Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckentfremdung (Bayern), Co-Living als gewerbliche Zimmervermietung mit vollständiger Ausstattung und Gemeinschaftseinrichtung ist keine Wohnungsvermietung

Aktenzeichen  M 9 S 21.781

Datum:
15.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16945
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
ZwEWG Art. 3
ZeS § 3, § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 19.800,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. November 2020, mit dem sie unter Androhung eines Zwangsgeldes von jeweils 7.500,- EUR zur Beendigung der Nutzung der verfahrensgegenständlichen Wohnung zu anderen als Wohnzwecken und zur Wiederzuführung zu Wohnzwecken aufgefordert wurde.
Die Klägerin ist eine GmbH, die in der hier verfahrensgegenständlichen Wohnung Nr. 12 ein Co-Living-Konzept betreibt. Die Wohnung Nr. 12 im 5. Obergeschoss ist ausweislich der Baugenehmigung vom 17. Februar 1964 Wohnraum, 150 m², drei Zimmer. Nach dem Umbau durch die Antragstellerin besteht sie aus 6 Schlafzimmern, 2 Bädern sowie einem offenen Wohnbereich mit Küche und Wohnzimmer.
Die Antragstellerin ist Gewerbemieterin. Mit Geschäftsraummietvertrag vom 10./11. Juli 2019 hat sie diese und weitere Wohnungen von der Eigentümerin angemietet. Der Nutzungszweck ist ausweislich Ziff. 1.4 des Mietvertrages die möblierte Untervermietung ausschließlich zu Wohnzwecken.
Die Antragstellerin bewirbt und vermietet die Wohnung möbliert zimmerweise als „Co-Living“ zur Warmmiete. Vertragsgegenstand für die Untermiete ist nach § 1 der in den Behördenakten befindlichen Untermietverträge das „moderne Wohnen in möblierten Wohneinheiten und in Gemeinschaft von Gleichgesinnten für den vorübergehenden Aufenthalt“. Vermietet werden jeweils ein Zimmer sowie die Gemeinschaftseinrichtungen zu einer monatlichen Warmmiete unter Ausschluss der Abrechnung von Nebenkosten, § 3 des Untermietvertrages. Die Zimmer und die Wohnung sind vollständig ausgestattet (z.B. Bl. 204, 205 d. Behördenakte – BA). In der Küche befinden sich sämtliche Küchenutensilien, Besteck und Geschirr. Bettzeug wird gestellt. Die Zimmerwände sind mit Wandpostern dekoriert und in den Schränken befinden sich Kleiderbügel. Auf die umfangreiche Ausstattungsliste wird verwiesen. Als Mietdauer wird in § 2 des Untermietvertrages bestimmt, dass die Vermietung nur für einen vorübergehenden Gebrauch zeitlich befristet erfolgt. Als Mietdauer sind in den verschiedenen Untermietverträgen Datumsangaben zwischen 1 – 2 Jahren genannt. Eine Kündigungsfrist von 3 Monaten ist jeweils eingeräumt. Unter § 7 ist festgelegt, dass der Bewohner sich verpflichtet im „Easy-Street-WG-House“ mit den Übrigen Bewohnern im Sinne einer vertrauensvollen Hausgemeinschaft zusammenzuleben und zu diesem Zweck entsprechende Rücksicht zu üben.
Ortseinsichten am 18. August 2020 (Bl. 97 BA) und am 21. September 2020 (Bl. 378 BA) bestätigten das Nutzungskonzept. Ausweislich der vorgelegten Mietverträge wurden die sechs Zimmer der Wohnung 12 im Zeitraum Oktober 2019 bis zum Bescheiderlass am 19.November 2020 einzeln an bis zu drei verschiedene Untermieter vermietet. Auf die Mietverträge sowie die Zusammenstellung im Bescheid vom 19. November 2020 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 19. November 2020 verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin, die Nutzung der Wohnung zu anderen als Wohnzwecken unverzüglich zu beenden (Ziff. 1) sowie dazu, den Wohnraum unverzüglich nach Beendigung der Überlassung für andere als Wohnzwecke wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. 2). Für den Fall, dass die Anordnung in Ziff. 1 des Bescheides nicht binnen 3 Monate erfüllt werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500,- EUR angedroht (Ziff. 3).
Für den Fall, dass der Anordnung in Ziff. 2 des Bescheides nicht binnen 4 Monate ab Zustellung des Bescheides Folge geleistet werde, wurde ein Zwangsgeld ebenfalls in Höhe von 7.500,- EUR angedroht (Ziff. 4). Rechtsgrundlage sei Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V.m. § 13 Abs. 1 und 2 ZeS. Die ungenehmigte Zweckentfremdung des Wohnraumes zu anderen als Wohnzwecken erfülle den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 4 ZwEWG i.V.m. § 14 Abs. 1 ZeS, §§ 4 und 5 ZeS). Nach den vorgelegten Mietverträgen und den Ergebnissen der Ortseinsichten seien die einzelnen Zimmer seit dem Jahr 2019 jeweils an verschiedene Untermieter zu einer monatlichen Pauschalmiete vermietet worden, die sich dort nur für kurze Zeit aufgehalten haben; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Aufstellung der Zimmer 1 – 6 verwiesen. Das Nutzungskonzept der Co-Living-Vermietung ziele ausschließlich darauf ab, häufig wechselnden Kurzzeitnutzern eine flexible vorübergehende Unterkunft zu bieten und keinesfalls eine Wohnung als Grundlage für eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit. Die einzelnen Wohneinheiten würden zu überdurchschnittlich erhöhten Preisen vermietet. Ein gemeinschaftliches Zusammenleben im Sinne einer freiwilligen Wohngemeinschaft läge nicht vor und die jeweiligen Nutzer würden ihren Lebensmittelpunkt auch nicht nach München auf Dauer verlagern, da sie ihren Wohnsitz im In- oder Ausland nicht aufgäben, sondern nach Beendigung des Aufenthalts in München wieder dorthin zurückkehrten. Nach pflichtgemäßem Ermessen sei die Untersagung der gewerblichen Nutzung zu anderen als Wohnzwecken anzuordnen gewesen. Insbesondere sei der Umbau durch die Antragstellerin von einer 3-Zimmerwohnung in eine Wohnung mit 6 Schlafzimmern nicht die Schaffung von neuem Wohnraum, sondern lediglich die Renovierung vorhandenen Wohnraums gewesen.
Mit am 22. Dezember 2020 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz erhob die Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage (M 9 K 20.6817) und beantragte mit Schriftsatz vom 14. Februar 2021:
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. Dezember 2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. November 2020 wegen des Wohnraums 5. OG Mitte rechts, Wohnung 12, wird angeordnet.
Die von der Eigentümerin angemieteten 7 Mietflächen seien teilweise unbewohnbar gewesen und von der Antragstellerin auf eigene Kosten zügig renoviert und umgebaut worden, sodass im Gebäude fünf räumlich voneinander getrennte Wohngemeinschaften mit insgesamt 26 WG-Zimmern nebst 2 bereits vorhandenen 1-Zimmerappartements gebildet werden konnten. Die hier verfahrensgegenständliche Wohnung Nr.12 habe die Bezeichnung „pink“ und sei 148,47 m² groß. Wegen geplanter Abriss- und Umbaumaßnahmen des gesamten Anwesens sei das Mietverhältnis mit der Eigentümerin bis zum 31. Dezember 2024 befristet. Der Sachverhalt der Antragsgegnerin sei im Bescheid in wesentlichen Punkten falsch dargestellt. Es handele sich um Wohngemeinschaften, ausschließlich zu Wohnzwecken mit einer Mindestmietdauer von 6 Monaten, die als WG-Zimmer je einzelnen vermietet und ausschließlich auf der eigenen und einer weiteren Internetseite beworben würden. Junge Berufstätige und Studenten seien die Zielgruppe. Eine Vermietung als Arbeiterunterkunft, an Feriengäste oder Medizintouristen sei wegen des Co-Living-Nutzungskonzeptes für junge Berufstätige komplett ausgeschlossen. Die Untermietverträge seien befristet und eine vorzeitige Beendigung sei nur bei dem Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Um eine hohe Fluktuation soweit wie möglich zu verhindern, sehe der Mietvertrag eine Zusatzgebühr für den Fall des vorzeitigen Auszugs vor. Es bestehe eine Pflicht zur Anmeldung des Wohnsitzes. Nur die Gemeinschaftsflächen würden einmal wöchentliche gereinigt. Es gäbe Zimmerschlüssel und eine dekorative Eigengestaltung des eigenen WG-Zimmers sei explizit gestattet. Jede WG habe einen gemeinsamen Briefkasten, hier mit der Bezeichnung „pink“ sowie den Namen der einzelnen Bewohner. Aus der Internetseite ergäbe sich, dass die Mindestmietdauer 6 Monate betrage. Aus den beigefügten Verträgen der sechs Mieter, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides dort lebten, ergäbe sich, dass nur 3 Mietverhältnisse nicht bis zum Ende des Hauptmietvertrages in 2024 befristet seien. Jedem Mieter würde eine Wohnungsgeber-Bestätigung ausgestellt. Es habe 2019 und Anfang 2020 eine gewisse Fluktuation innerhalb der Wohngemeinschaften gegeben; das Wohnkonzept sei jedoch durch Änderungen in den Mietverträgen stabilisiert worden. Die WG-Bewohner hätten Einfluss auf die Auswahl neuer Bewohner und würden zunächst gefragt, wenn ein Zimmer frei werde, ob sie jemanden empfehlen könnten. Die Miethöhe sei nicht überdurchschnittlich hoch und außer der wöchentlichen Reinigung gäbe es keine Serviceleistungen. Die zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses beendeten Mietverhältnisse seien zu Unrecht herangezogen worden. Es handele sich nicht um einen Beherbergungsbetrieb, sondern um das Nutzungskonzept einer Wohngemeinschaft. Dafür maßgeblich sei das Nutzungskonzept der Antragstellerin und nicht die subjektiven Zwecke der Bewohner. Das Co-Living-Konzept sei nicht mit den Boardinghouse-Fällen vergleichbar, da die Vermietung nicht tageweise erfolge und weder Bettwäsche noch Handtücher gestellt würden. Es läge ein Ermessensnichtgebrauch vor, da nicht erkennbar sei, in welcher Weise die Antragsgegnerin ihr Ermessen hinsichtlich der vermeintlichen Störer ausgeübt habe. In Betracht käme auch eine Inanspruchnahme der Untermieter oder der Eigentümerin. Die Zwangsgeldandrohung sei zu unbestimmt, da unklar sei, wie die Rückführung zu Wohnzwecken aussehen müsste. Insgesamt sei der Bescheid deshalb rechtswidrig.
Beigefügt ist dem Antrag das Muster eines Standard-Untermietvertrages der Antragstellerin, wonach die Antragstellerin jungen Akademikern modernes Wohnen in möblierten Wohneinheiten ermöglicht (§ 1.1). Weiter beigefügt sind Wohnungsgeber-Bestätigungen sowie Grundrisse und Fotografien sowie Ausdrucke des im Internet veröffentlichten Angebots mit Nutzungskonzept, einer Hausordnung und einzelne Verträge in Kopie.
Mit weiterem Schriftsatz vom 18. Februar 2021 legte die Bevollmächtigte der Antragstellerin eine E-Mail-Korrespondenz und eine WhatsApp-Korrespondenz mit WG-Bewohnern als weitere Anlagen vor. Diese zeigten, dass sich die WG-Bewohner weitgehend selbst um die Suche nach einem Nachmieter bemühten. Die Antragstellerin schlage dieses Vorgehen auch aktiv vor. Es handele sich deshalb mitnichten um eine „Zwangs-WG“. Die WG-Bewohner brächten auch eigene Möbel und persönliche Gegenstände mit – wie z.B. Pflanzen, Regale, Bettwäsche, Bilder, Sandwichmaker, eigene Küchengeräte, Stofftiere, Deko, Playstation, Stereoanlage und diverse Alkoholflaschen. Ausweislich der beigefügten E-Mail-Korrespondenz (Bl. 219 ff. d. Gerichtsakte – GA) wurden die Bewohner wegen des Auszugs von zwei Mitbewohnern aufgefordert, selber einen Mitbewohner auszusuchen und dies nicht über die Plattform „WGgesucht.de“ zu machen; dies sei ein Vorschlag. der Name „Easy Street“ dürfe damit nicht in Verbindung stehen, da es keine Handhabe für diese dagegen gäbe, was die Bewohner schreiben und mit wem. Die WhatsApp-Nachricht befasst sich mit potentiellen neuen Mietern.
Mit einem weiteren Schriftsatz vom 20.April 2021 nahm die Bevollmächtigte nochmals Stellung. Entgegen der Entscheidung des BayVGH v. 24.3.2021 – 12 ZB 19.369 sei die Antragsgegnerin der der rechtsirrigen Auffassung, dass eine Wohnnutzung von mehr als 8 Wochen eine genehmigungsbedürftige Zweckentfremdung darstelle. Unter Zugrundelegung der Entscheidung überwiege wegen Art.14 GG iVm Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der überwiegende schutzwürdige private Belang der Existenzgefährdung. Ein öffentliches Interesse am Wohnraumerhalt fehle, da der Freistaat Bayern mehrere tausend Wohnungen leer stehen lasse, das Haus nach Angaben des Eigentümers im Mietvertrag in naher Zukunft abgerissen werden solle, der Antragsteller sechs vom Wohnungsmarkt benötigte Kleinstwohneinheiten geschaffen habe und hier eine moderne junge Wohnform vorliege. Die Eigentümerin gehe nicht gegen die Antragstellerin vor, weshalb die Störerauswahl ermessensfehlerhaft sei.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 17. März 2021:
Antragsablehnung.
Ergänzend zu den Ausführungen im verfahrensgegenständlichen Bescheid werde darauf hingewiesen, dass die Wohnungen alle nur kurzfristig genutzt worden seien und dies auch dem Vertragsgegenstand eines vorübergehenden Aufenthalts in § 1 des Untermietvertrages entspreche. Die Ausstattung und die Regelungen im Untermietvertrag entsprächen denen für Ferienwohnungen. Die Mieter seien nach Angaben der dort lebenden Mieter „zusammengewürfelt“ (Ortsermittlung v. 21.9.2020). Die Befristung neu abgeschlossener Mietverhältnisse schließe nicht aus, dass eine Kündigung mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende jederzeit möglich sei. Die tatsächliche Aufenthaltsdauer stimme mit dem Nutzungskonzept überein. Alle Zimmer seien seit Oktober 2019 regelmäßig mehrfach vermietet worden. Das Gesamtkonzept und seine Umsetzung entsprächen damit nicht einer Wohngemeinschaft im Sinne einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit. Wegen der Einheiten, der Dauer und der jeweiligen Mieter der einzelnen Zimmer wird auf die ausführliche Darstellung in der Antragserwiderung Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage (§§ 80 Abs. 5 Satz 1, 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG, Art. 21a Satz 1 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG) gegen den zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheid und die damit verbundenen Zwangsgeldandrohungen vom 19. November 2020 hat keinen Erfolg, da das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen summarischen Prüfung bestehen gegen den Bescheid keine rechtlichen Bedenken und eine Verletzung der Antragstellerin in eigenen Rechten ist nicht erkennbar (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin vorgenommene gewerbliche zimmerweise Vermietung der Wohneinheit eine Zweckentfremdung darstellt, die nicht genehmigungsfähig ist.
Rechtsgrundlage der angeordneten Untersagung der Nutzung zu anderen als Wohnzwecken ist Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) i.V.m. § 13 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 11. Dezember 2017; die nach der Änderung vom 4. November 2019 ab dem 1. Januar 2020 geltende Fassung (MüABl S. 452) betraf nicht § 13 ZeS.
Der zweckentfremdungsrechtliche Tatbestand einer Fremdenbeherbergung ist erfüllt (Art. 1 Satz 2 Nr. 1 ZwEWG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS). Zweifelsfrei liegt Wohnraum im Sinne von § 3 ZeS vor. Die Wohnung wurde ausweislich der Baugenehmigung als Wohnraum genehmigt und nach den hier vorliegenden Unterlagen auch so genutzt. Die Umbauten durch die Antragstellerin haben nicht dazu geführt, dass kein Wohnraum mehr vorhanden ist.
Eine Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts liegt immer dann vor, wenn ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen vorliegt und angeboten wird. Das ist immer dann anzunehmen, wenn eine Wohnung für die Dauer eines bestimmten Zwecks, aber einen im Ergebnis vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt wird (BayVGH, B.v. 1.8.2016 – 12 CS 16.969). Maßgeblich sind zunächst die tatsächliche Möglichkeit und die Dauer der eigenen Häuslichkeit in der Wohnung im Sinne einer Heimstatt im Alltag im Gegensatz zu einer flexiblen, vorübergehenden Unterkunft ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes in diese Unterkunft. Dafür entscheidend ist das Nutzungskonzept und das konkrete Geschäftsmodell des Wohnungsgebers sowie als zusätzliches Indiz die Dauer und die Nachhaltigkeit des Aufenthalts der Bewohner, wenn im konkreten Fall das Nutzungskonzept nicht eindeutig ist oder nicht umgesetzt wurde (VG Berlin, U.v. 4.3.2020 – 6 K 420.19). Dabei gilt, dass ein Wohnheim nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ZeS Wohnraum ist. Der Betrieb eines Boardinghouse ist bei entsprechender Hotelähnlichkeit nach ständiger Rechtsprechung ein Gewerbe. Die Nutzung einer Wohnung durch eine Wohngemeinschaft zählt unter den Wohnbegriff, wenn ein entsprechendes Nutzungskonzept glaubwürdig ist. Die Abgrenzung hängt vom Einzelfall ab.
Die Antragstellerin betreibt mit ihrem Co-Living-Konzept ein Geschäftsmodell der zimmerweisen gewerblichen Vermietung möblierter Wohnungen an unterschiedliche Mieter mit Gemeinschafsträumen als Wohnen in einer Gemeinschaft zu einer erheblichen Inklusiv-Miete mit Putzdienst, Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsbad unter Bereitstellung einer ferienwohnungsähnlichen Grundausstattung. Für die Mieter handelt es sich quasi um eine „Zwangs-WG“, da sie keinen entscheidenden Einfluss darauf haben, an wen die Zimmer vermietet werden. Die von der Antragstellerin vorgelegte E-Mail-Korrespondenz ergibt lediglich, dass zunächst die Bewohner gefragt werden, ob sie einen Nachmieter für ein freiwerdendes Zimmer wüssten. Auf das Mietverhältnis selber mit einem etwaigen Nachmieter haben sie keinen Einfluss.
Wenn eine Wohneinheit – wie hier – nach ihrer Ausstattung mit Möbeln, Küche und Aufenthaltsräumen dafür geeignet ist, dass die Benutzer in den jeweiligen Räumen ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können, kommt es im Übrigen maßgeblich auf das zugrundeliegende Nutzungskonzept und das konkrete Geschäftsmodell des Vermieters im Einzelfall darauf an, ob eine Wohngemeinschaft der Nutzer vorliegt, die dort über einen längeren Zeitraum – zumindest zeitweiligen – ihren Lebensmittelpunkt und ihre Heimstatt im Alltag haben (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 26.4.2019 – OVG 5 S 24.18) oder ob das Nutzungskonzept einem Bordinghouse gleicht und deshalb eine Fremdenverkehrsnutzung vorliegt. Die Länge des Aufenthalts kann dafür als Indiz berücksichtigt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass bereits das Nutzungskonzept erkennbar und nachprüfbar auf eine längere Aufenthaltsdauer angelegt sein muss und dieses auch sicherstellt. Soweit dazu als zeitliche Grenze zwischen einer kurz- und langfristigen Vermietung die steuerrechtliche Grenze bei 6 Monaten gezogen wird, kommt es nicht entscheidend auf die tatsächliche Dauer der Vermietung an, sondern auf die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters (VG München, U.v. 12.2.2020 – M 9 K 19.2398 u.w.).
Gemessen an diesen Maßstäben verstößt die gewerbliche zimmerweise Vermietung der Wohnung durch die Antragstellerin bereits nach dem Nutzungskonzept gegen Zweckentfremdungsrecht, da sowohl Ausstattung und Serviceleistungen objektiv fremdenverkehrstypisch sind und da subjektiv das Nutzungskonzept der Antragstellerin das Angebot einer flexiblen, vorübergehenden Unterkunft ist, wobei die Dauer des Aufenthalts beliebig lang aber vorübergehend ist. Die Mieter nehmen die Leistungen als Angebot entgegen und regeln ihren Alltag nur sehr begrenzt selbstverantwortlich und selbstbestimmt im Sinne einer Heimstatt im Alltag. Bereits die Tatsache, dass sie verpflichtet sind, mit mehreren Fremden die Gemeinschaftseinrichtungen zu teilen und dass sie dies ausweislich des häufigen Bewohnerwechsels auch nur vorübergehend tun wollen zeigt, dass das Nutzungskonzept der vorübergehenden Unterkunft auch so gelebt wird. Auf die umfangreiche Auflistung der Dauer der jeweiligen Aufenthaltszeiten und wechselnden Mieter in den einzelnen Zimmern in der Behördenakte wird verwiesen.
Zweifel daran, dass Ausstattung und Einrichtung sowie der durchgeführte Putzdienst fremdenbeherbergungstypisch sind, bestehen keine. Nach dem Konzept der Antragstellerin wird eine Grundausstattung – ähnlich dem einer Ferienwohnung – sichergestellt. Die jeweiligen Mieter müssen sich lediglich um Lebensmittel, Handtücher, Bettwäsche, Hygieneartikel und ihre Zimmer kümmern. Die komplette Möblierung – einschließlich der vollständigen Ausstattung der Küche – und die pauschale Bruttomiete sowie der Putzdienst sind für einen Beherbergungsbetrieb typisch. Auch die Dauer der Vermietung ist nach dem Nutzungskonzept und den Mietverträgen auf einen vorübergehenden Zweck ausgelegt. Nach dem Konzept der Antragstellerin soll eine flexible Unterkunft ohne die Mühen der Schaffung eines eigenen Haushalts angeboten werden, wobei sich das Angebot im Internet insbesondere an Personen richtet, die neu nach München kommen und sich hier befristet aufhalten. Die von der Antragstellerin vorgelegten Mietverträge belegen, dass die jeweiligen Mieter ihren Lebensmittelpunkt nicht in diese Gemeinschaftswohnung verlegen und sich keine dauerhafte Heimstatt im Alltag in der Gemeinschaft der Mitbewohner dort schaffen. Die Auswertung, die die Antragsgegnerin vorgenommen hat, geht zutreffend davon aus, dass auch diejenigen, die sich länger in München aufhalten, nach relativ kurzer Zeit wieder ausziehen. Dies entspricht dem Co-Living-Konzept der Antragstellerin, das sich an einen Personenkreis von wohlhabenden Beschäftigten in gutbezahlten gehobenen Positionen richtet, die überwiegend zur Arbeitsaufnahme oder befristeter Projekte nach München kommen und zunächst ohne die Mühen eines eigenen Haushalts eine problemlose Unterkunft mit vielen Annehmlichkeiten erhalten und dies zu einem Preis, der aus ihrer Sicht zumindest vorübergehend bezahlbar ist. Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Kosten seien für die Innenstadtlage moderat schließt sich das Gericht dem nicht an, da die Warmmiete von ca. 900,- EUR für ein Zimmer mit Gemeinschaftsbad, Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsaufenthaltsraum, geteilt mit sechs fremden Mitbewohnern, im Vergleich zu einem Appartement zur Alleinnutzung eher hochpreisig ist. Insgesamt ist das Angebot, das Nutzungskonzept und die tatsächliche Nutzung auch nach Einlassung der Antragstellerin mit dem eines Boardinghouses vergleichbar mit dem Unterschied, dass Küche und Bad geteilt werden müssen und Gemeinschaftsflächen zur Verfügung stehen, die mit ungefähr gleichaltrigen Personen aus den verschiedensten Ländern geteilt werden.
Das Nutzungskonzept der Antragstellerin entspricht nicht dem einer Wohngemeinschaft. Typisch für eine Wohngemeinschaft ist, dass mehrere Personen sich eine Wohnung teilen, regelmäßig ein gemeinsamer Raum vorhanden ist und Küche sowie Bad geteilt werden. Typisch dafür ist allerdings auch, dass die WG-Mitglieder darüber entscheiden, wer mit ihnen zusammenwohnt. Regelmäßig gibt es einen entsprechenden WG-Mietvertrag, der eine solche Nutzung vorsieht. Von einer Wohngemeinschaft in diesem Sinne kann außerdem nur dann ausgegangen werden, wenn die Bewohner unter Verzicht auf große Teile ihrer Privatsphäre und ihrer Eigenständigkeit freiwillig ein gemeinschaftliches Leben organisieren, Küche und Bad teilen und sich selber versorgen, um vor allem Wohnkosten zu sparen, aber auch um gemeinsam zu leben. Ganz wesentlich für eine Wohngemeinschaft ist, dass die betreffenden Personen bewusst zusammenwohnen wollen und nicht ein Dritter als Vermieter Mitbewohner aus einem nicht näher bekannten und spezifizierten Personenkreis bestimmt. Eine Wohnnutzung durch eine Wohngemeinschaft ist deshalb nur dann gegeben, wenn eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit und ein dort freiwillig gewählter, zumindest zeitweiliger Lebensmittelpunkt als Heimstatt im Alltag durch einen üblicherweise homogenen Nutzerkreis vorliegt, der diese Wohnform unter anderem deshalb wählt, weil ein gemeinsames Wohnen und Haushalten billiger ist. Das Nutzungskonzept der Antragstellerin erfüllt – ungeachtet der Bezeichnung als „Co-Living“ – diese Kriterien für eine Wohnnutzung als Wohngemeinschaft nicht, da die Vermietung an jedermann erfolgt, die Gemeinschaft aus zufällig dort Wohnenden besteht, keine Gemeinsamkeit des Nutzerkreises vorliegt und für einen nicht geringen Pauschalpreis eine gehobene Versorgung angeboten wird, die vom Umfang her dem einer qualitativ solide ausgestatteten Ferienwohnung entspricht.
Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Bewohner von der Antragstellerin gefragt werden, ob sie einen Nachmieter kennen. Dieses Vorschlagsrecht vereinfacht für die Antragstellerin die Mietersuche und die Bewohner haben idealerweise die Möglichkeit, Freunde oder Bekannte vorzuschlagen. Dies entspricht jedoch den normalen Abläufen einer Nachmietersuche und bedeutet nicht, dass eine Vermietung durch die Mitbewohner oder mit deren Zustimmung erfolgt.
Nach Aktenlage ist auch nicht erkennbar, dass die nach dem Nutzungskonzept dort nur vorübergehend lebenden Bewohner einen Hausstand als Gemeinschaft begründen. Auch die von der Antragstellerin aufgezählten, von den Bewohnern mitgebrachten Gebrauchsgegenstände sind unwesentlich für eine eigene Haushaltsausstattung. Ungeachtet der Bezeichnung ist deshalb von einer gewerblichen Nutzung durch die Antragstellerin zu Fremdenverkehrszwecken – ähnlich wie eine Ferienwohnung oder ein Boardinghouse – mit entsprechendem Angebot auszugehen.
Das Nutzungskonzept ist ausweislich der vorliegenden Mietverträge der Antragstellerin mit der Eigentümerin und der Antragstellerin mit den Untermietern auf eine vorübergehende kurzzeitige Vermietung ausgelegt. Auf die mietvertraglichen Regelungen und entsprechenden Bezeichnungen über die Dauer der Mindestmietzeit kommt es nicht an. Der Vertrag der Antragstellerin mit der Eigentümerin ist ein Gewerbemietvertrag. Die Untermietverträge der Antragstellerin mit den Untermietern über die einzelnen Zimmer regeln ausdrücklich, dass eine vorübergehende möblierte Unterkunft geboten wird. Die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts ist ein Indiz, wenn – wie hier – eine Wohnung zimmerweise zu einem Pauschalpreis vermietet wird und wenn außerdem – wie hier nichtdas Nutzungskonzept erkennbar und nachprüfbar auf eine längere Aufenthaltsdauer ausgelegt ist und diese auch sicherstellt (VG München, U.v. 12.2.2020 – M 9 K 19.1799). Vorliegend besteht bereits aufgrund des Gewerbemietvertrages mit dem Eigentümer und den Untermietverträgen kein Anhaltspunkt für eine langfristige Vermietung, sondern vielmehr ein starkes Indiz dafür, dass lediglich eine typischerweise kurzfristige Fremdenbeherbergung beabsichtigt ist, da dies auch als Nutzungszweck darin aufgenommen wurde. Ein weiteres Indiz ist, dass die Antragstellerin die zeitliche Grenze zwischen „kurzfristiger“ und „langfristiger“ Vermietung, 1 – 2 Jahre, durch eine variable Kündigungsmöglichkeit von 3 Monaten regelt und die Verträge einen Katalog von Zahlungsverpflichtungen enthalten, der typisch für die Unkostenbeiträge bei Hotelunterkünften oder Ferienwohnungen ist. Auch dies bestätigt, dass das gesamte Nutzungskonzept von einer kurzfristigen und vorübergehenden Dauer ausgeht. Die Antragstellerin übersieht, dass nicht die vertraglich festgelegte Mindestdauer der Vermietung entscheidend ist, sondern die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters (BFH, B.v. 23.9.2014 – VB 37/14). Aus den von der Antragstellerin vorgelegten und von der Antragsgegnerin ausgewerteten Unterlagen wird ersichtlich, dass die Mieter überwiegend nach 3 – 4 Monaten ausziehen und sich lediglich in Ausnahmefällen tatsächlich länger dort aufhalten. Dieser kurzfristige Aufenthalt ist nach dem Nutzungskonzept der Antragstellerin ein typischer Fall und kein unvorhersehbarer Umstand.
Unerheblich ist, ob und dass die jeweiligen Bewohner eine melderechtliche Bestätigung des Vermieters erhalten und sich in München mit Wohnsitz anmelden. Maßgeblich sind nicht die melderechtliche Situation und die Anmeldung eines Wohnsitzes in München, sondern der Aufenthalt in der konkreten Wohnung.
Der Einwand der Bevollmächtigten der Antragstellerin, es läge ein Ermessensnichtgebrauch hinsichtlich der Störerauswahl vor, trifft dies nicht zu. Gegen die Eigentümerin als Vermieterin wurde ein eigenes zweckentfremdungsrechtliches Verfahren eingeleitet. Im Übrigen enthält der Bescheid Ermessenserwägungen.
Die Zweifel daran, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung von Wohnraum in München besteht, teilt das Gericht nicht; insbesondere rechtfertigt ein Leerstand durch Dritte nicht eine Nutzung von bestehendem Wohnraum durch zimmerweise Vermietung zu anderen als Wohnzwecken. Die Befristung des Geschäftsmietvertrags mit der Eigentümerin lässt nicht den Schluss zu, dass für den Wohnraum ab Ende 2024 die Bindung an das Zweckentfremdungsrecht entfällt. Nicht nachvollziehbar sind die rechtlichen Ausführungen, dass Art.14 GG und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie eine Verkennung des Tatbestands der Zweckentfremdung bei Überschreitung der 8 – Wochen-Grenze in Satzung und Gesetz zur Rechtswidrigkeit der Nutzungsuntersagung führen würde. Bereits tatbestandlich liegen die Voraussetzungen nicht vor. Die Antragstellerin ist ein gewerbliches Unternehmen mit mehreren Wohnungen. Es ist kein von der Antragstellerin selbstgenutzter Wohnraum, woran das Gesetz und die Satzung als Voraussetzung anknüpfen; Art.1 S.2 Nr.3 ZwEWG und der wortgleiche § 4 Abs. 1 S.2 Nr.3 ZeS sind nicht einschlägig. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist durch die eingeräumten Fristen gewahrt. Eine besondere Härte wegen Existenzgefährdung scheidet aus, wenn wie hier die die Existenz allein auf der untersagten Nutzung beruht, § 6 Abs. 2 S.2 ZeS.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen, da nach der hier gegebenen Sach- und Rechtslage kein überwiegendes privates Interesse der Antragstellerin als Gewerbetreibende darin besteht, bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Nutzung fortsetzen zu können.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog. Das Gericht hat der Streitwertberechnung den Jahresbetrag der monatlichen Gesamtmiete für 6 Zimmer, durchschnittlich 900,- EUR, abzüglich der eigenen monatlichen Nettomiete auf der Grundlage von 14,50 EUR/m² für 150 m² zugrunde gelegt unter Berücksichtigung, dass dieser Betrag sich im Eilverfahren halbiert.


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