Patent- und Markenrecht

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – Gegenstandswert – Kostenfestsetzung – Anhebung des Gebührensatzes der Geschäftsgebühr –

Aktenzeichen  35 W (pat) 11/10

Datum:
30.5.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 23 Abs 3 RVG
§ 33 RVG
§ 14 Abs 1 RVG
Nr 2300 RVG-VV
§ 3 ZPO
§ 4 ZPO
Spruchkörper:
35. Senat

Tenor

In der Kostenbeschwerdesache


betreffend das Gebrauchsmuster …
(hier: Kostenfestsetzungsverfahren)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 30. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Baumgärtner sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch
beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin 75,5 % und die Antragsgegnerin 24,5 %.

Gründe

1
I.    
2
Die Antragsgegnerin, Beschwerdegegnerin und Anschlussbeschwerdeführerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) war Inhaberin des am 29. Januar 2002 angemeldeten und am 18. April 2002 mit 16 Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters … (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „… …“. Die Antragstellerin, Beschwerdeführerin und Anschlussbeschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragstellerin) hat das Gebrauchsmuster mit Löschungsantrag vom 16. März 2007 in vollem Umfang angegriffen. Die Antragsgegnerin hat ihr Gebrauchsmuster in der eingetragenen Fassung sowie zunächst mit einem Hilfsantrag und später in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2008 mit einem zweiten Hilfsantrag verteidigt. Danach hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) mit Beschluss, der in der ausgefertigten Fassung das Datum 3. Juli 2008 trägt, das Streitgebrauchsmuster gelöscht und der Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt.
3
Die Antragstellerin hat daraufhin beim DPMA einen Kostenantrag mit Kostenrechnung in Höhe von 4.869,00 € eingereicht, wobei sie von einem Streitwert in Höhe von 210.000 € und von einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) sowie einer 1,2-fachen Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) ausgegangen ist. Den genannten Streitwert hat die Antragstellerin damit begründet, dass sie seinerzeit für ihre Geschäftsräume Leuchten zum Einkaufspreis in Höhe von 210.000 € erworben habe und wegen deren sie von der Antragsgegnerin vor dem Landgericht Düsseldorf aus dem Streitgebrauchsmuster in Anspruch genommen worden sei. Die Antragsgegnerin war dem Kostenantrag entgegengetreten. Sie war der Auffassung, dass nach den Grundsätzen des Gebührentatbestandes Nr. 2300 VV RVG, der hier in erster Linie einschlägig sei, bereits eine Geschäftsgebühr in Höhe eines 0,75-fachen Satzes eine angemessene Vergütung darstelle und dass der Streitwert des patentamtlichen Löschungsverfahrens allenfalls nur einen Bruchteil des von der Antragstellerin für die Leuchten entrichteten Einkaufspreises – hier wohl nur 50.000 € – ausmachen könne.
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Mit Beschluss vom 21. Januar 2010 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten des ersten Rechtszugs auf 3.191,00 € festgesetzt, wobei sie der Berechnung einen Gegenstandswert in Höhe von 125.000 € zu Grunde gelegt und einen 2,0-fachen Satz der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (2.862,00 €) angesetzt hat. Der festgesetzte Endbetrag errechnet sich sodann aus einer Addition der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG (20,00 €) sowie einer als erstattungsfähig anerkannten Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG (9,00 €) und der von der Antragstellerin verauslagten Löschungsantragsgebühr (300,00 €).
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG sei mit dem 2,0-fachen Satz zu niedrig bemessen. Richtigerweise hätte der Gebührenrahmen ausgeschöpft und eine Gebühr unter Zugrundelegung eines 2,5-fachen Satzes festgesetzt werden müssen. Ein Gebrauchsmusterlöschungsverfahren sei aufgrund seines besonderen Gegenstandes, der sehr spezielle rechtliche und technische Bezüge aufweise, stets als eine überdurchschnittlich schwierige anwaltliche Tätigkeit zu klassifizieren. Dies treffe insbesondere auf das vorliegende Löschungsverfahren zu, das aufgrund einer Vielzahl von einzubeziehenden Druckschriften und wegen insgesamt 16 angegriffener Schutzansprüche als weit überdurchschnittlich umfangreich und schwierig einzuschätzen sei.
6
Darüber hinaus gehe der angefochtene Beschluss zu Unrecht von einem Gegenstandswert in Höhe von nur 125.000 € aus. Heranzuziehen sei die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach sich Gegenstandswert eines Patentnichtigkeitsverfahrens nach dem Streitwert des auf das Patent gestützten Verletzungsprozesses richte, wobei dem über das individuellen Interesse hinausgehenden Interesse an der Beseitigung des Patents mangels anderweitiger Anhaltspunkte durch einen Zuschlag in Höhe von 25 % Rechnung zu tragen sei. In diesem Zusammenhang hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass im vor dem Landgericht Düsseldorf aus dem Gebrauchsmuster geführten Verletzungsprozess ein Streitwert in Höhe von 400.000 € festgesetzt worden sei und dementsprechend für das vorliegende Löschungsverfahren von einem Gegenstandswert in Höhe von 500.000 € ausgegangen werden müsse. Dieser Wert ergebe sich zudem aus einem Schreiben vom 7. Dezember 2005, mit dem die Antragstellerin seinerzeit von der Antragsgegnerin abgemahnt worden sei. Eine Fotokopie des Schreibens hat die Antragstellerin seinerzeit als „Anlage A1“ der Gebrauchsmusterabteilung vorgelegt.
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Die Antragstellerin macht nunmehr gegen die Antragsgegnerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 7.869,– € geltend, wobei sie allerdings in diesen Betrag irrtümlich auch die von ihr in Höhe von 50,– € entrichtete Beschwerdegebühr eingerechnet hat. Ihr Beschwerdeantrag war daher im Wege einer Auslegung entsprechend nach unten zu korrigieren.
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Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
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1. den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 7.819 € festzusetzen sowie
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2. ihr die Beschwerdegebühr in Höhe von 50 € zu erstatten.
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Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
13
und sie legt Anschlussbeschwerde ein nunmehr mit dem Antrag (sinngemäß),
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unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die von ihr der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 50.000 € und einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG festzusetzen.
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Die Antragsgegnerin räumt ein, dass der Streitwert im Verletzungsstreit, der vor dem Landgericht Düsseldorf geführt wurde, seinerzeit auf 400.000 € festgesetzt worden sei; allerdings habe nur ein geringer Teil dieses Streits Ansprüche aus der Verletzung des Streitgebrauchsmusters betroffen. Die Klage sei im Wesentlichen auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gestützt gewesen. Der entsprechende Unterlassungsanspruch sei – weil zeitlich unbegrenzt – wertmäßig in erster Linie bestimmend gewesen. Auf diesen hätten sich 300.000 € des in Höhe von insgesamt 400.000 € festgesetzten Streitwerts bezogen.
16
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten im Verfahren vor dem DPMA sowie auf den Akteninhalt des vorliegenden Beschwerdeverfahrens verwiesen.
II.
17
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zwar zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. Auch die unselbständige Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin ist zwar zulässig, jedoch auch ihr muss der Erfolg versagt bleiben.
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A. Beschwerde der Antragstellerin
19
1. Nicht zu beanstanden ist, dass die Gebrauchsmusterabteilung im angefochtenen Beschluss einen Gegenstandswert in Höhe von 125.000 € zugrunde gelegt hat. Nach allgemeiner Ansicht hängt der Wert eines Gebrauchsmusters vom Einzelfall ab, wobei die Bemessung des Gegenstandswertes gemäß §§ 23 Abs. 3, 33 RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO grundsätzlich nach billigem Ermessen erfolgt. Sie richtet sich auch nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Gebrauchsmusters, nicht nur nach dem Interesse der Beteiligten des Löschungsverfahrens. Ausgangspunkt für die Bemessung ist der gemeine Wert des Gebrauchsmusters, wie er sich zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags für die restliche maximale Laufzeit darstellt. Einzubeziehen sind die noch zu erwartenden Erträge des Schutzrechts, insbesondere durch Eigennutzung und Lizenzvergabe, und die bis zum Beginn des Löschungsverfahrens entstandenen Schadensersatzforderungen aus Verletzungshandlungen. Dabei ist die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters zu unterstellen (vgl. Bühring, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 116).
20
Allerdings gilt, dass derjenige, der die Zugrundelegung eines bestimmten Gegenstandswert anstrebt, tatsächliche Anhaltspunkte für die Schätzung so vortragen muss, dass diese bei einer Entscheidung nachvollziehbar als Grundlage für die Wertbemessung herangezogen werden können (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 287 Rn. 11).
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1.1. Kein nachvollziehbarer Anhaltspunkt zum Gegenstandswert des hier in Rede stehenden patentamtlichen Löschungsverfahrens kann jedoch – entgegen Auffassung der Antragstellerin – dem Umstand entnommen werden, dass der Einkaufspreis jener Leuchten, die in den Geschäftsräumen der Antragstellerin eingesetzt wurden und die offenbar Gegenstand für den vom Landgericht Düsseldorf geführten Verletzungsstreit von Bedeutung waren, 210.000 € betrug. Offenbleiben kann hier, ob dieser Wert von Seiten der Antragsgegnerin als zugestanden anzusehen ist; die Antragstellerin hat jedenfalls zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gegenstandswert eines Löschungsverfahrens nicht ohne weiteres mit dem Beschaffungswert oder den Umsatzzahlen von Waren, wegen denen ein entsprechender Verletzungsstreit geführt wird, gleichgesetzt werden kann (vgl. Bühring, a. a. O., § 17 Rn. 120 f.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur in solchen Fällen, in denen ein parallel zum Löschungsverfahren geführter Verletzungsstreit eine bereits mit einer konkreten Klagesumme bezifferte Schadensersatzklage o. ä. zum Gegenstand hat, da hier die erstrebte Vernichtung des Gebrauchsmusters zwangsläufig (mindestens) dem betragsmäßigen Interesse des verklagten Löschungsantragstellers an der Abwehr der Verletzungsklage entspricht (vgl. BGH GRUR 2009, 1100 – „Druckmaschinen-Temperierungssystem III). Hierzu haben aber weder die Antragstellerin noch die Antragsgegnerin vorgetragen, dass dem von der Antragstellerin ins Spiel gebrachten Betrag in Höhe von 210.000 € auch eine bezifferte Klageforderung entsprach, mit der sich die Antragstellerin im Verletzungsstreit auseinanderzusetzen hatte.
22
1.2. Einen konkreten, tatsächlichen Anhaltspunkt, der eine genügende Schätzgrundlage darstellt, bildet aber hier – worauf die Antragstellerin insoweit zu Recht hingewiesen hat – der Umstand, dass in dem genannten Verletzungsstreit eine Streitwertfestsetzung erfolgt war. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH kann bei der Wertfestsetzung mangels anderweitiger Anhaltspunkte dem Erfahrungssatz, dass der gemeine Wert eines Patents oder Gebrauchsmusters in der Regel über das Individualinteresse des Verletzungsbeklagten hinausgeht, dadurch Rechnung getragen werden, dass der Gegenstandswert um ein Viertel höher als der Streitwert des Verletzungsprozesses angenommen wird (vgl. BGH Mitt. 2011, 383 – „Nichtigkeitsstreitwert“; auch: GRUR-RR 2011, 340 f.). Unstreitig ist hier zwar, dass der Streitwert des vor dem Landgericht Düsseldorf geführten Verletzungsrechtsstreits seinerzeit auf 400.000 € festgesetzt worden war. Dennoch kann hier nur ein Teil dieses Streitwerts berücksichtigt werden. Die Antragsgegnerin hat nämlich – unwidersprochen von der Antragstellerin – vorgetragen, dass der wertmäßig über 100.000 € hinausgehende Teil des Gegenstandes des Verletzungsstreits sich auf Ansprüche nach dem UWG bezogen habe. Damit gilt als zugestanden, dass nur ein Teil dieses Streitwerts, nämlich in der Größenordnung von 100.000 €, Ansprüche aus der Verletzung des vorliegenden Streitgebrauchsmusters betraf (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Mahnschreiben der Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2005, das die Antragstellerin seinerzeit der Gebrauchsmusterabteilung in Kopie als „Anlage A1“ vorgelegt hat; hierbei handelt es sich um keine Erklärung zum vorliegenden Beschwerdeverfahren, weshalb die im genannten Mahnschreiben enthaltenen Angaben nicht in gleicher Weise an der Wahrheitsvermutung des § 138 Abs. 1 ZPO gemessen werden können.
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Nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BGH ist es angemessen und daher nicht zu beanstanden, dass die Gebrauchsmusterabteilung den Gegenstandswert des patentamtlichen Löschungsverfahrens – um ein Viertel höher, als den hier als relevant anzusetzenden Streitwert des Verletzungsverfahrens – auf 125.000 € geschätzt und ihrer Kostenberechnung zugrunde gelegt hat. Hierbei ist zutreffend berücksichtigt worden, dass das Streitgebrauchsmuster bei Stellung des Löschungsantrags am 16. März 2007 noch eine Restlaufzeit von nahezu 5 Jahren hatte. Die Antragsgegnerin hat ihrerseits keinerlei nachvollziehbare Tatsachen vorgebracht, weshalb vorliegend der gemeine Wert des Streitgebrauchsmusters lediglich 50.000 € betragen sollte. Auch der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, den Gegenstandswert so weit herabzusetzen.
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2. Nicht zu bemängeln ist ferner der für die Vergütung des Vertreters der Antragstellerin in Ansatz gebrachte 2,0-fache Gebührensatz.
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2.1. Bei einem Löschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung des DPMA handelt es sich trotz seiner justizförmigen Ausgestaltung (vgl. BGH GRUR 2010, 231, 233 – „Legostein“) um ein Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde; auch gebührenrechtlich ist es daher als ein Verwaltungsverfahren anzusehen (vgl. BVerfG GRUR 2003, 723 – „Rechtsprechungstätigkeit“; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 26 Rn. 4 f.). Damit richtet sich die für die Vertretung in einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren von einem Patentanwalt verdiente Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Gemäß § 14 Abs. 1 RVG erfolgt die Festsetzung der Gebühr einzelfallbezogen nach billigem Ermessen und zwar unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.
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Unproblematisch ist ferner, dass sich die Gebühren für die patentanwaltliche Tätigkeit im Falle eines Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens, das vor einer Gebrauchsmusterabteilung des DPMA stattfindet, nach den für Rechtsanwälte gültigen Vorschriften richten (vgl. BPatGE 49, 29, 30 ff.).
27
2.2. Im vorliegenden Fall entspricht es pflichtgemäßem Ermessen, dass die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA im angegriffenen Beschluss bei der Vergütung des Vertreters der Antragstellerin für das Betreiben des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens einschließlich der mündlichen Verhandlung bei Anwendung des einschlägigen Gebührentatbestandes Nr. 2300 VV RVG von der Erstattungsfähigkeit eines 2,0-fachen Satzes einer Geschäftsgebühr ausgegangen ist.
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Nach Nr. 2300 VV RVG fällt für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren eine (Rahmen-)Geschäftsgebühr in Höhe eines 0,5-fachen bis 2,5-fachen Satzes an. Hiernach ist im Normalfall ein Regelsatz von 1,3 anzusetzen, der nur bei umfangreichen und/oder schwierigen Fällen überschritten werden kann (vgl. hierzu auch: Bührung,a. a. O., § 17 Rn. 151 f.). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
29
Ein überdurchschnittlicher Umfang ergib sich hier allerdings noch nicht ohne weiteres dadurch, dass die Begründung des am 16. März 2007 eingereichten Löschungsantrags nebst einer vom anwaltlichen Vertreter erstellten Merkmalsanalyse insgesamt 16 Seiten umfasste und der auf § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG i. V. m. §§ 1 und 3 GebrMG gestützte Löschungsgrund der mangelnden Schutzfähigkeit des Gebrauchsmustergegenstandes von der Antragstellerin mit sieben Druckschriften untermauert wurde. Zweifel bestehen auch daran, ob sich eine überdurchschnittliche Schwierigkeit des Verfahren bereits daran festmachen lässt, dass der Vertreter der Antragstellerin an der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung teilgenommen hat, dort auch der Vertreter der Antragsgegnerin erschienen war und die Antragsgegnerin ihr Gebrauchsmuster sowohl in der eingetragenen Fassung aller 16 Schutzansprüche als auch mit zwei Hilfsanträgen, die 13 bzw. 12 Schutzansprüche umfassten, verteidigt hat. Keine Bedenken bestehen aber insoweit, als sich aus der Kombination der genannten Umstände und unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens eine deutlich überdurchschnittlich aufwendige und schwierige anwaltliche Tätigkeit herleiten lässt. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Antragstellerin in der Auffassung, dass das vorliegende Löschungsverfahren den Grad eines weit überdurchschnittlich aufwendigen und schwierigen Verfahrens erreicht hätte.
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Bei der Beurteilung, ob ein weit überdurchschnittlich aufwendiges und schwieriges Verfahren vorliegt, ist als Ausgangspunkt zu wählen, dass vom Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG bereits die Vergütung für die Teilnahme an einer vor einer Gebrauchsmusterabteilung durchgeführten mündlichen Verhandlung umfasst ist und daher für die mündliche Verhandlung keine gesonderte Gebühr verdient wird (vgl. Senatsbeschluss vom 29. November 2010 Az. 35 W (pat) 47/09 – veröffentlicht z. B. im Internet bei Juris®). Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der systematischen Stellung des Gebührentatbestandes Nr. 2300 VV RVG. Dieser findet sich in Teil 2 „Außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren“ der Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2 RVG), Abschnitt 3 „Vertretung“; dagegen steht der Gebührentatbestand Nr. 3104 („Terminsgebühr“) in Teil 3 „Zivilsachen, Verfahren der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, …und ähnliche Verfahren“. Auch nach dem früher für das Verwaltungsverfahren einschlägigen Gebührentatbestand des § 118 BRAGebO erhielt der Anwalt fünf Zehntel bis zehn Zehntel der vollen Gebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, des Einreichens, Fertigens oder Unterzeichnens von Schriftsätzen oder Schreiben und des Entwerfens von Urkunden (Geschäftsgebühr) und eine weitere Gebühr für das Mitwirken bei mündlichen Verhandlungen oder Besprechungen über tatsächliche oder rechtliche Fragen, die von einem Gericht oder einer Behörde angeordnet oder im Einverständnis mit dem Auftraggeber vor einem Gericht oder einer Behörde mit dem Gegner oder mit einem Dritten geführt wurden.
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Dies bedeutet, dass auch nach altem Recht für die Durchführung eines (z. B wegen einer mündlichen Verhandlung) schwierigen oder aufwendigen Löschungsverfahrens vor einer Gebrauchsmusterabteilung des DPMA maximal nur zwei volle Gebühren vorgesehen waren. Der Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG erlaubt somit – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – die Anhebung eines Gebührensatzes bis zum 2,5-fachen nur dann, wenn im Vergleich zu den Umständen des vorliegenden Löschungsverfahren außerordentliche Erschwernisse hinzugetreten sind. Eine solche Erschwernis kann u. a. darin bestehen, dass (z. B. veranlasst durch eine behauptete offenkundige Vorbenutzung oder geltend gemachte widerrechtliche Entnahme) neben der mündlichen Verhandlung zusätzlich noch eine Beweisaufnahme notwendig geworden ist. Beim hier in Rede stehenden Gebrauchsmusterlöschungsverfahren sind aber weder eine Beweisaufnahme noch eine sonstige außerordentliche Erschwernis festzustellen gewesen. Die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA ist deshalb bei der angegriffenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass hier kein Fall vorliegt, bei dem der vom Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG vorgegebene Rahmen eines bis zu 2,5-fach erhöhten Gebührensatzes ausgeschöpft werden kann.
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3. Auch im Übrigen besteht zugunsten der Antragstellerin für eine Abänderung des angegriffenen Beschlusses kein Raum. Insbesondere war keine Verzinsung des zu erstattenden Betrages nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. V. m § 247 BGB auszusprechen. Die Antragstellerin hat zu keiner Zeit eine solche Verzinsung beantragt. Hieran ist der Senat gebunden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 308 Rn. 1; Schlamann, Rpfleger 2003, 6, 9 re. Sp.).
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4. Für eine Erstattung der Beschwerdegebühr war kein Raum, da die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht durchgedrungen ist.
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B. Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin
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Aus den unter Abschnitt A., Unterabschnitte 1.1. bis 2.2., genannten Gründen folgt ebenfalls, dass die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin keinen Erfolg haben kann.
III.
36
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG, die auch auf Nebenentscheidungen im Zusammenhang mit Löschungsverfahren anzuwenden sind (vgl. Bühring, GebrMG, 8. Aufl., § 18 Rn. 129), i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO. Sowohl die Beschwerde der Antragstellerin als auch die kostenrechtlich gesondert zu betrachtende unselbständige Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin sind erfolglos geblieben, weshalb beide Parteien jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen haben. Die Antragstellerin hat mit ihrem Rechtsmittel – abweichend von dem ihr erstinstanzlich in Höhe von 3.191,– € zugesprochenen Kostenerstattungsanspruch – ohne Erfolg eine Erhöhung des ihr zu erstattenden Betrages um4.628,– € angestrebt (Differenz zwischen 7.819,– € und 3.191,– €), während die Antragsgegnerin mit ihrer Anschlussbeschwerde vergeblich eine Reduzierung des zu ihren Lasten ausgesprochenen Erstattungsbetrages um 1.502,20 € verfolgt hat (Differenz zwischen 3.191,– € und 1.688,80 €). Dies bedeutet, dass die Antragstellerin wertmäßig wesentlich mehr gefordert hat als die Antragsgegnerin und dass sie durch die vorliegende Beschwerdeentscheidung in deutlich höherem Maße unterlegen ist als die Antragsgegnerin. Hieraus ergeben sich zum Nachteil für Antragstellerin die im Beschlusstenor genannten – die gesamten Kosten der Beschwerde und Anschlussbeschwerde umfassenden – Kostenquoten von 74,5 % und 24,5 %.


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