Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter in Teilungserklärung

Aktenzeichen  1 S 17319/19 WEG

Datum:
20.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29880
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1004
WEG § 5 Abs. 4 S. 1, § 13 Abs. 2, § 14, § 15

 

Leitsatz

Der Betrieb eines Imbisses zum Verzehr von Speisen an Tischen innen und außen verstößt gegen eine in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter, nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden darf. Durch das Aufstellen von Stühlen und Tischen wird der Kunde zum Verweilen und zum Verzehr der angebotenen Waren vor Ort eingeladen. Der Kunde wird zum Gast. Wie bei einer Gaststätte steht nicht mehr der bloße Verkauf von Speisen und Getränken im Vordergrund, sondern der Genuss bzw. Verbrauch dieser Speisen und Getränke vor Ort und die Kommunikation mit anderen Gästen (ebenso BGH BeckRS 2019, 31522). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 S 17319/19 WEG 2020-02-24 Hinweisbeschluss LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 15.11.2019, Aktenzeichen 483 C 8260/19 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagte ist Teileigentümerin, die Kläger sind Wohnungseigentümer der WEG … in …. Das Teileigentum der Beklagten, bei welchem es sich ausweislich der Teilungserklärung um einen Laden handelt, ist zum Betrieb eines Imbisslokals vermietet. Mit Enturteil des Amtsgerichts München vom 07.11.2019, zugestellt am 15.11.2019, wurde die Beklagte dazu verurteilt, es zu unterlassen, die Einheit als Dönerimbissstube zu nutzen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen am 11.12.2019, begründet nach gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 14.02.2020. Mit Beschluss vom 24.02.2020 wies die Kammer darauf hin, dass die Berufung keine Aussichten auf Erfolg hat. Mit Schriftsatz vom 16.04.2020 nahm die Beklagte hierzu Stellung.
Auf die genannten Schriftsätze wird ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung und des Hinweisbeschlusses.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 15.11.2019, Aktenzeichen 483 C 8260/19 WEG, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen.
Die Stellungnahme vom 16.04.2020 legt zunächst die Voraussetzungen der typisierenden Betrachtungsweise zutreffend dar. Sie wendet diese dann allerdings nach Auffassung der Kammer nicht mehr in zutreffender Weise an. Sie versucht dabei, die Grundsätze der typisierenden Betrachtungsweise unter anderem dadurch zu umgehen, dass sie die Nutzung, welche erstinstanzlich noch als Dönerladen beschrieben waren, nunmehr als Tagesimbiss bezeichnet.
Der Versuch, hierdurch die konkrete Ausgestaltung der Öffnungszeiten der Imbissstube zum Typ der Nutzung zu erheben, ist aber unbehelflich. Während nämlich der Laden an das Ladenschlussgesetz gebunden ist, steht es der Imbissbude frei, Öffnungszeiten über dieses Maß hinaus festzusetzen. Die sicherlich lobenswerte, freiwillige Beschränkung der Nutzung ist für die Nutzungsart als Imbiss gerade nicht typisch. Sie kann daher bei der Betrachtung, ob die Nutzung störender ist als die von der Teilungserklärung festgelegte Ladennutzung, auch nicht berücksichtigt werden.
Inwieweit die örtlichen Verhältnisse der Wohnungseigentumsanlage hinsichtlich der dargelegten Immissionen bei der Frage des Ausmaßes der Störung zu berücksichtigen sind, kann weitgehend offenbleiben. Unstreitig wird die Einheit zum Betrieb eines Imbisses zum Verzehr von Speisen an Tischen innen und außen genutzt. Hierzu hat der Bundesgerichtshof erst unlängst für den Fall des Betriebs einer Eisdiele entschieden, dass dies gegen eine in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter verstößt, nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden darf. Durch das Aufstellen von Stühlen und Tischen wird der Kunde zum Verweilen und zum Verzehr der angebotenen Waren vor Ort eingeladen. Der Kunde wird zum Gast. Wie bei einer Gaststätte steht nicht mehr der bloße Verkauf von Eis sowie ggf. Kaffeespezialitäten und anderen Getränken im Vordergrund, sondern der Genuss bzw. Verbrauch dieser Speisen und Getränke vor Ort und die Kommunikation mit anderen Gästen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2019 – V ZR 271/18 -, BGHZ 223, 305-316, Rn. 22). Bei typisierender Betrachtung stört die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisdiele jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft, wenn Außenflächen in Anspruch genommen werden, sei es durch eine Außenbestuhlung oder durch den Verkauf nach außen. Schon der Verzehr der angebotenen Speisen und Getränke außerhalb einer Eisdiele ist regelmäßig mit Geräuschen verbunden, die bei dem bloßen Erwerb von Waren innerhalb eines Ladengeschäfts nicht entstehen, etwa mit dem Klappern von Geschirr und dem Rücken von Stühlen. Vor allem aber entsteht durch die Kommunikation der Gäste untereinander – die auch dann zu erwarten ist, wenn lediglich ein Verkauf nach außen erfolgt, weil dieser zu Stoßzeiten üblicherweise dazu führt, dass sich Warteschlangen bilden – eine Geräuschkulisse, die bei einem Ladengeschäft, das die Kunden lediglich zum Erwerb von Waren aufsuchen und danach wieder verlassen, üblicherweise nicht entsteht (BGH, a.a.O., Rn. 25). Was für den Betrieb einer Eisdiele gilt, muss zur Überzeugung der Kammer aus den im Hinweisbeschluss genannten Erwägungen mindestens genauso auch für einen Dönerimbiss gelten. Die von der Stellungnahme beschriebenen weiteren Einwirkungen erreichen schon bei durchgehender Wahrunterstellung kein Ausmaß, welches diese zusätzlichen Einwirkungen völlig in den Hintergrund treten ließe.
Die Kammer begrüßt die bisherigen Bemühungen der Beklagten zur Eingrenzung der Störungen, sieht aber auch unter Berücksichtigung der bereits erfolglosen Mediationsversuche angesichts der Rechtslage keine realistische Möglichkeit, in der Berufungsinstanz eine gütliche Einigung vermitteln zu können. Die Kammer erinnert aber daran, dass eine solche auch nach Abschluss des Verfahrens möglich und für beide Seiten sinnvoll sein kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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