitere, raumgreifende medizinischen Geräte oder Pflegeutensilien angewiesen ist, deren Lagerung einen Raum mit einer Fläche über 10 qm erfordert. Insbesondere ergibt sich aus keinem der vorgelegten Atteste, dass der Kläger – wie in der Klagebegründung vom 12. Januar 2016 vorgetragen wurde – einen Rollstuhl benötigt. Ferner steht der Ehefrau des Klägers bei der festgesetzten Wohnungsgröße auch die in dem Attest von Frau Dr. med. … K. vom 4. November 2015 geforderte Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung.
Die Zubilligung eines zusätzlichen Wohnraums mit einer Fläche über 10 qm zur Unterbringung einer Pflegekraft, die den Kläger rund um die Uhr betreut oder zumindest in der Wohnung übernachtet, kommt derzeit ebenfalls nicht in Betracht. Denn angesichts des geringen Bestands an Sozialwohnungen in München hat die Vormerkung für eine größere Sozialwohnung zu unterbleiben, wenn zeitlich noch gar nicht bestimmbar ist, ab wann der geltend gemachte Mehrraumbedarf tatsächlich benötigt wird. Vorliegend lässt sich den seit dem Urteil des erkennenden Gerichts vom 28. Mai 2015 vorgelegten ärztlichen Attesten nicht entnehmen, dass der Kläger derzeit oder zumindest in absehbarer Zeit auf die Unterstützung einer Pflegekraft angewiesen ist, die den Kläger rund um die Uhr betreut oder in der Wohnung übernachtet. Sowohl Frau Dr. med. … K. als auch Herr Dr. med. … O. gehen in ihren ärztlichen Attesten vom 28. Oktober 2015, 4. November 2015 und 24. Februar 2016 davon aus, dass die Pflege des Klägers derzeit durch seine Ehefrau gewährleistet wird. Zwar ergibt sich aus den vorgenannten Attesten, dass die Ehefrau des Klägers zuletzt durch Hilfspersonen unterstützt wurde. Aus keinem der Atteste geht jedoch hervor, dass sich diese Hilfspersonen rund um die Uhr in der Wohnung des Klägers aufhalten oder dort zumindest übernachten. Die in dem ärztlichen Attest vom 24. Februar 2016 angesprochenen Übernachtungen eines Freundes der Familie beschränken sich auf Phasen, in denen sich der Kläger aggressiv verhält und von seiner Ehefrau nicht mehr beruhigt werden kann oder in denen die Ehefrau des Klägers verhindert ist. Dass sich der Gesundheitszustand des Klägers soweit verschlechtert hat, dass die dauerhafte Anwesenheit des Freundes notwendig ist, lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Zudem lehnt der Kläger den vorgenannten Attesten zufolge derzeit die Hilfe durch ihm fremde Personen ab, so dass auch Versuche, einen Pflegedienst einzurichten, gescheitert sind. Ob und ab welchem Zeitpunkt ein zusätzlicher Mehrraumbedarf zur Unterbringung einer Pflegekraft benötigt wird, ist damit im Moment nicht absehbar. Die Beklagte hat daher zu Recht die angemessene Wohnungsgröße auf 2 Wohnräume mit einer Fläche ab 10 qm sowie 1 Wohnraum mit einer Fläche unter 10 qm festgesetzt.
Nach alledem war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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