Patent- und Markenrecht

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – “Reinigungsgerät für die Reinigung von Rohrleitungen” – zur Patentfähigkeit – Neuheit – erfinderische Tätigkeit – Patent sind keinerlei Angaben zu entnehmen, worin der besondere Vorteil der speziellen Lösung liegt – kein Ausschluss der Patentfähigkeit

Aktenzeichen  8 W (pat) 21/16

Datum:
23.5.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:230519B8Wpat21.16.0
Normen:
§ 4 PatG
Spruchkörper:
8. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2008 015 532

hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2019 durch den Richter Dr. agr. Huber als Vorsitzenden sowie den Richter Dr.-Ing. Dorfschmidt, die Richterin Uhlmann und den Richter Dipl.-Ing. Brunn
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Auf die am 25. März 2008 durch die Beschwerdegegnerin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereichte Patentanmeldung ist das Streitpatent 10 2008 015 532 mit der Bezeichnung „Reinigungsgerät für die Reinigung von Rohrleitungen“ erteilt und die Erteilung am 7. August 2014 veröffentlicht worden.
2
Gegen das Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch erhoben und den Widerruf des Streitpatents in vollem Umfang beantragt. Sie verweist dabei auf die Druckschriften
3
B1 (E3)
DE 1 807 313 A
B2    
CN 2 176 852 Y
B3    
Übersetzung der B2
B4 (E4)
US 2004/0255415 A1
B5 (E6)
US 2005/0246846 A1
B6 (E2)
US 6 637 064 B2
B7    
NL 1031314
B8    
Übersetzung der B7
4
Weiterhin wurden im Einspruchsverfahren noch die Druckschriften
5
E1    
US 6 655 228 B1
E5    
US 5 029 356 A
E7    
DE 30 05 724 C2 / US 4 218 802 A
E8    
US 3 691 583 A
E9    
EP 0 407 327 B1 / DE 690 00 316 T2
E10     
EP 0 894 906 B1 / US 5 901 401 A
E11     
US 6 243 905 B1
E12     
US 6 360 397 B1 / DE 690 32 169 T2
E13     
WO 2006/112 848 A1
6
genannt, wovon die E1 sowie die E4 bis E6 schon Gegenstand des Prüfungsverfahrens waren.
7
Die Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Streitpatent mit Beschluss vom 28. Juni 2016 in vollem Umfang aufrechterhalten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Patentgegenstand gemäß dem geltenden Anspruch 1 stelle eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar, da er neu sei und auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
8
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden und Beschwerdeführerin. Sie trägt vor, aus dem genannten Stand der Technik seien bereits Rohrreinigungsgeräte bekannt, bei denen die Federwelle bei gleicher Drehrichtung mit Hilfe von nur drei Walzen ohne umstellbaren Motor vor- und zurückgeschoben werden könne, von denen nur eine einzige Walze verstellbar sei. Zur Verstellung dieser Walze anstelle eines drehbaren, ein längs der Federwelle verschiebbares Griffrohr zu verwenden, sei eine im Griffbereich des Fachmanns liegende Maßnahme. Dabei führt sie die Druckschriften CN 2 176 852 Y (B2, Übersetzung B3) und NL 1031314 (B7 Übersetzung B8) neu in das Verfahren ein, die sie für den nächstkommenden Stand der Technik hält. Aus der Patentschrift ergebe sich nicht, dass die Walzen dauerhaft in Kontakt mit der Federwelle stünden. Ebenso wenig ergebe sich, dass die gehäusefesten Walzen betragsmäßig übereinstimmende und sich damit gegeneinander aufhebende axial wirkende Transportkräfte auf die Federwelle übertragen.
9
Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag,
10
den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28. Juni 2016 aufzuheben und das Patent 10 2008 015 532 zu widerrufen.
11
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,
12
die Beschwerde zurückzuweisen.
13
Sie trägt vor, die Druckschriften B2 und B7 seien als verspätet nicht zu berücksichtigen und für die Frage der Schutzfähigkeit des Patents auch unerheblich. Der Kern der Erfindung bestehe darin, dass von den drei Walzen zwei Walzen dergestalt ortsfest angeordnet seien, dass sie auf die mit ihnen in Kontakt stehende Federwelle entgegengesetzt wirkende Transportkräfte übertrügen, sodass sich diese Transportkräfte ohne einen in Richtung der Federwelle wirkenden weiteren Einfluss der dritten verstellbaren Walze gegenseitig aufhöben und keine Verstellung der Federwelle in axialer Richtung erfolge. Er sei durch die Entgegenhaltungen weder verwirklicht noch nahegelegt.
14
Der erteilte, inhaltlich mit dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 identische Patentanspruch 1 lautet in einer gegliederten Fassung:
15
1.1 Handgeführtes Reinigungsgerät (1) für die Reinigung von Rohrleitungen mittels einer Federwelle (6),
16
1.2 ausgestattet mit einem Motor (2),
17
1.3 einer Trommel (5) für die Aufnahme und Ausgabe der Federwelle (6)
18
1.4 und mit einem Getriebegehäuse (15), in dem mehrere, radial auf die Federwelle (6) einwirkende Walzen (23, 24, 25) mit Achsen (A1, A2, A3)angeordnet sind,
19
1.5 die mit radialen Abständen unter Winkeln zur Achse der Federwelle (6) ausgerichtet sind, wobei
20
1.6.1 a) eine einzige Gruppe von drei auf den Umfang der Federwelle (6) verteilten Walzen (23, 24, 25) [vorgesehen ist],
21
1.6.2 von denen die Achsen (A2, A3) zweier Walzen (24, 25) lagefest so ausgerichtet sind,
22
1.6.3 dass diese mit entgegengesetzten Transportkräften auf die Federwelle (6) einwirken,
23
1.7.1 und dass [wobei] die Achse (A1) der dritten Walze (23) in ihrer Raumlage derart verstellbar ist,
24
1.7.2 dass die Transportkraft der verstellbaren Walze (23) wahlweise die Transportkraft der einen lagefesten Walze (24) oder der anderen lagefesten Walze (25) unterstützt, und wobei
25
1.8 b) ein die Federwelle (6) verschiebbar umschließendes Griffrohr (8) mit Mitteln für die Verstellung der dritten Walze (23) in beide Transportrichtungen der Federwelle (6) vorgesehen ist.
26
An den Patentanspruch 1 schließen sich die ursprünglich eingereichten und erteilten Unteransprüche 2 bis 16 an.
27
Wegen des Wortlautes der Unteransprüche und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II
28
1. Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig. In der Sache ist sie unbegründet, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 eine patentfähige Erfindung im Sinne §§ 1 bis 5 PatG darstellt.
29
2. Das Streitpatent betrifft gemäß der Patentschrift ein handgeführtes Reinigungsgerät für die Reinigung von Rohrleitungen mittels einer Federwelle, ausgestattet mit einem Motor, einer Trommel für die Aufnahme und Ausgabe der Federwelle und mit einem Getriebegehäuse, in dem mehrere, radial auf die Federwelle einwirkende Walzen mit Achsen angeordnet sind, die mit radialen Abständen unter Winkeln zur Achse der Federwelle ausgerichtet sind.
30
Aus dem Stand der Technik sind diverse Reinigungswerkzeuge wie Schneidköpfe, Keulenbohrer etc. bekannt, die über entsprechende Kupplungen an die Federwellen angesetzt werden können und aufgrund ihrer unterschiedlichen Verwendung für einen schnellen oder langsamen kontinuierlichen Vorschub und Rückzug, Bohren, Schaben oder Sägen eine Hin- und Herbewegung des jeweiligen Werkzeugs notwendig machen.
31
Bei Federwellen ohne nennenswerten Windungsabstand werden diese mit radial angepressten Walzen angetrieben, deren Außenflächen zumindest im Wesentlichen Zylinderflächen sind. Sobald die Achsen solcher Walzen radial versetzt unter einem spitzen Winkel zur Achse der Federwelle stehen, werden durch Reibungskräfte und entsprechende Kräfteparallelogramme zur Federwelle achsparallel verlaufende Transportkräfte erzeugt, die je nach der Raumlage der Winkelstellung zu einem unterschiedlich starken Vorschub oder Rückzug der Federwelle führen. Wenn die Achsen der Walzen parallel zur Achse der Federwelle stehen, erfolgt ein Stillstand der Federwelle in ihrer Achsrichtung, allerdings unter Fortsetzung der Rotation, deren Drehsinn durch die Trommel und ihren Antrieb bestimmt wird. Das ermöglicht blitzschnelle Umschaltungen der Drehrichtung ohne nennenswerte äußere Kraftfreisetzungen, wobei dadurch auch der Vorschub oder Rückzug der Federwelle von der Steigung der Windungen der Federwelle entkoppelt wird.
32
Nach Angaben des Streitpatents sei durch die B4 (US 2004/0255415 A1) ein Antriebssystem für Federwellen von Rohrreinigungsmaschinen bekannt, das durch einen radial abstehenden Handhebel stufenlos von Vorschub über Stillstand auf Rückzug der Federwelle umschaltbar ist. Dazu besitzt ein hohlzylindrischer Hauptkörper drei äquidistante und radiale zylindrische Bohrungen, in denen Zylinderzapfen drehbar gelagert sind, die an ihren inneren Enden Zylinderrollen tragen, von denen eine in radialer Richtung gegen die Federwelle verstellbar ist. Zur gleichsinnigen Verstellung besitzt jeder Zylinderzapfen einen radialen Bolzen, der durch eine drehbare Frontscheibe mit radialen und sich nach außen keilförmig erweiternden Steuerschlitzen hindurch geführt ist. Durch Rotation der Frontscheibe gegenüber dem Hauptkörper werden die Zylinderrollen mit ihren Zylinderzapfen verstellt. Von besonderem Nachteil seien hier zwei radial abstehende Betätigungselemente, die die Bedienungsperson bei einer Antriebsmaschine mit einer Kabeltrommel und dem üblichen Pistolenhandgriff am hinteren Ende dazu zwängen, das vordere Ende der Antriebsmaschine loszulassen, wodurch eine Präzisionsarbeit wegen der Kopflastigkeit des kompletten Werkzeugs unmöglich werde.
33
Durch die B5 (US 2005/0246 846 A1) sei weiterhin bekannt, an beiden Enden einer Vorrichtung zur Umkehr der Transportrichtung von Federwellen je eine Gruppe von drei Walzen anzuordnen, von denen die Achsen jeder Gruppe, auf den Umfang der Federwelle verteilt, mit gleichsinniger Transportrichtung ausgerichtet seien, wobei aber beide Gruppen entgegengesetzte Transportrichtungen aufwiesen. Da jeweils nur eine dieser Gruppen gleichzeitig eingesetzt werden könne, seien jeweils zwei der Walzen jeder Gruppe an einem doppelarmigen, radial abstehenden Winkelhebel angeordnet, der ein- oder zweiteilig ausgebildet sein könne. Dabei seien die Achsen jeder Gruppe von Walzen gleichsinnig und spitzwinklig zur Achse der Federwelle ausgerichtet, wodurch die Schubrichtung der Federwelle ohne Änderung des Drehsinns von Trommel und Federwelle umgekehrt werden könne. Die Schubumkehr erfolge dabei entweder durch eine einteilige, mittig gelagerte Wippe mit zwei Hebelarmen oder durch zwei entgegengesetzt abstehende Hebel, die um eine gemeinsame Achse schwenkbar seien die quer zur Federwelle verlaufe. Die Vorrichtung ist am Ende eines Führungsschlauches für die Federwelle angeordnet, so dass sie nicht durch einen Schiebegriff betätigt werden kann, der auf einer achsfesten Hohlwelle einer motorisch angetriebenen Trommel gelagert ist und auch zur manuellen Halterung der Maschine dient.
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Entsprechend der Streitpatentschrift, Absatz [0017] liegt der vorliegenden Erfindung die Problemstellung zugrunde, ein Reinigungsgerät der eingangs beschriebenen Gattung anzugeben, das mit einer geringeren Zahl von Präzisionsteilen auskommt, eine dosierbare Transportgeschwindigkeit der Federwelle in beiden Achsrichtungen sowie eine schnelle Umschaltung der Transportrichtung der Federwelle ohne Umkehr der Drehrichtung der Trommel erlaubt, ohne dass hierbei eine Verlagerung einer Hand der Bedienungsperson an einen abstehenden beweglichen Hebel erfolgen muss, wobei gleichzeitig die Ermüdungsgefahr für die Bedienungsperson trotz der Handbedienung verringert wird.
35
Als Fachmann ist entsprechend dem Beschluss der Patentabteilung ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjährigen Erfahrungen in der Konstruktion und Entwicklung von Reinigungsgeräten für die Reinigung von Rohrleitungen anzusehen.
36
Der Anspruch 1 bedarf hinsichtlich einiger Merkmale einer Auslegung:
37
Nach Merkmal 1.4 sind in einem Getriebegehäuse (15) mehrere radial auf die Federwelle (6) einwirkende Walzen (23, 24, 25) mit Achsen (A1, A2, A3) angeordnet. Aus der Angabe „auf die Federwelle einwirkende“ in Verbindung mit Merkmal 1.6.3 ergibt sich, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass alle drei Walzen im dauerhaften Eingriff bzw. Kontakt mit der Federwelle stehen.
38
Nach den Merkmalen 1.6.2 und 1.6.3 sind die Achsen (A2, A3) zweier Walzen (24, 25) lagefest so ausgerichtet, dass diese mit entgegengesetzten Transportkräften auf die Federwelle (6) einwirken.
39
Entsprechend Absatz [0007] des Streitpatents entstehen Transportkräfte dann, wenn die Federwelle mit radial angepressten Walzen angetrieben wird, deren Außenflächen zumindest im wesentlichen Zylinderflächen sind. Sobald die Achsen solcher Walzen – entsprechend radial versetzt – unter einem spitzen Winkel zur Achse der Federwelle stehen, werden durch Reibungskräfte und entsprechende Kräfteparallelogramme zur Federwelle achsparallel verlaufende Transportkräfte erzeugt, die je nach der Raumlage der Winkelstellung zu einem unterschiedlich starken Vorschub oder Rückzug der Federwelle führen.
40
Daraus ergibt sich aus der Gesamtoffenbarung des Streitpatents, dass die Achsen der streitpatentgemäßen Walzen, die an der Federwelle Transportkräfte erzeugen, gegenüber der Federwelle in einem Winkel bzw. einer schrägen Raumlage angeordnet sind, da sie bei einer parallelen Anordnung zur Achse der Federwelle keine Transportkräfte bewirken würden.
41
Allerdings fällt rein nach dem Wortlaut von Anspruch 1 auch eine Ausgestaltung unter den Gegenstand des Streitpatents, bei der die Achsen der zwei lagerfesten Walzen parallel zur Federwelle angeordnet sein können, beide Walzen aber ähnlich der B2 eine rundkegelige Form aufweisen und die Walzen so angeordnet sind, dass die Kegelwinkel beider Walzen entgegengesetzt zur Federwelle angeordnet sind. Durch die kegelige Form würden in diesem Fall beide Walzen eine Transportkraft auf die Federwelle ausüben, die sich jedoch durch die entgegengesetzte Lage der Kegelwinkel der Walzen aufheben würden.
42
Nach Merkmal 1.6.3 wirken die lagefesten Walzen mit entgegengesetzten Transportkräften auf die Federwelle ein. Aus dieser Formulierung ergibt sich nicht zwingend, dass sich, wie in der Beschreibung des Streitpatents ausgeführt, die entgegengesetzten Transportkräfte dabei gegeneinander aufheben.
43
Unter einer „Transportkraft“ ist im Sinne des Streitpatents die axial in Richtung der Federwelle wirkende Komponente der Kraft zu verstehen, mit der die drei Walzen auf die Federwelle einwirken. Rein radial wirkende Stützkräfte stellen daher keine Transportkräfte dar.
44
Nach Merkmal 1.8 ist ein die Federwelle verschiebbar umschließendes Griffrohr mit Mitteln für die Verstellung der dritten Walze (23) in beide Transportrichtungen der Federwelle (6) vorgesehen. Unter „verschiebbar“ ist unter Berücksichtigung der Gesamtoffenbarung des Streitpatents nur eine Verschiebung des Griffrohrs in der axialen Richtung der Federwelle zu verstehen. Eine Ausgestaltung eines Griffrohrs bzw. Griffelements derart, dass eine Verdrehung des Griffelements um die Achse der Federwelle eine Verstellung der Achse der dritten Walze in ihrer Raumlage bewirkt, fällt dementsprechend nicht unter den Gegenstand des Anspruchs 1 (vgl. Absätze [0019] und [0036] des Streitpatents).
45
3. Die erteilten Ansprüche 1 bis 16 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen. Die erteilten Ansprüche sind somit ursprünglich offenbart und zulässig.
46
4. Der unbestritten gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik neu gemäß § 3 PatG, da keinem der dort beschriebenen Gegenstände alle Merkmale des Anspruchs 1 entnehmbar sind.
47
Die B7/B8 zeigt im Ausführungsbeispiel entsprechend den Figuren 3 bis 5 ein handgeführtes Reinigungsgerät für die Reinigung von Rohrleitungen mittels einer Federwelle 13, einem Motor, einer Trommel 61 für die Aufnahme und Ausgabe der Federwelle und mit einem Getriebegehäuse 3, in dem mehrere, radial auf die Federwelle einwirkende Andruckrollen 71, 72, 73 als Walzen mit ihren jeweiligen Achsen angeordnet sind, die mit radialen Abständen unter Winkeln zur Achse der Federwelle ausgerichtet sind. Dabei ist nur eine einzige Gruppe von drei auf den Umfang der Federwelle 13 verteilten Walzen 71, 72, 73 vorgesehen (M1.1 bis M1.6.1).
48
Das Gehäuse 3 besteht aus einem Gehäuseteil 3A und einem demgegenüber verdrehbaren Gehäuseteil 3B, wobei im Gehäuseteil 3B drei Andruckrollen bzw. Walzen 71, 72, 73 angeordnet sind. Die Achsen der Walzen sind immer gleichgerichtet und können simultan durch Drehung des Gehäuseteils 3B gegenüber dem Gehäuseteil 3A aus einer Neutralstellung so verstellt werden, dass die Federwelle entweder ein- oder ausgefahren werden kann. Die Verstellung der Walzen erfolgt dabei über eine Verdrehung des Gehäuseteils 3B um die Achse der Federwelle.
49
Das Ausführungsbeispiel der B7/B8 zeigt daher keines der Merkmale 1.6.2 bis 1.8.
50
In den Ansprüchen offenbart die B7/B8 noch die Möglichkeit, dass mindestens zwei, nur vorzugsweise drei Andruckrollen im Gehäuse gelagert sind und nur mindestens eine der Andruckrollen durch Verdrehung der beiden Gehäusehälften in ihrer Raumlage veränderlich ist und so die Axialbewegung der Federwelle bewirkt. Zur Stellung der Achse der zweiten lagefesten Andruckrolle (bzw. der Achsen der nur vorzugsweise zwei weiteren lagefesten Andruckrollen) macht die B7/B8 keinerlei Ausführungen, insbesondere gibt sie keinen Hinweis auf die Anordnung der Achsen gemäß den Merkmalen 1.6.3, 1.7.1 und 1.7.2 des Streitpatents. Zumindest bei der zwingend beanspruchten Variante mit nur einer lagefesten Andruckrolle ist davon auszugehen, dass in diesem Fall die Achse der lagefesten Andruckrolle parallel zur Achse der Federwelle ausgerichtet ist und die lagefeste Andruckrolle keine Transportkräfte auf die Federwelle ausübt, da eine Anordnung dieser Achse unter einem Winkel zur Achse der Federwelle für die Vor- bzw. Rückbewegung der Federwelle unterschiedliche Transportkräfte der verstellbaren Walze und damit unterschiedliche Verdrehwinkel der Gehäusehälften gegeneinander erfordern würde.
51
Daher offenbart die Ausgestaltung entsprechend den Ansprüchen der B7/B8 dem Fachmann auch implizit keines der Merkmale 1.6.2 bis 1.8.
52
Die Druckschrift E1 zeigt ein handgeführtes Reinigungsgerät mit den Merkmalen 1.1 bis 1.5 (vgl. Figuren 7 und 8). Die E1 offenbart jedoch nicht die Merkmale 1.6 bis 1.8. Die E1 zeigt vier lagefest angeordnete Walzen 82, 83 bzw. 84, 85, die je in einer Zweiergruppe angeordnet sind. Die Erzeugung von Transportkräften beruht dabei auf einem Zusammenspiel von je drei Walzen, die im Eingriff mit der Federwelle 42 jeweils eine Transportkraft in die gleiche Richtung bewirken. Dafür wird eine lageveränderliche Walze 112 verschwenkt, um jeweils gemeinsam mit einem der lagefesten Walzenpaare 82, 83 bzw. 84, 85 auf die Federwelle 42 einzuwirken. In beiden Wirkpositionen der Walze 112 erzeugen die drei jeweils beteiligten Walzen eine Transportkraft in die gleiche Richtung. Dabei bewirkt die Verschwenkung der Walze 112 zu der Walzengruppe 82, 83 eine Vorschubbewegung der Federwelle 42 (Fig. 7), während die Verschwenkung der Walze 112 zu der Walzengruppe 84, 85 eine Rückbewegung der Federwelle bewirkt (Fig. 8). Die Verstellung der beweglichen Walze erfolgt bei der E1 mittels eines am Getriebegehäuse drehbar gehaltenen Hebels 100 („rotating lever“) und nicht entsprechend Merkmal 1.8 mit einem koaxial verstellbaren Griffrohr. Ohne Eingriff der dritten lageveränderlichen Walze 112 erzeugen die jeweils ein Paar bildenden lagefesten Walzen keine Transportkraft an der Federwelle.
53
Die B1 zeigt ein handgeführtes Reinigungsgerät für die Reinigung von Rohrleitungen mittels einer Federwelle18 (M1.1), mit einem Motor 22 (M1.2), einer Trommel 16 (M1.3) und mit einem Getriebegehäuse 16, in dem mehrere radial auf die Federwelle 16 einwirkende Walzen mit Achsen angeordnet sind (M1.4), die je nach Ausführungsbeispiel mit radialen Abständen unter Winkeln zur Achse der Federwelle ausgerichtet sind.
54
Die B1 offenbart dabei zwei prinzipiell unterschiedliche Anordnungen der Walzen. Die Figuren 1 bis 7 zeigen ein Getriebe mit zwei verstellbaren Walzen 42, 54, mit denen bei gleichbleibender Drehrichtung der Federwelle 18 diese ein- bzw. ausgefahren werden kann. Verlaufen die Achsen 90, 92 der beiden Walzen jeweils parallel zur Achse der Federwelle, erfolgt kein Vorschub der Federwelle (Fig. 5). Werden die Achsen der Walzen synchron ggü. der Federwelle verstellt, erfolgt entweder ein Vorschub (Fig. 7) oder ein Rückzug der Federwelle (Fig. 6). Die Verstellung der Walzenachsen erfolgt über einen Hebel 62. Damit zeigt dieses Ausführungsbeispiel weder zwei lagefeste Walzen mit entgegengesetzten Transportkräften, noch eine verstellbare Walze und auch kein die Federwelle umschließendes Griffrohr nach den Merkmalen 1.6 bis 1.8.
55
Die Patentansprüche 1 und 5 sowie die Beschreibung S.9/S.10, seitenübergreifender Absatz der B1 offenbaren darüber hinaus noch die Möglichkeit, mit nur einer verstellbaren Walze auf die Federwelle einzuwirken, indem die Walze relativ zur Federwelle in eine Mehrzahl von Stellungen zwischen zwei extremen Stellungen bringbar ist, in denen die Walzenachse in entgegengesetzten Winkeln gegenüber der Kabelachse eingestellt wird und so Vorschub bzw. Rückzug der Federwelle bewirkt. In diesem Fall dienen die weiteren Walzen (S. 10, Z. 8-10) nur als Ersatz für die sonst erforderlichen Führungen der Federwelle, woraus sich für den Fachmann implizit ergibt, dass die Achsen dieser Walzen parallel zur Federwelle angeordnet sind und keine Transportkräfte auf die Federwelle ausüben. Damit zeigt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch diese Ausgestaltung nicht die Merkmale 1.6.3, 1.7.2 und 1.8.
56
Das Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 8 bis 11 liegt weiter ab und zeigt einen Mechanismus zur Steuerung des Vorschubs einer Federwelle, bei dem das Aus- bzw. Einfahren der Federwelle durch Umschalten der Drehrichtung des Motors bzw. der Federwelle realisiert werden muss (S.16, Absatz 3) und die Bewegung des Kabels in die gewünschte Richtung durch Andrücken des Kabels durch eine Walze an eine zweite Walze mit gleichgerichteten Transportkräften erfolgt.
57
Die B2/B3 zeigt eine vollautomatische Rohrreinigungsmaschine mit einer flexiblen Achse 9 als Federwelle und einem Motor 1, bei der Antrieb und Getriebe gemeinsam in einem Maschinengehäuse 2 angeordnet sind. Damit zeigt die B2/B3 weder ein handgeführtes Reinigungsgerät nach M 1.1 noch eine Trommel für die Aufnahme und Ausgabe der Federwelle nach M 1.3. Innerhalb des Maschinengehäuses ist ein Kasten 12 als Getriebegehäuse vorgesehen, in dem drei radial auf die Federwelle 9 einwirkende Walzen 11, 13, 20 mit Achsen angeordnet sind (M1.4), die mit radialen Abständen unter Winkeln zur Achse der Federwelle ausgerichtet sind (M1.5).
58
Entsprechend M1.6.1 ist eine einzige Gruppe von drei auf den Umfang der Federwelle 9 verteilten Walzen vorgesehen, wobei die Achsen von zwei Walzen lagefest (M1.6.2) ausgerichtet und parallel zur Achse der Federwelle (Anspruch 1, Z.10) sind. Anders als im Streitpatent wird über die Walzengruppe nicht nur der Vorschub der Federwelle realisiert, sondern auch deren Drehung. Von den zwei lagefesten, achsparallelen Walzen hat eine Walze 20 eine rundzylindrische Form, während die andere Walze 11 eine rundkegelige Form aufweist. Durch die Kegelform (Kegelwinkel 1-5°, S.3 vorletzter Absatz) übt diese Walze 11 eine gerichtete Transportkraft auf die Federwelle aus. Da die zylindrische Walze 20 aufgrund der rundzylindrischen Form keine Transportkraft auf die Federwelle ausübt, zeigt die B2/B3 auch nicht das Merkmal 1.6.3.
59
Die dritte, rundzylindrische Walze 13 ist in ihrer Raumlage um einen Schwenkwinkel von 3 – 10° verstellbar (M 1.7.1). Dieser Anordnung entnimmt der Fachmann, dass je nach Lage der Walze 13 entweder eine Transportkraft an der Federwelle erzeugt wird, die mit der von der rundkegeligen Walze 11 erzeugten, konstanten Transportkraft gleichgerichtet ist, oder bei einem entsprechenden Schwenkwinkel eine Transportkraft an der Federwelle erzeugt wird, die die von der rundkegeligen Walze 11 erzeugte Transportkraft entweder aufhebt (keine axiale Bewegung der Federwelle) oder übertrifft und eine entgegengesetzte axiale Bewegung der Federwelle erzeugt. Die Verstellung der Achse der Walze 13 erfolgt über einen Hebel 26 und ein federvorgespanntes Hängegestell 15.
60
Damit zeigt die B2 zumindest nicht die Merkmale 1.1, 1.3, 1.6.3, 1.7.2 sowie 1.8.
61
Die B4 zeigt einen Mechanismus zum Führen und Bewegen einer Federwelle eines handgeführten Reinigungsgeräts für die Reinigung von Rohrleitungen. Der Mechanismus ist in einem Gehäuse mit einem Grundkörper 102 und einem demgegenüber verdrehbaren Deckel 101 gelagert. Ähnlich der B7 sind in dem Gehäuse drei Kolben 116 mit jeweils einer radial auf die Federwelle einwirkenden Walze 121 mit Achsen angeordnet, die mit radialen Abständen unter verstellbaren Winkeln zur Achse der Federwelle ausgerichtet sind. Es ist nur die eine Gruppe von drei auf den Umfang der Federwelle verteilten Walzen 121 vorgesehen. Alle Achsen der drei Walzen 121 sind durch Drehung des Deckels 101 gegenüber dem Gehäuse 102 in ihrer Raumlage simultan derart verstellbar, da je nach Stellung der Walzen gegenüber der Federwelle die Federwelle entweder vor- oder rückbewegt wird. Dabei wirken die von den Walzen auf die Federwelle wirkenden Transportkräfte immer mit gleicher Intensität in die gleiche Richtung. Die Drehung des Deckels 101 erfolgt über einen radial über das Gehäuse vorstehenden Hebel 109, der um die Achse des Gehäuses bzw. der Federwelle gedreht wird.
62
Die B4, die in Streitpatent schon als Stand der Technik genannt wird, zeigt daher zumindest nicht die Merkmale 1.6.2 bis 1.8.
63
Die B5 zeigt ebenfalls einen Mechanismus 10 zum Führen und Bewegen einer Federwelle eines Rohreinigungsgeräts, der an allen denkbaren Reinigungsgeräten für die Reinigung von Rohrleitungen mittels einer Federwelle angebracht werden kann. Der Mechanismus dient zur Umkehr der Transportrichtung der Federwellen mit zwei Gruppen von je drei Walzen 22a,b,c und 24a,b,c, wobei die Achsen der Gruppen 22 bzw. 24 auf den Umfang der Federwelle verteilt mit gleichsinniger Transportrichtung ausgerichtet sind, aber beide Gruppen entgegengesetzte Transportrichtungen aufweisen. Jeweils zwei Walzen b, c der beiden Walzengruppen 22, 24 sind an einem doppelarmigen, radial abstehenden Winkelhebel 14 und jeweils eine Walze a ist an der Basis 12 angeordnet, so dass je nach Stellung des Hebels jeweils nur eine dieser Gruppen eingesetzt werden und in Eingriff mit der Federwelle gelangen kann. Die Achsen jeder Gruppe sind gleichsinnig und spitzwinklig zur Achse der Federwelle ausgerichtet, die Achsen der beiden Gruppen jedoch gegensinnig, wodurch die Schubrichtung der Federwelle ohne Änderung des Drehsinns von Trommel und Federwelle durch Verstellung des Winkelhebels umgekehrt werden kann. Die Vorrichtung ist am Ende eines Führungsschlauches für die Federwelle angeordnet und kann daher nicht entsprechend M 1.8 durch einen Schiebegriff bzw. Schieberohr betätigt werden.
64
Die B5, die im Streitpatent ebenfalls schon als Stand der Technik genannt wird, zeigt daher zumindest nicht die Merkmale 1.6.1 bis 1.8.
65
Die Offenbarung der B6 geht über den Offenbarungsgehalt der B4 nicht hinaus und zeigt ähnlich wie die B4 einen Grundkörper 130 und einen demgegenüber verdrehbaren Deckel 135, wobei im Gehäuse drei Kolben 155 mit jeweils einer radial auf die Federwelle einwirkenden Walze 165 angeordnet sind, wobei die Achsen der Walzen immer gleichgerichtet sind und simultan durch Drehung des Deckels gegenüber dem Gehäuse aus einer Neutralstellung so verstellt werden können, dass die Federwelle entweder ein- oder ausgefahren werden kann. Dabei erfolgt die Drehung des Deckels 135 auch über einen radial über das Gehäuse vorstehenden Hebel 220, der um die Achse des Gehäuses bzw. der Federwelle gedreht wird.
66
Die B6 zeigt daher ebenfalls nicht die Merkmale 1.6.2 bis 1.8.
67
Die weiteren, in der Beschwerdebegründung nicht genannten Entgegenhaltungen, die zum Teil schon im Streitpatent als Stand der Technik diskutiert wurden, liegen hinsichtlich der Gestaltung der Merkmale 1.6 und 1.7 noch weiter vom Gegenstand des Streitpatentes ab.
68
5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber den im Verfahren genannten Entgegenhaltungen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß § 4 PatG.
69
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt das aus der B1 bekannte handgeführte Reinigungsgerät dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten. Da sich die B1 wie das Streitpatent mit dem axialen Vorschub der Federwelle beschäftigt, bildet sie für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit den geeigneten Ausgangspunkt.
70
Die B1 zeigt wie schon ausgeführt ein handgeführtes Reinigungsgerät für die Reinigung von Rohrleitungen mittels einer Federwelle 18 (M1.1), mit einem Motor 22 (M1.2), einer Trommel 16 (M1.3) und einem Getriebegehäuse 16, in dem mehrere radial auf die Federwelle 16 einwirkende Walzen mit Achsen angeordnet sind (M1.4), die mit radialen Abständen unter Winkeln zur Achse der Federwelle (6) angeordnet sind, (M1.5) und wobei nur eine einzige Gruppe von drei auf den Umfang der Federwelle verteilten Walzen vorgesehen ist (M1.6.1).
71
Entsprechend den Patentansprüchen 1 und 5 sowie der Beschreibung S.9/S.10 übergreifender Absatz besteht die Möglichkeit, dass mehrere (zwei) Walzen lagefest zur Federwelle angeordnet sind und als Führung der Federwelle dienen (M1.6.2), woraus sich für den Fachmann implizit ergibt, dass die Achsen dieser Walzen parallel zur Federwelle angeordnet sind und keine Transportkräfte auf die Federwelle ausüben. Weiterhin ist nur eine in ihrer Raumlage verstellbare Walze vorgesehen (M1.7.1). Diese Walze ist relativ zur Federwelle in eine Mehrzahl von Stellungen zwischen zwei extremen Stellungen bringbar, in denen die Walzenachse in entgegengesetzten Winkeln gegenüber der Kabelachse eingestellt ist und so Vorschub bzw. Rückzug der Federwelle bewirkt. Die Verstellung der Walzenachse erfolgt über einen radial über das Gehäuse hinausragenden Handgriff 62.
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Damit unterschiedet sich die Offenbarung der B1 vom Gegenstand des Streitpatents in der Gestaltung der Verstelleinrichtung für die verstellbare Walze nach M1.8 und in der Anordnung der lagefesten Walzen nach M1.6.3 und der daraus resultierenden Anforderung an die verstellbare Walze nach M 1.7.2.
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Zur der Verstellung der Walzenachse bei dem handgeführten Reinigungsgerät nach der B1 ist es erforderlich, dass der Nutzer mit einer Hand den radial über das Gehäuse hinausragenden Handgriff 62 betätigt, wobei er während der Verstellung das Reinigungsgerät mit dieser Hand nicht stützen bzw. halten kann.
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Der Fachmann, der sich die Aufgabe stellt, ein Reinigungsgerät zu entwickeln, das mit einer geringeren Zahl von Präzisionsteilen auskommt, eine dosierbare Transportgeschwindigkeit der Federwelle in beiden Achsrichtungen sowie eine schnelle Umschaltung der Transportrichtung der Federwelle ohne Umkehr der Drehrichtung der Trommel erlaubt, ohne dass hierbei eine Verlagerung einer Hand der Bedienungsperson an einen abstehenden beweglichen Hebel erfolgen muss, wobei gleichzeitig die Ermüdungsgefahr für die Bedienungsperson trotz der Handbedienung verringert wird (vgl. Streitpatent Absatz [0017]), wird zur Lösung seiner Aufgabenstellung den einschlägigen Stand der Technik zu Rate ziehen. In Anbetracht dessen wird der Fachmann im Stand der Technik nach Möglichkeiten suchen, das Reinigungsgerät benutzerfreundlicher zu gestalten.
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Dabei gelangt der Fachmann zu den schon in der Streitpatentschrift genannten Druckschriften DE 30 05 724 C2 (E7) und US 3 691 583 A (E8). Beide Entgegenhaltungen zeigen jeweils ein die Federwelle verschiebbar umschließendes Griffrohr (Betätigungseinrichtung 37 in E7; tubular handgrip 6 in E8) entsprechend M1.8 des Streitpatents zur Betätigung von Klemm- bzw. Arretiervorrichtungen für die jeweilige Federwelle. Bei beiden Ausgestaltungen kann der Bediener durch eine axiale Verschiebung des Griffrohrs in Richtung der Federwelle die Arretiermittel spannen bzw. lösen, ohne dabei den Handgriff bzw. das Griffrohr loslassen zu müssen. In der Übertragung dieser aus E7 bzw. E8 bekannten technischen Maßnahme auf den Gegenstand der B1, indem hier die Achse der verstellbaren Walze durch einen in axialer Richtung der Federwelle verschiebbaren Hebel in Form einen Griffrohrs verstellt wird, kann keine erfinderische Tätigkeit, sondern nur eine dem Fachmann im Rahmen seines Fachwissens und Fachkönnens mögliche konstruktive Modifikation bzw. eine fachübliche Vorgehensweise gesehen werden, ohne dass dieser hätte erfinderisch tätig werden müssen.
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Die B1 offenbart dem Fachmann darüber hinaus zumindest implizit in den Ansprüchen auch das Prinzip, eine Federwelle durch nur eine Walzengruppe mit drei Walzen axial zu verstellen, indem zwei Walzen achsparallel zur Federwelle lagefest angeordnet werden, wodurch diese keinerlei Transportkräfte auf die Federwelle ausüben und die Transportkräfte zur axialen Verstellung nur durch eine in ihrer Raumlage verstellbare dritte Achse auf die Federwelle aufgebracht werden. Diesem Prinzip folgt auch das Streitpatent mit dem Unterschied, dass nach den Merkmalen 1.6.2 und 1.6.3 die lagefesten Walzen so angeordnet sind, dass sie jeweils für sich eine Transportkraft auf die Federwelle ausüben, die jedoch in entgegengesetzter Richtung auf die Federwelle einwirken. Diese spezielle streitpatentgemäße Ausgestaltung wird dem Fachmann in keiner der Entgegenhaltungen offenbart oder nahegelegt.
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Nach Auffassung der Beschwerdeführerin kommt es demgegenüber für das Vor- und Zurückschieben der Federwelle nicht darauf an, ob die Achsen der lagefesten Walzen schräg im Raum liegen, oder parallel zur Federwelle angeordnet sind. Sie sieht den „erfinderischen Steuereffekt“ entsprechend Absatz [0039] des Streitpatents im Stand der Technik nach der B1 bzw. der B2/B3 schon als verwirklicht an, so dass die spezielle streitpatentgemäße Gestaltung eine für den Fachmann beliebige Ausgestaltung darstelle, die für sich eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne.
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Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Maßgeblich für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ist, dass der Fachmann ausgehend von B1 bzw. der B2/B3 unter Berücksichtigung des genannten Stands der Technik bzw. seines Fachwissens und Fachkönnens nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach den Merkmalen 1.6.2 und 1.6.3 gelangt. Wenn auch dem Streitpatent keinerlei Angaben zu entnehmen sind, worin der besondere Vorteil der speziellen gegenläufigen Anordnung der lagefesten Walzen liegen soll, stellt sie gleichwohl keine naheliegende Lösung dar. Ob die gewählte Lösung im Vergleich zu den im Stand der Technik bekannten Verfahren zu einer Verbesserung führt, ist bei dieser Sachlage unerheblich. Denn die Patentfähigkeit eines Gegenstands hängt nicht davon ab, ob dieser einen technischen Fortschritt mit sich bringt. Ein Gegenstand, der neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kann nicht allein deshalb als nicht patentfähig angesehen werden, weil er im Vergleich zum Stand der Technik keinen erkennbaren Vorteil bietet. Ein solcher Gegenstand ist vielmehr jedenfalls dann patentfähig, wenn mit ihm im Vergleich zum Stand der Technik ein anderer Weg aufgezeigt wird (BGH GRUR 2015, 983 Rn. 31 – Flugzeugstand).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es für die Bejahung der Patentfähigkeit zwar nicht aus, wenn gegenüber der vorgeschlagenen Lösung zu Recht bestehende Bedenken lediglich ignoriert und mit ihr tatsächlich und vorhersehbar verbundene Nachteile einfach in Kauf genommen werden (BGH Urteil vom 4. Juni 1996 – X ZR 49/94, BGHZ 133,57 – Rauchgasklappe; Urteil vom 26.08.2014 X ZR 18/11, Rn.17; GRUR 2018, 1128 Rn. 37 – Gurtstraffer). Auf technische Schwierigkeiten oder Nachteile kann deshalb eine erfinderische Tätigkeit allein nicht gestützt werden, wenn für den Fachmann mehrere Alternativen in Betracht kommen und von diesen eine weniger vorteilhafte gewählt wird. Diese Rechtsprechung findet auf den vorliegenden Fall jedoch keine Anwendung, weil sie voraussetzt, dass die gewählte Lösung dabei unzweifelhaft zum Handwerkszeug des Fachmanns gehört oder Anregungen aus dem Stand der Technik vorhanden sind, denen der Fachmann gefolgt ist.
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Demgegenüber stellt die streitgegenständliche Erfindung keine im Stand der Technik aufgezeigte naheliegende Alternative dar, die unter Inkaufnahme der mit ihr verbundenen Nachteilen aus mehreren Alternativen lediglich ausgewählt wurde, sondern sie zeigt einen anderen Lösungsweg auf.
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b) Nach Auffassung der Beschwerdeführerin stellt die B7/B8 den nächstkommenden Stand der Technik dar, von der der Fachmann ohne erfinderisch tätig werden zu müssen zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents gelangen könne. Das Ausführungsbeispiel der B7/B8 offenbare ein Gehäuse, bestehend aus zwei gegeneinander verdrehbaren Gehäuseteilen, wobei im Gehäuse drei Andruckrollen bzw. Walzen angeordnet seien, deren Achsen der immer gleichgerichtet seien und simultan durch Drehung des Gehäuseteils 3B gegenüber dem Gehäuseteil 3A aus einer Neutralstellung so verstellt werden könnten, dass die Federwelle entweder ein- oder ausgefahren werden könne.
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Da den Ansprüchen eine Ausgestaltung zu entnehmen sei, bei der nur mindestens eine der Andruckrollen durch Verdrehung der beiden Gehäusehälften in ihrer Raumlage veränderlich ist, ergebe sich daraus für den Fachmann naheliegend die Ausgestaltung, dass in diesem Fall die Achsen der beiden lagefesten Andruckrollen entsprechend den streitpatentgemäßen Merkmalen 1.6.2 und 1.6.3 auszurichten seien. Nur so könne der Fachmann bei dieser Ausgestaltung sicherstellen, dass für die Vor- bzw. Rückbewegung der Federwelle nur die Stellung der lageveränderlichen Walze verantwortlich sei. Der Fachmann habe dabei nur die Wahl zwischen zwei Alternativen: Die Achsen der lagefesten Walzen parallel zur Achse der Federwelle auszurichten, damit diese ohne axial wirkende Transportkräfte auf die Federwelle einwirken, oder die Achsen so auszurichten, dass diese mit entgegengesetzten Transportkräften auf die Federwelle einwirken und sich die entgegengesetzten Transportkräfte der lagefesten Walzen aufheben. In der Auswahl einer dieser beiden Varianten könne daher nach Auffassung der Beschwerdeführerin keine erfinderische Tätigkeit, sondern nur eine fachübliche Vorgehensweise des Fachmanns gesehen werden.
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Auch dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die B7/B8 offenbart dem Fachmann zwar im Anspruch 1 die Möglichkeit, dass ggf. mindestens nur eine der Andruckrollen in Bezug auf die Durchlassöffnung bzw. die Achse der Federwelle radial beweglich sein kann, lehrt in diesem Zusammenhang aber auch, dass mindestens zwei, nur vorzugsweise aber mindestens drei Andruckrollen drehbar im Gehäuse rund um die Durchlassöffnung bzw. die Achse der Federwelle angeordnet sind.
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Zumindest bezüglich der beanspruchten Ausgestaltung mit nur zwei Andruckrollen, von denen eine lageveränderlich ist, ergibt sich für den Fachmann naheliegend bzw. zwingend, dass die Achse der einen lagefesten Andruckrolle parallel zur Achse der Federwelle angeordnet sein muss, damit bei Verstellung der lageveränderlichen Andruckrolle für die Vor- und Rückbewegung durch die gleiche Verstellbewegung in beide Richtungen auch die gleiche Geschwindigkeit der Vor- und Rückbewegung erreicht werden kann. Dem Fachmann ist hierbei klar ersichtlich, dass für den Fall, dass die eine lagefeste Andruckrolle unter einem Winkel zur Achse der Federwelle angeordnet wäre und damit mit einer axial wirkenden Transportkraft auf die Federwelle einwirken würde, diese axiale Transportkraft in einer Stellung der lageveränderlichen Andruckrolle deren axiale Transportkraft unterstützen würde bzw. dieser in der anderen Stellung der lageveränderlichen Andruckrolle deren axiale Transportkraft entgegenwirken würde. Dies würde jedoch bei der Vor- und Rückbewegung der Federwelle zu unterschiedlichen, von der lageveränderlichen Andruckrolle aufzubringenden Transportkräften und somit zu unterschiedlichen Stellungen des Bedienhebels führen, was der Fachmann als nachteilig ansieht. Damit ergibt sich für den Fachmann für die Ausgestaltung mit einer lageveränderlichen und einer lagefesten Andruckrolle die zur Federwelle achsparallele Anordnung der lagefesten Andruckrolle als zweckmäßig naheliegend.
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Der B7/B8 ist diesbezüglich jedoch kein Hinweis bzw. keine Anregung dafür zu entnehmen, bei der nur vorzugsweise beanspruchten Ausgestaltung mit einer lageveränderlichen und zwei lagefesten Andruckrollen nunmehr für diese Ausgestaltung von der zur Federwelle achsparallelen Anordnung der lagefesten Andruckrollen abzuweichen und diese entsprechend den streitpatentgemäßen Merkmalen 1.6.2 und 1.6.3 anzuordnen. Dem Fachmann ist aus der B7/B8 klar ersichtlich, dass bei der Anordnung der lagefesten Andruckrollen parallel zur Achse der Federwelle der Vorteil bestehen bleibt, dass die lagefesten Andruckrollen keine Transportkräfte auf die Federwelle ausüben und nur die Stellung der lageveränderlichen Andruckrolle über die in beide Richtungen gleich schnelle Vor- und Rückbewegung der Federwelle entscheidet. Für den Fachmann besteht daher angesichts der Offenbarung der B7/B8 kein Anlass, von der achsparallelen Anordnung der lagefesten Andruckrollen abzuweichen. Daher gelangt der Fachmann auch ausgehend von B7/B8 unter Berücksichtigung des genannten Stands der Technik bzw. seines Fachwissens und Fachkönnens nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.
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c) Da die spezielle streitpatentgemäße Anordnung der Walzen auch in keiner der weiteren Entgegenhaltungen offenbart oder nahegelegt ist, führen auch beliebige andere Kombinationen des im Verfahren genannten Stands der Technik nicht ohne eine erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1.
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Mit diesem tragenden Patentanspruch 1 sind auch die auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 16 patentfähig, da ihre Gegenstände über selbstverständliche Maßnahmen hinausgehen und eine weitere Ausgestaltung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 betreffen.
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Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.


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