Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “swag” – zur Prüfung absoluter Schutzhindernisse – zur Begründungspflicht – zur Möglichkeit einer globalen Begründung – Fehlen einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem angemeldeten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis – Zurückverweisung an das DPMA – Kostenentscheidung – Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Aktenzeichen  26 W (pat) 513/20

Datum:
26.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:260520B26Wpat513.20.0
Normen:
§ 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG
§ 61 Abs 1 S 1 MarkenG
§ 71 Abs 3 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 020 498.1
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Mai 2020 unter Mitwirkung des Richters Kätker als Vorsitzenden sowie der Richter Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Mai 2018 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen
2
swag
3
ist am 17. August 2017 unter der Nummer 30 2017 020 498.1 als Marke zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der
4
Klasse 3: Desodorierungsmittel für den persönlichen Gebrauch, insbesondere Deodorants für die Körperpflege; Körperdeodorants [Parfümeriewaren]; Roll-on Deodorants [Körperpflegemittel]; Parfümeriewaren und Duftstoffe; Parfüm, insbesondere Eau de Parfum, Eau de Toilette, Rasierwässer; Parfümerieöle; Parfümöle; Parfümöle zur Herstellung von kosmetischen Präparaten; ätherische Öle; natürliche Öle für Parfums; synthetische Parfümeriewaren; natürliche Parfümeriewaren; Parfümextrakte; aromatische Extrakte; Aromastoffe für Parfüms; Feste Parfüms; flüssige Parfums; Blumenextrakte [Parfümeriewaren]; Extrakte aus Blüten [Parfümeriewaren]; Körperreinigungs- und Körperpflegepräparate; Körperpflegemittel; Toilettemittel [Körperpflege]; Parfümiertes Toilettewasser; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere parfümierte Seifen, Parfümseifen, Seifen für die Körperpflege, Seifenersatz; Gesichtsmasken [Körperpflegemittel]; Gesichtspackungen [Körperpflegemittel]; Mittel zur Reinigung, Pflege und Verschönerung der Haare; Haarpflegespülungen, kosmetische Haarpflegemittel, Shampoos, Gele, Schaum und Balsame sowie Mittel in Aerosolform zum Frisieren und zur Haarpflege, Haarlacke, Färbe-und Entfärbungsmittel für Haare; Ondulier- und Dauerwellpräparate; Lotionen für die Haarpflege; Badeöle für die Haarpflege; Körperpflegemittel und Kosmetika, insbesondere Cremes, Milch, Lotionen, Gele und Puder für Gesicht, Körper und Hände; parfümierte Lotionen [Toilettenpräparate]; Hautöle; parfümierte Cremes; Milch, Gele und Öle zur Hautbräunung und zum Auftragen nach dem Sonnenbaden; Dusch- und Badegel; schäumende Badegele zur Körperpflege; kosmetische Schaum- und Duschbäder; Badezusätze; parfümierte Körpersprays; kosmetische Mittel im Bereich der dekorativen Kosmetik, insbesondere Lippenstifte, Lidschatten, Schminke, Wimperntusche, Nagellack, Eyeliner; parfümierte Tücher; parfümierter Puder; parfümierter Talkumpuder; Kissen gefüllt mit parfümierten Substanzen; parfümierte Beutelchen; Duftsprays; parfümierte Säckchen; Grundierungen für die Haut; Grundierungen [Schminke]; Grundierungen für Schminkmittel; Grundierungen zu Schminkzwecken; Make-up; Make-up-Puder; Gesichts-Make-up; Grundierungen [Make-up]; flüssige Make-up-Grundierung; Make-up-Unterlage in der Form von Pasten; Make-up für das Gesicht; Make-up für die Haut; Flüssig-Make-Up; Make-up für die Augen; Make-up zur optischen Augenlidvergrößerung; Make-up-Entfernungsmilch; Cremes zur Make-up-Entfernung; Gele zum Entfernen von Make-up; Schminkmittel; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege in Form von Rouge; Rouge; Rouge für kosmetische Zwecke; Wangenrot [Rouge]; Rouge für das Gesicht; flüssiges Rouge; Rougestifte; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege in Form von Lidschatten; Lidschatten [Kosmetika]; Schminkmittel für die Augen [Lidschatten]; Mascara; Wimperntusche [Mascara]; Eyeliner; Eyeliner [Kosmetika]; Eyelinerstifte; flüssige Eyeliner; kosmetische Erzeugnisse zum Auftragen auf die Lippen; Lippenglanz; Lippenbalsam, nicht für medizinische Zwecke; Lippencremes; kosmetische Lippenschutzmittel; Conditioner für die Lippen; Lippenpomaden für kosmetische Zwecke; Sonnenschutzmittel für die Lippen [Kosmetika]; Lippenstifte; Konturenstifte für die Lippen; Stifte zum Nachziehen der Lippenkonturen; Lippengrundierungsmittel; Lippenstifteetuis; Grundierungen für Finger- und Zehennägel [Kosmetika]; Nagelgel; Nagellack; Nagelhärter; Nagelcremes; Nagelspitzen; Nagelhautöle; Nagelglitter; Nagelaufheller; Nagelhautcremes; Nagelconditioner; Nagelpflegemittel; Nagelpoliermittel; Nagelpolierstifte; kosmetische Präparate zum Trocknen der Nägel; Entfernungspräparate für Nagellack; Entfernungsmittel für Nagellack; Mittel zur Nagelreparatur; Klebstoffe zum Befestigen künstlicher Nägel; Klebemittel für künstliche Wimpern, Haarteile und Nägel; alle vorgenannten Waren ausschließlich für kosmetische Zwecke und ausgenommen Mund- und Zahnpflegemittel; mit Kosmetika gefüllte Etuis; alle vorgenannten Waren nicht zum Vertrieb in Apotheken bestimmt;
5
Klasse 21: Puderquasten; Kosmetikschwämme; Kosmetikpinsel; Make-up-Pinsel; Gesichtsschwämmchen zum Auftragen von Make-up; Applikationsstäbchen zum Auftragen von Make-up; Applikatoren für Augen-Make-up; Mascara-Bürste; Schablonen zur Verwendung beim Auftragen von Make-up; Apparate, nicht elektrisch, für die Entfernung von Make-up; Lippenbürsten; Kämme und Bürsten [mit Ausnahme von Pinseln]; Nagelbürsten; Parfümflaschen; Parfümzerstäuber; Parfümzerstäuber [leer]; Parfümzerstäuber [ohne Inhalt]; Zerstäuber für Parfüm;
6
Klasse 35: Werbung; Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Auskünfte in Handelsangelegenheiten in Bezug auf Parfum; Präsentation von Waren und Dienstleistungen in Einzelhandelsgeschäften und Onlineshops; Betrieb von Einzelhandelsgeschäften und Onlineshops, nämlich Vermittlung und Abschluss von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren sowie über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen [für Dritte]; Betrieb eines Onlineshops und E-Mail-Dienste, nämlich Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung; Ausstellung und Vorführen von Waren; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentationszwecken; Präsentation von Waren für Dritte zu Verkaufszwecken; Import- und Exportdienste; Bestelldienste; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: Desodorierungsmittel für den persönlichen Gebrauch, insbesondere Deodorants für die Körperpflege, Körperdeodorants [Parfümeriewaren], Roll-on Deodorants [Körperpflegemittel], Parfümeriewaren und Duftstoffe, Parfüm, insbesondere Eau de Parfum, Eau de Toilette, Rasierwässer, Parfümerieöle, Parfümöle, Parfümöle zur Herstellung von kosmetischen Präparaten, ätherische Öle, natürliche Öle für Parfums, synthetische Parfümeriewaren, natürliche Parfümeriewaren, Parfümextrakte, aromatische Extrakte, Aromastoffe für Parfüms, feste Parfüms, flüssige Parfums, Blumenextrakte [Parfümeriewaren], Extrakte aus Blüten [Parfümeriewaren], Körperreinigungs- und Körperpflegepräparate, Körperpflegemittel, Toilettemittel [Körperpflege], parfümiertes Toilettewasser, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere parfümierte Seifen, Parfümseifen, Seifen für die Körperpflege, Seifenersatz, Gesichtsmasken [Körperpflegemittel], Gesichtspackungen [Körperpflegemittel], Mittel zur Reinigung, Pflege und Verschönerung der Haare, Haarpflegespülungen, kosmetische Haarpflegemittel, Shampoos, Gele, Schaum und Balsame sowie Mittel in Aerosolform zum Frisieren und zur Haarpflege, Haarlacke, Färbe- und Entfärbungsmittel für Haare, Ondulier- und Dauerwellpräparate, Lotionen für die Haarpflege, Badeöle für die Haarpflege, Körperpflegemittel und Kosmetika, insbesondere Cremes, Milch, Lotionen, Gele und Puder für Gesicht, Körper und Hände, parfümierte Lotionen [Toilettenpräparate], Hautöle, parfümierte Cremes, Milch, Gele und Öle zur Hautbräunung und zum Auftragen nach dem Sonnenbaden, Dusch- und Badegel, schäumende Badegele zur Körperpflege, kosmetische Schaum- und Duschbäder, Badezusätze, parfümierte Körpersprays, kosmetische Mittel im Bereich der dekorativen Kosmetik, insbesondere Lippenstifte, Lidschatten, Schminke, Wimperntusche, Nagellack, Eyeliner, parfümierte Tücher, parfümierter Puder, parfümierter Talkumpuder, Kissen gefüllt mit parfümierten Substanzen, parfümierte Beutelchen, Duftsprays, parfümierte Säckchen, Grundierungen für die Haut, Grundierungen [Schminke], Grundierungen für Schminkmittel, Grundierungen zu Schminkzwecken, Make-up, Make-up-Puder, Gesichts-Make-up, Grundierungen [Make-up], flüssige Make-up-Grundierung, Make-up-Unterlage in der Form von Pasten, Make-up für das Gesicht, Make-up für die Haut, Flüssig-Make-Up, Make-up für die Augen, Make-up zur optischen Augenlidvergrößerung, Make-up-Entfernungsmilch, Cremes zur Make-up-Entfernung, Gele zum Entfernen von Make-up, Schminkmittel, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege in Form von Rouge, Rouge, Rouge für kosmetische Zwecke, Wangenrot [Rouge], Rouge für das Gesicht, flüssiges Rouge, Rougestifte, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege in Form von Lidschatten, Lidschatten [Kosmetika], Schminkmittel für die Augen [Lidschatten], Mascara, Wimperntusche [Mascara], Eyeliner, Eyeliner [Kosmetika], Eyelinerstifte, flüssige Eyeliner, kosmetische Erzeugnisse zum Auftragen auf die Lippen, Lippenglanz, Lippenbalsam, nicht für medizinische Zwecke, Lippencremes, kosmetische Lippenschutzmittel, Conditioner für die Lippen, Lippenpomaden für kosmetische Zwecke, Sonnenschutzmittel für die Lippen [Kosmetika], Lippenstifte, Konturenstifte für die Lippen, Stifte zum Nachziehen der Lippenkonturen, Lippengrundierungsmittel, Lippenstifteetuis, Grundierungen für Finger- und Zehennägel [Kosmetika], Nagelgel, Nagellack, Nagelhärter, Nagelcremes, Nagelspitzen, Nagelhautöle, Nagelglitter, Nagelaufheller, Nagelhautcremes, Nagelconditioner, Nagelpflegemittel, Nagelpoliermittel, Nagelpolierstifte, kosmetische Präparate zum Trocknen der Nägel, Entfernungspräparate für Nagellack, Entfernungsmittel für Nagellack, Mittel zur Nagelreparatur, Klebstoffe zum Befestigen künstlicher Nägel, Klebemittel für künstliche Wimpern, Haarteile und Nägel, alle vorgenannten Waren ausschließlich für kosmetische Zwecke und ausgenommen Mund- und Zahnpflegemittel, mit Kosmetika gefüllte Etuis, alle vorgenannten Waren nicht zum Vertrieb in Apotheken bestimmt, Puderquasten, Kosmetikschwämme, Kosmetikpinsel, Make-up-Pinsel, Gesichtsschwämmchen zum Auftragen von Make-up, Applikationsstäbchen zum Auftragen von Make-up, Applikatoren für Augen-Make-up, Mascara-Bürste, Schablonen zur Verwendung beim Auftragen von Make-up, Apparate, nicht elektrisch, für die Entfernung von Make-up, Lippenbürsten, Kämme und Bürsten [mit Ausnahme von Pinseln], Nagelbürsten, Parfümflaschen, Parfümzerstäuber, Parfümzerstäuber [leer], Parfümzerstäuber [ohne Inhalt], Zerstäuber für Parfüm;
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Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Transport von Desodorierungsmitteln für den persönlichen Gebrauch; Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Transport von Präparaten für die Gesundheitspflege; Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Transport von Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege; Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verpacken von Waren vor dem Versand; Auslieferung von Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege; Auslieferung von Präparaten für die Gesundheitspflege; Lagerung von Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere von Kosmetik; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 40: Auskünfte über die Herstellung von Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege; Auskünfte über die Herstellung von Kosmetik; Auskünfte über die Herstellung von Desodorierungsmitteln und Parfümeriewaren;
9
Klasse 41: Veröffentlichungen von Druckereierzeugnissen zu Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege; Veröffentlichungen von Druckereierzeugnissen Kosmetik; Veröffentlichungen von Druckereierzeugnissen zum Thema Desodorierungsmittel und Parfümeriewaren; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen [Ausbildung, Erziehung], insbesondere zu Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege, Kosmetik, Parfümeriewaren und Desodorierungsmitteln; Informationsveranstaltungen [Ausbildung, Erziehung] zu Inhaltsstoffen und Verarbeitung von Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege, Kosmetik, Parfümeriewaren und Desodorierungsmitteln;
10
Klasse 44: Beratungsdienstleistungen im Bereich des Make-ups; Make-up- Beratungsdienste, online oder persönlich erbracht; Make-up-Beratungsdienste und Auftragen von Make-up; Online-Make-up-Beratung; kosmetische Make-up Behandlungen.
11
Mit Beschluss vom 25. Mai 2018 hat die Markenstelle des DPMA für die Klasse 3 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der maßgebliche Verkehr die angemeldete Marke nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen werde. Angesprochen seien die allgemeinen Verkehrskreise. Obwohl es sich um ein Wort der Jugendsprache handele, sei nicht auf das „jüngere Publikum“ abzustellen. Entscheidend sei, ob der Begriff „swag“ von einem rechtserheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise in seiner beschreibenden und anpreisenden Bedeutung verstanden werde, was vorliegend der Fall sei.
12
Bei der angemeldeten Marke swag handele es sich um einen in Deutschland bekannten Begriff der Jugendsprache, der nachweislich für eine beneidenswert, lässig-coole Ausstrahlung bzw. eine charismatisch-positive Ausstrahlung stehe, wie sich aus verschiedenen Belegen ergebe. Selbst wenn dieser Begriff weitere Bedeutungen habe, reiche es für die Bejahung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft aus, dass das Anmeldezeichen in einer seiner Bedeutungen einen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter habe. Im vorstehenden Sinne werde das Anmeldezeichen in Deutschland verwendet.
13
Die angemeldete Marke sei auch in einem rechtserheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs bekannt, auch wenn es sich nicht um einen allgemein gängigen Begriff handele. Der Begriff „swag“ sei u.a. 2011 „Jugendwort des Jahres“ gewesen.
14
Die angemeldete Marke diene lediglich dazu, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu lenken und zu vermitteln, dass diese Waren und Dienstleistungen zu einer lässig-coolen Ausstrahlung verhelfen können, selbst cool und lässig seien, oder dass der Anbieter damit seine lässige Coolness herausstelle. Letztlich sei das Anmeldezeichen ein bloßer Werbeaufmacher wie vergleichbare Begriffe, z. B. „cool“, „hot“ oder „lässig“. Eine gewisse begriffliche Unschärfe schade nicht. Unerheblich sei auch, ob der Begriff swag lexikalisch nachweisbar sei.
15
Schließlich könnten die von der Anmelderin aufgeführten Voreintragungen keine andere Entscheidung rechtfertigen. Eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des DPMA könne nicht festgestellt werden.
16
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, dass es der angemeldeten Marke nicht an der erforderlichen Kennzeichnungskraft fehle. Angesprochener Verkehrskreis seien Personen im Alter von 18 – 100 Jahren. Die beanspruchten Waren würden erst von Personen ab einem Alter von 13 Jahren aufgrund ihres geistigen und körperlichen Reifegrades erworben werden. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass Jugendliche unter 18 Jahren nicht voll geschäftsfähig seien und somit als Konsumenten nicht in Betracht kämen.
17
Bei dem Anmeldezeichen handele es sich nicht um einen tatsächlich gebräuchlichen Begriff einer geläufigen fremden Sprache. Die vereinzelten Online-Nachweise, die die Markenstelle aufgeführt habe, könnten bei der Flut von Online-Artikeln kein Verkehrsverständnis begründen, mit der Folge, dass der Begriff in die alltäglich verwendete deutsche Sprache Eingang gefunden habe. Zudem sei das „Jugendwort 2011“ höchst kontrovers diskutiert worden. Ferner handele es sich um keinen lexikalisch nachweisbaren Begriff, so dass davon auszugehen sei, dass der angesprochene Verkehr das Anmeldezeichen als Fantasiebegriff wahrnehme.
18
Selbst wenn der Verkehr den Begriff „swag“ kennen würde, sei dieser kein „reines Werbeschlagwort“. Es könne keine Verbindung zu den beanspruchten Waren hergestellt werden. Unter Beachtung der maßgeblichen Rechtsprechung europäischer Institutionen müsse das Anmeldezeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine bestimmte Bedeutung haben; dies könne vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Der Begriff „swag“ werde nicht ausschließlich als Werbeschlagwort vom Verkehr wahrgenommen.
19
Schließlich müssten die aufgeführten Voreintragungen berücksichtigt werden. Es seien die Marken „SWAG“ (DE 395145899) für Waren der Klasse 25, „SWAG“ (DE 396139922) für Waren der Klassen 25, „SWAG“ (DE 302288708) für Waren der Klassen 6, 7, 9, 11 und 12, „SWAG“ (UM 001955988) für Waren der Klassen 6, 7, 9, 11 und 12, „SWAG“ (UM 016167264) für Waren der Klasse 12, „SWAG“ (DE 1178028) eingetragen worden.
20
Die Beschwerdeführerin beantragt,
21
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des DPMA vom 25. Mai 2018 aufzuheben.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
23
Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und führt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
24
1. Das Verfahren vor dem DPMA leidet an einem wesentlichen Mangel, weil die Entscheidung auf eine ungenügend zwischen den einzelnen Waren und Dienstleistungen differenzierende Begründung gestützt worden ist.
25
a) Nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG kann das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Von einem wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ist auszugehen, wenn es nicht mehr als ordnungsgemäße Grundlage für die darauf beruhende Entscheidung des DPMA anzusehen ist (BGH GRUR 1962, 86, 87 – Fischereifahrzeug). Das gilt insbesondere für völlig ungenügende oder widersprüchliche Begründungen (BPatGE 7, 26, 31 ff.; 21, 75).
26
b) Bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 MarkenG sind grundsätzlich alle beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu würdigen (EuGH GRUR 2007, 425 Rdnr. 32, 36 – MT&C/BMB; BGH GRUR 2009, 952 Rdnr. 9 – DeutschlandCard), wobei eine globale Begründung ausreicht, soweit dieselben Erwägungen eine Kategorie oder Gruppe der angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen betreffen (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 – MT&C/BMB; GRUR 2008, 339 Rdnr. 91 – Develey/HABM). Das bedeutet aber nur, dass dieselbe für verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen maßgebliche Begründung nicht für jede einzelne Position des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses wiederholt werden muss, sondern dass Gruppen von Waren und/oder Dienstleistungen zusammengefasst beurteilt werden können. Gegen diese Begründungspflicht wird daher verstoßen, wenn verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen ohne weitere Begründung gleich behandelt oder überhaupt nicht gewürdigt werden.
27
c) Die Markenstelle hat nur pauschal behauptet, dass aufgrund der Nachweise das Anmeldezeichen lediglich dazu diene, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu lenken und zu vermitteln, dass diese Waren und Dienstleistungen zu einer lässig-coolen Ausstrahlung verhelfen könnten, selbst cool und lässig seien oder dass der Anbieter damit seine lässige Coolness herausstelle. Diese Begründung trägt den die Anmeldung zurückweisenden Beschluss der Markenstelle nicht. Die Markenstelle berücksichtigt bereits nicht hinreichend, dass von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen unterschiedliche Verkehrskreise angesprochen werden und eben nicht nur der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, sondern auch der jeweilige Fachhandel. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 (mit Ausnahme der Einzelhandelsdienstleistungen). Die Dienstleistungen „Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung“ und „Büroarbeiten“ richten sich an Unternehmer sowie Angehörige der unternehmerischen Führungsebene (vgl. BPatG 26 W (pat) 535/18 – ). Insoweit kann sich das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise durchaus unterscheiden. Auch eine Begründung zu dem Bedeutungsgehalt des Anmeldezeichens im Hinblick auf die zahlreichen Waren und Dienstleistungen des angemeldeten Verzeichnisses fehlen, obwohl sich diese deutlich unterscheiden und nicht alle in eine gemeinsame Kategorie fallen.
28
Die Markenstelle hat es damit vorliegend versäumt, den verfahrensgegenständlichen Zurückweisungsbeschluss zu begründen (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).
29
e) Da eine inhaltliche Auseinandersetzung der Markenstelle mit dem angemeldeten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nicht erkennbar ist, sieht der Senat nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG von einer eigenen abschließenden Sachentscheidung ab und verweist die Sache an das DPMA zurück. Ungeachtet der Bedeutung, die dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung zukommt, kann es nicht zu den Aufgaben des Patentgerichts gehören, in der Sache die dem DPMA obliegende differenzierte Erstprüfung einer Anmeldung zu übernehmen (vgl. BPatG 24 W (pat) 524/15 – kerzenzauber; 26 W (pat) 518/17 – modulmaster). Dabei sind ferner sowohl der sonst eintretende Verlust einer Entscheidungsinstanz als auch die Belastung des Senats mit einem hohen Stand an vorrangigen Altverfahren zu berücksichtigen, der eine zeitnahe Behandlung des vorliegenden, erst im Jahr 2020 im 26. Marken-Beschwerdesenat anhängig gewordenen Verfahrens nicht zulässt.
30
Die Markenstelle wird daher erneut in die Prüfung einzutreten haben, ob und gegebenenfalls für welche konkreten Waren und Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis bzw. eine fehlende Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens festzustellen ist.
31
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Dies entspricht der Billigkeit, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.


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