Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – “Hassia” – bösgläubige Markenanmeldung

Aktenzeichen  29 W (pat) 45/17

Datum:
18.8.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:130520B29Wpat45.17.0
Normen:
§ 50 Abs 1 MarkenG vom 12.03.2004
§ 8 Abs 2 Nr 10 MarkenG vom 04.04.2016
§ 158 Abs 8 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 14 MarkenG
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 050 546
(Löschungsverfahren S 214/15)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. März 2017 aufgehoben.
Die Löschung der Marke 30 2013 050 546 wird angeordnet.
2. Der Beschwerdegegner und Inhaber der angegriffenen Marke hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Löschungsantrags gegen die Marke 30 2013 050 546 durch die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA).
2
Die Beteiligten stehen in Bezug auf den Handel mit Ersatzteilen für Oldtimer-Traktoren im Inland miteinander im Wettbewerb. Zu diesen Ersatzteilen, mit denen die Beteiligten Handel treiben, gehören u. a. Scheinwerfer für Traktoren.
3
Die potentiellen Kunden der Beteiligten, insbesondere Liebhaber historischer landwirtschaftlicher Traktoren, legen auf das originalgetreue Aussehen der Traktoren wert, so dass es eine Nachfrage nach Ersatzteilen mit dementsprechend originalgetreuen Schriftzügen auf den Produkten gibt. Die Hersteller der historischen Oldtimer bzw. der Ersatzteile existieren nur noch teilweise. Eine der Traditionsmarken ist die Marke „Hassia“, unter der in der Vergangenheit Scheinwerfer für Oldtimer-Traktoren vertrieben wurden. Die unter der Nr. DE 424 660 beim DPMA registrierte Wortmarke „Hassia“ war bereits am 18. Oktober 1930 zugunsten der Firma H… GmbH eingetragen worden, die 1995 in Insolvenz gegangen ist. Zuletzt war die Fa. M… B.V. Inhaberin der Marke „Hassia“, deren Schutz am 31. Juli 2010 abgelaufen ist.
4
Zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens wurden Rechtsstreitigkeiten vor den Zivilgerichten geführt. Die Beschwerdeführerin hat vor dem Landgericht Düsseldorf gegen den Beschwerdegegner Klage erhoben u. a. auf Unterlassung des Vertriebs von Traktorenscheinwerfern ohne Hinweis auf deren (fehlende) Straßenzulassung. Dieses Verfahren wurde durch einen Vergleich der Beteiligten vor dem Landgericht Düsseldorf, Az. …, vom 5. Juni 2013 beendet. Des Weiteren hat der Beschwerdegegner am 25. Juni 2013 vor dem Landgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beschwerdeführerin erwirkt, mit der dieser untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet Traktorenteile und/oder Traktorenzubehör gegenüber Verbrauchern anzubieten und dabei in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmte Klauseln zu verwenden. Am 12. September 2013 hat der Beschwerdegegner sodann die verfahrensgegenständliche Marke DE 30 2013 050 546 „Hassia“ angemeldet. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. September 2014 hat er die Beschwerdeführerin wegen Verletzung der verfahrensgegenständlichen Marke abgemahnt und sodann am 14. April 2015 vor dem Landgericht Köln eine entsprechende Klage auf Unterlassung erhoben.
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Das am 12. September 2013 angemeldete Zeichen
6
Hassia
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ist am 23. Oktober 2013 zugunsten des Beschwerdegegners für die nachfolgend genannten Waren unter der Nr. 30 2013 050 546 als Wortmarke in das beim DPMA geführte Markenregister eingetragen worden:
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Klasse 07: landwirtschaftliche Maschinen (ausgenommen landwirtschaftliche Verpackungsmaschinen); landwirtschaftliche Geräte [nicht handbetätigt];
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Klasse 09: Blinker (Lichtsignale); Schalter;
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Klasse 11: Beleuchtungsgeräte für Fahrzeuge; Scheinwerfer und Leuchten für Kraftfahrzeuge.
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Am 4. September 2015 hat die Beschwerdeführerin die vollständige Löschung der Marke DE 30 2013 050 546 wegen Nichtigkeit gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. beantragt.
12
Zur Begründung ihres Löschungsantrags hat sie vorgetragen, die Anmeldung der angegriffenen Marke sei böswillig erfolgt. Die Markenanmeldung stelle einen Eingriff in den schutzwürdigen Besitzstand der Beschwerdeführerin dar und sei zudem zu dem Zweck erfolgt, die Beschwerdeführerin zu behindern. Der Inhaber der angegriffenen Marke sei nicht berechtigt gewesen, nach dem Erlöschen der ursprünglich von der renommierten Firma H… gehaltenen Marke „Hassia“ am 31. Juli 2010 diese Traditionsmarke für sich zu monopolisieren, da er keine Betriebsteile der früheren ursprünglichen Produktionsstätte übernommen habe, sondern die Scheinwerfer – dies ist unstreitig – in Indien herstellen lasse. Die Markenanmeldung sei einzig und allein zu dem Zweck erfolgt, die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes gegen die Antragstellerin einzusetzen.
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Diese vertreibe Scheinwerfer mit der Einprägung „Hassia“ im Scheinwerferglas bereits seit 2010. Da die Original-Hersteller der Oldtimer-Traktoren bzw. der Ersatzteile teilweise nicht mehr existieren würden, hätten viele der alten Hersteller-Marken und Typenbezeichnungen für die Ersatzteile ihre eigentliche markenrechtliche Herkunftsfunktion verloren und würden nun lediglich als Design-Elemente dienen. Der von der Antragstellerin vertriebene „Hassia”-Scheinwerfer sei ohne die Einprägung des Schriftzuges „Hassia” im Scheinwerferglas nicht zu vermarkten. Der Inhaber der angegriffenen Marke hindere die Mitbewerber somit nicht nur daran, gleiche oder ähnliche Kennzeichen zu verwenden, sondern greife darüber hinaus in die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Mitbewerber ein. Die Anmeldung sei somit rechtsmissbräuchlich zu dem Zweck erfolgt, die Antragstellerin sowie mögliche andere Drittanbieter auf dem Markt zu sperren und die Bekanntheit der (erloschenen) Traditionsmarke „Hassia“ „in parasitärer Weise auszunutzen“. Dadurch, dass der Antragsgegner die erloschene Marke „Hassia” erneut angemeldet habe und aus dieser gegen seine Wettbewerber vorgehe, täusche er zudem vor, Original-„Hassia“-Scheinwerfer verkaufen zu können.
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Hinzu komme eine Störung des Besitzstandes der Löschungsantragstellerin. Die erhebliche Geschäftstätigkeit der Antragstellerin im Hinblick auf die von ihr in den Jahren 2010 bis 2013 produzierten und verkauften „Hassia”-Scheinwerfer begründe einen schutzwürdigen Besitzstand. In diesem Zeitraum habe die Antragstellerin rund 800 Stück Scheinwerfer zu einem Verkaufswert von 45,00 Euro inkl. MwSt. pro Stück verkauft, also insgesamt einen Umsatz von rund 36.000,00 Euro nur mit diesen Einzelscheinwerfern erzielt. Maßgeblich sei allein, ob ein schutzwürdiger Besitzstand der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Markenanmeldung vorgelegen habe; darauf, ob auch der Inhaber der angegriffenen Marke das Zeichen bereits zuvor verwendet habe, komme es nicht an. Die Anmeldung sei bösgläubig mit dem Ziel der Störung dieses Besitzstandes der Antragstellerin erfolgt. Neben der Abmahnung der Antragstellerin durch den Inhaber der angegriffenen Marke spreche hierfür auch die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse, da der Markeninhaber die Marke „Hassia“ kurz nach Abschluss des für ihn negativen Vergleichs vor dem LG Düsseldorf mit der Antragstellerin vom 5. Juni 2013 angemeldet habe. Dies habe er getan, um sich mit einer Unterlassungsforderung aufgrund der für ihn eingetragenen Marke „Hassia” bei der Antragstellerin zu revanchieren und diese massiv in ihrem Vertrieb der „Hassia“-Scheinwerfer zu behindern.
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Dem ihm am 15. Oktober 2015 zugegangenen Löschungsantrag hat der Inhaber der angegriffenen Marke und Beschwerdegegner mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. November 2015, beim DPMA eingegangen am selben Tag, widersprochen.
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Mit Beschluss vom 14. März 2017 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA den Löschungsantrag zurückgewiesen. Kosten wurden weder auferlegt noch erstattet.
17
Zur Begründung ist ausgeführt, es könne nicht von einem im Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin ausgegangen werden. Die Antragstellerin habe ihr Vorbringen, dass sie seit 2010 „Hassia“-Scheinwerfer vertreibe, nicht näher untermauert. Daher könne auch offenbleiben, ob es sich bei dem auf Scheinwerfern für Oldtimer angebrachten „Hassia“-Schriftzug lediglich um ein Design-Element handele bzw. ob dadurch ein schützenswerter Besitzstand begründet werden könne.Zudem sei zugunsten des Antragsgegners im Hinblick auf dessen eigene Benutzung der Marke „Hassia“ ein rechtfertigender Grund für die Markenanmeldung anzunehmen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass er die Marke im September 2013 angemeldet habe, da ihm die markenrechtliche Sinnhaftigkeit einer Anmeldung erst nach einem Rechtsstreit mit einem Mitbewerber klargeworden sein könne. Auch die Voraussetzungen einer Spekulationsmarke seien damit nicht gegeben.Schließlich sei nicht feststellbar, dass der Markeninhaber die Marke als zweckfremdes Mittel des Wettbewerbskampfs habe einsetzen wollen. Da der Markeninhaber unstreitig selbst Scheinwerfer mit der Kennzeichnung „Hassia“ vertreibe, sei es nicht als zweckfremder Einsatz einer Marke zu werten, wenn er die von ihm verwendete Kennzeichnung als Marke anmelde und gegen Mitbewerber, die die Kennzeichnung ebenfalls verwenden, markenrechtlich vorgehe. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei der Marke „Hassia“ um eine Traditionsmarke handele, da diese im Jahre 2010 erloschen und bereits vorher nicht mehr für einschlägige Waren genutzt worden sei. Das Zeichen sei somit frei gewesen, um wieder als Marke genutzt zu werden.
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Hiergegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit ihrer Beschwerde.
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Zur Begründung führt sie aus, die Markenstelle sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin habe ihr Vorbringen, dass sie seit 2010 „Hassia”-Scheinwerfer vertreibe, nicht näher untermauert. Sie habe beispielsweise durch Vorlage zweier Einkaufsrechnungen den Einkauf von 200 Einzellampen und 420 kompletten „Hassia“-Scheinwerfersätzen am 20. Mai 2010 und 1. Dezember 2010 dargelegt und zum Beweis für den von ihr getätigten Umsatz mit „Hassia“-Scheinwerfern in den Jahren 2010 bis 2013 das Zeugnis ihres Buchhalters angeboten. Verkaufsrechnungen mit der Nennung von „Hassia“-Scheinwerfern seien deswegen nicht vorgelegt worden, weil diese zusammen mit anderen Ersatzteilen verkauft und in den Rechnungen nicht einzeln aufgeführt worden seien. Der Beschwerdegegner habe bereits vor der Anmeldung der angegriffenen Marke gewusst, dass die Beschwerdeführerin „Hassia“-Scheinwerfer, wie sie beispielsweise im Original bei Traktoren der Schleppermarke L… der fünfziger Jahre eingebaut gewesen seien, im großen Umfang herstelle und anbiete. Dies habe sich schon aus dem im Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf eingereichten Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten RA W… vom 06. Februar 2013 ergeben. Für die gerichtliche Auseinandersetzung vor dem Landgericht Köln habe der Beschwerdegegner im Zeitfenster zwischen Juni und September 2013 die Website der Beschwerdeführerin sehr gut studiert, um auf dieser Grundlage Ansprüche nach dem UWG zu verfolgen. Der Beschwerdegegner habe mit der Markenanmeldung das Ziel verfolgt, die Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu behindern. Dies gehe aus den gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen der Beteiligten vor Anmeldung der angegriffenen Marke deutlich hervor.
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Die Bösgläubigkeit des Beschwerdegegners zeige sich insbesondere auch darin, dass er die von ihm angebotenen Scheinwerfer und Scheinwerferteile zum weit überwiegenden Teil unter seiner am 11. Juli 2013 angemeldeten Wort-Bildmarke DE 30 2013 041 100 „Willy” vertreibe und nur einen kleinen Teil der Produkte unter der Marke „Hassia”. Dabei handle es sich genau um die gleichen Produkte, die auch die Beschwerdeführerin unter der Bezeichnung „Hassia” anbiete. Dieses unterschiedliche Verhalten des Beschwerdegegners bezüglich seiner Marken „Willy” und „Hassia” sei nur durch die gezielte Behinderungsabsicht im Falle der „Hassia“-Scheinwerfer zu verstehen.
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Unabhängig von der Störung des schutzwürdigen Besitzstandes der Beschwerdeführerin sei die Anmeldung der Marke zudem mit dem wesentlichen Ziel erfolgt, die mit ihr entstehende Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen, was sich aus der vorgetragenen Vorgeschichte der gerichtlichen Auseinandersetzungen ergebe. Die Anmeldung der angegriffenen Marke sei ganz offensichtlich eine „Retourkutsche“ im Hinblick auf das vorangegangene Vorgehen der Beschwerdeführerin gegen den Beschwerdegegner wegen fehlender straßenrechtlicher Zulassung von Scheinwerfern gewesen. Soweit der Markeninhaber behaupte, dass eine Markenanmeldung für die straßenverkehrsrechtliche Zulassung seiner Scheinwerfer von spanischen Behörden als notwendig erachtet werde, so sei dies zum einen nicht zutreffend, zum anderen sei nicht ersichtlich, warum er nicht das von ihm verwendete Zeichen „Willy“ habe angeben können.
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Die Verwendung der Bezeichnung „Hassia“ auf dem Scheinwerferglas sei von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Beschwerdeführerin, da die Kunden nur für derart gekennzeichnete Scheinwerfer bereit seien, „Liebhaber-Preise“ zu bezahlen. So biete der Beschwerdegegner derartige Scheinwerfer unter der Bezeichnung „Hauptscheinwerfer Hassia“ mit der Einprägung des Schriftzuges „Hassia“ im Scheinwerferglas zum Preis von 135.- Euro an, während die Beschwerdeführerin den gleichen Scheinwerfer, den sie im Hinblick auf die Eintragung der angegriffenen Marke nicht als „Hauptscheinwerfer Hassia“ bezeichnen dürfe, für nur 89.- Euro anbieten könne, um überhaupt einen nennenswerten Umsatz zu erzielen. Die Preissteigerung um 52 % zeige den großen wirtschaftlichen Wert, den die Käufer der Kennzeichnung „Hassia“ auf einem der Scheinwerferreplikate zumessen würden. Zudem gäben die Kunden beim Online-Kauf von Scheinwerfern in den Suchmaschinen, auf Ebay etc. die Suchwörter „Scheinwerfer Hassia“ oder „Hauptscheinwerfer Hassia“ ein und würden so hauptsächlich auf die Online-Angebote des Beschwerdegegners weitergeleitet, der diese Traditionsmarke für sich monopolisiert habe und sie nicht als Herkunftshinweis, sondern zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes zur Behinderung eines Wettbewerbers einsetze. Zwischen 2010 und 2013 hätten sowohl der Beschwerdegegner als auch die Beschwerdeführerin derartige Scheinwerfer auf dem deutschen Markt verkauft. Seit der Abmahnung der Beschwerdeführerin durch den Beschwerdegegner vom 29. September 2014 sei der Beschwerdegegner der einzige Anbieter in Deutschland. Es handele sich hierbei um den zweckfremden Einsatz einer Marke zum Monopolschutz von Ersatzteilen mit der Folge eines Vertriebsverbots dieser Produkte.
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Die Beschwerdeführerin und Löschungsantragstellerin beantragt,
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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. März 2017 aufzuheben und die Löschung der Marke DE 30 2013 050 546 anzuordnen.
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Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
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Der Beschwerdegegner und Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
28
Zur Begründung führt er aus, dass keine der Fallgruppen einer bösgläubigen Markenanmeldung vorliege. Er vertreibe in großem Umfang Ersatzteile für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge. Da er Scheinwerfer mit dem Zeichen „Hassia“ bereits seit 2009 verkaufe und das Zeichen „Hassia“ somit länger als die Beschwerdeführerin verwende, könne diese sich nicht auf eine Störung ihres Besitzstandes berufen. Die Scheinwerfer lasse er nach seinen Vorgaben in Indien fertigen und mit der Bezeichnung „Hassia“ versehen und führe sie nach Deutschland ein, wo er sie sodann vertreibe. Damit sei er Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz. Zudem könne sich die Beschwerdeführerin auch deshalb nicht auf einen schutzwürdigen Besitzstand berufen, weil sie ja selbst vortrage, das Zeichen zu „dekorativen Zwecken“ zu verwenden.
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Ihm könne keine Bösgläubigkeit vorgeworfen werden. Er habe kein bekanntes Zeichen Dritter usurpiert, da die Marke „Hassia“ im Zeitpunkt der Neuanmeldung durch ihn bereits – unstreitig – erloschen war. Eine Marke räume ein Monopol an einer Bezeichnung ein, dies sei Kern des Markenrechts, so dass die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen per se keine Bösgläubigkeit begründen könne. Zudem sei die Angabe eines auf dem Streuglas angebrachten Zeichens für die Zulassung der vom Markeninhaber hergestellten und vertriebenen Scheinwerfer im Straßenverkehr zum Ausweis der Herstellereigenschaft erforderlich gewesen, wie sich aus der vorgelegten Zulassung der Scheinwerfer durch die spanische Behörde ergebe. Erst im Rahmen des Zulassungsverfahrens, das er nach Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch die Löschungsantragstellerin angestrengt habe, habe er sich daher für die Anmeldung der Marke „Hassia“ entschieden. Da er somit für die Zulassung der von ihm hergestellten Scheinwerfer einer Marke bedurft und Scheinwerfer der Marke „Hassia“ auch selbst vertrieben habe und weiter vertreibe, könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass die Anmeldung mit Behinderungsabsicht, also nur zu dem Zweck der Behinderung Dritter, getätigt worden sei, ohne eine eigene Benutzung der Marke zu beabsichtigen. Zudem bestehe zwar eine Nachfrage nach „Hassia-Scheinwerfern“, also nach original nachgebauten Scheinwerfern mit dem Markenzeichen „Hassia“, jedoch keine rechtliche Notwendigkeit, die Scheinwerfer mit der Bezeichnung „Hassia“ zu versehen. Viele Käufer verzichteten auf die Kennzeichnung, so dass die nicht gekennzeichneten Scheinwerfer keinesfalls wertlos seien. Der Beschwerdeführerin, die nicht gehindert sei, baugleiche Scheinwerfer zu vertreiben, werde der Marktzugang nicht verwehrt. Die Verwendung der Bezeichnung „Hassia“ auf den Scheinwerfern sei zudem zur originalgetreuen Ausstattung von L…-Traktoren nicht erforderlich, weil L…- Traktoren nicht nur mit „Hassia“-Scheinwerfern, sondern auch mit „H1…“- Scheinwerfern ausgestattet worden seien, so dass ein L…-Traktor auch ohne „Hassia“-Scheinwerfer originalgetreu sei. Im Übrigen könnten auch andere Ersatzteile nur mit dem Erwerb einer entsprechenden Lizenz vertrieben werden, da – dies ist unstreitig – nicht alle Hersteller historischer Traktoren ihren Betrieb bzw. die Produktion eingestellt haben.
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Soweit die Beschwerdeführerin auf das Verhältnis der vom Beschwerdegegner unter der Marke „Willy“ sowie der unter der Marke „Hassia“ vertriebenen Ersatzteile abstelle, so sei dies für die Beurteilung einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht relevant. Der Beschwerdegegner habe keine bekannte Marke eines Dritten „usurpiert“, da zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke die ehemals bekannte Marke „Hassia“ erloschen gewesen sei. Der Vortrag der Beschwerdeführerin zu einem eigenen schutzwürdigen Besitzstand sei im Übrigen widersprüchlich. Entweder es handele sich bei der Verwendung der Bezeichnung „Hassia“ durch die Beschwerdeführerin um eine rein dekorative Verwendung als Design-Element, dann fehle es mangels markenrechtlich relevanter Verwendung auch an einem Besitzstand der Beschwerdeführerin. Oder es handele sich um eine zeichenrechtlich relevante Verwendung, dann sei aber der Beschwerdegegner der Inhaber älterer Rechte, weil er die Bezeichnung „Hassia“ bereits seit 2009 und damit vor der Beschwerdeführerin genutzt habe.
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Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2020 hat der Beschwerdegegner im Nachgang zur mündlichen Verhandlung innerhalb der vom Gericht eingeräumten Stellungnahmefrist vorgetragen, dass der Beschwerdegegner abgesehen von den Scheinwerfern noch acht weitere Produkte mit dem Zeichen „Hassia“ gekennzeichnet habe. Hierbei handele es sich neben verschiedenen Scheinwerfern für die jeweiligen Traktorenhersteller (L…, E…, B…, F…, G…, J…, F1…, D…, H2…), um Bauteile für Scheinwerfer, nämlich einen „Scheinwerfer Einsatz Hassia 105 mm mit Chromring“, ein „Ersatzglas Hassia für Scheinwerfereinsatz für L… Volldiesel“ und einen „Chromring innen 105 mm“. Des Weiteren seien zum Zeitpunkt des Beginns der Auseinandersetzung weitere Produkte wie Rückleuchten und Blinker in Vorbereitung gewesen, die unter dem Zeichen „Hassia“ hätten vertrieben werden sollen. Von den ursprünglich „durch Hassia“ hergestellten Teilen würden auch diese Produkte (gegenwärtig im Original) nachgefragt und nicht nur die Beleuchtungsscheinwerfer. Ein Nachbau sei im Hinblick auf die vorliegende Auseinandersetzung nicht erfolgt, da für den Fall der Löschung der Marke Investitionskosten hätten vermieden werden sollen.
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Der Beschwerdegegner könne nicht mehr nachvollziehen, wann er von der Nutzung des Zeichens durch die Beschwerdeführerin erfahren habe. Der Vertrieb von Scheinwerfern mit der Einprägung „Hassia“ durch die Beschwerdeführerin im Jahr 2013 werde nicht bestritten, für die Zeit davor gebe es keine Belege. Die Beschwerdeführerin sei auf die angegriffene Marke nicht angewiesen, da sie Leuchten auch unter der Eigenmarke „D1…“ anbiete. Er habe für seinen eigenen Vertrieb der „Hassia“-Scheinwerfer ab dem Jahr 2009 keine Lizenz- oder Nutzungsabrede mit der Inhaberin der erst 2010 gelöschten Marke „Hassia“ getroffen. Dies sei aber auch nicht erforderlich gewesen, da die Marke bereits mangels Nutzung löschungsreif gewesen sei. Die H3… GmbH & Co. KG habe im Jahre 1995 bereits Konkurs beantragt. Die Marke sei anschließend übertragen worden, aber jedenfalls für Leuchten nicht mehr markenrechtlich relevant genutzt worden.
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Nach Schluss der mündlichen Verhandlung sind weitere nicht nachgelassene Schriftsätze eingegangen, nämlich ein Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 22. Juni 2020 sowie Schriftsätze des Beschwerdegegners vom 25. Juni 2020 und 30. Juni 2020.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zugesandten Hinweis des Senats, die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2020 und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
35
Die zulässige, insbesondere gem. § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Löschungsantragstellerin hat auch in der Sache Erfolg, da die Voraussetzungen für eine Löschung der angegriffenen Marke DE 30 2013 050 546 gem. § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 a. F. MarkenG vorliegen.
36
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (s. a. § 158 Abs. 8 MarkenG). Das Eintragungshindernis der bösgläubigen Anmeldung aus Art. 3 Abs. 2 d) Marken-Richtlinie a. F. (RL 2008/95/EG) findet sich nun in Art. 4 Abs. 2 Marken-Richtlinie n. F. (RL (EU) 2015/2436) und wird umgesetzt durch die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG n. F., die mit der zuvor und auch im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke gültigen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. übereinstimmt.
37
I. Auf den zulässigen Löschungsantrag der Beschwerdeführerin und den Widerspruch des Beschwerdegegners war das Löschungsbegehren inhaltlich zu überprüfen.
38
Der Löschungsantrag wurde ordnungsgemäß gestellt, insbesondere wurde das geltend gemachte konkrete Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG (a. F.) im Löschungsantrag ausdrücklich benannt (vgl. zum Erfordernis der Angabe des konkreten Schutzhindernisses BGH GRUR 2016, 500 Rn. 11 – Fünf-Streifen-Schuh). Der Markeninhaber und Beschwerdegegner hat dem am 15. Oktober 2015 zugestellten Löschungsantrag mit am 23. November 2015 beim DPMA eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz und damit rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist der vor dem 1. Mai 2020 und damit zum damaligen Zeitpunkt gültigen Regelung in § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG a. F. widersprochen, so dass gem. § 54 Abs. 2 S. 3 MarkenG a. F. das Löschungsverfahren durchzuführen war.
39
II. Eine Marke wird nach § 50 Abs. 1 MarkenG a. F.auf Antrag gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7, 8 MarkenG eingetragen worden ist, wobei für die im Eintragungsverfahren (§§ 37 Abs. 1, 41 S. 1 MarkenG) und im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) vorzunehmende Prüfung der Schutzhindernisse auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens und das zu diesem Zeitpunkt bestehende Verkehrsverständnis abzustellen ist (vgl. BGH GRUR 2018, 301 Rn. 9 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 378 Rn. 14 – LIQUIDROM; GRUR 2015, 1012 Rn. 8 – Nivea-Blau; GRUR 2014, 565 Rn. 10 – smartbook; GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten). Soweit der Löschungsgrund der Bösgläubigkeit geltend gemacht wird, ist ausschließlich auf diesen Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen und nicht daneben auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (vgl. EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 35 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2016, 380 Rn. 12 –  GLÜCKSPILZ ). Dies schließt jedoch eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus.
40
So wird sich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Markeninhabers häufig erst aus einer späteren Rechtsausübung ergeben, die zwar als solche den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. nicht erfüllt, aber im Einzelfall erst den erforderlichen Schluss auf eine bereits zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht mit der erforderlichen Sicherheit erlaubt (vgl. BGH a. a. O. Rn. 14 – Glückspilz; BPatG, Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl. 2018, § 8 Rn. 912). Ist die Feststellung des Schutzhindernisses auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BGH GRUR 2010, 138 Rn. 48 – Rocher-Kugel; BPatG, Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME; Miosga in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, a. a. O., § 54 Rn. 22).
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Von der Böswilligkeit des Anmelders i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. ist auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Das Markengesetz knüpft an die Rechtsprechung zum außerkennzeichen-rechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG a. F. oder § 826 BGB unter Geltung des Warenzeichengesetzes an. Die dazu entwickelten Grundsätze sind auch zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders unter Geltung des § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a. F. heranzuziehen (BGH GRUR 2016, 378 Rn. 16 – LIQUIDROM; GRUR 2009, 780 Rn. 11 – Ivadal; GRUR 2004, 510 – S 100) und gelten nach der Novellierung des § 50 Abs. 1 MarkenG und der Einführung des Eintragungshindernisses der böswilligen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. bzw. nunmehr § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG n. F. weiter, weil die für die böswillige Markenanmeldung bestehenden Maßstäbe hierdurch nicht geändert werden sollten, sondern das Entstehen ungerechtfertigter Markenrechte im Interesse der Rechtssicherheit bereits im Eintragungsverfahren verhindert werden sollte (BGH GRUR 2016, 380 Rn. 16 –  GLÜCKSPILZ ; GRUR 2016, 378 Rn. 16 – LIQUIDROM unter Verweis auf die Begründung eines RegE d. Geschmacksmusterreformgesetzes, BT-Drs. 15/1075, 67 f.).
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Eine böswillige Markenanmeldung kommt danach in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen oder aber die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH GRUR 2016, 378 Rn. 17 – LIQUIDROM; GRUR 2016, 380 Rn. 17 –  GLÜCKSPILZ ; GRUR 2009, 780 Rn. 13 – Ivadal; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 899). Neben diesen beiden Fallgruppen der Störung des schutzwürdigen Besitzstandes und des beabsichtigten zweckfremden Einsatzes der Marke als Mittel des Wettbewerbskampfes ist in der nationalen Rechtsprechung als dritte Fallgruppe der bösgläubigen Markenanmeldungen diejenige der Anmeldung sogenannter „Spekulationsmarken“ herausgearbeitet worden, d. h. von Marken, welche der Anmelder lediglich mit dem Ziel schützen lassen möchte, gutgläubige Dritte unter Druck zu setzen, ohne dass ein eigener ernsthafter Benutzungswille des Markenanmelders vorliegt (vgl. BGH GRUR 2001, 242 – Classe E; BPatG, Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 928; s. auch EuGH a. a. O. Rn.44 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth). Diese drei in der deutschen Spruchpraxis entwickelten Fallgruppen weisen Überschneidungen auf und sind nicht abschließend (s. hierzu Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 899 m. w. N.). Die Feststellung, ob der Anmelder die Eintragung der Marke bösgläubig beantragt hat, erfordert eine Beurteilung unter Berücksichtigung aller sich aus den relevanten Umständen des Einzelfalls ergebenden Anhaltspunkte (EuGH a. a. O. Rn. 37, 53 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2009, 780 Rn. 18 – Ivadal). Dabei kann aus den relevanten objektiven Umständen auf die für die Beurteilung der Bösgläubigkeit der Anmeldung relevante subjektive Einstellung des Anmelders im Sinne einer Behinderungsabsicht oder eines sonstigen unlauteren Motivs geschlossen werden (vgl. EuGH GRUR Int 2013, 792 Rn. 36 – Malaysia Dairy Industries; EuGH a. a. O. Rn. 42 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2009, 780 Rn. 18 – Ivadal; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 908). Als relevante Umstände kommen in Betracht die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen verwendet sowie die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern; schließlich auch der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 53 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth). Ein Verhalten überschreitet die Schwelle der Bösgläubigkeit erst dann, wenn seine Wirkungen über eine als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmende Behinderung hinausgehen und es bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH GRUR 2016, 380 Rn. 28 –  GLÜCKSPILZ ; GRUR 2008, 917 Rn. 23 – EROS; GRUR 2008, 621 Rn. 32 –  AKADEMIKS ).
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III. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine bösgläubige Anmeldung der angegriffenen Marke DE 30 2013 050 546 „Hassia“ durch den Beschwerdegegner anzunehmen.
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1. Eine bösgläubige Markenanmeldung unter dem Gesichtspunkt der Anmeldung einer Spekulationsmarke kommt indes nicht in Betracht, weil dem Beschwerdegegner ein eigener Benutzungswille nicht abgesprochen werden kann.
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2. Des Weiteren lässt der Senat offen, ob die Beschwerdeführerin ausreichend zu einem zu ihren Gunsten bestehenden schutzwürdigen Besitzstand zum Zeitpunkt der Anmeldung der mit dem Löschungsantrag angegriffenen Marke vorgetragen hat.
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3. Der Senat geht jedoch mit der erforderlichen Sicherheit davon aus, dass der Beschwerdegegner die verfahrensgegenständliche Marke in der Absicht des zweckwidrigen Einsatzes ihrer Sperrwirkung als Mittel im Wettbewerbskampf angemeldet hat. Die Behinderungsabsicht ergibt sich unter der Würdigung aller relevanten Umstände des vorliegenden Falles einschließlich der Wettbewerbssituation zwischen den Beteiligten und des Zeitpunktes der Markenanmeldung insbesondere aus dem Umstand, dass der Beschwerdegegner über die verfahrensgegenständliche Markenanmeldung nicht nur eine – dem Markenrecht immanente – ausschließliche Rechtsposition an dem Zeichen „Hassia“ zur Kennzeichnung bestimmter Waren erhalten wollte, sondern darüber hinaus mit der Anmeldung den Zweck verfolgt hat, den Vertrieb bestimmter Produkte unter Ausschluss der Beschwerdeführerin sowie möglicher anderer Wettbewerber zu monopolisieren und damit insbesondere die Beschwerdeführerin sowie weitere mögliche Wettbewerber zu behindern.
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a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es eine größere Gemeinde von Liebhabern alter historischer landwirtschaftlicher Traktoren gibt, die diese Traktoren instandsetzen und reinigen, um sie anschließend beispielsweise ausstellen und vorführen zu können. Ferner ist unstreitig, dass es dementsprechend einen Markt für originalgetreue Ersatzteile gibt, die bei der Restaurierung der historischen Traktoren verwendet werden. Insbesondere besteht eine Nachfrage nach Scheinwerferreplikaten, bei denen die Bezeichnung „Hassia“ in einer bestimmten Gestaltung – nämlich in der Gestaltung, wie sie ursprünglich bei den Original-Scheinwerfern für die Oldtimer-Traktoren verwendet wurde – in das Scheinwerferglas eingeprägt ist.
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Dadurch, dass der Beschwerdegegner die für diese Oldtimer-Teile ursprünglich verwendete Bezeichnung „Hassia“ als Marke hat schützen lassen, hat er sich eine Monopolstellung verschafft, die es ihm alleine ermöglicht, diese spezifische Nachfrage zu bedienen.
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aa) Zwar kann es nicht von vorneherein als rechtsmissbräuchlich und bösgläubig angesehen werden, wenn ein Marktteilnehmer eine nicht mehr geschützte Marke eines Dritten erneut anmeldet, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine lange genutzte und bekannte Marke handelt (vgl. BPatG, Beschluss vom 19.06.2008, 27 W (pat) 79/06 – Pan Am). Das Aufgreifen ehemals verwendeter Bezeichnungen entspricht vielmehr grundsätzlich den gesetzgeberischen Vorstellungen und kann daher nicht schon für sich genommen als rechtsmissbräuchlich oder wettbewerbswidrig angesehen werden (vgl. Schoene in: BeckOK Markenrecht, 21. Edition, Stand: 01.01.2020, § 8 Rn. 917, Kommentierung zur Fallgruppe der Störung eines schutzwürdigen Besitzstandes; BPatG, Beschluss vom 12.04.2011, 28 W (pat) 13/10 – Simca; s. demgegenüber aber die Entscheidung EuG GRUR Int. 2014, 1047 – Simca, in der die Bösgläubigkeit der Anmeldung einer früher genutzten Marke angenommen wurde, weil die verfahrensgegenständliche Marke bewusst angemeldet worden sei, um eine gedankliche Nähe zu den älteren Marken herzustellen und von ihrer Wertschätzung zu profitieren etc.). Das Markenrecht kennt grundsätzlich weder das Erfordernis der Neuheit noch das einer eigenen schöpferischen Leistung als Voraussetzung für die Vergabe von Rechten. Eine Bösgläubigkeit kann in derartigen Fällen des Aufgreifens früherer Marken daher nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden.
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bb) Solche besonderen Umstände sind vorliegend gegeben. Bei dem in die Scheinwerfergläser eingeprägten Schriftzug „Hassia“ in der hier relevanten Art und Weise handelt es sich – entgegen der Einschätzung der Beschwerdeführerin – nicht um ein reines „Design-Element“, sondern um eine markenmäßige Benutzung des Zeichens „Hassia“.
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Die vorliegende Konstellation ist dennoch von sonstigen Fällen, in denen ein Marktteilnehmer eine erloschene Traditionsmarke bzw. bekannte Marke nach deren Erlöschen neu anmeldet, zu unterscheiden. Auch in anderen Fällen besteht möglicherweise eine gezielte Nachfrage nach Produkten, die unter der bekannten früheren Marke angeboten werden. Die Besonderheit besteht vorliegend darin, dass die Beteiligten auf dem Gebiet des Ersatzteilgeschäfts im Bereich historischer Fahrzeuge tätig sind, auf dem der Vertrieb von Ersatzteilen unter einer bestimmten Bezeichnung nicht lediglich gewisse Vorteile verschafft, wie sie stets bei der Verwendung (früher) bekannter Marken mit einem guten Ruf anzunehmen sind – beispielsweise weil die Kunden mit einer ihnen schon lange bekannten Bezeichnung bestimmte Qualitätsvorstellungen verknüpfen –, sondern bei denen eine konkrete Nachfrage nach mit der Bezeichnung in einer bestimmten „originalgetreuen“ Art und Weise versehenen Produkten besteht. Die Nachfrage nach diesen spezifischen Produkten kann daher ohne Verwendung des hier relevanten Zeichens nicht bedient werden.
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Dem steht nicht der Vortrag des Beschwerdegegners entgegen, dass die historischen Traktoren – im konkreten Fall Traktoren der Marke L… – in der Vergangenheit teilweise auch mit Scheinwerfern der Marke „H1…“ ausgeliefert worden und damit auch mit diesen Scheinwerfern „originalgetreu“ ausgestattet seien. Ebenso wenig greift das Argument, dass die Beschwerdeführerin derartige (baugleiche) Scheinwerfer unter ihrer Eigenmarke „D1…“ anbiete und auch vertreiben könne, so dass ihr der Marktzugang nicht verwehrt werde. Denn bestimmte Baureihen wurden ausschließlich mit Leuchten der Firma H… ausgestattet, so dass eine originalgetreue Ausstattung des Oldtimer-Traktors nur mit Hassia-Scheinwerfern gewährleistet werden kann, selbst wenn Scheinwerfer der Firma H1… oder ein Nachbau der Marke D1… durch die Beschwerdeführerin funktional dieselbe Aufgabe erfüllten. Die Beschwerdeführerin hat, ebenso wie der Beschwerdegegner, vor der Anmeldung der mit dem Löschungsantrag angegriffenen Marke unbeanstandet Scheinwerfer mit der in das Scheinwerferglas eingeprägten Bezeichnung „Hassia“ vertrieben.
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Nunmehr ist sie von dem Vertrieb des Produkts in der konkreten, von Kunden nachgefragten Gestaltung jedoch ausgeschlossen. Soweit der Beschwerdegegner auf andere „originalgetreue“ Scheinwerfer der Firma H!… verweist, spielt dies für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin ohnehin keine Rolle, da die „Firma H1…“ (H1… GmbH & Co. KGaA) weiterhin existiert und nach wie vor Inhaberin diverser „H1…“-Marken ist, so dass die Beschwerdeführerin diese Bezeichnung ohne Lizensierung nicht für eigene Produkte verwenden kann. Im Übrigen ist fraglich, inwieweit die Nachfrage nach „Hassia-Scheinwerfern“ mit „H1…-Scheinwerfern“ befriedigt werden kann, da für die an einem originalgetreuen Aussehen der Traktoren interessierten Kunden maßgeblich ist, welche Traktoren welcher Baujahre mit „H1…“- bzw. „Hassia“-Scheinwerfern ausgestattet waren, ohne dass es auf den insoweit im Einzelnen streitigen Vortrag der Beteiligten ankommt.
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cc) Die Beschwerdeführerin ist damit von dem Vertrieb dieser speziellen originalgetreuen Scheinwerfer mit dem eingeprägten Schriftzug „Hassia“ aufgrund der Anmeldung und Eintragung der angegriffenen Marke für diese Waren ausgeschlossen.
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Dass die Beschwerdeführerin ebenso wie der Beschwerdegegner derartige Scheinwerfer vor Anmeldung der angegriffenen Marke vertrieben hat, ist jedenfalls in Bezug auf das Jahr 2013 unstreitig. Der Beschwerdegegner hat zuletzt in seinem Schriftsatz vom 26. Mai 2020 lediglich bestritten, dass die Beschwerdeführerin bereits vor 2013, nämlich ab 2010, derartige Scheinwerfer verkauft habe. Darauf, ob dieses Bestreiten inhaltlich von dem Schriftsatznachlass umfasst und daher zu berücksichtigen ist oder ob es gem. § 296 a ZPO als nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht anzusehen sein könnte, kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Senat aufgrund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Einkaufsrechnungen für „Hassia“-Leuchten aus dem Jahr 2010 und der persönlichen Anhörung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung von einem Vertrieb auch zwischen 2010 und 2012 ausgehen könnte oder ob insoweit noch die Einvernahme des von der Beschwerdeführerin angebotenen Zeugen erforderlich wäre. Denn bereits der unstreitige Vortrag, dass beide Beteiligten diese in einer bestimmten Art und Weise mit „Hassia“ gekennzeichneten Scheinwerfer im Jahr 2013 und damit vor der Anmeldung der angegriffenen Marke durch den Beschwerdegegner am 12. September 2013 vertrieben und ohne Probleme koexistiert haben, und dass seit der Abmahnung der Beschwerdeführerin durch den Beschwerdegegner vom 29. September 2014 nunmehr ausschließlich der Beschwerdegegner und seine Vertriebspartner derartige „Hassia“-Scheinwerfer vertreiben, belegt den durch die Markenanmeldung erzielten Produktschutz.
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dd) Der Senat ist des Weiteren überzeugt davon, dass der Beschwerdegegner dies mit seiner Markenanmeldung beabsichtigt hat. Auch wenn er zuletzt angibt, nicht mehr genau zu wissen, seit wann er von dem Vertrieb der „Hassia-Scheinwerfer“ durch die Beschwerdeführerin erfahren habe, so ergibt sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen, dass er spätestens im Januar 2013 hiervon Kenntnis hatte. In einem Schriftsatz vom 6. Februar 2013 an das Landgericht Düsseldorf (Anlage A 14 zur Beschwerdebegründung) nimmt der Beschwerdegegner auf ein Angebot für ein Ersatzteil für Fahrzeuge der Fa. L… auf der Webseite der Beschwerdeführerin Bezug. Aus der als Anlage zu diesem Schriftsatz beigefügten Stellungnahme Anlage B 1 ergibt sich weiter, dass dieses Angebot der Beschwerdeführerin „Hassia-Leuchten“ zum Gegenstand hatte, da die beigefügte Anlage B 1, ein Schreiben vom 21. Januar 2013, auf eine Anfrage des Beschwerdegegners „bezüglich Hassia-Leuchten“ Bezug nimmt. Der Beschwerdegegner wusste damit spätestens seit Januar 2013 von dem Vertrieb von mit dem Schriftzug „Hassia“ versehenen Scheinwerfern durch die Beschwerdeführerin und hat durch die Markenanmeldung vom 12. September 2013 eine Marktsituation geschaffen, in der er als Einziger derartige „originalgetreue“ Scheinwerfer anbieten und vertreiben kann. Auch wenn er vorträgt, dass Scheinwerfer grundsätzlich auch ohne diese Einprägung vermarktet werden können und der Beschwerdeführerin, die baugleiche Scheinwerfer auch unter der Eigenmarke „D1…“ vertreibe, somit der Marktzugang nicht verwehrt werde, so hat er nicht bestritten, dass es eine Nachfrage speziell nach Scheinwerfern mit der Einprägung des besonders gestalteten Schriftzugs „Hassia“ im Scheinwerferglas gibt. Unbestritten geblieben ist ebenfalls, dass für diese ein deutlich höherer Preis erzielt werden kann – konkret hat die Beschwerdeführerin einen um über 50% höheren Preis für derartige Scheinwerfer vorgetragen und belegt.
57
b) Neben dem durch die Markeneintragung vom Beschwerdegegner bezweckten und erreichten „Produktschutz“ sprechen noch weitere Umstände für seine Bösgläubigkeit bei Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke.
58
Zu den zu berücksichtigen objektiven Umständen des Einzelfalles, aus denen auf die subjektive Behinderungsabsicht des Beschwerdegegners zu schließen ist (vgl. BGH GRUR 2009, 780 Rn. 18 – Ivadal), gehören das konkrete Vorgehen des Beschwerdegegners gegen die Beschwerdeführerin im Wege der Abmahnung und Erhebung einer Unterlassungsklage sowie der zeitliche Kontext dieses Vorgehens mit der Markenanmeldung als solcher und mit weiteren Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten.
59
aa) Zwar lässt alleine das Vorgehen aus einer Marke nicht den Schluss zu, mit der Markenanmeldung sei ein Missbrauch der Registerrechtsposition zu Zwecken beabsichtigt, die durch das Markenrecht nicht mehr gerechtfertigt sind. Die Ausschlusswirkung einer Marke, hinsichtlich derer (sonstige) Eintragungshindernisse nicht bestehen, ist gerade rechtmäßiger Zweck ihrer Eintragung und das Vorgehen aus Markenrechten entspricht grundsätzlich dem Zweck des durch das Markenrecht gewährten Schutzes (vgl. BGH a.a.O. Rn. 30 – Glückspilz; BPatG a.a.O. – Simca).
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bb) Vorliegend liegen jedoch weitere Anhaltspunkte vor, die dazu führen, dass das Vorgehen des Beschwerdegegners gegen die Beschwerdeführerin als ein Aspekt zu bewerten ist, der in Verbindung mit weiteren Gesichtspunkten und bei Gesamtwürdigung aller Umstände für eine Behinderungsabsicht des Beschwerdegegners spricht.
61
Relevant ist in diesem Zusammenhang, dass die Anmeldung der angegriffenen Marke und das Vorgehen aus dieser erst nach dem Aufkommen sonstiger Streitigkeiten zwischen den Beteiligten erfolgten. Der Beschwerdegegner, der das Zeichen „Hassia“ nach eigenen Angaben bereits ohne Inhaber einer Lizenz zu sein seit dem Jahr 2009 verwendet, hat weder vor dem Ende des registerrechtlichen Schutzes der früheren Marke „Hassia“ (DE 424 660) am 31. Juli 2010 auf eine Löschung der seinem Vortrag nach löschungsreifen „Vorgängermarke“ hingewirkt. Noch hat er die Markenanmeldung alsbald nach deren Schutzende im Juli 2010 getätigt, sondern die angegriffene Marke erst drei Jahre später, nämlich am 12. September 2013 angemeldet. Unstreitig hatte die Beschwerdeführerin zuvor vor dem Landgericht Düsseldorf Klage gegen den Beschwerdegegner erhoben u. a. auf Unterlassung des Vertriebs von Traktorenscheinwerfern ohne Hinweis auf deren (fehlende) Straßenzulassung, wobei das Verfahren am 5. Juni 2013 durch einen Vergleich der Beteiligten beendet wurde. In diesem Vergleich hat der Beklagte ( =Beschwerdegegner ) den geltend gemachten Unterlassungsanspruch anerkannt und sich zur Zahlung eines Teils der geforderten Abmahnkosten verpflichtet. Weiter ist unstreitig, dass der Beschwerdegegner seinerseits im Juni 2013 gegen die Beschwerdeführerin eine einstweilige Verfügung erwirkt hat. Die Tatsache, dass der Beschwerdegegner trotz vorgetragener Verwendung des Zeichens „Hassia“ bereits seit 2009 die verfahrensgegenständliche Marke erst im September 2013 und damit in engem zeitlichen Zusammenhang mit den vorgenannten gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Beschwerdeführerin angemeldet hat und aus dieser Marke in den Folgejahren auch gegen die Beschwerdeführerin vorgegangen ist, spricht in Zusammenschau mit dem unter Ziff. a) dargelegten Gesichtspunkt des durch die Markenanmeldung erzielten Produktschutzes dafür, dass es ihm bei Anmeldung der angegriffenen Marke in erster Linie um eine Behinderung der Beschwerdeführerin sowie möglicher weiterer Wettbewerber ging.
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Der Beschwerdegegner hat zwar vorgetragen, die Anmeldung der Marke „Hassia“ sei erfolgt, weil im Zusammenhang mit der straßenrechtlichen Zulassung der von ihm vertriebenen Scheinwerfern, die er nach der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch die Beschwerdeführerin beantragt habe, die Angabe einer Marke erforderlich gewesen sei. Aus der vorgelegten Zulassung durch die spanischen Behörden ergibt sich aber nicht, weshalb hierfür die Anmeldung gerade der angegriffenen Marke erforderlich gewesen sein soll. Aus der in das Verfahren eingeführten Klageschrift vom 19. November 2011 (vgl. Anlage A 4 zur Begründung des Löschungsantrags) ergibt sich insbesondere nicht, dass die gerichtliche Auseinandersetzung der Beteiligten vor dem Landgericht Düsseldorf „Hassia“-Scheinwerfer zum Gegenstand hatte, vielmehr ist beispielsweise im Klageantrag Ziff. 1. b) der Klageschrift ein Scheinwerfer mit der Bezeichnung „Willy“ erkennbar.
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c) Im Übrigen steht die eigene Benutzungsabsicht des Beschwerdegegners der Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht von vorneherein entgegen. Die Bewertung einer Anmeldung als bösgläubig erfordert eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles, wobei die Absicht, die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen, nicht der einzige Beweggrund der Markenanmeldung sein muss; vielmehr reicht es aus, wenn diese Absicht ein wesentliches Motiv ist (vgl. BGH GRUR 2008, 621 Rn. 32 –  AKADEMIKS ; GRUR 2008, 917 Rn.23 – EROS). Letzteres ist vorliegend anzunehmen und ergibt sich aus den vorgenannten Umständen (s.o. Ziff. a), b)).
64
Dementsprechend kann auch offenbleiben, ob der Beschwerdegegner, der im nachgelassenen Schriftsatz vom 26. Mai 2020 vorgetragen hat, neben verschiedenen Scheinwerfern auch Scheinwerferbauteile wie beispielsweise ein „Ersatzglas Hassia“ etc. bereits vertrieben zu haben, zu Beginn „der Auseinandersetzung“ zudem den Vertrieb von Blinkern und Rückleuchten unter der Bezeichnung „Hassia“ in Vorbereitung hatte. Insbesondere bedarf es nicht der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sowie der Einvernahme der im weiteren, nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beschwerdegegners als Zeugin angebotenen J1…. Unabhängig von der Frage, ob der Vortrag des Beschwerdegegners insoweit ausreichend substantiiert ist, ändert auch ein möglicherweise geplanter Vertrieb weiterer mit der Marke „Hassia“ gekennzeichneter Produkte nichts an der Beurteilung seines Verhaltens. Denn der Beschwerdegegner hat vorgetragen, dass auch diese Produkte (Blinker, Rückleuchten) „ursprünglich durch Hassia“ hergestellt worden seien und weiterhin von den Kunden nachgefragt würden. Die Markennutzung würde sich daher auch insoweit an der unter der „Vorgängermarke“ erfolgten Tätigkeit und der speziellen Nachfrage auf dem Markt für Ersatzteile von Oldtimern orientieren. Das Vorhaben, die Nutzung der Marke „Hassia“ auch auf diese Produkte auszuweiten, lässt das Verhalten des Beschwerdegegners daher nicht in einem anderen Licht erscheinen.
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d) Das Verhalten des Beschwerdegegners zeichnet sich insgesamt dadurch aus, dass er erst mehrere Jahre nach dem Beginn des Vertriebs der eigenen Produkte unter der Bezeichnung „Hassia“ und in zeitlichem Zusammenhang mit Auseinandersetzungen mit seinem Wettbewerber, gegen den er in der Folgezeit auch aus der Marke vorgegangen ist, eine erloschene „historische Marke“ eines Dritten angemeldet hat, die traditionell gut sichtbar auf Zubehörteilen verwendet wurde, für welche auf dem Ersatzteilmarkt eine Nachfrage in der konkreten Gestaltung mit dieser Traditionsmarke besteht bzw. für die die Kennzeichnung mit dem Schriftzug „Hassia“ von nicht unerheblicher Relevanz für die zu erzielenden Preise ist. Dieses Verhalten lässt – auch unter Berücksichtigung der weiteren vorgetragenen Umstände und insbesondere trotz des weiterhin möglichen Vertriebs von Produkten unter Eigenmarken (wenn auch zu einem geringeren Preis) oder einer Absicht der Kennzeichnung weiterer Produkte in der Zukunft – auf eine Behinderungsabsicht des Beschwerdegegners im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke schließen. Dem Beschwerdegegner ging es nicht in erster Linie um die eigene wirtschaftliche Entfaltung unter einem bestimmten Kennzeichen, sondern darum, den Vertrieb von Produkten, die eine konkrete Gestaltung aufweisen – nämlich die Einprägung des Schriftzuges „Hassia“ im Streuglas – und für die ein spezifischer Markt besteht, über den Markenschutz für sich zu monopolisieren und andere Wettbewerber wie die Beschwerdeführerin von dem (weiteren) Vertrieb der Produkte auszuschließen.
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Das Verhalten des Beschwerdegegners war daher bei objektiver Würdigung sämtlicher Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung der Beschwerdeführerin und gegebenenfalls weiterer Wettbewerber und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet.
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Aufgrund der bösgläubigen Markenanmeldung war gem. § 50 Abs. 1 MarkenG auszusprechen, dass die Eintragung der angegriffenen Marke zu löschen ist.
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IV. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des Vorbringens der Beteiligten im Nachgang zur mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.
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Der weitere Vortrag des Beschwerdegegners erfolgte teilweise im Rahmen der gewährten Schriftsatzfrist (Schriftsatz vom 26.05.2020, Bl. 254/268 d. A.), teilweise jedoch außerhalb der gewährten Schriftsatzfrist (Schriftsatz vom 25.06.2020, Bl. 286/288 d. A.), wie dies auch beim Vortrag der Beschwerdeführerin in ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz (vom 22.06.2020, Bl. 276/282 d. A.) der Fall war. Soweit Vortrag nicht mehr von der gewährten Schriftsatzfrist gedeckt war, gilt für diesen die Vorschrift des § 82 i. V. m. § 296 a ZPO, nach der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel unberücksichtigt bleiben. Allerdings kann das Gericht gem. § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wiedereröffnen. Dies kann aus Gründen rechtlichen Gehörs erforderlich sein, soweit in einem nachgelassenen Schriftsatz entscheidungserhebliche neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorgebracht werden.
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Vorliegend ist ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nicht erforderlich, insbesondere nicht aus Gründen der Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Vortrag des Beschwerdegegners im nachgelassenen Schriftsatz sowie in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen enthielt keinen entscheidungserheblichen neuen Vortrag, der eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätte, um der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren. Vielmehr war der Beschwerde auch bei Berücksichtigung des neuen Vortrags des Beschwerdegegners erfolgreich. Ebenso erfolgt kein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung im Hinblick auf den Vortrag der Beschwerdeführerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz. Dieses gem. § 296 a ZPO verspätete Vorbringen beschränkt sich auf ein Bestreiten des Vortrags des Beschwerdegegners sowie auf eine Wiederholung früheren eigenen Vortrags und enthält keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen.
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V. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG besteht keine Veranlassung.
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VI. Der Beschwerdegegner und Inhaber der angegriffenen Marke hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
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Zwar trägt in markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem BPatG gem. § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG grundsätzlich jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst. Das Gericht kann jedoch gem. § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG bestimmen, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren, einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bedarf es stets besonderer Umstände. Solche von der Norm abweichenden Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (vgl. Knoll in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 13). Angesichts des bösgläubig erwirkten Registerrechts entspricht es der Billigkeit, dem Markeninhaber und Beschwerdegegner die Kosten aufzuerlegen (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 16 m. w. N.).


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