Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Wohnnutzung, Angemessenheitsprüfung, Zweitwohnungsnutzung

Aktenzeichen  12 CS 22.182

Datum:
23.3.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12425
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG (Zweckentfremdungsgesetz) Art. 1 Abs. 1 S. 1
Zweckentfremdungsverbotssatzung (ZwEVS) § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 der

 

Leitsatz

1. Das Wohnraumzweckentfremdungsrecht erlaubt weder eine öffentliche Wohnraumbewirtschaftung noch eine Prüfung der Angemessenheit des Umfangs einer Wohnnutzung.
2. Auch das Zweitwohnen erfüllt den Tatbestand des Wohnens.

Verfahrensgang

AN 3 S 21.2026 2021-12-22 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. Dezember 2021, AN 3 S 21.02026, wird aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 19. November 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Oktober 2021 – SW/1-Wac-126/2020 – wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 5.071,50 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. Dezember 2021, AN 3 S 21.02026, mit dem sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 19. November 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Oktober 2021 abgelehnt wurde, mit welchem diese die unverzügliche Rückführung seiner Wohnung im 2. Stock in der …-Str. … in Nürnberg zu Wohnzwecken unter Androhung eines Zwangsgeldes angeordnet hat.
I.
1. Der Antragsteller trug im Gerichts- und zuvor im Verwaltungsverfahren vor, er habe von einer bisherigen – baurechtlich nicht genehmigten – Nutzung als Ferienwohnung Abstand genommen und nutze, nachdem er vergeblich Mieter gesucht habe, die Wohnung im 2. Stock nunmehr als ergänzende Wohnung für sich selbst zu seiner Wohnung im Erdgeschoss derselben Adresse und mit seiner Tochter, die im 1. Stock wohne. Er bestreitet, dass die Wohnung im 2. Stock nur als Möbellager genutzt werde, sowie, dass sie leer stehe. Möbel aus einem Verkauf eines anderen Anwesens in der … Straße … in Nürnberg seien dort nur vorübergehend untergestellt. Alle drei Wohnungen in der …-Str. … in Nürnberg würden also zu Wohnzwecken genutzt, so dass eine Zweckentfremdung i.S.d. ZwEWG (Zweckentfremdungsgesetz v. 10.12.2007, GVBl. S. 964, BayRS 2330-11-B) nicht vorliege.
2. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass die ursprüngliche Nutzung als Ferienwohnung eine Zweckentfremdung dargestellt habe. Die entsprechende Zweckentfremdungssatzung der Stadt Nürnberg ist am 30. Mai 2019 in Kraft getreten. An die Stelle der Ferienwohnungsnutzung, so die Antragsgegnerin, sei nun der neue Tatbestand der Zweckentfremdung des Leerstehens getreten. Eine bauliche Zusammenlegung der Wohnungen im 1. und 2. Stock sei nicht erkennbar. Die ergänzende Nutzung der Wohnung im 2. Stock durch den Antragsteller und Eigentümer genüge nicht, um einen Leerstand auszuschließen. Als „Heimstatt“ diene dem Antragsteller bereits die Wohnung im Erdgeschoss.
3. Der Antragsteller äußerte unter Vorlage von Belegen, die Wohnung im 2. Stock sei möbliert und könne objektiv als Wohnraum genutzt werden, was der Antragsteller im Einzelnen substantiierte (Einnahme von Mahlzeiten, Duschen etc. in der Wohnung im 2. Stock).
4. Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schriftsatz vom 4. März 2022, dass kein ernsthaftes Bemühen des Antragstellers erkennbar sei, die Wohnung im 2. Stock einer Wohnnutzung zuzuführen, es fehle auch an einer baulichen Zusammenlegung. Die Wohnung sei immer noch nicht aus der Plattform booking.com entfernt, wozu der Antragsteller bereits in der Beschwerdebegründung vorgetragen hatte, dass er bei der Plattform mitgeteilt habe, dass die Wohnung nicht mehr zur Verfügung stehe. Vielmehr, so die Auffassung der Antragsgegnerin, diene bereits die Wohnung im Erdgeschoss dem Antragsteller als Heimstatt. Die behauptete Existenzgefährdung des Antragstellers vertrage sich nicht damit, dass er es sich leisten könne, mit seiner Tochter drei Wohnungen zu bewohnen.
5. Der Antragsteller ergänzte mit Schriftsatz vom 3. März 2022, dass ein Architektenbüro mit der Zusammenlegung der Wohnungen im 1. und 2. Stock beauftragt worden sei, sodass ein Baugenehmigungsantrag von einem Dreifamilienhaus hin zu einem Zweifamilienhaus vorbereitet werde. Mit Schriftsatz vom 17. März 2022 wurde dem Gericht mitgeteilt, dass für die Dauer von drei Monaten eine ukrainische Familie kostenfrei zur Wohnnutzung in die streitgegenständliche Wohnung aufgenommen werde. Die Antragsgegnerin erinnerte mit Schriftsatz vom 21. März 2022 an die noch nicht aufgegebene Absicht der Vermietung als Ferienwohnung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in vollem Umfang Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz zu Unrecht versagt. Der streitgegenständliche Bescheid vom 20. Oktober 2021 ist offensichtlich rechtswidrig und verletzt den Antragsteller damit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Rahmen der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt deshalb das Anordnungsinteresse.
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 3 Abs. 3 ZwEWG ist statthaft, zulässig und nach summarischer Prüfung auch begründet.
2.1 Der erkennende Senat hat bereits in den Beschlüssen vom 24. März und 26. Juli 2021 (BayVGH, B.v. 24.3.2021 – 12 ZB 19.269 – juris; B.v. 26.7.2021 – 12 B 21.913 – juris) zum Ausdruck gebracht, dass es zweckentfremdungsrechtlich zunächst darauf ankommt, ob eine Wohnnutzung erfolgt. Zwar hat der Senat (BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 12 CS 18.2658, BayVBl. 2019, 384, 386) wegen des hohen öffentlichen Interesses im Falle zweckentfremdungsrechtlicher Anordnungen (Art. 3 Abs. 3 ZwEWG) judiziert, dass grundsätzlich die aufschiebende Wirkung der Klage nur dann, analog § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, anzuordnen ist, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen. Diese indes sind vorliegend gegeben.
Insoweit nimmt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten vor. Dem Charakter des Eilverfahrens folgend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage – als wesentliches Element der Interessenabwägung – treffen. Kann wegen der besonderen Dringlichkeit der Sache oder der Komplexität der Rechtsfragen keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens getroffen werden, sind die einander gegenüberstehenden Interessen zu gewichten (vgl. BVerwG, B.v. 22.3.2010 – 7 VR 1/10 -, juris).
Bei den für die Interessenabwägung in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zunächst in den Blick zu nehmenden Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gegen eine sofort vollziehbare Maßnahme, bei der auch die Rechtmäßigkeit von Bestimmungen einer Satzung in Rede steht, ist nicht etwa ein Prüfungsmaßstab heranzuziehen, der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren einer Normenkontrolle im Sinne des § 47 VwGO gleichkäme. Eine Inzidentkontrolle einer Satzung, die auch schwierige Fragen aufwerfen würde, kann ohne eingehende Prüfung regelmäßig nicht erfolgen und ist insbesondere mit dem summarischen Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht vereinbar. In einem solchen Verfahren ist vielmehr regelmäßig von der Gültigkeit von Satzungsbestimmungen auszugehen, wenn sich diese nicht ersichtlich als rechtswidrig darstellen (Sächsisches Oberverwaltungsgericht, B.v. 21.3. 2012 – 4 B 88/11 -, juris).
Gemessen an diesem Maßstab erweisen sich die einschlägigen Satzungsbestimmungen der Antragsgegnerin nicht als offensichtlich rechtswidrig. Dies folgt bereits daraus, dass die mit der streitgegenständlichen Zweckentfremdungssatzung der Antragsgegnerin nahezu deckungsgleiche Satzung der Landeshauptstadt München vom 11. Dezember 2017 i.d.F. vom 4. November 2019, soweit mit der Satzung der Stadt Nürnberg vergleichbar, in mehreren Verfahren des Senats als rechtswirksam erachtet wurde (vgl. z.B. BayVGH vom 20.5.2020 – 12 B 19.1648 -, juris), sodass sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bestimmungen der Satzung der Stadt Nürnberg jedenfalls nicht aufdrängen. Soweit diese im Vergleich zur Satzung der Landeshauptstadt geringfügige Abweichungen aufweist, rechtfertigen auch diese nach summarischer Prüfung nicht die Annahme einer offenkundigen (evidenten) Rechtswidrigkeit. Das Zweckentfremdungsverbot, das die Antragsgegnerin generell mit ihrer Satzung durchsetzen will, verstößt nach summarischer Prüfung insbesondere nicht gegen Art. 14 GG, zumindest hinsichtlich der hier in Rede stehenden Regelungen; die Regelungen der Satzung alter Fassung der Landeshauptstadt München, die der erkennende Senat im Normenkontrollverfahren Az. 12 N 20.1706 durch Beschluss vom 20. Januar 2021 für unwirksam erklärt hat, enthält die Zweckentfremdungsverbotssatzung der Antragsgegnerin nicht. Die gesetzliche Ermächtigung in Art. 2 Abs. 1 ZwEWG und die hierzu erlassene Satzung der Antragsgegnerin sind insoweit durch den Gestaltungsauftrag des Normgebers aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckt (vgl. dazu bereits BVerfG NJW 1975, 727, 730).
2.2 Ausgehend von diesen rechtlichen Vorüberlegungen hält der Senat im vorliegenden Verfahren eine Zweckentfremdung im Sinne der Satzung der Antragsgegnerin nicht für gegeben. Zwar geht die Antragsgegnerin nach wie vor von einem Vortäuschen einer Wohnnutzung der Wohnung im 2. Stock aus, ohne jedoch entsprechende Sachverhalte ausreichend im Sinne der bei ihr liegenden Feststellungslast ermittelt bzw. gar festgestellt zu haben. Der Antragsteller hat zumindest seine „Mitwirkungspflichten“ (korrekt geht es um Mitwirkung zur Vermeidung der Umkehr der bei der Antragsgegnerin liegenden Feststellungslast) im Zweckentfremdungsverfahren erfüllt und zur Sachverhaltsaufklärung – sogar umfangreich – beigetragen, wobei die sukzessive Substantiierung der sich laufend ändernden Situation geschuldet ist (Möbel im 2. Stock zwischengelagert, Renovierung der Wohnung im Erdgeschoss, wobei der Antragsteller solange im 1. Stock wohnt, etc., vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 2 ZwEVS). Die vorübergehende kostenfreie Unterbringung (für drei Monate) einer ukrainischen Familie zur Wohnnutzung ist ebenfalls zweckentfremdungsrechtlich unschädlich.
Diese Einlassungen des Antragstellers vermochte die Antragsgegnerin nicht zu widerlegen. Sie sind für den Senat durchgängig nachvollziehbar und glaubhaft. Darauf, ob der Antragsteller bzw. seine Tochter auf die Wohnung im 2. Stock angewiesen sind oder nicht, worauf die Antragsgegnerin abhebt (vgl. auch S. 24 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22.12.2021, Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 4. März 2022, Seite 3), kann es nicht ankommen, da das Zweckentfremdungsrecht keine Angemessenheitsprüfung von Wohnraum beinhaltet; eine solche ergibt sich weder aus dem bayerischen Landesgesetz noch aus der Satzung der Stadt Nürnberg. Es genügt, dass Wohnnutzung – hier durch den Eigentümer und seine Tochter – erfolgt. Ein Leerstehenlassen i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEVS läge nur dann vor, wenn der Wohnzweck auf Dauer völlig aufgegeben wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2021 – 12 B 21.913 -, juris Rn. 24, BayVGH, B.v. 29.09.1992 – 7 CS 92.2512 -, ZMR 1993, 137).
2.3 Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Argumente, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen mithin zur Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 19. November 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Oktober 2021 – SW/1-Wac-126/2020.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Oktober 2021 wird im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach keinen Bestand haben, da die Voraussetzungen für die gegenüber dem Antragsteller nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, § 12 der Zweckentfremdungsverbotssatzung der Stadt Nürnberg i.V.m. Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG vom 10.12.2007, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.6.2017, GVBl. S. 182) getroffene Anordnung, die Wohnung im 2. Stock des Anwesens …-Str. … in Nürnberg zur Wohnnutzung zurückzuführen, nicht vorliegen, womit zugleich die Grundlage für die ebenfalls streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung entfällt. Dass die Zweckentfremdungstatbestände im ZwEWG und somit auch in der entsprechenden Zweckentfremdungssatzung restriktiv auszulegen sind, ergibt sich im Übrigen auch aus dem allgemein im Zweckentfremdungsrecht geltenden gesetzlich vorgegebenen Grundsatz, dass, so Art. 1 Satz 1 ZwEWG, zweckentfremdungsrechtlich relevant (und daher ggf. einer Zweckentfremdungsgenehmigung zugänglich) nur diejenige Nutzung von Wohnraum ist, die überwiegend anderen als Wohnzwecken dient (BayVGH, B.v. 26.7.2021 – 12 B 21.913 -, juris Rn. 27, zum in diesem Fall unschädlichen Überschreiten der 8-Wochen-Grenze des Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG). Da keine Zweckentfremdung vorliegt, war die Grundlage für eine entsprechende Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin nach § 12 ZwEVS nach summarischer Prüfung nicht gegeben.
2.4 Dabei kann hier – wie auch in einem vom Senat entschiedenen Fall aus dem Jahre 2021 (BayVGH, B.v. 31.8.2021 – 12 CS 20.2163) – dahinstehen, ob für den Erlass der Zweckentfremdungsverbotssatzung der Stadt Nürnberg das Erfordernis der Wohnungsnot als gesetzliche Voraussetzung objektiv gegeben ist, vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG (Zweckentfremdungsgesetz). Denn selbst nach der – unterstellt gültigen – Zweckentfremdungsverbotssatzung der Stadt Nürnberg vom 27. Mai 2019 liegt eine Zweckentfremdung nicht vor. Der Tatbestand des Leerstehens in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEVS ist nicht erfüllt, sondern es ist Wohnnutzung gegeben. Der Antragsteller und seine Tochter bewohnen mit ihrer Wohnung im Erdgeschoss und im 1. Stock gemeinschaftlich auch die Wohnung im 2. Stock (mit der erwähnten vorübergehenden Ausnahme der Wohnnutzung durch eine ukrainische Familie, für drei Monate).
Die Wohnung im 2. Stock ist damit mit der Wohnnutzung im EG und im 1. Stock verbunden, wobei es nicht auf bauliche Maßnahmen diesbezüglich ankommt (anders als das Verwaltungsgericht Ansbach in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2021, S. 21 unter aa) annimmt), sondern es genügt, dass der Antragsteller und seine Tochter tatsächlich anhand objektiv und subjektiv nachvollziehbarer Gegebenheiten (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZwEVS) die Wohnnutzung betreiben. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ZwEVS, der feststellt, dass das Zusammenlegen oder Teilen von Wohnraum keine Zweckentfremdung darstellt, widerspricht dem nicht. Letzteres bedeutet insbesondere nicht, dass jeder Eigentümer nur eine Wohneinheit bewohnen dürfte. Selbst wenn die Wohnung im 2. Stock eine Zweitwohnung aus der Sicht des Antragstellers darstellen würde, läge keine Zweckentfremdung vor, denn auch das Zweitwohnen (der Begriff knüpft an das Melderecht an, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Zweitwohnungssteuersatzung – ZwWStS – der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2004, geändert durch Satzung vom 19. Dezember 2017) erfüllt den Tatbestand des Wohnens (auch i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 ZwEVS der Antragsgegnerin; vgl. dazu BVerwG, B.v. 9.1.1991 – 8 B 167.90 -, juris Rn. 2, BayVGH, U.v. 24.1.1995 – 24 B 94.3202, BeckRS 1995, 16813); es genügen insoweit bereits das sporadische Aufhalten in der Zweitwohnung und Teilelemente des Wohnens, es sei denn die Funktion des Wohnens ist nur marginal erfüllt oder gar zum Schein (BayVGH, B.v. 24.3.2021 – 12 ZB 19.369 -, juris Rn. 33). Wenn auch das Zweitwohnungssteuerrecht ein anderes Regelungsziel verfolgt als das Zweckentfremdungsrecht, ist es doch beachtlich, dass das Wohnen im selben Gebäude dort sachlich begründet privilegiert ist, sodass im Erst-Recht-Schluss zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches für das Zweckentfremdungsrecht gelten muss, dass das Wohnen im selben Gebäude erst recht Wohnnutzung darstellt gegenüber dem – Wohnnutzung darstellenden – Wohnen in einer Zweitwohnung (vgl. hierzu auch § 2 Abs. 1 Satz 1 der Zweitwohnungssteuersatzung – ZwWStS). Im Übrigen hat bereits das bayerische Zweckentfremdungsgesetz (Zweckentfremdungsgesetz v. 10.12.2007, GVBl. S. 964, BayRS 2330-11-B) die Zweitwohnungsnutzung zweifellos nicht als Zweckentfremdung erfasst (vgl. WD 3 – 3000 – 152/14, Wiss. Dienst des Bundestages, S. 5 f.).
2.5 Nach allem fehlt infolge der legitimen Wohnnutzung der streitbefangenen Wohnung durch den Antragsteller und seine Tochter die rechtliche Grundlage für ein zweckentfremdungsrechtliches Einschreiten der Antragsgegnerin. Auf die Tatsache, dass die streitbefangene Wohnung ursprünglich einer baurechtlich ungenehmigten Ferienwohnungsnutzung zugeführt worden war (also kein Fall des § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS vorliegt), kommt es nicht mehr an. Insbesondere kann mit diesem in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt eine aktuelle Wohnnutzung nicht angezweifelt werden. Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdebegründung vom 31. Januar 2022, Seiten 6 f., und der Klagebegründung zum Verwaltungsgericht Ansbach vom 9. Februar 2022, S. 3 (AN 3 K 21.02027), ausführlich dargelegt, dass er mit seiner Tochter die streitgegenständliche Wohnung als „Heimstatt im Alltag“ erachtet und dementsprechend mit bewohnt.
2.6 Eine nachträgliche Genehmigungsfähigkeit der Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung zu prüfen ist ebenso entbehrlich, da bereits keine Zweckentfremdung i.S.d. Zweckentfremdungssatzung der Antragsgegnerin vorliegt. Eine daneben bestehende Möglichkeit zur „Abschreckung“ potentieller Zweckentfremder wird vom Schutzzweck des Zweckentfremdungsrechts im Übrigen nicht umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2021 – 12 B 21.913 – juris Rn. 25, 26 m.w.N.). Das Zweckentfremdungsverbot soll nur eine Verschlechterung oder zusätzliche Gefährdung der Wohnraumversorgung der Bevölkerung verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2021 – 12 B 21.913 -, juris Rn. 25, 26; BayVGH, B.v. 20.1.2021 – 12 N 20.1706 – BeckRS 2021, 963 Ls. 6, Rn. 43 f.), die bei einer Wohnung, die vom Eigentümer selbst genutzt wird, nicht zu besorgen ist. Die Verfügungsbefugnis des Grund- und Wohnungseigentümers bleibt grundsätzlich unangetastet, soweit nicht nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers überwiegende Gemeinwohlbelange eine andere Beurteilung und Regelung unabweisbar gebieten. Dies ist hier nicht der Fall.
2.7 Das Zweckentfremdungsrecht erschöpft sich im „Bestandsschutz von Wohnraum“ (BVerfGE 65, 139, 142 f., BVerwG, U.v. 17.10.1997 – 8 C 18/96 – NJW 1998, 94), es erfolgt also keine öffentlich-rechtliche Wohnraumbewirtschaftung (BayVGH, B.v. 20.1.2021 – 12 N 20.1706, LS 3 -, Rn. 42 m.w.N. -, juris, BVerwG, U.v. 17.10.1997 – 8 C 18/96 – NJW 1998, 94, 96).
Eine (Wohnraum-) Gemeinwirtschaft dergestalt, dass dem Wohnungseigentümer das Eigentum an der Wohnung zwar formal belassen wird, der dominierende Einfluss auf die Nutzung des Eigentums aber (faktisch) der öffentlichen Hand übertragen und dadurch die Privatnützigkeit des Eigentums ganz oder jedenfalls weithin aufgehoben wird, bedarf einer gesetzlichen Grundlage unter Beachtung der besonderen Voraussetzungen des Art. 15 GG (BayVGH, B.v. 26.7.2021 – 12 B 21.913 -, juris Rn. 25, 26, Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 15 Rn. 5 m.w.N.). Derartiges kann auf dem Weg lediglich verwaltungsexekutiven Handelns jedenfalls nicht erreicht werden (BayVGH, B.v. 26.7.2021 – 12 B 21.913 -, juris Rn. 25, 26).
Aus den genannten Gründen kommt es nicht darauf an, ob im vorliegenden Fall auch ein Überwiegen schutzwürdiger privater Belange des Antragstellers infolge des Eintritts einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung in Betracht kommt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 26.7.2021 – 12 B 21.913 -, juris Rn. 30).
Der Antragsgegnerin wird empfohlen, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben und einer für diesen Fall zu erwartenden Erledigungserklärung des Antragstellers und Klägers vorab zuzustimmen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 56.6.3., 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem Jahre 2013. Dabei wird von einer durch Vermietung erzielbaren Miete pro qm von 11,27 EUR ausgegangen, was bei 75 qm für die streitbefangene Wohnung zu 10.143,- EUR Jahresmiete führt („Mietspiegel Nürnberg 2022: was mieten in Nürnberg kostet (wohnungsboerse.net)“, abgerufen am 21. Februar 2022), wobei der Betrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren war.
4. Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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