Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Verfahren und Anordnung zur Bestimmung von räumlichen Positionen und Orientierungen (europäisches Patent)” – zum Vorliegen einer Geheimhaltungsvereinbarung die einer öffentlichen Zugänglichmachung von technischen Informationen entgegensteht

Aktenzeichen  6 Ni 5/17 (EP)

Datum:
9.5.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:090518U6Ni517EP.0
Normen:
Art 54 Abs 1 EuPatÜbk
Spruchkörper:
6. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent EP 1 200 853
(DE 500 01 460)
hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2018 durch die Vorsitzende Richterin Friehe sowie die Richter Schwarz, Dipl.-Ing. Müller, Dipl.-Phys. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Univ. Dr. Haupt
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 200 853 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung hinausgeht:
1. Verfahren zur Bestimmung der Position und der räumlichen Orientierung eines Objekts (2), insbesondere eines bewegten Objektes (2),
mit Hilfe eines Laserstrahls (5) aus einer im Wesentlichen stationären Quelle und mit einer einstellbaren Richtung und
mit Hilfe eines am Objekt (2) angeordneten und einen einfallenden Laserstrahl (5) unabhängig vom Einfallswinkel parallel reflektierenden Reflektors (3),
wobei der Laserstrahl (5) auf den Reflektor (3) ausgerichtet wird und den Reflektor (3) während einer Bewegung des Objektes (2) durch automatische Nachstellung der Laserstrahlrichtung verfolgt,
wobei Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5) und bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) erzeugt werden und
wobei die Position des Reflektors (3) und des Objektes (2) aus diesen Messdaten berechnet wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass zusätzliche Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahls (5) in den Reflektor (3) erzeugt werden,
dass die Position und räumliche Orientierung des Objektes (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und Weglänge des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten berechnet werden und
dass die zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles (5) in den Reflektor (3) durch einen Positionssensor (12) erzeugt werden, welcher Positionssensor (12) relativ zum Reflektor (3) stationär derart angeordnet ist, dass ein unreflektiert durch eine Austrittsfläche (11) oder Austrittsöffnung des Reflektors (3) austretender zentraler Teil des Laserstrahles (5) auf den Positionssensor trifft und darauf ein Bild erzeugt, dessen Position mit dem Einfallswinkel (α) korreliert ist.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) relativ zum Objekt stationär angeordnet ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) relativ zum Objekt (2) eine einstellbare Orientierung hat und dass zusätzliche Messdaten bezüglich der Reflektor-Orientierung erzeugt werden.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) relativ zum Objekt (2) um mindestens eine Achse (x, y) senkrecht zu seiner optischen Achse (z) drehbar am Objekt (2) angeordnet ist und dass zusätzliche Messdaten bezüglich der Reflektor-Orientierung relativ zum Objekt (2) erzeugt werden, indem mindestens ein Verdrehwinkel (ß) des Reflektors um diese mindestens eine Achse (x, y) gemessen wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor durch Einstellung seiner Orientierung relativ zum Objekt (2) grob auf den Laserstrahl (5) ausgerichtet wird und dass die Position und räumliche Orientierung des Objektes (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und der Weglänge des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten sowohl bezüglich des Einfallswinkels (α) als auch bezüglich der Reflektor-Orientierung relativ zum Objekt(2) berechnet wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Messdaten bezüglich der Weglänge des Laserstrahles (5) durch eine interferometrische Messung erzeugt werden und dass die Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) durch Winkelmessung erzeugt werden.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass Messfehler, die durch eine Abhängigkeit der Weglänge und/oder der Richtung des Laserstrahles (5) vom Einfallswinkel (α) bedingt sind, anhand der zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) korrigiert werden.
8. Anordnung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 2, welche Anordnung einen im Wesentlichen stationären Laser-Tracker (1)
mit einem Laser,
mit Mitteln zur gesteuerten Ausrichtung eines durch den Laser erzeugten Laserstrahles (5),
mit Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5) und
Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) sowie einen am Objekt (2) angeordneten Reflektor (3), der den Laserstrahl (5) des Laser-Trackers (1) unabhängig vom Einfallswinkel parallel reflektiert, aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Reflektor (3) mit einer unveränderbaren Orientierung relativ zum Objekt an diesem angeordnet ist und eine Austrittsfläche (11) oder Austrittsöffnung aufweist und dass die Anordnung zusätzlich Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles (5) auf den Reflektor (3) und Mittel zur Berechnung der Position und räumlichen Orientierung des Objekts (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und der Weglänge des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallwinkels (α) aufweist, wobei die Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles (5) in den Reflektor (3) einen Positionssensor (12) aufweisen, welcher Positionssensor (12) derart relativ zum Reflektor (3) stationär derart angeordnet ist, dass ein unreflektiert durch die Austrittsfläche (11) oder die Austrittsöffnung des Reflektors (3) austretender zentraler Teil des Laserstrahles (5) auf den Positionssensor trifft und darauf ein Bild erzeugt, dessen Position mit dem Einfallswinkel (α) korreliert ist.
9. Anordnung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 5, welche Anordnung einen im wesentlichen stationären Laser-Tracker (1)
mit einem Laser,
mit Mitteln zur gesteuerten Ausrichtung eines durch den Laser erzeugten Laserstrahles (5),
mit Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5) und
Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) sowie einen am Objekt (2) angeordneten Reflektor (3), der den Laserstrahl (5) des Laser-Trackers (1) unabhängig vom Einfallswinkel parallel reflektiert, aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Reflektor (3) mit einer einstellbaren Orientierung relativ zum Objekt (2) an diesem angeordnet ist und eine Austrittsfläche (11) oder Austrittsöffnung aufweist und dass die Anordnung zusätzlich Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles auf den Reflektor (3),
Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich der einstellbaren Orientierung des Reflektors (3) relativ zum Objekt (2) und
Mittel zur Berechnung der Position und räumlichen Orientierung des Objekts (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten aufweist,
wobei die Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles (5) in den Reflektor (3) einen Positionssensor (12) aufweisen, welcher Positionssensor (12) derart relativ zum Reflektor (3) stationär derart angeordnet ist, dass ein unreflektiert durch die Austrittsfläche (11) oder die Austrittsöffnung des Reflektors (3) austretender zentraler Teil des Laserstrahles (5) auf den Positionssensor trifft und darauf ein Bild erzeugt, dessen Position mit dem Einfallswinkel (α) korreliert ist.
10. Anordnung nach einem der Ansprüche 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) ein Tripelprisma mit einer Austrittsfläche (11) oder ein Tripelspiegel mit einer Austrittsöffnung ist und dass zur Messung des Einfallswinkels (α) und zur Erzeugung entsprechender Messdaten ein relativ zum Reflektor stationär angeordneter Positionsdetektor (12) vorgesehen ist.
11. Anordnung nach Anspruch 9 oder 10, dadurch gekennzeichnet dass zur Messung der Reflektor-Orientierung relativ zum Objekt (2) und zur Erzeugung entsprechender Messdaten Winkelgeber (20) vorgesehen sind.
12. Anordnung nach einem der Ansprüche 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass sie ferner Mittel zur Korrektur der Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) und/oder der Weglänge des Laserstrahles (5) anhand der Messdaten bezüglich des Einfallwinkels (α) des Laserstrahles (5) in den Reflektor (3) aufweist.
II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des aufgrund der internationalen Anmeldung PCT/CH00/00396 vom 20. Juli 2000, veröffentlicht als WO 01/09642 A1 am 8. Februar 2001, unter Inanspruchnahme der Priorität aus der Anmeldung CH 139499 vom 28. Juli 1999 erteilten europäischen Patents 1 200 853 (Streitpatent).
2
Das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 500 01 460 geführte Streitpatent trägt die Bezeichnung
3
„VERFAHREN UND ANORDNUNG ZUR BESTiMMUNG VON RÄUMLiCHEN POSiTiONEN UND ORiENTiERUNGEN“
4
und umfasst in der geltenden Fassung 13Patentansprüche. Mit ihrer mit Schriftsatz vom 16. März 2016 eingereichten Nichtigkeitsklage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang.
5
Die angegriffenen erteilten nebengeordneten Patentansprüche 1, 9 und 10 sowie die zum Verständnis der Patentansprüche 9 und 10 erforderlichen abhängigen Ansprüche 2 bis 6 lauten in der Verfahrenssprache:
6
1. Verfahren zur Bestimmung der Position und der räumlichen Orientierung eines Objekts (2), insbesondere eines bewegten Objektes (2), mit Hilfe eines Laserstrahls (5) aus einer im Wesentlichen stationären Quelle und mit einer einstellbaren Richtung und mit Hilfe eines am Objekt (2) angeordneten und einen einfallenden Laserstrahl (5) unabhängig vom Einfallswinkel parallel reflektierenden Reflektors (3), wobei der Laserstrahl (5) auf den Reflektor (3) ausgerichtet wird und den Reflektor (3) während einer Bewegung des Objektes (2) durch automatische Nachstellung der Laserstrahlrichtung verfolgt, wobei Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5) und bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) erzeugt werden und wobei die Position des Reflektors (3) und des Objektes (2) aus diesen Messdaten berechnet wird, dadurch gekennzeichnet, dass zusätzliche Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahls (5) in den Reflektor (3) erzeugt werden und dass die Position und räumliche Orientierung des Objektes (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und Weglänge des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten berechnet werden.
7
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles (5) in den Reflektor (3) durch einen Positionssensor (12) erzeugt werden, welcher Positionssensor (12) relativ zum Reflektor (3) stationär derart angeordnet ist, dass ein unreflektiert durch eine Austrittsfläche (11) oder Austrittsöffnung des Reflektors (3) austretender zentraler Teil des Laserstrahles (5) auf den Positionssensor trifft und darauf ein Bild erzeugt, dessen Position mit dem Einfallswinkel (α) korreliert ist.
8
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) relativ zum Objekt stationär angeordnet ist.
9
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) relativ zum Objekt (2) eine einstellbare Orientierung hat und dass zusätzliche Messdaten bezüglich der Reflektor-Orientierung erzeugt werden.
10
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) relativ zum Objekt (2) um mindestens eine Achse (x, y) senkrecht zu seiner optischen Achse (z) drehbar am Objekt (2) angeordnet ist und dass zusätzliche Messdaten bezüglich der Reflektor-Orientierung relativ zum Objekt (2) erzeugt werden, indem mindestens ein Verdrehwinkel (ß) des Reflektors um diese mindestens eine Achse (x, y) gemessen wird.
11
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor durch Einstellung seiner Orientierung relativ zum Objekt (2) grob auf den Laserstrahl (5) ausgerichtet wird und dass die Position und räumliche Orientierung des Objektes (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und der Weglänge des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten sowohl bezüglich des Einfallswinkels (α) als auch bezüglich der Reflektor-Orientierung relativ zum Objekt (2) berechnet wird.
12
9. Anordnung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 3, welche Anordnung einen im wesentlichen stationären Laser-Tracker (i) mit einem Laser, mit Mitteln zur gesteuerten Ausrichtung eines durch den Laser erzeugten Laserstrahles (5), mit Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5) und Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) sowie einen am Objekt (2) angeordneten Reflektor (3), der den Laserstrahl (5) des Laser-Trackers (1) parallel reflektiert, aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) mit einer unveränderbaren Orientierung relativ zum Objekt an diesem angeordnet ist und dass die Anordnung zusätzlich Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles (5) auf den Reflektor (3) und Mittel zur Berechnung der Position und räumlichen Orientierung des Objekts (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und der Weglänge des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallwinkels (α) aufweist.
13
10. Anordnung zu Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 6, welche Anordnung einen im wesentlichen stationären Laser-Tracker (1) mit einem Laser mit Mitteln zur gesteuerten Ausrichtung eines durch den Laser erzeugten Laserstrahles (5), mit Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5) und Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) sowie einen am Objekt (2) angeordneten Reflektor (3), der den Laserstrahl (5) des Laser-Trackers (1) parallel reflektiert, aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Reflektor (3) mit einer einstellbaren Orientierung relativ zum Objekt (2) an diesem angeordnet ist und dass die Anordnung zusätzlich Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles auf den Reflektor (3) Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich der einstellbaren Orientierung des Reflektors (3) relativ zum Objekt (2) und Mittel zur Berechnung der Position und räumlichen Orientierung des Objekts (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten aufweist.
14
Wegen des Wortlauts der jeweils auf einen oder mehrere der vorhergehenden Patentansprüche rückbezogenen abhängigen Ansprüche 7, 8 und 11 bis 13 wird auf die Akte Bezug genommen.
15
Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Streitpatent mangels Patentfähigkeit für nichtig zu erklären sei. Dies stützt sie zum einen auf die Schriften (Nummerierung und Kurzzeichen nach Klageschriftsatz):
16
D1 US 4,714,339 A
17
D2 DD 295 229 A
18
D3 US 4,707,129 A
19
D4 WO 98/07012 A1
20
D5 US 4,895,440 A
21
D6 “Final report on a Next generation Laser Tracking Systems for Robot Position Measurement”, NASA Phase ii SBiR, mit Datum 10.06.1998
22
D7 Auszug aus Handbuch zu dem Abschlussbericht nach D6
23
D8 A…, User Manual for the Single Beam Laser Tracking System LTS-610 Version 1.1
24
Darüber hinaus macht sie mehrere offenkundige Vorbenutzungen geltend.
25
Hierzu behauptet sie zum einen, dass der in den Schriften D6 und D7 beschriebene Gegenstand von ihr im Auftrag der NASA entwickelt und vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit – und zwar zum einen durch die Lieferung des von ihr entwickelten Geräts an die NASA und zum anderen durch eine zuvorige öffentliche Vorführung und Präsentation an der Universität von Maryland im Frühling 1998 – zugänglich gemacht worden sei. Hierzu hat sie neben den bereits erwähnten Schriften D6 und D7 noch folgende Dokumente vorgelegt:
26
K6 Eidesstattliche Versicherung des Herrn
27
C… mit Übersetzung (K6-Ü)
28
K7 Eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. L…
29
mit Übersetzung (K7-Ü)
30
K8 Eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. L1…
31
mit Übersetzung (K8-Ü)
32
K9 Eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. M…
33
mit Übersetzung (K9-Ü)
34
K10 Technische Zeichnung („Exhibit B“)
35
K11 Ausdruck aus der NASA Homepage o. D.
36
K13 US-Gesetz 97-219 vom 22.07.1982
37
K14 Auszug aus den US-Kongress-Dokument S.2941
38
K15 Auszug aus der NASA Homepage vom 25.11.2016
39
K16 SBiR-Regularien der NASA aus dem Jahr 2002
40
Zum Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung hat sie die Verfasser der eidesstattlichen Versicherungen nach K6 bis K9 auch als Zeugen benannt.
41
Des Weiteren behauptet sie, Laser-Tracking-Systeme seien bereits vor dem Prioritätszeitraum an die Tennessee Tech University und an die University of Michigan verkauft worden. Hierzu legt sie Bilder der angeblich verkauften Gegenstände vor. Für den Verkauf an die Tennessee Tech University beruft sie sich auf die
42
K17 Korrespondenz zwischen A1… und Herrn D…, Tennessee Tech University
43
Für den Verkauf an die University of Michigan hat sie mit Schriftsatz vom 12. April 2018, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, die Vernehmung des Zeugen Q… angeboten und sich zusätzlich auch auf die
44
K18 Declaration Of Facts des Herrn Q… (ohne Datum) nebst Anlagen (Fotos und User Manual for The Single Beam Laser Tracking System LTS-610 Version 1.1)
45
berufen.
46
Die Klägerin beantragt,
47
das europäische Patent 1 200 853 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
48
Die Beklagte beantragt,
49
die Klage abzuweisen,
50
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Patent mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag 1 verteidigt wird.
51
Der Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von der erteilten Fassung im Wesentlichen dadurch, dass gegenüber dieser der erteilte Patentanspruch 1 gestrichen ist.
52
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin, dass das Streitpatent aufgrund der von dieser angeführten Dokumente D1 bis D7 nicht patentfähig sei, im Einzelnen entgegen. Darüber hinaus bestreitet sie auch die von der Klägerin behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen und macht hierzu u. a. geltend, die Lieferung eines von der Klägerin entwickelten Gerätes an ihre Auftraggeberin, die NASA, unterliege typischerweise der (expliziten oder impliziten) Geheimhaltung. Die angebliche Vorführung des Geräts in den Laboratorien des am Projekt beteiligten Mutterunternehmens der Klägerin (A…) könne nicht öffentlich gewesen sein und aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich nicht, welcher Gegenstand bei den von der Klägerin behaupteten bzw. in der D6 erwähnten Vorführungen wann, wie und durch wen gezeigt worden sei. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Beklagte vorgelegt:
53
K12 Internetauszug der allgemeinen Projektbedingungen der SBiR (NASA SBiR Select 2014 Program Solicitation) http://sbir.nasa.gov/solicit/52897/detail?i1=53106 abgerufen am 18. 07. 2016.
54
Der Senat hat den Parteien einen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 16. Januar 2018 mit einer Stellungnahmefrist auf den Hinweis bis zum 1. März 2018, die auf Antrag der Klägerin bis zum 15. März 2018 verlängert wurde, und einer weiteren Frist zur Stellungnahme auf das Vorbringen der Gegenseite bis zum 12. April 2018 zugeleitet. Auf den Hinweis wird Bezug genommen.
55
Der Senat hat aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2018 verkündeten Beweisbeschlusses den nach § 273 ZPO zugeladenen Zeugen Q… vernommen sowie die von diesem mitgebrachten Unterlagen in Augenschein genommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
56
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet; denn während das Streitpatent in der erteilten Fassung für nichtig zu erklären ist, weil insoweit der mit ihr geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ besteht, erweist es sich in der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 als schutzfähig, weil gegenüber dieser Fassung, mit welcher die Beklagte ihr Patent zulässig verteidigt, keine Nichtigkeitsgründe gegeben sind.
57
I. Zum Gegenstand des Streitpatents
58
1. Die Erfindung liegt auf dem Gebiet der Messtechnik und betrifft ein Verfahren und Anordnungen zur Bestimmung der räumlichen Position und Orientierung von Objekten, insbesondere von bewegten oder bewegbaren Objekten.
59
Das Streitpatent geht in den Absätzen 0002 bis 0009 von einem als bekannt beschriebenen Stand der Technik aus, wonach die räumliche Position eines bewegten Reflektors mit einem Laserstrahl aus einer im Wesentlichen stationären Quelle und mit einer auf den Reflektor einstellbaren und vermessbaren Richtung verfolgt und eine neue Position des Reflektors anhand einer erfassten Richtungsveränderung und einer interferometrisch bestimmten Abstandsveränderung bestimmt würde. Derartige Messmethoden würden beispielsweise verwendet, um Oberflächen auszumessen, über die ein Reflektor bewegt wird, oder um bewegte Objekte zu steuern, an denen ein Reflektor angeordnet ist. Die mit den vorgenannten Verfahren vermessbaren Bewegungen sind nach der Darstellung im Streitpatent aber dadurch eingeschränkt, dass der Reflektor üblicherweise eine beschränkte Frontfläche habe, auf die der Laserstrahl fallen muss, damit eine Reflexion gewährleistet ist. Das heiße nicht nur, dass sich zwischen Laser und Reflektor kein Hindernis befinden dürfe, sondern auch, dass die Frontfläche des Reflektors immer gegen den Laser gewandt sein müsse.
60
Wie das Streitpatent weiter ausführt, würden im Stand der Technik für den Fall, dass zusätzlich zur Position des Reflektors oder eines Objektes, an dem der Reflektor angeordnet ist, auch eine räumliche Orientierung des Reflektors oder Objekts bestimmt werden soll, auf dem Objekt oder auf einem entsprechend einsetzbaren Werkzeug zusätzlich zum oben genannten Reflektor weitere Reflektoren oder Lichtpunkte angeordnet und mit beispielsweise einer digitalen Kamera, deren optische Achse an die Laserstrahl-Richtung angepasst ist, die Anordnung der zusätzlichen und illuminierten Reflektoren oder der Lichtpunkte abgebildet. Aus einem Vergleich der effektiven Anordnung der Reflektoren oder Lichtpunkte und dem registrierten Bild dieser Anordnung könnten dann Parameter der räumlichen Orientierung des Objektes (z. B. Drehpositionen bezüglich orthogonaler Achsen) berechnet werden.
61
Zur Durchführung der oben genannten Verfahren würden im Stand der Technik Messsysteme mit einem Instrument, das Laser-Tracker genannt wird, und mit einem Reflektor verwendet, wobei das Messsystem gegebenenfalls auch ein Bildaufnahmegerät und eine Anordnung weiterer Reflektoren oder Lichtpunkte aufweisen kann. Als Beispiel für eine derartige Anordnung verweist das Streitpatent auf die Publikation WO 97/14015 A1. Die wesentlichen Bestandteile des angewendeten Laser-Trackers seien ein Laser zur Erzeugung des Laserstrahls, eine einstellbare Spiegeleinrichtung zur Ausrichtung des Laserstrahles auf den Reflektor und zur Verfolgung eines bewegten Reflektors und ein Interferometer. Mit Laser-Trackern kooperierende Reflektoren seien üblicherweise retroreflektierende Tripelprismen (Prisma mit Würfelecken-förmiger Spitze und beispielsweise runder Basis- oder Frontfläche, die senkrecht zur Symmetrieachse oder optischen Achse des Prismas steht) oder gegebenenfalls Tripelspiegel (bestehend aus drei rechtwinklig zusammengebauten Spiegeln, die eine hohle Würfelecke bilden). Derartige Reflektoren reflektierten ein einfallendes Parallelstrahlenbündel in sich und zwar unabhängig vom Einfallswinkel.
62
Es sei bekannt, dass im Gegensatz zum Tripelspiegel in einem Tripelprisma der Weg eines reflektierten Strahles von seinem Einfallswinkel in das Prisma abhängig sei. Dadurch sei für ein Tripelprisma nicht nur die interferometrisch wichtige optische Weglänge, sondern auch der für die Winkelmessung wichtige Wegverlauf von diesem Einfallswinkel abhängig. Weil der Tripelspiegel aus mechanischen Gründen relativ groß sein müsse und weil er leicht verschmutze, werde das Tripelprisma üblicherweise trotz des genannten Nachteils vorgezogen, wobei Messfehler bedingt durch die oben genannten Abhängigkeiten vom Einfallswinkel dadurch vermieden würden, dass der Einfallswinkel des Laserstrahls auf die Basisfläche des Tripelprismas auf einen Bereich von maximal ca. 20° zur Senkrechten beschränkt werde, in welchem Bereich die genannten Abhängigkeiten für gängige Messungen vernachlässigbar seien. Eine derartige Einfallswinkelbeschränkung werde beispielsweise realisiert, indem die Frontfläche des Tripelprismas derart versenkt angeordnet werde, dass ein Strahl mit einem größeren Einfallswinkel nicht mehr auf die Frontfläche trifft. Die genannte Einfallswinkelbeschränkung verschärfe die Messbedingungen, denn der Laserstrahl müsse für eine Messung in einem recht engen Winkelbereich auf diese Frontfläche des Reflektors fallen.
63
Um die genannten Beschränkungen insbesondere für interferometrische Distanzmessungen zu eliminieren, werde in der Publikation US 4,707,129 A (= D3) vorgeschlagen, den Reflektor nicht fest auf dem bewegten Objekt anzubringen, sondern ihn um zwei senkrecht aufeinander stehende Achsen angetrieben verschwenkbar anzuordnen und ihn für die Messungen auf den durch den Tracker erzeugten Laserstrahl immer derart auszurichten, dass der Laserstrahl parallel zur optischen Achse in den Reflektor falle. Die Steuerung der Reflektorausrichtung solle dabei durch eine Ausgestaltung der Spitze des als Reflektor eingesetzten Tripelspiegels in der Weise erfolgen, dass ein eigens dafür erzeugter Laserstrahl, der auf diesen Spitzenbereich gerichtet sei, nicht reflektiert werde, sondern durch den Reflektor durchtrete und auf einen hinter dem Reflektor angeordneten Positionsdetektor (z. B. PSD: position sensitive diode) treffe. ln einem derart ausgerüsteten System existierten die oben genannten Anwendungsbeschränkungen nicht. Es könne aber nicht für die Bestimmung der räumlichen Orientierung eines Objektes herangezogen werden und es sei mit einem erheblichen apparativen und steuerungstechnischen Aufwand verbunden.
64
Vor diesem Hintergrund stellt sich das Streitpatent in Absatz 0010 die Aufgabe, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung von Position und Orientierung von insbesondere bewegten oder bewegbaren Objekten mit Hilfe eines im Wesentlichen stationären Laser-Trackers und eines am Objekt angeordneten Reflektors zu schaffen. Hierfür sollten Verfahren und Vorrichtung einfach und in verschiedensten Anwendungen einsetzbar sein und die genannten Beschränkungen derartiger Bestimmungsmethoden möglichst mildern.
65
2. Als Lösung schlägt das Streitpatent in der erteilten und nach Hauptantrag verteidigten Fassung mit den nebengeordneten Ansprüchen 1, 9 und 10 ein Verfahren und zwei Anordnungen vor, die sich wie folgt gliedern lassen:
66
Erteilter Anspruch 1:
67
1A Verfahren zur Bestimmung der Position und der räumlichen Orientierung eines Objekts (2), insbesondere eines bewegten Objektes (2),
68
1B mit Hilfe eines Laserstrahls (5)
69
1C aus einer im Wesentlichen stationären Quelle
70
1D und mit einer einstellbaren Richtung
71
1E und mit Hilfe eines am Objekt (2) angeordneten und einen einfallenden Laserstrahl (5) unabhängig vom Einfallswinkel parallel reflektierenden Reflektors (3),
72
1F wobei der Laserstrahl (5) auf den Reflektor (3) ausgerichtet wird und den Reflektor (3) während einer Bewegung des Objektes (2) durch automatische Nachstellung der Laserstrahlrichtung verfolgt,
73
1G wobei Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5) und bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) erzeugt werden
74
1H und wobei die Position des Reflektors (3) und des Objektes (2) aus diesen Messdaten berechnet wird,
75
dadurch gekennzeichnet, dass
76
1I zusätzliche Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahls (5) in den Reflektor (3) erzeugt werden
77
1J und dass die Position und räumliche Orientierung des Objektes (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und Weglänge des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten berechnet werden.
78
Erteilter nebengeordneter Anspruch 9:
79
9A Anordnung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 3,
80
9B welche Anordnung einen im wesentlichen stationären Laser-Tracker (1)
81
9C mit einem Laser
82
9D mit Mitteln zur gesteuerten Ausrichtung eines durch den Laser erzeugten Laserstrahles (5),
83
9E mit Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5)
84
9F und Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5)
85
9G sowie einen am Objekt (2) angeordneten Reflektor (3), der den Laserstrahl (5) des Laser-Trackers (1) parallel reflektiert, aufweist,
86
dadurch gekennzeichnet, dass
87
9H der Reflektor (3) mit einer unveränderbaren Orientierung relativ zum Objekt an diesem angeordnet ist
88
9I und dass die Anordnung zusätzlich Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles (5) auf den Reflektor (3)
89
9J und Mittel zur Berechnung der Position und räumlichen Orientierung des Objekts (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und der Weglänge des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallwinkels (α) aufweist.
90
Erteilter nebengeordneter Anspruch 10:
91
10A Anordnung zu Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 6,
92
9B welche Anordnung einen im wesentlichen stationären Laser-Tracker (1)
93
9C mit einem Laser
94
9D mit Mitteln zur gesteuerten Ausrichtung eines durch den Laser erzeugten Laserstrahles (5),
95
9E mit Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Weglänge des reflektierten Laserstrahles (5)
96
9F und Mitteln zur Erzeugung von Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5)
97
9G sowie einen am Objekt (2) angeordneten Reflektor (3), der den Laserstrahl (5) des Laser-Trackers (1) parallel reflektiert, aufweist,
98
dadurch gekennzeichnet, dass
99
10H der Reflektor (3) mit einer einstellbaren Orientierung relativ zum Objekt (2) an diesem angeordnet ist
100
9I und dass die Anordnung zusätzlich Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles auf den Reflektor (3),
101
10J Mittel zur Erzeugung von zusätzlichen Messdaten bezüglich der einstellbaren Orientierung des Reflektors (3) relativ zum Objekt (2)
102
9J und Mittel zur Berechnung der Position und räumlichen Orientierung des Objekts (2) anhand der Messdaten bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) und anhand der zusätzlichen Messdaten aufweist.
103
3. Der zuständige Fachmann, ein Physiker oder Elektrotechniker mit Universitätsabschluss und mehrjähriger Erfahrung bei der Entwicklung von Lasermesssystemen, wird die Angaben im erteilten Anspruch 1 wie folgt verstehen:
104
a) Die Bestimmung bzw. Berechnung der Position eines Objekts (vgl. Merkmale 1A, 1J) erfordert die Bestimmung der Position des Objekts in drei Raumdimensionen, beispielsweise in Bezug auf die drei Raumachsen x, y und z. Die Bestimmung bzw. Berechnung der räumlichen Orientierung eines Objekts (vgl. Merkmale 1A, 1J) erfordert die Bestimmung der Drehlage des Objekts in drei Raumdimensionen, beispielsweise in Bezug die drei Raumachsen x, y und z (vgl. Streitpatentschrift Spalte 6 Zeilen 1, 2) oder in Bezug auf die Nick-, Gier- und Rollachse des Objekts.
105
Die Position eines Objekts kann mit den im Merkmal 1G genannten Messdaten bestimmt werden, hingegen kann mit den im Merkmal 1I genannten zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahls (5) in den Reflektor (3) allenfalls die räumliche Orientierung des Objekts in Bezug auf zwei von drei Raumachsen bestimmt werden. Eine Bestimmung der Drehlage des Objekts um die durch den Laserstrahl aufgespannte Achse ist mit den im Anspruch 1 genannten Messdaten nicht möglich (vgl. Streitpatentschrift Absatz 0017). Die Bestimmung der Drehlage des Objekts um die durch den Laserstrahl aufgespannte Achse ordnet das Streitpatent offensichtlich den Fähigkeiten des Durchschnittsfachmanns zu, denn auch die Beschreibung enthält hierzu keine Anleitung.
106
b) Die Anweisung, eine im Wesentlichen stationäre Quelle vorzusehen (vgl. Merkmal 1C), liest der Fachmann im Zusammenhang mit der Anweisung im Merkmal 1D, wonach der Laserstrahl eine einstellbare Richtung haben soll. Demnach umfasst die Quelle sowohl ortsfeste als auch ortsveränderliche Bestandteile. In der Beschreibung des Streitpatents wird etwa auf eine einstellbare Spiegeleinrichtung am Ausgang der Quelle hingewiesen (vgl. Streitpatentschrift Absatz 0005).
107
c) Die Richtung des Laserstrahles (5) (vgl. Merkmal 1G) bestimmt der Fachmann relativ zu der Quelle, beispielsweise als Horizontal- und Vertikalwinkel (Azimut und Elevation). Der Einfallswinkel (α) des Laserstrahls (5) in den Reflektor (3) (vgl. Merkmal 1I) ist der Winkel zwischen dem Laserstrahl und dem Lot auf den Reflektor.
108
Mit der Bezeichnung als „zusätzliche“ Messdaten wird hinreichend deutlich, dass die im Merkmal 1I genannten Messdaten zusätzlich zu den Messdaten im Merkmal 1G erzeugt werden sollen. Dem steht auch nicht entgegen, dass gemäß dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents mit Hilfe des gemessenen Einfallswinkels des Laserstrahles in den Reflektor die Winkelmessung zur Bestimmung der Laserstrahl-Richtung korrigiert werden kann (vgl. Streitpatentschrift Absatz 0034). Um eine Winkelmessung zur Bestimmung der Laserstrahl-Richtung mit dem gemessenen Einfallswinkel des Laserstrahls zu korrigieren, müssen beide Messungen ausgeführt werden.
109
Die Frage, ob das Erzeugen von Messdaten zum fortlaufenden Nachsteuern der Reflektorausrichtung unter den Sinngehalt des Merkmals 1I fällt oder nicht, ist nicht im Rahmen der Auslegung zu entscheiden. Denn Messdaten zum fortlaufenden Nachsteuern der Reflektorausrichtung können unterschiedliche technische Sachverhalte betreffen. Vielmehr wird bei der Betrachtung des Standes der Technik anhand des konkret vorliegenden Sachverhalts im Einzelfall gegebenenfalls zu entscheiden sein, ob Messdaten zum fortlaufenden Nachsteuern der Reflektorausrichtung auch Messdaten bezüglich des Einfallswinkels des Laserstrahls in den Reflektor gemäß Merkmal 1I beinhalten oder nicht.
110
II. Zur erteilten Fassung des Streitpatents (Hauptantrag)
111
In der erteilten Fassung ist das Streitpatent für nichtig zu erklären, da ihm der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 56 EPÜ) entgegensteht, weil es in dieser Fassung gegenüber dem Stand der Technik nach dem von der Klägerin sowohl als Anlage D8 als auch als Bestandteil der Anlage K18 eingereichten Auszug (Deckblatt, die Seiten 1 bis 4 sowie die Zeichnungen Figur 1, Figur 6a, Figur 6b und Figur 7) aus dem Benutzerhandbuch „USER MANUAL FOR THE SINGLE BEAM LASER TRACKING SYSTEM LTS-610 VERSION 1.1“ nicht neu ist.
112
1. Aufgrund der Beweisaufnahme durch Einvernahme des Zeugen Q… sieht es der Senat als erwiesen an, dass die D8 vor dem Prioritätstag des Streitpatents, also vor dem 28. Juli 1999, der Öffentlichkeit zugänglich war.
113
1.1 Der Zeuge hat ausgesagt, dass er im Oktober 1993 eine Tätigkeit in der Universität von Michigan aufgenommen und Ende 1993, d. h. November/Dezember 1993, oder früh im Jahr 1994, d. h. Januar/Februar 1994, erstmals den Laser-Tracker LTS-610 gesehen habe. Auch wenn er mit dem Ankauf selbst nicht befasst gewesen sei, wisse er aber, dass die Universität den Lasertracker gekauft habe, denn die Universität miete oder lease keine Forschungseinrichtungen. Das einzige Gerät, von dem er wisse, dass es geleast wurde, sei eine Kaffeemaschine.
114
An das Gerät könne er sich deshalb noch so gut erinnern, weil es ungewöhnlich aussehe, nämlich wie ein Roboter, rot und mit einem kleinen Roboterkopf. Als er den Laser-Tracker erstmals gesehen habe, sei ihm gesagt worden, dass er mit diesem Gerät arbeiten werde. Da viele Personen mit dem Equipment hätten arbeiten müssen, sei das Benutzerhandbuch mehrfach kopiert worden, und jeder, der eine Kopie brauchte, habe diese bekommen. Auch er habe wohl eine Kopie erhalten, welche er mitgebracht habe. Seiner Erinnerung nach habe es mindestens drei Kopien gegeben. Die heute noch vorhandenen Kopien habe er in einem Schrank im Lagerraum gefunden, zu welchem nur er Zutritt habe.
115
Dazu, dass auf den der Anlage K18 beigefügten Fotos, welche der Zeuge nach eigener Angabe selbst aufgenommen hatte, sich auf dem Typenschild des Geräts das Datum 24. Februar 1995 befindet, hat der Zeuge ausgeführt, dass es sich bei dem noch im Lager des Instituts vorhandenen und von ihm fotografierten Gerät um eine aktualisierte Version handele, weil das erste Gerät, welches er Ende 1993 oder Anfang 1994 zunächst gesehen habe, ein fehlerhaftes Lasersystem gehabt habe, das später ausgetauscht worden sei, nachdem die Fehlerhaftigkeit des zunächst gelieferten Geräts bei der Lieferantin mehrfach gerügt worden sei. Zwar könne er nicht mehr genau sagen, wann der Austausch erfolgt sei, er nehme aber an, dass dies im Frühling 1995 der Fall gewesen sei. Jedenfalls könne er ausschließen, dass der Austausch erst 1996, 1997 oder noch später erfolgt sei, weil die verbesserte Einrichtung für ein Projekt im Jahr 1995 verwendet worden sei.
116
Des Weiteren hat der Zeuge angegeben, dass der Lasertracker für Messungen verwendet worden sei, insbesondere weil er – anders als die anderen damals zur Verfügung stehenden Geräte ‒ Messungen in 6 Freiheitsgraden gleichzeitig ermöglicht hätte, wodurch die Messzeit auf 1/6 reduziert worden sei. Der Zeuge hat dabei – was allerdings nicht protokolliert wurde – ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Lasertracker als bloßes Werkzeug – „wie ein Hammer“ – bei der Durchführung der Forschungsprojekte verwendet worden sei. Die Spitzenzeiten, in denen der Laser-Tracker verwendet wurde, seien dabei die Jahre 1995 bis 1997 gewesen. Vorher sei sehr selten, später praktisch nicht mehr mit dem Gerät gearbeitet worden, weil sich das Forschungsgebiet verändert habe. Ab ca. 1998 bis 2000 sei der Laser-Tracker veraltet gewesen.
117
1.2 Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung zwei von ihm noch aufgefundene Kopien vorgelegt. Durch Augenscheineinnahme hat der Senat hierbei festgestellt, dass die Seite 6 der Anlage K18, die unstreitig dem Deckblatt der Anlage D8 entspricht, mit der ersten Seite des einen vom Zeugen vorgelegten Benutzerhandbuchs identisch ist. Die weitere Kopie enthält eine laut Aufdruck 1997 von der Firma A… gefaxte zusätzliche Figur 3 mit dem Thema „Scematic circuit of the controller“, teilweise sind die Seiten auch in abweichender Reihenfolge geheftet, und in der zweiten Kopie fehlt eine Seite. Darüber hinaus unterscheiden sich beide Kopien darin, dass die erste einen farbigen Prospekt der Firma L… enthält.
118
1.3 Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Angaben des Zeugen zu zweifeln. Er war ersichtlich darum bemüht, nur solche Angaben zu machen, die ihm angesichts des lange zurückliegenden Zeitraums noch erinnerlich waren, ohne dem etwas hinzuzufügen oder etwas zu verschweigen. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen seitens des Senats ebenso wenig Bedenken wie an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Solche Bedenken sind auch von keiner der Parteien vorgebracht worden.
119
1.4 Aufgrund der Aussage des Zeugen steht zur Überzeugung des Senats (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 286 ZPO) fest, dass ein Laser-Tracker mit den in der D8 bzw. der identischen Anlage zur K18 genannten Eigenschaften vor dem Prioritätstag des Streitpatents an die Universität Michigan geliefert worden ist. Dabei kann dahinstehen, wann die Lieferung genau erfolgte und wann der gelieferte Lasertracker später nochmals durch Austausch des Lasersystems verändert wurde. Denn aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen, dass der Laser-Tracker im Wesentlichen nur in den Jahren 1995 bis 1997 für ein bestimmtes Projekt verwendet wurde und hierbei die in der D8 genannten Eigenschaften aufwies, steht zur Überzeugung des Senats zweifelsfrei fest, dass ein Laser-Tracker mit den Eigenschaften laut der D8 auf jeden Fall vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Universität Michigan zur Verfügung stand.
120
1.5 Da technisch kundige Mitglieder der Universität Michigan als unbeteiligte Dritte von den technischen Eigenschaften des Laser-Trackers somit jederzeit und unbeschränkt Kenntnis nehmen konnten, sind die der D8 entnehmbaren technischen Informationen damit auch als öffentlich zugänglich i. S. d. Art. 54 Abs. 1 EPÜ anzusehen.
121
1.6 Soweit die Beklagte hiergegen eingewandt hat, es sei von einer konkludenten Geheimhaltungsvereinbarung zwischen dem Verkäufer und der University of Michigan als Käuferin auszugehen, kann der Senat dem nicht folgen. Denn weder sind aus den Umständen, welche der Zeuge geschildert hat, Tatsachen entnehmbar, welche eine solche Annahme nahelegen könnten, noch hat die – insoweit darlegungs- und beweispflichtige – Beklagte hierfür anderweitige Umstände vorgetragen.
122
Aus dem bloßen Umstand, dass die Universität den gelieferten Laser-Tracker zu Forschungszwecken verwendete, kann eine solche Geheimhaltungsvereinbarung nicht geschlossen werden. Denn nach Aussage des Zeugen war der Laser-Tracker nicht selbst Forschungsgegenstand, sondern wurde nur als Hilfsmittel bei Forschungen eingesetzt. Damit ist aber auszuschließen, dass – was für eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung vorauszusetzen wäre ‒ auch ohne ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung im Liefervertrag für die Vertragsparteien erkennbare Grundlage des Liefervertrages gewesen sei, dass die Kenntnis technischer Einzelheiten des Lasertrackers von der University of Michigan bzw. ihren mit dem Lasertracker arbeitenden Mitarbeitern nicht an Dritte weitergegeben werden durften. Dass eine ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen worden ist, hat die Beklagte weder vorgetragen noch nachgewiesen noch ist dies aufgrund der Zeugenaussage naheliegend; denn wenn eine solche ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen worden wäre, wäre wohl erforderlich gewesen, dass die University of Michigan die mit dem Lasertracker arbeitenden Mitarbeiter und Studenten hierüber unterrichtet hätte; zu einer solchen Unterrichtung hat der Zeuge aber keine Angaben gemacht.
123
Auch aus der Angabe des Zeugen, dass es sich um ein damals auf dem Markt neues Gerät mit deutlich erweitertem Messumfang gehandelt habe, das zunächst ein fehlerhaftes, später ausgewechseltes Lasersystem hatte, kann eine stillschweigende Geheimhaltungsverpflichtung nicht gefolgert werden. Denn aus dem bloßen Austausch fehlerhafter Bauteile durch einen Hersteller ergibt sich noch keine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung mit dem Käufer, da es sich hierbei nur um einen üblichen Gewährleistungsfall handelt, wie er sowohl bei technisch neuen, erstmals auf dem Markt befindlichen Geräten als auch bei solchen, die bereits seit längerem erhältlich sind, jederzeit vorkommen kann.
124
1.7 Im Ergebnis steht daher zur Überzeugung des Senats fest, dass die D8 zum relevanten Stand der Technik i. S. d. Art. 54 Abs. 1 EPÜ gehört und daher bei der Frage, ob sie der Patentfähigkeit des Streitpatents entgegenstehen kann, heranzuziehen ist.
125
2. Der Auszug aus dem Benutzerhandbuchs D8 beschreibt den Laser-Tracker LTS-610 als 6D-Messgerät, das die Position eines sich bewegenden Ziels in sechs Freiheitsgraden verfolgt, nämlich in Bezug auf die x-, y-, z-, Nick-, Gier- und Rollachse. Der Laser-Tracker umfasst eine Steuerung (a. 486DX-33 computer, b. system controller, c. tracker interface card), eine stationäre Verfolgungseinheit (d. tracking unit) und eine Zieleinheit (e. target unit, vgl. D8 Seite 1 erster Absatz und Figur 1).
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
126
Figur 1 aus dem Benutzerhandbuch D8
127
Der Auszug aus dem Benutzerhandbuch D8 offenbart alle Anweisungen in den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1. Aus dem Auszug D8 ist dem Fachmann in Worten des erteilten Anspruchs 1 ausgedrückt, nämlich Folgendes bekannt geworden: ein
128
1A Verfahren zur Bestimmung der Position (X, Y, Z) und der räumlichen Orientierung (pitch, yaw, and roll axes) eines Objekts (moving target)
129
(vgl. D8 Seite 1 erster Satz: … a six-dimensional measuring device that tracks and measures the position of a moving target in six axes; namely the X, Y, Z, pitch, yaw, and roll axes.),
130
1B mit Hilfe eines Laserstrahls
131
(vgl. D8 Seite 1 erster Satz: The LTS-610 Laser Tracking System …)
132
1C aus einer im Wesentlichen stationären Quelle (tracking unit)
133
(Die in D8 beschriebene Verfolgungseinheit umfasst einen Laser, der innerhalb eines Standzylinders, also stationär, angeordnet ist, vgl. D8 Seite 3 drittletzter Absatz Zeile 6: contained inside the tracking cylinder, vgl. Figur 1)
134
1D und mit einer einstellbaren Richtung
135
(Die Richtung des Laserstrahls (measuring beam) der Verfolgungseinheit ist mittels eines „tracking mirror device (gimbal)“ einstellbar, vgl. D8 Seite 1 vorletzter Absatz: a dual-axis servo-controlled tracking mirror device (gimbal) …, vgl. Seite 3 drittletzter Absatz vierter Satz: The measuring beam … is then directed to the center of the retroreflector of a … target unit by the gimbal mirror.)
136
1E und mit Hilfe eines am Objekt angeordneten und einen einfallenden Laserstrahl unabhängig vom Einfallswinkel parallel reflektierenden Reflektors
137
(vgl. D8 Seite 2 dritter Absatz: The target unit consists of a dual-axes servo-controlled retroreflector),
138
1F wobei der Laserstrahl auf den Reflektor ausgerichtet wird
139
(vgl. D8 Seite 3 drittletzter Absatz vierter Satz: The measuring beam … is then directed to the center of the retroreflector of a … target unit by the gimbal mirror.)
140
und den Reflektor während einer Bewegung des Objektes durch automatische Nachstellung der Laserstrahlrichtung verfolgt
141
(vgl. D8 Seite 3 letzter Absatz zweiter Satz: The information is used to determine the servo-actions for the tracking unit to drive the gimbal mirror in order to maintain the beam constantly lock-on to the target.),
142
1G wobei Messdaten bezüglich der Weglänge (change of radial distance of the target) des reflektierten Laserstrahles
143
(vgl. D8 Seite 3 drittletzte Absatz letzter Satz: The reflected beam is then returned to the laser receiver which measures the change of radial distance of the target.)
144
und bezüglich der Richtung des Laserstrahles (mirror angles) erzeugt werden
145
(vgl. D8 Seite 3 letzter Absatz zweiter und dritter Satz: The information is used to determine the servo-actions for the tracking unit to drive the gimbal mirror in order to maintain the beam constantly lock-on to the target. The combinations of the laser information and the mirror angles yield the X, Y, Z positions of the target.;
146
Die Winkelstellung des Spiegels (mirror angles) an der Verfolgungseinheit (for the tracking unit) hat einen Bezug zur Richtung des Laserstrahls.)
147
1H und wobei die Position des Reflektors und des Objektes aus diesen Messdaten (laser information, mirror angles) berechnet wird,
148
(vgl. D8 Seite 3 letzter Absatz vorletzter Satz: The combinations of the laser information and the mirror angles yield the X, Y, Z positions of the target.
149
Da der Reflektor am Objekt befestigt ist, gibt die Position des Objekts auch die Position des Reflektors an,
150
vgl. D8 Seite 2 dritter Absatz letzter Satz: The retroreflector on the target …)
151
wobei
152
1I zusätzliche Messdaten (auf Grund des pitch & roll tilt sensor) bezüglich des Einfallswinkels des Laserstrahls in den Reflektor (incoming beam angles) erzeugt werden
153
(vgl. D8 Seite 2 zweiter vollständiger Absatz: a dual-axes (pitch & roll) tilt sensor;
154
vgl. Seite 3 vorletzter Absatz erster Satz: At the target, part of the measuring beam is reflected to a two-dimensional (pitch & roll) sensor where the incoming beam angles are monitored. The Information is fed to the control computer which then commands the target servo-system to rotate and maintain the retroreflector perpendicular to the incoming beam at all time.;
155
Dem Fachmann wird beim Lesen dieser Fundstellen auf Grund der Angabe “at the target“ eindeutig klar, dass der Einfallswinkel am Objekt, und da der Laserstrahl auf den Reflektor am Objekt gerichtet ist, der Einfallwinkel in den Reflektor überwacht werden soll.)
156
1J und dass die Position und räumliche Orientierung des Objektes
157
(vgl. D8 Seite 1 erster Satz: … a six-dimensional measuring device that tracks and measures the position of a moving target in six axes; namely the X, Y, Z, pitch, yaw, and roll axes.)
158
anhand der Messdaten bezüglich der Richtung (mirror angles) und Weglänge des Laserstrahles (laser information)
159
(vgl. D8 Seite 3 letzter Absatz vorletzter Satz: The combinations of the laser information and the mirror angles yield the X, Y, Z positions of the target.)
160
und anhand der zusätzlichen Messdaten (combinations of the … and the tilt sensor on the target) berechnet werden
161
(Die D8 lehrt, dass die Kombinationen der Daten der Winkelgeber und der Sensoren an der Zieleinheit zu der gesuchten Orientierung des Objekts führt (pitch, yaw, and roll information), vgl. D8 Seiten 3 und 4 übergreifender Satz: …the combinations of the encoders and the tilt sensor on the target unit yield the pitch, yaw, and roll information of the target with respect to the tracking unit.).
162
Die Beklagte wendet sinngemäß ein, die Schrift D8 stelle lediglich einen Auszug aus dem Benutzerhandbuch dar. Mangels Kenntnis der übrigen Teile des Benutzerhandbuchs sei ihr die Möglichkeit abgeschnitten, eventuell vorhandene Unterschiede zwischen der Lehre des Benutzerhandbuchs und dem Streitpatent zu erkennen und geltend zu machen. Die auf Seite 3 vorletzter Absatz angesprochene Überwachung der Einfallswinkel (incoming beam angles are monitored) erzeuge jedenfalls kein Messdatum bezüglich des Einfallswinkels, vielmehr werde lediglich die Intensität der eintretenden Strahlung betrachtet, allenfalls werde überwacht, ob ein Einfallswinkel von 0° vorliege oder nicht. Die D8 offenbare somit nicht die Anweisungen in den Merkmalen 1I und 1J des erteilten Anspruchs1. Im Übrigen sei die Lehre aus dem Auszug D8 unklar und lückenhaft. So bleibe unklar, wieviele Sensor-Komponenten die Zieleinheit (target unit) trage und wo diese angeordnet seien. Weiterhin bleibe das Messprinzip unklar. So erwähne die D8 auf Seite 3 drittletzter Absatz zweiter Satz polarisierte Teilstrahlen (two orthogonally polarized beams). Wie mittels polarisierter Strahlen Einfallswinkel oder Nick- und Rollbewegungen gemessen werden könnten, lasse die D8 offen.
163
Diese Einwände der Beklagten führen aus den nachfolgend genannten Gründen zu keiner anderen Beurteilung durch den Senat.
164
Falls diejenigen Teile des Benutzerhandbuchs, die nicht im Auszug D8 enthalten sind, dem Fachmann eine andere, von der im Auszug D8 abweichende Lehre vermitteln sollten, würde dies zu dem Fall führen, dass das Benutzerhandbuch zwei technische Lehren enthielte, die der Fachmann jeweils auch für sich allein in Betracht ziehen würde.
165
Der vorliegende Auszug aus dem Benutzerhandbuch D8 enthält jedenfalls eine hinreichend klare und konsistente Lehre zum technischen Handeln. Es trifft zu, dass die D8 verschiedene Sensoren an der Zieleinheit (target unit) offenbart:
166
– einen Nick- und Giersensor in Form eines Drehwinkelgebers (pitch and a yaw sensor (in the form of encoder)) und
167
– einen Zweiachsen-Neigungssensor für Nick- und Rollbewegungen (a dual-axes (pitch & roll) tilt sensor, vgl. D8 Seite 2 dritter Absatz erster Satz).
168
Für die Beurteilung des Streitpatents ist der Zweiachsen-Neigungssensor für Nick- und Rollbewegungen relevant, dieser Sensor wird an anderen Stellen des Auszugs D8 auch als zweidimensionaler Nick- und Rollsensor (two-dimensional (pitch & roll) sensor) oder nur kurz als Neigungssensor (tilt sensor) bezeichnet. Von einer Überwachung von Intensitäten des Laserstrahls ist in der Schrift D8 nicht die Rede. Mit dem Zweiachsen-Neigungssensor für Nick- und Rollbewegungen werden vielmehr die Einfallswinkel des Laserstrahls am Ziel überwacht (vgl. D8 Seite 3 vorletzter Absatz erster Satz). Entgegen der Auffassung der Beklagten versteht der Fachmann diese Anweisung nicht einschränkend in dem Sinn, dass nur auf einen einzigen Einfallwinkel von 0° geprüft wird, denn die Daten des Neigungssensors werden dem Steuerungscomputer zugeführt, der dann das Servosystem an der Zieleinheit anweist, den Retroreflektor zu drehen und diesen zu jeder Zeit senkrecht auf den einfallenden Laserstrahl auszurichten (vgl. D8 Seite 3 vorletzter Absatz erster und zweiter Satz). Für eine solche Ausrichtung des Reflektors wird der Fachmann regelmäßig fortlaufend eine Regelgröße erfassen (Überwachung des Einfallswinkels) und mit der Führungsgröße (Einfallswinkel 0°) vergleichen, um betrags- und richtungsmäßige Abweichungen zu bestimmen. Im Übrigen fordert das Merkmal 1I keine unmittelbare Winkelmessung, sondern lediglich die Erzeugung eines Messdatums bezüglich des Einfallswinkels. Daher versteht der Fachmann die Anweisung in der D8, die Einfallswinkel des Laserstrahls am Ziel zu überwachen, nicht anders als die Anweisung im Merkmal 1I. Auf nähere Angaben zum inneren Aufbau des Neigungssensors oder des Drehwinkelgebers, auf Angaben zum Messprinzip oder auf Angaben zur genauen Anordnung der Sensoren an der Zieleinheit kommt es nicht an, auch der erteilte Anspruch enthält hierzu keine Anweisungen.
169
Der Auszug D8 lehrt weiterhin, dass die Kombinationen der Weglänge des Laserstrahls (radial distance, laser information) und Richtung des Laserstrahls (mirror angles) die x-, y- und z-Positionen des Ziels ergeben. Die Kombinationen der Daten des Drehwinkelgebers (encoders) und des Neigungssensors (tilt sensor on the target) ergeben die Nick-, Gier- und Rollwinkel des Ziels, also die räumliche Orientierung des Objekts (vgl. D8 Seiten 3 und 4 übergreifender Satz). Damit gehen – neben anderen Daten – alle im Merkmal 1J des erteilten Anspruchs 1 genannten Messdaten in die Berechnung der Position und räumlichen Orientierung des Objektes ein. Die D8 offenbart zwar keine Rechenvorschrift, wie aus den Messdaten die gesuchte Position und Orientierung berechnet werden kann, eine solche Rechenvorschrift ist jedoch dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns zuzurechnen, denn auch das Streitpatent schweigt hierzu.
170
3. Ob, nachdem sich der Gegenstand nach Anspruch 1 als nicht patentfähig erweist, die jeweiligen Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 9 und 10 für sich genommen schutzfähig sind, kann dahinstehen. Verteidigt ein Patentinhaber wie hier das Streitpatent, das in seiner erteilten Fassung mehrere nebengeordnete Ansprüche umfasst, die nicht nur wegen unterschiedlicher Anspruchskategorien in einem Nebenordnungsverhältnis stehen, sondern sachlich unterschiedliche Lösungen enthalten, neben der erteilten Fassung hilfsweise mit mehreren Anspruchsfassungen, ist aufzuklären, in welchem Verhältnis diese Hilfsanträge zu einem nicht ausdrücklich formulierten Petitum stehen sollen, einem formal vorrangigen Antrag auf Abweisung der das gesamte Streitpatent angreifenden Nichtigkeitsklage nur teilweise zu entsprechen, also bei fehlender Schutzfähigkeit des Gegenstandes eines einzigen nebengeordneten Anspruchs nicht bereits das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären, sondern nur jeweils hinsichtlich der einzelnen nebengeordneten Ansprüche, bei denen ein Nichtigkeitsgrund auch tatsächlich besteht (vgl. BGH GRUR 2017, 57 [60] – Datengenerator). Vorliegend hat die Beklagte, welche das Streitpatent mit dem gestellten Hilfsantrag 1 im Wesentlichen in der sich bereits durch den erteilten Anspruch 2 geschützten Fassung beschränkt verteidigt, aber in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, das Streitpatent, sofern sich der erteilte Anspruch 1, wie vorliegend der Fall, als nicht schutzfähig erweist, vorrangig nach Maßgabe des gestellten Hilfsantrags 1 beschränkt zu verteidigen. Damit bedarf es keiner Erörterung mehr, ob auch die nebengeordneten Ansprüche 9 und 10 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere nach der Schrift D8, beruhen.
171
III. Zum Hilfsantrag 1
172
Die Beklagte kann aber, nachdem sich das Streitpatent in der erteilten Fassung als nicht patentfähig erweist, dieses in der Anspruchsfassung nach Hilfsantrag 1 erfolgreich verteidigen, da diese zulässig ist und ihr keine Nichtigkeitsgründe entgegen stehen.
173
1. Gegenüber der erteilten Fassung weist die Fassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 die zusätzlichen, zulässigerweise dem ursprünglich angemeldeten und erteilten (Unter-) Anspruch 2 entnommenen Anweisungen auf, dass
174
2A die zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels (α) des Laserstrahles (5) in den Reflektor (3) durch einen Positionssensor (12) erzeugt werden,
175
2B welcher Positionssensor (12) relativ zum Reflektor (3) stationär derart angeordnet ist, dass ein unreflektiert durch eine Austrittsfläche (11) oder Austrittsöffnung des Reflektors (3) austretender zentraler Teil des Laserstrahles (5) auf den Positionssensor trifft und darauf ein Bild erzeugt, dessen Position mit dem Einfallswinkel (α) korreliert ist.
176
Auch die Klägerin hat nicht bestritten, dass die jeweiligen Merkmale der Ansprüche nach Hilfsantrag 1 in zulässiger Weise auf die ursprüngliche Offenbarung sowie auf die erteilte Fassung zurückgehen.
177
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 54, 56 EPÜ).
178
3.1 Der Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 steht der Stand der Technik nach dem Auszug aus dem Benutzerhandbuch D8 nicht entgegen.
179
3.1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gilt gegenüber der D8 als neu. Denn diese offenbart dem Fachmann, in Worten des Anspruchs 1 ausgedrückt, dass
180
2ATeil die zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels des Laserstrahles in den Reflektor durch einen zweiachsigen Nick- und Rollsensor (a dual-axes (pitch & roll) tilt sensor) erzeugt werden
181
(vgl. D8 Seite 3 vorletzter Absatz erster Satz: …part of the measuring beam is reflected to a two-dimensional (pitch & roll) sensor where the incoming beam angles are monitored;
182
vgl. D8 Seite 2 dritter Absatz erster Satz: a dual-axes (pitch & roll) tilt sensor (Figure 7)),
183
2BTeil wobei ein reflektierter Teil des Laserstrahles (part of the measuring beam is reflected) auf den Nick- und Rollsensor trifft
184
(vgl. die vorstehend genannte Fundstelle D8 Seite 3 vorletzter Absatz erster Satz).
185
Dem Benutzerhandbuch D8 ist weder zu entnehmen, dass der zweiachsige Nick- und Rollsensor durch einen Positionssensor gebildet wird (Restmerkmal 2A), noch dass dieser relativ zum Reflektor stationär derart angeordnet ist, dass ein unreflektiert durch eine Austrittsfläche oder Austrittsöffnung des Reflektors austretender zentraler Teil des Laserstrahles auf den Positionssensor trifft und darauf ein Bild erzeugt, dessen Position mit dem Einfallswinkel korreliert ist (Restmerkmal 2B).
186
Entgegen der Auffassung der Klägerin zeigt insbesondere die Figur 7 des Benutzerhandbuchs D8 keine Austrittsfläche oder Austrittsöffnung des Reflektors. Denn in der Figur 7 sind die einzelnen Bestandteile der motorisierten Zieleinheit (LS-610 motorized target unit) – insbesondere der Retroreflektor – nicht einmal bezeichnet. Im zentralen Bereich der Figur 7 ist zwar u. a. ein Kreis und innerhalb des Kreises ein einzelner Punkt dargestellt und es mag sein, dass der Fachmann in diesem Kreis die Frontfläche eines Retroreflektors in seiner Vorderansicht vermutet. Einzelheiten zum Aufbau des Retroreflektors sind in der Figur 7 jedoch nicht zu erkennen. So sind weder die drei senkrecht zueinander stehenden Flächen eines Tripelprismas oder Tripelspiegels oder die von diesen gebildeten Kanten noch andere Einzelheiten eines Retroreflektors erkennbar. Dem Punkt innerhalb des Kreises in Figur 7 ordnet der Fachmann jedenfalls nicht mehr als die Kennzeichnung eines Mittelpunkts zu.
187
Ausschnitt aus Figur 7 im Benutzerhandbuch D8
188
Es trifft auch nicht zu – wie die Klägerin meint – dass der Einfallswinkel des Laserstrahles in den Reflektor ausschließlich und nicht anders als anhand eines unreflektiert durch eine Austrittsfläche (11) oder Austrittsöffnung des Reflektors (3) austretenden zentralen Teil des Laserstrahles bestimmt werden könnte. Denn die Richtungen des einfallenden und ausfallenden (reflektierten) Laserstrahls sind durch Grundgesetze der geometrischen Optik verknüpft, und der Auszug D8 vermittelt gerade die Lehre, zur Überwachung der Einfallswinkel den reflektierten Teil des Laserstrahl zu verwenden (vgl. D8 Seite 3 vorletzter Absatz erster Satz: … part of the measuring beam is reflected to a two-dimensional (pitch & roll) sensor where the incoming beam angles are monitored.).
189
3.1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 beruht ausgehend vom Stand der Technik nach dem Auszug aus dem Benutzerhandbuch D8 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
190
Für den Senat ist keine Veranlassung des Fachmanns erkennbar, von der Lehre aus dem Benutzerhandbuch D8 abzuweichen und nicht den reflektierten Teil des einfallenden Laserstrahles, sondern stattdessen einen unreflektiert durch eine Austrittsfläche oder Austrittsöffnung des Reflektors austretenden zentralen Teil des Laserstrahles bei der Erzeugung von Messdaten zu verwenden (Restmerkmal 2B).
191
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Fachmann insbesondere keine Veranlassung, ausgehend vom Benutzerhandbuch D8 die Schrift WO 98/07012 A1 (= D3) in Betracht zu ziehen. Denn die Schrift D3 offenbart ein spezielles Verfahren zur Bestimmung der Position eines Objekts, bei dem im Unterschied zu dem Verfahren aus dem Benutzerhandbuch D8 nicht eine einzige (vgl. D8 Seite 1 vorletzter Absatz: single-beam laser), sondern zwei separate Laserquellen 110, 123 und nach Strahlteilung insgesamt vier, durch ein System von komplexen Blenden 117, 118 räumlich voneinander getrennte Teilstrahlen 114, 116, 126, 131 zum Einsatz kommen (vgl. D3 Figur 1).
192
Figur 1 aus Schrift D3 mit Ergänzungen des Senats
193
Warum der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik nach dem Benutzerhandbuch D8 überhaupt ein derart abweichendes Verfahren aus der Schrift D3 in Betracht ziehen, gerade die Anweisungen zur speziellen Ausbildung des Retroreflektors isoliert herauslösen und entgegen der expliziten Lehre bei dem Verfahren aus dem Benutzerhandbuch D8 verwenden sollte, kann der Senat nicht erkennen. Hierzu hat die Klägerin auch nichts vorgetragen.
194
3.2 Auch der Stand der Technik nach der Schrift US 4 717 339 A (= D1) steht der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 nicht entgegen. Denn gegenüber der D1 gilt der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
195
Die Schrift D1 beschreibt verschiedene Ausgestaltungen von Laser-Messverfahren. In Verbindung mit Figur 1 der Schrift D1 werden ein Verfahren und eine entsprechende Anordnung zur Bestimmung der Position und der räumlichen Orientierung eines Objekts beschrieben. Dabei wird sowohl ein Planspiegel am Laser (tracking mirror, vgl. Figur 1 Bezugszeichen 28) als auch ein Planspiegel am Objekt (target mirror, vgl. Figur 1 Bezugszeichen 24) entsprechend der Objektbewegung nachgeführt.
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
196
Fig. 1 aus Schrift D1
197
Hingegen betrifft das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 6 der Schrift D1 ein Verfahren und eine entsprechende Anordnung zur Bestimmung ausschließlich der Position eines Objekts. Die Orientierung des Objekts wird in diesem Ausführungsbeispiel nicht bestimmt. Lediglich der Spiegel an der Quelle (vgl. D1 Figur 6 Bezugszeichen 28) wird entsprechend der Objektbewegung nachgeführt. Auf die Orientierung des Retroreflektors am Objekt (vgl. D1 Figur 6 Bezugszeichen 120) und damit die des Objekts kommt es nicht an, der Retroreflektor wird nicht nachgeführt (vgl. D1 Spalte 8 Zeilen 42 bis 44 und Spalte 8 Zeilen 59 bis 63).
198
Figur 6 aus Schrift D1
199
Das in Verbindung mit Figur 1 der Schrift D1 beschriebene Verfahren verwendet somit entgegen der Anweisung im Merkmal 1E weder einen
200
1ETeil … unabhängig vom Einfallswinkel parallel reflektierenden Reflektor
201
noch zeigt es den Teil der Anweisungen im Merkmal 2B, wonach ein
202
2BTeil … Positionssensor … derart angeordnet ist, dass ein unreflektiert durch eine Austrittsfläche oder Austrittsöffnung des Reflektors austretender zentraler Teil des Laserstrahles auf den Positionssensor trifft und darauf ein Bild erzeugt, dessen Position mit dem Einfallswinkel korreliert ist.
203
Und das in Verbindung mit Figur 6 der Schrift D1 beschriebene Verfahren ist entgegen der Anweisung im Teilmerkmal 1A kein
204
1ATeil Verfahren zur Bestimmung … der räumlichen Orientierung eines Objekts (2),
205
noch werden bei dem Verfahren entsprechend den Anweisungen in den Merkmalen 1I, 2A und 2B bzw. in dem Teilmerkmal 1J
206
1I zusätzliche Messdaten bezüglich des Einfallswinkels des Laserstrahls in den Reflektor erzeugt,
207
1JTeil die … räumliche Orientierung des Objektes anhand der Messdaten bezüglich der Richtung und Weglänge des Laserstrahles und anhand der zusätzlichen Messdaten berechnet,
208
2A die zusätzlichen Messdaten bezüglich des Einfallswinkels des Laserstrahles in den Reflektor durch einen Positionssensor erzeugt,
209
2B welcher Positionssensor relativ zum Reflektor stationär derart angeordnet ist, dass ein unreflektiert durch eine Austrittsfläche oder Austrittsöffnung des Reflektors austretender zentraler Teil des Laserstrahles auf den Positionssensor trifft und darauf ein Bild erzeugt, dessen Position mit dem Einfallswinkel korreliert ist.
210
Daher offenbart keines der in der Schrift D1 beschriebenen Ausführungsbeispiele – und im Übrigen auch nicht ihre Zusammenschau ‒ sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1. Es ist auch weder erkennbar noch seitens der Klägerin etwas hierzu vorgetragen, dass die fehlenden Merkmale in der D1 aus dieser heraus oder in Kombination mit einem anderen Stand der Technik für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt nahegelegen hätten.
211
3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gilt auch gegenüber dem Stand der Technik nach der Schrift WO 98/07012 A1 (= D4) als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
212
Die Schrift D4 beschreibt ebenfalls verschiedene Laser-Messverfahren (vgl. D4 Seite 4 Zeilen 7 bis 12 sowie Figuren 1, 2 und 3). Für die Beurteilung des Streitpatents ist das Verfahren relevant, welches mit der Anordnung gemäß Figur 3 durchgeführt wird.
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
213
Fig. 3 aus D4 mit Ergänzungen des Senats
214
Das typischerweise für eine Werkzeugmaschine vorgesehene Messsystem 300 umfasst einen Laser 102, der auf dem Maschinentisch montiert ist, sowie ein Sensorgehäuse 302, welches an dem Werkzeugkopf der Maschine montiert ist (vgl. D4 Seite 8 Zeilen 27 bis 29 und Seite 9 Zeilen 3 bis 6). Das Messsystem kann Bewegungen des Werkzeugkopfs in sechs Achsen erfassen, nämlich Verschiebungen in x-, y- und z-Richtung (X, Y, and Z displacements) sowie Gier-, Nick- und Rollbewegungen (pitch, yaw, and also roll, vgl. Seite 8 Zeilen 18 bis 21).
215
Das Ausführungsbeispiel in Figur 3 der Schrift D4 zeigt entgegen der Anweisungen in den Teilmerkmalen 1F, 1G und 1J weder ein Verfahren,
216
1FTeil wobei der Laserstrahl … den Reflektor während einer Bewegung des Objektes durch automatische Nachstellung der Laserstrahlrichtung verfolgt,
217
1GTeil wobei Messdaten … bezüglich der Richtung des Laserstrahles (5) erzeugt werden
218
1JTeil und die Position und räumliche Orientierung des Objektes anhand der Messdaten bezüglich der Richtung … berechnet werden,
219
noch ist bei dem Verfahren entsprechend der Anweisungen im Teilmerkmal 2B ein
220
2BTeil Positionssensor relativ zum Reflektor stationär derart angeordnet, dass ein unreflektiert durch eine Austrittsfläche oder Austrittsöffnung des Reflektors austretender zentraler Teil des Laserstrahles auf den Positionssensor trifft.
221
Daher offenbart das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 und im Übrigen keines der in der Schrift D4 beschriebenen anderen Ausführungsbeispiele – auch nicht in ihrer Zusammenschau ‒ sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1. Es ist auch weder erkennbar noch seitens der Klägerin etwas hierzu vorgetragen worden, dass die fehlenden Merkmale in der D4 aus dieser heraus oder in Kombination mit einem anderen Stand der Technik für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt nahegelegen hätten.
222
3.5 Die Schrift D3 liegt nach den vorstehenden Überlegungen weiter ab als der Auszug aus dem Benutzerhandbuch D8. Auch ausgehend vom Stand der Technik nach dieser Schrift gilt der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht.
223
3.6 Die von der Klägerin über die vorgenannten Schriften hinaus in Bezug genommenen weiteren Unterlagen und geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen bilden keinen Stand der Technik nach Art. 54 EPÜ und sind daher bei der Prüfung der Patentfähigkeit der Anspruchsfassung nach Hilfsantrag 1 nicht zu berücksichtigen.
224
3.6.1 Zum Abschlussbericht “Final report on a Next generation Laser Tracking Systems for Robot Position Measurement”, NASA Phase II SBIR” (= D6) hat die Klägerin vorgetragen, der Abschlussbericht D6 sei unmittelbar nach dem auf ihr angegebenen Datum (10. Juni 1998) in die Bibliothek der NASA aufgenommen worden; diese sei öffentlich zugänglich. Zudem hätten Kopien des Abschlussberichts bei der NASA angefordert werden können. Ferner sei eine Zusammenfassung des Projekts im Internet (= K11) zugänglich gewesen.
225
Da die Beklagte diesen Vortrag bestritten hat, wäre es Sache der Klägerin aufgrund der ihr obliegenden erhöhten Mitwirkungspflicht, für ihre seitens des Senats nicht ohne Weiteres überprüfbare Behauptung einen Nachweis – etwa durch eine Bestätigung der NASA-Bibliothek – sowohl für das Einstellen der D6 als auch für die öffentliche (d. h. für jedermann bestehende) Zugänglichkeit der von der Klägerin nicht konkret bezeichneten NASA-Bibliothek zu führen. Einen entsprechenden Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht.
226
Soweit die Klägerin hierzu als Anlage K16 sogenannte SBIR-Regularien der NASA aus dem Jahre 2002 vorgelegt und hierzu unter Verweis auf K16 Seite 19 Abschnitt 5.8.3 die Auffassung vertreten hat, dass sich die NASA („die Regierung“) zwar Verschwiegenheitsverpflichtungen für vier Jahre auferlegt habe, die allerdings lediglich einseitig gewesen seien, so dass eine Verschwiegenheitspflicht nicht bestehe, sobald der Vertragspartner selbst Inhalte des Projekts offenlege, und die Mitarbeiter der NASA, die eine Kopie des Abschlussberichts erhalten hätten, damit als Öffentlichkeit anzusehen seien, vermag sich der Senat dieser Sichtweise schon aus logischen Gründen nicht anzuschließen. Denn auch falls, entgegen üblicher Gepflogenheiten, nur eine einseitige Verschwiegenheitspflicht der NASA bestanden hätte, wären deren Mitarbeiter nicht als Teil der Öffentlichkeit anzusehen. Somit führt die Übermittlung von Informationen, wie vorliegend der Schrift D6, an die NASA nicht zu deren Offenkundigwerden.
227
Die behauptete Veröffentlichung der Zusammenfassung des Projekts K11 in das Internet kann dahinstehen, denn diese Zusammenfassung zeigt weder alle Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag1 noch legt sie diese nahe.
228
3.6.2 Ob der im Abschlussbericht D6 beschriebene Gegenstand eines „Next generation Laser Tracking Systems“ (NGLTS) an die NASA geliefert wurde, kann dahinstehen, denn selbst im Fall einer Lieferung ist der gelieferte Gegenstand wegen einer zumindest konkludenten Geheimhaltungsvereinbarung der Vertragsparteien nicht der Öffentlichkeit zugänglich geworden.
229
Nach dem klägerischen Vortrag soll der Gegenstand, der von dem Mutterunternehmen der Klägerin (A…) im Auftrag der NASA entwickelt worden sein soll, an die Auftraggeberin, also die NASA, geliefert worden sein. Eine bloße Lieferung an den Auftraggeber für einen erst noch in dessen Auftrag zu entwickelnden technischen Gegenstand reicht aber für eine öffentliche Zugänglichkeit nicht aus. Denn bei Neuentwicklungen ist immer mit dem Entstehen gewerblicher Schutzrechte zu rechnen. Insofern ist eine Geheimhaltungsverpflichtung zwischen den Vertragsparteien jedenfalls implizit – wie auch die Beklagte zu Recht betont – üblich. Die Frage, welcher Vertragspartei in diesem Fall das Schutzrecht zusteht und unter welchen Voraussetzungen die andere Partei zur Weitergabe des technischen Wissens oder auch nur des möglichen Gegenstandes berechtigt ist, wird üblicherweise vertraglich geregelt. Dass der hier in Rede stehende konkrete Vertrag zwischen der NASA und der A… geregelt haben sollte, dass keine Geheimhaltungsverpflichtung besteht, ist von der Klägerin nicht vorgetragen worden und mangels Vorlage des Vertragsdokuments auch nicht beurteilbar. Das geht aber zu Lasten der Klägerin.
230
Auch ihr Vortrag dazu, dass der entwickelte Gegenstand zu einem öffentlichen Förderprogramm in den USA gehören soll, reicht als solcher nicht aus, eine Zugänglichkeit in der Öffentlichkeit zu begründen. Entgegen der Ansicht der Klägerin belegen die von ihr abstrakt, d. h. ohne konkreten Bezug zu dem hier in Raum stehenden Projekt NASA/A…, vorgelegten normativen Grundlagen zur Wirtschaftsförderung sogar die vorstehenden Ausführungen. Denn danach wird den beteiligten Unternehmen ja gerade das Recht zur „Zurückhaltung von Daten“, also dem Nicht-der-Öffentlichkeit-zugänglich-Machen von technischen Kenntnissen ausdrücklich eingeräumt. Das allein spricht schon für eine implizite Geheimhaltungspflicht. Hinzu kommt das Recht des beteiligten Unternehmens auf Patentierung, was unterlaufen würde, wenn die gewonnenen technischen Kenntnisse frei veröffentlicht werden können, wie die Klägerin suggerieren möchte. Schließlich mögen noch so viele Unternehmen an einem Projekt beteiligt sein: Solange technisches Wissen innerhalb der beteiligten Unternehmen, also eines überschaubaren Kreises (und mag er noch so groß sein), bleiben, handelt es sich gerade nicht um ein „öffentliches“ Zugänglichmachen. Denn dieses erfordert, dass die Kenntnis jederzeit nach dem von den Förderteilnehmern gewollten Verfahrensablauf an einen beliebigen Dritten gelangen kann, also die gewonnenen technischen Kenntnisse bei den hier durch die öffentliche Hand geförderten Projekten auch jederzeit an Personen gelangen können, die nicht am Projekt beteiligt sind. Dafür geben die vorgelegten Dokumente der Klägerin aber nichts her.
231
Hiergegen hat die Klägerin eingewandt, es habe sich um keine Auftragsarbeit gehandelt, vielmehr habe die NASA nur ein grobes Thema vorgegeben, an dem sie derzeit arbeitet und für das Beiträge willkommen seien. Aus diesem Grund könne die Rechtsprechung für konkludente Geheimhaltungsvereinbarungen nicht angewandt werden.
232
Die Klägerin geht hier von einer sehr reduzierten Bedeutung des Wortes „Auftragsarbeit“ aus. Darunter scheint sie lediglich die Bestellung eines vom Auftraggeber konkret vorgegebenen Gegenstands zu verstehen. Dies ist zwar möglich, hierauf kommt es aber nicht an. So fällt etwa auch die Bestellung eines vom Auftragnehmer nach eigenen Vorstellungen zu entwickelnden oder zu entwerfenden Gegenstands (typischer Fall ist die Beauftragung eines Künstlers, aber auch die Entwicklung neuer technischer Gegenstände im Auftrag des Bestellers) unter Werkvertragsrecht, so dass sich auch hierbei in der Regel eine (falls nicht ausdrücklich vereinbart, so jedenfalls vertragsnaturgemäß stillschweigende) Geheimhaltungsverpflichtung ergibt. Maßgeblich ist zudem nicht die Rechtsnatur des Vertrages selbst, sondern vielmehr allein, ob die Lieferung auf einem Vertrag beruht, der, sofern dies zwischen den Parteien nicht bereits ausdrücklich vereinbart worden ist, jedenfalls aufgrund der Interessenlagen der Vertragsparteien eine gegenseitige (dann konkludente) Geheimhaltungsverpflichtung der Vertragsparteien nahelegt. Es ist aber kaum vorstellbar, dass die NASA Entwicklungen abruft und fördert, die ggf. patentrechtlich relevant wären, an denen die NASA aber nicht nur zur Verwendung des entwickelten Gegenstandes durch sie selbst wie ein beliebiger Dritter um Lizenzierung bitten müsste, deren Vergabe im Belieben des Beauftragten stünde, sondern die von dem von ihr geförderten Unternehmen auch noch mangels Geheimhaltungsverpflichtung ohne Wissen und Wollen der NASA, die sich durch die Förderung zumindest einen Know-how-Vorsprung vor sonstigen Institutionen und Unternehmen, wenn nicht sogar eine privilegierte Berechtigung am entwickelten Gegenstand (sei es als Mitberechtigte an einem den Gegenstand betreffenden Patent oder zumindest an einer exklusiven Lizenz an diesem) verspricht, an jeden Dritten weitergegeben werden darf. Vielmehr entspricht es gerade der Natur einer Förderung von (patentrechtlich später schützenswerten) Gegenständen, dass der Förderer Exklusivrechte an dem geförderten Gegenstand erwirbt. Das dürfte mit einer Berechtigung des Entwicklers zur Weitergabe seines Wissens an Dritte ohne Zustimmung des Förderers kaum zu vereinbaren sein. Zumindest bei Gegenständen, denen auch eine militärische Bedeutung zukommen könnte, wird dies ausgeschlossen sein. Der sich aus dem Förderzweck ergebende Ausschluss einer solchen Weitergabe an beliebige Dritte wird juristisch aber als „Geheimhaltungsverpflichtung“ bezeichnet.
233
3.6.3 Die von der Klägerin behaupteten Vorführungen eines NGLTS im Frühling 1998, die angeblich im Vorfeld der Lieferung an die NASA erfolgt sein sollen, sind von ihr schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden.
234
Wann die Vorführung genau stattfand, wurde von der Klägerin nicht konkretisiert (öffentliche Vorführung „im Vorfeld zu der Lieferung“; Präsentation an der Universität Maryland „im Frühling 1998“). Es ist auch nicht vorgetragen, inwiefern die behaupteten Vorführungen öffentlich zugänglich waren. Auch die diesbezüglichen von der Klägerin vorgelegten Erklärungen (“Declaration of Facts“) geben hierfür nichts her:
235
– Die in der K6 Nr. 23 hierzu gemachten Angaben sind viel zu vage, um einen genauen Zeitpunkt und Inhalt der Vorführungen zu belegen. Die Angabe, es habe sich um eine „öffentliche“ Vorführung in den Laborräumen des Vertragspartners gehandelt, gibt lediglich eine rechtliche Wertung wieder, ohne diese mit Tatsachen (wer war eingeladen? wer hat teilgenommen?) zu versehen.
236
– Die Ausführungen in der K7, hier Nr. 38 bis 40, denen zu Folge die Vorführung in den A…-Laboren nur ein Treffen gewesen sei, wobei auch hier nähere Abgaben zu den Teilnehmern und dem Inhalt des Treffens fehlen, sprechen bereits gegen eine öffentliche Zugänglichkeit i. S. d. Art. 54 EPÜ. Soweit dabei ohne weitere Darlegung behauptet wird, eine (weitere) Vorführung in den A…-Laboren sei „Mitgliedern der Öffentlichkeit“ vorgeführt worden, handelt es sich wiederum um eine rechtliche Wertung ohne sie belegende tatsächliche Angaben.
237
– Die Ausführungen in der K8 und der K9 enthalten keinerlei Angaben zu den angeblichen Vorführungen, so dass sie von vornherein als Indiz für eine öffentliche Zugänglichkeit ausscheiden.
238
Weder in Verbindung mit der behaupteten öffentlichen Vorführung noch der behaupteten Präsentation an der Universität von Maryland ist für den Senat erkennbar, was, insbesondere, dass dort der relevante Inhalt der Schrift D6 der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. In den verschiedenen von der Klägerin vorgelegten Erklärungen (K6 Nummer 23, K7 Nummern 37 bis 40) ist diesbezüglich lediglich angegeben, dass das voll funktionsfähige NGTLS, also das Messsystem als solches, vorgeführt wurde. Ob und welche Einzelheiten des inneren Aufbaus des NGTLS bei diesen Vorführungen gezeigt und damit für die Teilnehmer erkennbar waren, ist den verschiedenen Erklärungen nicht zu entnehmen. Eine Demonstration der Fähigkeiten (demonstrated the capabilities of the NGLTS) bzw. eine Vorführung des kompletten Messsystems (demonstrated the complete NGLTS) schließt nicht notwendigerweise ein, dass beispielsweise der innere Aufbau des Sensors gemäß Figur 3 aus der Schrift D6 für die Öffentlichkeit bei diesen Vorführungen erkennbar war.
239
Die vorgelegten Erklärungen K6 bis K8 geben dem Senat wegen der oben dargelegten Mängel auch keinen Anlass, die Erklärenden als Zeugen zu vernehmen. Denn ohne nähere Aufklärung seitens der Klägerin, was mit den Äußerungen in den eidesstattlichen Versicherungen gemeint sein soll, insbesondere ohne substantiierten Vortrag dazu, wann genau wo was demonstriert wurde und wer Zugang zu den angeblichen Vorführungen hatte, wäre eine Vernehmung der Zeugen ein bloßer Ausforschungsbeweis. Zwar ist der Senat zur Amtsermittlung verpflichtet (§ 87 PatG). Das kann aber nicht bedeuten, dass der Senat das, was im vorliegenden Zusammenhang der Mitwirkungspflicht einer Partei obliegt, statt ihrer von sich aus ermittelt; denn dann würde er die Sache einer Partei (hier: der Klägerin) einseitig bevorzugen und den Gegner hierdurch einseitig benachteiligen; hierzu ist der Senat aber nach der Rechtsprechung des BGH weder berechtigt noch verpflichtet (vgl. BGH GRUR 2013, 1272 – Tretkurbeleinheit; GRUR 2015, 365 – Zwangsmischer).
240
Auch der Vortrag der Klägerin nach dem gerichtlichen Hinweis gibt für eine abweichende Beurteilung keine Veranlassung. Zwar hat die Klägerin zu den Vorführungen weitere Ausführungen unter Beweisangebot durch Zeugen gemacht und hierzu vorgetragen, der Vortrag sei im Rahmen eines bestimmten Programms erfolgt, dessen Ziel es gewesen sei, innovative Ideen aus den Laboratorien der Universität von Maryland in Produkte zu wandeln und innovative Unternehmen der Region zu unterstützen. Beim Vortrag seien Mitglieder der Universität und der am Programm teilnehmenden Partner anwesend gewesen. Da zwischen den Partnern keine Verträge bestanden hätten, sei die Präsentation öffentlich gewesen.
241
Da allerdings Unterlagen zu dem Vortrag, auf den sich die Klägerin beruft, von ihr nicht vorgelegt wurde, kann nicht überprüft werden, ob der angebliche Vortrag tatsächlich Merkmale der patentgemäßen Erfindung präsentierte. Damit erweist sich der klägerische Vortrag schon aus diesem Grund als nicht geeignet, den behaupteten Stand der Technik zu belegen.
242
Aber auch hinsichtlich der Frage der öffentlichen Zugänglichkeit belegt der Vortrag der Klägerin entgegen ihrer Ansicht bereits, dass ein öffentlicher Vortrag nicht vorgelegen haben kann. Denn zugangsberechtigt waren nach den Ausführungen der Klägerin gerade nicht beliebige Dritte, sondern nur die Angehörige der Universität und der am Programm teilnehmenden Partner (Unternehmen). Soweit im Schriftsatz vom 15. März 2018 behauptet wird, auch „andere interessierte Mitglieder der Öffentlichkeit“ hätten teilgenommen, ist dies eine unsubstantiierte Angabe unter Aufgreifen dessen, was eigentlich durch Sachvortrag belegt werden soll („Öffentlichkeit“); dieser Vortrag kann daher eine Zugänglichkeit des Vortrags in der Öffentlichkeit nicht belegen. Zudem waren die Partner mit der den Vortrag durchführenden Universität vertraglich verbunden. Aus dem Programmziel ergibt sich – wie vorstehend bei der NASA – aber eine stillschweigende Geheimhaltungsverpflichtung der teilnehmenden Universitätsangehörigen und der Programmteilnehmer (Partner). Dass zwischen den Partnern keine Verträge bestanden, spielt keine Rolle; denn ein Vortrag vor einem begrenzten Publikum (wofür es nicht auf die Zahl der Zuhörer ankommt), das aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit dem Vortragsveranstalter zur Geheimhaltung verpflichtet ist, ist aufgrund der Gesamtumstände nicht öffentlich. Insofern ist auch dieser Vortrag der Klägerin nicht geeignet, einen angeblichen Stand der Technik zu belegen; aus diesem Grund bedurfte es dazu auch keiner Zeugenvernehmung.
243
3.6.4 Der von der Klägerin schließlich noch behauptete Verkauf eines 6D-Systems an die Tennessee Tech University ist nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
244
Zwar kann dem Anlagenkonvolut K17 die Lieferung einer „Tracker Unit“ entnommen werden, um welche es sich handelt und welche Eigenschaften diese aufwies, wird in der K17 aber nicht spezifiziert. Unklar ist zudem, ob es sich bei der Zeichnung auf Seite 3 der K17 tatsächlich um die „next page“ handelt, auf welche sich das auf Seite 2 der K17 wiedergegebene Fax bezieht. Dagegen spricht, dass der Druck auf Seite 3 sehr viel klarer ist als der des Textes des Faxes auf Seite 2 der K17. Zudem fehlen Nachweise dazu, dass dieses Fax nebst Anlage „next page“ tatsächlich gesendet wurde. Insofern reichen die vorgelegten Unterlagen als Beleg für einen Verkauf an die Tennessee Tech University nicht aus.
245
4. Auch die Gegenstände der auf den Anspruch 1 mittelbar rückbezogenen nebengeordneten Ansprüche 8 und 9 gemäß Hilfsantrag 1 sind offensichtlich gegenüber dem Stand der Technik neu und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 54, 56 EPÜ).
246
5. Den Unteransprüchen nach Hilfsantrag 1, welche vorteilhafte Ausgestaltungen des Erfindungsgegenstands betreffen, begegnen ebenfalls keine Bedenken. Solche hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht.
247
6. Auch sonstige Nichtigkeitsgründe, welche dem Bestand des Streitpatents in der Fassung nach Hilfsantrag 1 entgegenstehen könnten, sind weder erkennbar noch seitens der Klägerin geltend gemacht.
IV.
248
Da somit der mit Hilfsantrag 1 vorgelegte Anspruchssatz zulässig ist und ihm keine Nichtigkeitsgründe entgegenstehen, war das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland nur insoweit teilweise für nichtig zu erklären, als es über die Fassung gemäß Hilfsantrag 1 hinausgeht, und die weitergehende Klage abzuweisen.
B.
249
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat dabei berücksichtigt, inwieweit sich die beschränkte Verteidigung des Streitpatents auf den wirtschaftlichen Wert des Streitpatents auswirkt. Da sich dieser nach Einschätzung des Senats infolge der Beschränkung in etwa halbiert haben dürfte, ist es gerechtfertigt, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
250
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben