Sozialrecht

Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen, Vorliegen einer PTBS (hier verneint), fehlender Ursachenzusammenhang zwischen Dienstunfall und vorliegender schwerer depressiver Episode

Aktenzeichen  B 5 K 19.460

Datum:
8.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51669
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1
BayBeamtVG Art. 52

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Körperschäden als Folge des Dienstunfalls vom 30.06.2017 (dazu unter 1) noch auf Gewährung von Unfallausgleich (dazu unter 2), § 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 29.09.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2019 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Körperschäden als Folgen des Dienstunfalls vom 30.06.2017.
Nach der Legaldefinition des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder als Folge des Dienstes eingetreten ist. Als Folgen eines Dienstunfalls können nur Körperschäden anerkannt werden, die durch diesen verursacht wurden.
Ein äußeres, den Dienstunfall verursachendes Ereignis kann dabei nicht nur ein physisch auf den Körper des Beamten einwirkendes Ereignis sein, sondern auch ein solches, das nur mittelbar krankhafte Vorgänge im Körper auslöst, etwa durch die Verursachung eines seelischen Schocks (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.1970 – II C 48/68 – juris Rn. 14). Unter einem Körperschaden im Sinne des Dienstunfallrechts ist jede über Bagatelleinbußen hinausgehende Verletzung der körperlichen oder seelischen Integrität zu verstehen, mithin auch eine als Folge einer Traumatisierung eingetretene seelische Erkrankung (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2009 – 2 C 134.07 – juris Rn. 24).
Als Ursachen im Rechtsinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung sind nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Der Ursachenzusammenhang ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn außer dem Unfall auch andere Umstände (namentlich eine anlage- oder schicksalsbedingte Krankheit oder ein anderes Unfallereignis) als Ursachen in Betracht kommen. In derartigen Fällen ist der Dienstunfall vielmehr dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt.
Löst ein Unfallereignis ein bereits vorhandenes Leiden aus oder beschleunigt oder verschlimmert es dieses, so ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen „der letzte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte“ bei einer Krankheit, „die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der krankhaften Veranlagung) derartig zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist. Nicht Ursache im Rechtssinn sind demgemäß sogenannte Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, d.h. wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2009 – 2 C 134.07 – juris Rn. 26; U.v. 18.4.2002 – 2 C 22.01 – juris Rn. 10; OVG NJW, U.v. 6.5.1999 – 12 A 2983/96 – juris Rn. 50; BayVGH, B.v. 7.12.2016 – 3 ZB 13.1735 – juris Rn. 5; B.v. 25.10.2018 – 3 ZB 15.2728 – juris Rn. 5).
Der Grundgedanke dieser aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung übernommenen Kausaltheorie liegt darin, dass der Dienstherr nicht für Folgen haften soll, die nicht seiner Risikosphäre zugerechnet werden können. Die beamtenrechtliche Unfallfürsorge darf nicht dazu führen, dass dem Beamten jedes denkbare Risiko abgenommen wird, auch wenn es sich in gar keiner Weise aus dem Dienst ableitet; vielmehr kann nur eine solche Risikoverteilung sinnvoll sein, die dem Dienstherrn die eigentümlichen und spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit auferlegt, dagegen dem Beamten mindestens die Risiken belässt, die sich aus seinen persönlichen Anlagen und etwa bereits bestehenden Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes ergeben. Körperschäden auch psychischer Art sind so dem individuellen Lebensschicksal des Beamten und damit seinem Risikobereich zuzurechnen, wenn der Körperschaden jederzeit auch außerhalb des Dienstes bei einer im Alltag vorkommenden Belastungssituation hätte eintreten können (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.2002 – 2 C 22.01 – juris Rn. 11).
Für das Vorliegen eines Dienstunfalls, eines Körperschadens und der Ursächlichkeit des Dienstunfalls für den Körperschaden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, sowohl für das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch dafür, dass die Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht offen, ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind, geht dies damit zu Lasten des Beamten. Ein Anspruch ist nur dann zuzuerkennen, wenn sowohl das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch der Kausalzusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 81.08 – NVwZ 2010, 708; BVerwG, B.v. 4.4.2011 – 2 B 7.10 – juris).
Gemessen an diesen Vorgaben konnte der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass die von ihm geltend gemachten Körperschäden wesentlich durch das Ereignis vom 30.06.2017 hervorgerufen wurden.
a) Soweit der Kläger die Anerkennung einer Posttraumatischen Belastungsstörung begehrt, konnte das Gericht bereits nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit dafür gewinnen, dass beim Kläger ein entsprechender Körperschaden vorliegt.
Die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung setzt eine sorgfältige psychiatrische Untersuchung mit Erhebung eines umfassenden psychopathologischen Befunds voraus. Nach den in Deutschland geltenden fachlichen Grundsätzen der medizinischen Fachgesellschaften (vgl. Leitlinienempfehlung 3 der S3-Leitlinie posttraumatische Belastungsstörung ICD-10: F 43.1 der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. in Abstimmung mit den AWMF-Fachgesellschaften: Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie [DeGPT] – federführend -, Deutsche Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin und ärztliche Psychotherapie [DGPM], Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin [DKPM], Deutsche Gesellschaft für Psychologie [DGPs], Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie [DGPT], Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde [DGPPN]) soll die Diagnostik einer Posttraumatischen Belastungsstörung nach klinischen Kriterien (ICD-10) erfolgen.
Das Krankheitsbild der PTBS wird in dem von der Weltgesundheitsorganisation erstellten Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 („Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“) in Kapitel V „Psychische und Verhaltensstörungen“ (F00 – F99), Unterkapitel „Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F40 – F48) beschrieben. Von den anderen in diesem Abschnitt dargestellten psychischen Störungen unterscheiden sich die unter F43.- beschriebenen Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen nicht nur aufgrund der Symptomatologie und des Verlaufs, sondern auch durch die Angabe eines ursächlichen Faktors, nämlich eines außergewöhnlich belastenden Lebensereignisses, das eine akute Belastungsreaktion hervorruft. Im Gegensatz zu den auf individuelle Vulnerabilität abstellenden Angststörungen des vorstehenden Abschnitts entstehen die hier aufgeführten Störungen immer als direkte Folge der akuten schweren Belastung oder des kontinuierlichen Traumas. Das belastende Ereignis oder die andauernden, unangenehmen Umstände sind primäre und ausschlaggebende Kausalfaktoren und die Störung wäre ohne ihre Einwirkung nicht entstanden. Nach ICD-10: F 43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann.
Da eine PTBS stets eine Reaktion auf ein traumatisches Ereignis ist, ist der Nachweis eines solchen Traumas Grundvoraussetzung für die Feststellung einer PTBS. Ohne die exakte Feststellung eines Traumas im Sinne eines Ereignisses von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß kann eine entsprechende Diagnose mithin nicht zuverlässig gestellt werden. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss dabei gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Denn der objektive Erlebnisaspekt ist nicht Gegenstand der gutachterlichen ärztlichen Untersuchung. Allein mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher darauf geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2010 – 9 ZB 10.30376).
Vorliegend konnte ein solches Trauma im Sinne eines Ereignisses von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß dem Gericht gegenüber nicht nachgewiesen werden. Nach den Ausführungen eines Schreibens des Klinikums … vom 30.06.2017, welches über die medizinische Erstversorgung des Klägers unmittelbar nach dem Dienstunfallereignis berichtet, sei der Kläger von einem Häftling der JVA tätlich angegriffen worden. Weiter heißt es „Fraglich mit einer Glasscherbe und einem Kugelschreiber sowie mit Schlägen.“ Der Befundbericht des Klinikums Bamberg vom 08.12.2017 benennt das traumatisierende Ereignis nicht. Ein weiterer Befundbericht des Klinikums … vom 04.01.2018 führt aus, dass der Kläger als JVA-Beamter arbeite und am 30.06.2017 von einem Häftling angegriffen worden sei, der mit einem Kugelschreiber auf ihn eingestochen und versucht habe, ihn umzubringen. Ein weiteres Schreiben des Klinikums … vom 02.02.2018 verhält sich wiederum nicht zum traumatisierenden Ereignis. Der den Kläger behandelnde Psychologische Psychotherapeut führte im Rahmen seiner Stellungnahme vom 30.07.2017 aus, dass der Kläger von einem Gefangenen völlig überraschend angegriffen und bedroht worden sei. Dieselben Ausführungen finden sich in einer weiteren Stellungnahme des Therapeuten vom 08.02.2018. Nach alledem setzt sich keines der von Klägerseite vorgelegten Atteste nachvollziehbar mit der Frage auseinander, ob das Dienstunfallgeschehen vom 30.06.2017 die in ICD-10: F 43.1 genannten Anforderungen an ein traumatisierendes Ereignis erfüllt.
Gegenüber dem von Beklagtenseite beauftragten Gutachter führte der Kläger zum Unfallgeschehen aus, dass er für die Essenausgabe verantwortlich gewesen sei. Das Essen selbst würden die Hausarbeiter ausgeben. Als er die Zellentür des Gefangenen aufgesperrt habe, sei dieser am 30.06.2017 gegen 18.00 Uhr plötzlich auf ihn zugerannt und habe ihn mehrfach am Kopf mit Faustschlägen getroffen. Er habe Prellungen im Kopfbereich erlitten. Es seien ungefähr fünf bis sechs Schläge gewesen. Der Kläger sei zu Boden gegangen. Ein Hausarbeiter habe sich dazwischen gestellt. Seine Wange sowie seine Lippe seien aufgeplatzt gewesen. Er habe Prellungen im Gesicht und hinter dem Ohr erlitten. Die Polizei sei gekommen, später auch der kriminalpolizeiliche Dienst. Es habe sich herausgestellt, dass der Täter einen Kugelschreiber in der Hand gehabt habe. Der neurologisch-psychiatrische Gutachter führt auf S. 14 seines Gutachtens aus, dass die typischen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger nicht gegeben seien. Im Rahmen der Beschreibung der Traumapsychologischen Testuntersuchung führt der Gutachter unter dem Punkt „Essener-Trauma-Inventar“ aus, dass das A1- und A2-Kriterium gemäß DSM-IV nicht im Vollbeweis gegeben seien (S. 15). Initial sei eine akute Belastungsstörung zu explorieren und auch testpsychologisch fassbar. Eine typische PTBS finde sich nicht. Unter der Überschrift „Clinician Administered PTSD-Scale for DSM-IV-Interview (CAPS)“ wird ausgeführt, dass es sich insoweit um den Gold-Standard hinsichtlich der Diagnose einer PTBS handele. Die klägerische Symptomatik werde primär durch eine schwere Depression bedingt. Eine Posttraumatische Belastungsstörung sei somit bei umfassender Analyse nicht feststellbar (S. 16). Weiter heißt es auf S. 17 des Gutachtens: „Die traumapsychologische Evaluation ergibt keine Hinweise auf eine abgelaufene PTBS.“
Soweit der Klägerbevollmächtigte einwendet, dass die Begutachtung des Herrn Dr. K. auf veraltete Diagnosemanuale zurückgegriffen habe und nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Standard entspreche, kann er mit diesen Einwendungen nicht durchdringen. Bereits im Rahmen seines Ergänzungsgutachtens vom 04.09.2018 führte Herr Dr. K. aus, dass für die Diagnose einer PTBS nach anerkannten Klassifikationssystemen drei Vorgaben zu erfüllen seien. Zunächst müsse das traumatisierende Ereignis einen geeigneten Schweregrad aufweisen. Bei der Klärung der Frage, ob ein Schädigungsereignis überhaupt geeignet sei, eine PTBS hervorzurufen, stelle bei minderschweren Unfallereignissen, wie dies beim Kläger der Fall gewesen sei, das sogenannte A-Kriterium die wesentliche diagnostische Eingangshürde dar. Am 30.06.2017 gegen 17.25 Uhr habe ein Strafgefangener im Zellenbau im ersten Stock der JVA … bei der Ausgabe des Abendessens nach dem Öffnen der Zellentür seines Haftraums 358 unvermittelt und ohne jeden Anlass mit beiden Händen mindestens vier bis fünfmal auf den Kläger eingeschlagen, wobei er in der rechten Hand einen Kugelschreiber gehalten habe. Der Gefangene habe den Kläger mehrfach am Kopf und im Gesicht getroffen. Während die ICD-10-Klassifikation nach den Ausführungen des Gutachters ausschließlich Ereignisse oder Situationen „außergewöhnlicher Bedrohung und katastrophalen Ausmaßes“ als geeignet ansehe, eine PTBS auszulösen (was sich auch in der Betaversion der ICD-11 abzeichne), sei es im DSM-IV zu einer Ausweitung auf letztlich jede Gefahr der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gekommen. Das DSM-V-Diagnosemanual habe diese Vorgabe wieder verlassen und enthalte die Forderung nach einer „tatsächlichen“ Eigenverletzung bzw. einem nach objektiven Kriterien drohenden Tod oder entsprechender Zeugenschaft. Zum Zeitpunkt des Unfallereignisses des Klägers hätten bereits die DSM-V-Kriterien gegolten; ab April 2013 sei DSM-IV nicht mehr gültig gewesen. Die psychotraumatologische Situation des Klägers sei also gemäß DSM-V bzw. ICD-10 einzuordnen. In diesen Diagnosemanualen werde dargelegt, dass subjektiv erlebte Ängste vor Tod oder Verletzung nicht ausreichen würden, wenn nicht nach objektiven Kriterien Lebensgefahr oder die Gefahr einer ernsthaften bzw. schwerwiegenden Verletzung für den Betroffenen oder für Dritte bestanden habe. Im Krankheitsfall des Klägers seien somit die Voraussetzungen, die gefordert würden, um eine Posttraumatische Belastungsstörung auszulösen, nicht in vollem Umfang erfüllt (S. 4f. des Ergänzungsgutachtens). Darüber hinaus erläuterte der Gutachter im Verhandlungstermin überzeugend und nachvollziehbar, dass in seinem Gutachten vom 18.09.2017 lediglich deshalb das Diagnosemanual DSM-IV Erwähnung finde, weil sich das Essener-Trauma-Inventar noch auf dieses beziehe und seit Geltung der DSM-V noch nicht aktualisiert worden sei. Gleiches gelte für den o.g. CAPS-Test, der im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ebenfalls lediglich in der DSM-IV-Version verfügbar gewesen sei.
Soweit die Klägerseite weiterhin einwendet, dass die den Kläger behandelnden Psychiater des Klinikums …, die ihn über Wochen hin behandelt hätten, hinsichtlich der PTBS zu einer anderen Einschätzung gelangt seien als der Sachverständige, der den Kläger lediglich einmal untersucht habe, kann er auch mit dieser Einwendung nicht durchdringen. Der Einschätzung der den Kläger behandelnden Ärzte kommt im Vergleich zu der Begutachtung des fachärztlichen Sachverständigen ein geringerer Beweiswert zu. Dies hat seinen Grund in der Neutralität und Unabhängigkeit des beauftragten Gutachters. Im Gegensatz zum behandelnden Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen seines Patienten zu ihm zu erhalten, nehmen beauftragte Gutachter ihre Beurteilungen von ihrer Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor und stehen sowohl dem Beamten wie auch der Dienststelle gleichermaßen fern (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.10.2002 – 1 D 3.02 – und v. 11.10.2006 – 1 D 10.05 – beide juris).
Im Übrigen muss die Frage, ob das traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, nach der oben bereits zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2010 – 9 ZB 10.30376). Dies ist dem Kläger vorliegend nicht gelungen. Entsprechend der von den Beteiligten unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen des rechtskräftigen Strafurteils wurde der Kläger als er die Tür zu dem Einzelhaftraum 358 öffnete, in dem sich der Angeklagte befand, von diesem unvermittelt und ohne jeden Anlass angegriffen. Der Angeklagte, der in der rechten Hand einen abgebrochenen dünnen Plastikkugelschreiber hielt, schlug mit beiden Fäusten mehrfach heftig auf den Kläger ein. Hierbei äußerte er: „Reizlein, rück den Schlüssel raus!“. Der Kläger verlor durch die Attacke seine Brille und ging zu Boden. Nachdem ein Gefangener dazwischen ging, verlagerte sich das Geschehen vom Gang vor der Zelle des Angeklagten in das unmittelbar benachbarte Treppenhaus, wo sich der Kläger schließlich nach oben entfernen konnte. Das gesamte Geschehen dauerte ca. eine halbe Minute. Obgleich auch seitens der Kammer nicht in Abrede gestellt wird, dass es sich dabei zweifelsohne um ein belastendes Erlebnis gehandelt hat, erfüllt es nicht die Anforderungen eines Traumas im Sinne eines Ereignisses von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, wie es als Auslöser einer PTBS erforderlich ist. Auch zweifelt die Kammer nicht daran, dass der Kläger den Übergriff als lebensbedrohlich empfand. Das subjektive Empfinden einer besonderen Belastung ist aber allein nicht ausreichend, um die Schwere des Ereignisses bejahen zu können. Nicht ausreichend ist daher, dass beim Kläger die individuelle Schwere erreicht gewesen ist. Denn „nahezu bei jedem“ i.S.d. der o.g. ICD-10-Kriterien bedeutet, dass es sich um ein derart außergewöhnlich belastendes Ereignis handeln muss, dass es nicht nur bei besonders empfindsamen, sondern auch bei psychisch robusten Menschen mit einem überdurchschnittlich starken Nervenkostüm tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Für die Frage, ob ein Ereignis mit katastrophenartigem Ausmaß vorliegt, sind damit objektive Kriterien maßgebend (vgl. LSG NW, U.v. 16.5.2007 – L 17 U 127/06 – juris Rn. 25). Die objektiven Merkmale des Unfallgeschehens sprechen vorliegend jedoch gegen die Annahme eines Ereignisses mit dem erforderlichen Schweregrad. Entsprechend der Ausführungen des seitens des Landgerichts … im Strafverfahren gegen den Angreifer des Klägers herangezogenen Rechtsmediziners war der abgebrochene Plastikkugelschreiber, den der Gefangene bei der Attacke in der Hand hielt, so dünn und leicht, dass er völlig ungeeignet war, einen Menschen zu töten. Demensprechend seien die körperlichen Verletzungen (in Form von Schürfwunden und Prellungen), die der Kläger erlitten habe, auch eher gering gewesen. Darüber hinaus führte die zuständige Strafkammer des Landgerichts … aus, dass die im Strafverfahrenen gegen den Gefangenen durchgeführte Beweisaufnahme den Nachweis eines Tötungsvorsatzes i.S.d. §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB nicht erbracht habe. Dagegen spreche schon die Äußerung des Angreifers „…, rück den Schlüssel raus!“, die darauf hindeute, dass es nicht darum gegangen sei, dem Kläger das Leben zu nehmen. Dies habe insbesondere auch vor dem Hintergrund der psychischen Verfassung des Angreifers gegolten, der sich infolge eines Drogenentzuges in einem psychotischen Zustand befunden habe. Stellt man weiterhin in Rechnung, dass das gesamte Geschehen lediglich eine halbe Minute dauerte und der Angreifer sodann von einem Mitgefangenen überwältigt werden konnte, lag eine Situation von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß nicht vor. Nach objektiven Kriterien ist der in Rede stehende Angriff nicht mit den im Rahmen der ICD-10-Klassifikation aufgeführten Beispielsgeschehen für Ereignisse mit katastrophalem Ausmaß wie Folter, Vergewaltigung, schweren Naturkatastrophen oder Terroranschlägen vergleichbar.
b) Darüber hinaus konnte der Kläger nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass der von ihm weiter geltend gemachte Körperschaden einer schweren depressiven Episode (ICD-10: F32.2) auf das Ereignis vom 30.06.2017 zurückzuführen ist.
Insbesondere bei psychischen Erkrankungen, die nicht auf Nervenverletzungen, sondern auf seelischen Einwirkungen beruhen, ist der tatsächliche Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Belastung und einer bestimmten Krankheit nur schwer zu beurteilen. Veranlagung, Umwelteinflüsse, Lebensführung, andere Vorgänge im Lebenslauf des Beamten sind häufig als mehr oder minder stark wirkende Mitursachen festzustellen, lassen sich aber kaum sachgerecht gewichten. Stellt sich nach einem seelisch belastenden Vorgang ein Dauerleiden ein, lässt sich oftmals nicht überzeugend klären, ob und nach welchem psychischen Mechanismus dieser Vorgang das Dauerleiden herbeigeführt hat und ob und in welchem Umfang eine – vorher noch nicht zu Tage getretene – Anlage von Krankheitswert vorhanden war. Die Rechtsprechung verlangt deshalb die Überschreitung eines „Schwellenwertes“, d.h. die Gefahr des Ausbruchs der betreffenden Krankheit muss nach den betreffenden Belastungen deutlich erhöht sein (vgl. BSG, U.v. 18.10.1995 – 9/9a RVg 4/92 – juris Rn. 15 f.; BayVGH, U.v. 26.9.2007 – 3 ZB 05.2345 – juris Rn. 9). Hierfür muss die Belastung tiefgreifend sein und in das Persönlichkeitsgefüge eingreifen. Auch in den vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ wird davon ausgegangen, dass durch psychische Traumata bedingte Störungen sowohl nach langdauernden psychischen Belastungen (z.B. in Kriegsgefangenschaft, in rechtsstaatswidriger Haft in der DDR) als auch nach relativ kurzdauernden Belastungen (z.B. bei Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht kommen, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Ein Ursachenzusammenhang kann daher nur angenommen werden, wenn der behauptete schädigende Vorgang seiner Art nach generell geeignet ist, die geltend gemachten emotionalen Belastungen mit Krankheitswert hervorzurufen. Bei der Beurteilung eines im Zusammenhang mit dem Dienst eingetretenen Ereignisses als wesentliche Ursache für eine psychische Störung ist mithin zu prüfen, ob das behauptete Unfallereignis und seine gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Eigenart und Intensität nach unersetzlich sind, d.h. auch bei einem psychisch gefestigten Bediensteten im Regelfall zu psychischen Beeinträchtigungen führen (vgl. VG Bayreuth, U.v. 19.7.2009 – B 5 K 07.123 Rn. 56; VG Düsseldorf, U.v. 22.4.2013 – 23 K 4991/11 – juris Rn. 22).
Gemessen hieran vermag die Kammer dem von Kläger erlittenen Dienstunfall nicht das Gewicht beizumessen, das erforderlich wäre, um den Dienstunfall rechtlich als wesentlich mitwirkende Teilursache für die bei ihm im Begutachtungszeitpunkt vorliegende schwere depressive Episode zu bewerten. Ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 30.06.2017 und der schweren depressiven Episode ergibt sich weder aus den Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers noch aus den Einschätzungen des neurologisch-psychiatrischen Gutachters. In den Befundberichten des Klinikums … vom 04.01.2018 sowie vom 02.02.2018 finden sich bereits keine Ausführungen zu einem etwaigen Ursachenzusammenhang hinsichtlich der diagnostizierten Depression. Vielmehr verhalten sich die Berichte im Wesentlichen zum Vorliegen einer PTBS beim Kläger. Der seitens des Klägers konsultierte Psychologische Psychotherapeut führt zwar im Rahmen seines Attestes vom 08.02.2018 aus, dass die Behandlung im Zusammenhang mit dem Dienstunfall zu sehen sei. Allerdings bezieht er diese Ausführungen nicht auf eine schwere depressive Episode, sondern auf eine gemischte Angst- und depressive Störung, die eher auf die unter ICD-10: F43 aufgeführten Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen hindeuten, zumal der Therapeut eine ICD-10-Nummer für seine Diagnose nicht nennt. Weiterhin ist diesbezüglich in Rechnung zu stellen, dass der Beklagte mit Bescheid vom 29.09.2017 sowohl eine akute Belastungsreaktion (ICD-1: F43.0) als auch eine Anpassungsstörung mit kurzer depressiver Reaktion als Folgen des Dienstunfalls vom 30.06.2017 anerkannt hat. Auch muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass die vorgelegten Atteste des Psychologischen Psychotherapeuten bereits nicht den Mindestanforderungen genügen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die substantiierte Geltendmachung einer psychischen Erkrankung zu stellen sind. Danach muss sich aus den vorgelegten Attesten nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – juris Rn. 15). Bei dem vom Kläger konsultierten Psychologischen Psychotherapeuten handelt es sich bereits nicht um einen approbierten Facharzt.
Der neurologisch-psychiatrische Gutachter führt in seinem Gutachten vom 18.09.2017 aus, dass eine Schadensanlage beim Kläger durchaus zu diskutieren sei. Dafür fänden sich erhebliche belastende Instanzen in seiner Biographie. Auch sein Vater habe an einer Depression gelitten. Im Rahmen der biographischen Anamnese führte der Kläger gegenüber dem Gutachter aus, dass es in seiner Kindheit häufig innerfamiliären Streit gegeben habe, keine körperlichen Übergriffe, wohl aber psychische Gewalt. Auch derzeit verstehe er sich nicht gut mit seinen Eltern. Er sei im Jahr 2002 ausgezogen, habe zunächst Wirtschaftsingenieurwesen studiert, sodann Germanistik und Graphikdesign. Anschließend habe er sich um eine Ausbildungsstelle bemüht, jedoch nichts gefunden und stattdessen Volkswirtschaftslehre studiert. Schließlich habe er sich beim Bayerischen Staat als Justizvollzugsbeamter beworben; auch sein Bruder sei dort tätig. Acht Jahre lang sei er in … diensttätig gewesen. Dort habe er eine sozialpädagogische Abteilung aufgebaut. Die Arbeit in … habe ihm durchaus Spaß gemacht. Jedoch habe sich seine Frau dort nicht wohlgefühlt. Daher seien sie nach … gegangen, wo der Kläger seit 01.08.2016 in der Justizvollzugsanstalt tätig sei. Manchmal habe er sich die Frage gestellt, ob es richtig gewesen sei, von … wegzugehen. Die Beziehung zu seiner Frau sei sehr gut gewesen, werde nunmehr aber zunehmend problematischer. Weiter führte der Kläger aus, dass er unter einer leichten Depression gelitten habe, als seine erste Liebe im Alter von 15 Jahren zerbrochen sei. Fünf Jahre später sei er wieder eine Beziehung eingegangen, auch da sei er leicht depressiv gewesen. Im Alter von 17 Jahren sei ein Freund ums Leben gekommen; auch auf dieses Ereignis habe er mit einer Depression reagiert. Derzeit lebe er ganz zurückgezogen, gehe nicht mehr aus dem Haus. Im Rahmen seines Gutachtens vom 18.09.2017 führte der Sachverständige aus, dass beim Kläger eine schwere depressive Verstimmung mit psychomotorischer Verlangsamung, Antriebsminderung, vitalem Tonverlust und Freudlosigkeit ins Auge steche. Die Alltagskompetenz sei bereits hochgradig eingeschränkt. Der Befund des Hamilton-Depressionsscore entspreche einer schweren Depression. Unter Zugrundelegung des Beck-Depressions-Inventar stufe sich der Kläger als mittelschwer depressiv ein. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung habe der Kläger eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome gezeigt. Der psychopathologische Befund sei eindeutig und klar. Die Diagnose der schweren Depression ergebe sich aufgrund des psychopathologischen Befundes und sie werde bestätigt durch die objektiven Testuntersuchungen im Hamilton-Depressionsscore und auch im SKID-I-Interview.
Nach den überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des neurologisch-psychiatrischen Gutachters in seinem Gutachten vom 18.09.2017 ist die am Untersuchungstag (15.09.2017) festgestellte schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome jedoch nicht mehr als Folge des Unfallereignisses vom 30.06.2017 anzusehen. Es sei eine Verschiebung der Wesensgrundlage eingetreten. Die schwere depressive Episode sei als Nachschaden und nicht als Folgeschaden einzuordnen. Die derzeitigen psychopathologischen Befunde hätten sich gewissermaßen verselbstständigt. Auch bestehe beim Kläger eine Neigung zu depressiven Reaktionen. In seinem im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingeholten Ergänzungsgutachten vom 04.09.2018 bleibt der Sachverständige – unter Berücksichtigung der Unterlagen der den Kläger behandelnden Ärzte sowie der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte – in vollem Umfang bei seiner bisherigen gutachterlichen Bewertung. Verantwortlich für die beim Kläger im Begutachtungszeitpunkt vorgelegene schwere depressive Episode seien in der Persönlichkeit des Klägers liegende Gründe mit auch genetisch bedingter Neigung zur depressiven Entwicklung. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte der Sachverständige aus, dass die depressiven Symptome entsprechend der Kausalitätsregelungen des Sozialrechts nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit dem Unfallereignis zuzuordnen seien. Schadensursächlich seien insbesondere die Persönlichkeit des Klägers und seine genetische Veranlagung. Je schwerer eine Depression sei, umso mehr spielten die genetische Veranlagung, also endogene Ursachen, eine Rolle. Eine schwere depressive Episode werde primär durch die genetische Komponente bedingt. Demgegenüber stellten sich leichte Depressionen häufig als Reaktionen auf eine äußere Belastung dar. Ursächlich für schwere depressive Episoden seien Transmitterstörungen sowie biochemische Mismatchkonstitutionen. Beim klägerischen Krankheitsbild habe sich jedenfalls Mitte September 2017 eine Verschiebung der Wesensgrundlage eingestellt. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Erkrankung des Klägers erst am 15.09.2017 richtig eingeordnet worden sei, vorher habe sich der Kläger nicht leitliniengerecht in der Behandlung eines Psychologischen Psychotherapeuten befunden. Das am 15.09.2017 beim Kläger bestehende schwere depressive Bild füge sich nicht mehr in das Erlebniskontinuum ein.
Soweit der Klägerbevollmächtigte ausführt, es ergäben sich Zweifel an der Sachkompetenz des Gutachters, da dieser ergebnisorientiert konstatiere, dass die akute Belastungsstörung und die Anpassungsstörung mit kurzer depressiver Reaktion bis einen Tag vor dem Untersuchungstag, d.h. bis 14.09.2017 vorgelegen hätten, kann er damit nicht durchdringen. Eine künstliche Aufspaltung des klägerischen Krankheitsbildes aus dem psychiatrischen Formenkreis ist damit nicht verbunden. Vielmehr stellte der Gutachter sowohl in seinen schriftlichen Ausführungen als auch im Rahmen des Verhandlungstermins klar, dass der unfallbedingte Heilbehandlungszeitraum jedenfalls am Untersuchungstag, d.h. am 15.09.2017 geendet habe. Zu diesem Zeitpunkt hätten die unstreitig durch das Unfallereignis hervorgerufene akute Belastungsreaktion sowie die Anpassungsstörung mit kurzer depressiver Episode nicht mehr vorgelegen. Eine taggenaue Abgrenzung des Krankheitszeitraumes nahm der Gutachter mithin nicht vor. Vielmehr konstatierte er, dass beim Kläger jedenfalls am Untersuchungstag die vorgenannten ereignisbedingten Krankheitsbilder nicht mehr bestanden hätten, und der Kläger nunmehr an einer schweren depressiven Episode, die auf endogenen Ursachen beruhe, gelitten habe. Mithin bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass das Unfallereignis wesentlich zur Entwicklung der schweren depressiven Episode beim Kläger beigetragen hat. Zumal der Kläger entsprechend seiner eigenen Angaben zu seiner Biographie bereits in der Vergangenheit mit belastenden Ereignissen konfrontiert war, auf die er seinen Ausführungen zufolge mit leichtgradigen Depressionen reagiert hat. Auch durchlebte er angesichts seiner Ausführungen keine glückliche Kindheit und war auch im jungen Erwachsenenalter nicht unerheblichen Schwierigkeiten (u.a. Führerscheinverlust und diverse Studienabbrüche) gegenübergestanden.
Weiterhin kann der Klägerbevollmächtigte nicht erfolgreich einwenden, dass die genetischen Vorbelastungen des Klägers nicht plausibel seien. So bestreitet die Klägerseite schon selbst nicht, dass auch der Vater des Klägers unter Depressionen gelitten habe. Auch beruhen die diesbezüglichen Feststellungen des Gutachters auf der im Rahmen der Begutachtung durchgeführten Anamnese und damit auf den Angaben des Klägers selbst, der seinen auch in der Vergangenheit nicht frei von psychisch belastenden Ereignissen gewesenen Lebenslauf gegenüber dem Sachverständigen darstellte.
Auch im Übrigen besteht für die Kammer kein Anlass an der Sachkompetenz des Gutachters zu zweifeln. Er ist Facharzt für Neurologie, für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Die Traumatherapie bildet einen Schwerpunkt seiner Praxisklinik. Auch methodische Fehler der Begutachtung sind nicht ersichtlich. Der Vorwurf, der Gutachter habe veraltete Diagnosemanuale angewandt, ist bereits durch die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 04.09.2018 widerlegt. Darüber hinaus erläuterte der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführlich, welche Diagnosemethoden er seiner Begutachtung zugrunde gelegt hat und dass der Verweis seines Gutachtens vom 18.09.2017 auf DSM-IV durch die damals geltende Version des Essener-Traumainventars sowie des CAPS-Tests bedingt gewesen sei. Zudem erläuterte der Sachverständige, dass er den Kläger am Untersuchungstag knapp vier Stunden exploriert, das Gutachten persönlich erstellt und sich ausführlich mit dem Kläger beschäftigt habe. Den psychopathologischen Querschnittsbefund habe er selbst getroffen. Lediglich einzelne Fragebögen habe eine bei ihm beschäftigte Psychologin mit dem Kläger bearbeitet. Die Auswertung sei wiederum durch den Gutachter selbst, der auf eine jahrzehntelange Erfahrung als Gutachtenersteller zurückblicken könne, vorgenommen worden.
Die Gutachten, welche auf einer umfassenden und nicht nur einseitigen, allein auf Angaben des Beklagten beruhenden Auswertung aller, d.h. auch den vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Schreiben und Befundberichten basieren, sind in sich stimmig, überzeugend und werfen keine Zweifelsfragen auf, die durch die Einschaltung eines weiteren Gutachters geklärt werden müssten. Ernsthafte Zweifel an der Schlüssigkeit dieser Gutachten bestehen auch bei Berücksichtigung der vom Kläger für seine Position ins Feld geführten ärztlichen Schreiben und Befundberichte nicht, sodass der Streit auf Grundlage der Behördengutachten ohne Einholung eines gerichtlichen Gutachtens entschieden werden kann (BSG, U.v.14.12.2001, Az.: B 3 P 5/00 R – beck-online).
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Fehlt dem Gericht die hierfür erforderliche Sachkunde, muss es sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen. Kommt es maßgeblich auf den Gesundheitszustand eines Menschen an, ist daher regelmäßig die Inanspruchnahme ärztlicher Fachkunde erforderlich. Für die hier entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen gibt es keine eigene, nicht durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde des Richters. Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die Einholung zusätzlicher Gutachten ist deshalb nur dann erforderlich, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen (vgl. BVerwG, B. v. 24.7.2014, Az.: 2 B 85/13, Rn. 5 f. – beck-online).
Liegen – wie hier – bereits gutachterliche Stellungnahmen zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es analog § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es weitere sachverständige Auskünfte einholt. Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung einer weiteren Auskunft oder eines weiteren Gutachtens absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B. v. 15.9.2011, Az.: 5 B 23.11 – juris Rn. 7 m. w. N.). Hiervon ist nicht schon dann auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter eingeholte Auskünfte für unrichtig hält oder wenn andere Sachverständige zu widersprechenden Ergebnissen kommen könnten oder schon gekommen sind. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob das Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen nicht überzeugend ist, ob es von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, ob der Sachverständige erkennbar nicht über die notwendige Sachkunde verfügt oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen, ob sich durch neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder durch eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Bedeutung der vom Sachverständigen zu klärenden Fragen verändert, ob ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegene Forschungsmittel oder über größere Erfahrung verfügt oder ob das Beweismittel durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird. Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (BVerwG, B. v. 4.9.2013, Az.: 5 B 55.13 Rn. 10 f. – beck-online; BVerwG, B. v. 3.2.2010, Az.: 2 B 73.09 – juris Rn. 9, m. w. N.).
Gemessen daran war hier die Einholung eines Obergutachtens durch das Gericht nicht angezeigt. Die vom Beklagten als Grundlage seiner Entscheidung herangezogenen Gutachten beruhen auf einer sorgfältigen Befunderhebung und sind widerspruchsfrei und schlüssig begründet. In Anbetracht dessen bietet sich kein Anlass, der Meinung des von der Behörde beauftragten Gutachters nicht zu folgen. Der Gutachter hat sich ausweislich seiner Ausführungen sowohl mit den vorgelegten Behördenakten als auch den darin enthaltenen Befunden der behandelnden Ärzte sowie der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ausführlich auseinandergesetzt. Er hat sich auch darüber hinaus mit den vom Kläger erhobenen Einwänden und den daraufhin vom Beklagten weiteren, erläuternd gestellten Ergänzungsfragen schlüssig und dezidiert auseinandergesetzt und sämtliche aufgeworfenen Fragen logisch nachvollziehbar beantwortet. Die Gutachten sind daher überzeugend und schlüssig und geben auch unter Berücksichtigung der Einvernahme des Gutachters in der mündlichen Verhandlung ein homogenes und nachvollziehbares Bild über die beim Kläger bestehenden psychiatrischen Krankheitsbilder und deren Ursachen.
c) Entsprechend der widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen die Kammer auch insoweit folgt, ist darüber hinaus der von Klägerseite geltende gemachte Körperschaden „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Schädlicher Gebrauch“ (ICD-10: F10.1) nicht auf das Unfallereignis vom 30.06.2017 zurückzuführen.
Im Rahmen der seitens des Gutachters durchgeführten Anamnese erklärte der Kläger selbst, dass er bereits im Alter von 20 Jahren unter Alkoholeinfluss einen Unfall herbeigeführt habe. Er habe 1,6 Promille gehabt und seinen Führerschein verloren. Er habe auch eine MPU machen müssen. Nach seinem Alkoholkonsum befragt, gab der Kläger gegenüber dem Gutachter an, dass er täglich drei bis fünf Flaschen Bier trinke. Der Gutachter geht davon aus, dass sich beim Kläger ein schädlicher Gebrauch von Alkohol entwickelt habe. Bei kritischer Analyse der gesamten Befunde und der bereits vorbestehenden Alkoholproblematik sei der schädliche Gebrauch von Alkohol jedoch nicht auf das Ereignis vom 30.06.2017 zurückzuführen. Eine Neigung zum vermehrten Alkoholkonsum habe beim Kläger bereits vor dem Unfallereignis vorgelegen. Gegen diese Feststellungen des Gutachters hatte die Klägerseite bereits nichts zu erinnern. Auch die den Kläger behandelnden Ärzte führten dessen Alkoholmissbrauch nicht auf den erlittenen Dienstunfall zurück und verhielten sich zur Frage der Ursachlichkeit nicht. Mithin bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass erst der Dienstunfall die Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Schädlicher Gebrauch“ (ICD-10: F10.1) herbeigeführt hat bzw. wesentlich zur Entwicklung dieses – wohl bereits vorbestandenen – Krankheitsbildes beigetragen hat. Der Kläger legt schon nicht substantiiert dar, dass er vor dem 30.06.2017 keinen Alkohol konsumiert oder dass sich sein Alkoholkonsum nach dem Schadensereignis in krankhafter Weise intensiviert hätte.
2. Ferner hat der Kläger keinen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten ihm einen Unfallausgleich auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. zu gewähren.
Nach Art. 52 Abs. 1, Abs. 2 BayBeamtVG wird dem verletzten Beamten neben der Besoldung oder dem Ruhegehalt ein Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1 – 3 des Bundesversorgungsgesetzes gewährt, solange der verletzte Beamte infolge des Dienstunfalls in der Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25 v.H. beschränkt ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Eine unfallunabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit bleibt außer Betracht.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Dabei handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Erwerbsfähigkeit ist die Kompetenz des Verletzten, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm abstrakt im gesamten Bereich des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Auf den bisherigen Beruf oder die bisherige Tätigkeit wird nicht abgestellt. Es kommt nicht auf die individuellen Verhältnisse, also die persönlichen Kenntnisse oder die geistigen, körperlichen, psychischen und sozialen Fähigkeiten an. Die Festsetzung der MdE im Versorgungsrecht folgt den unfallversicherungsrechtlichen Anforderungen. Sie richtet sich auch dort nach den verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, die sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergeben (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Voraussetzung ist ein Vergleich der vor und nach dem Dienstunfall bestehenden individuellen Erwerbsfähigkeit.
Der Grad der MdE ist aufgrund eines ärztlichen Gutachtens zu ermitteln. Dabei bilden allgemeine Erfahrungssätze, in Tabellen und Empfehlungen enthaltene Richtwerte, also antizipierte Sachverständigengutachten, in der Regel die Basis für die Bewertung der MdE durch den Sachverständigen. Die konkrete Bewertung muss jedoch stets auf die Besonderheiten der MdE des betroffenen Beamten abstellen. Entscheidend ist, dass der Sachverständige bei seiner dienstunfallrechtlichen Bewertung als Maßstab die körperliche Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu Grunde legt (BayVGH, B.v. 1.2.2013 – 3 ZB 11.1166 – juris; OVG NJW, B.v. 25.8.2011 – 3 A 3339/08 – juris; VG München, U.v. 15.12.2016 – M 12 K 16.2825 – juris; Weinbrenner in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, § 35, Rn. 54).
Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt zwar in erster Linie auf ärztlich wissenschaftlichem Gebiet. Doch bei der Frage, welcher MdE-Grad vorliegt, handelt es sich letztlich um eine Rechtsfrage, die ohne Bindung an ärztliche Gutachten unter Berücksichtigung der Einzelumstände zu entscheiden ist (vgl. LSG Bayern, U.v. 10.3.2010 – L 2 U 177/07 – juris).
Vorliegend hat die Klageseite schon nicht dargelegt, für welchen Zeitraum ein Unfallausgleich begehrt wird. Sollte die Feststellung eines zeitlich unbegrenzten MdE-Grades beantragt worden sein, stehen diesem Ansinnen schon die Ausführungen des Klägers im Verhandlungstermin entgegen. Insoweit erklärte er, dass seine psychiatrische Behandlung im September 2018 abgeschlossen worden sei. Auch sei er wieder diensttätig. Während er zunächst am Oberlandesgericht … in einer psychosozialen Beratungsstelle für Mitarbeiter Dienst geleistet habe, sei er nunmehr an das Landgericht … abgeordnet, wo er in der Bewährungshilfe tätig sei. Da im Rahmen der Beurteilung der MdE nicht auf die bisherige Tätigkeit des Klägers als Justizvollzugsbeamter abgestellt wird, kommt die Gewährung eines Unfallausgleichs seit seiner wiederaufgenommenen Diensttätigkeit bereits grundsätzlich nicht in Betracht.
Auch im Übrigen scheitert ein Anspruch des Klägers auf Unfallausgleich. Den widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des Gutachters (vgl. Gutachten vom 18.09.2017 (S. 20)) ist zu entnehmen, dass aufgrund der Unfallfolgen eine Einschränkung der Stressresistenz, der Frustrationstoleranz und auch der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit beim Kläger bestehe. Daher sei eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. bis 14.09.2017 gerechtfertigt. Da sich anschließend eine Verschiebung der Wesensgrundlage eingestellt habe, sei ab 15.09.2017 eine unfallbedingte MdE von unter 10 v.H. befund- und leidensadäquat. Im Vordergrund sei ab dem vorgenannten Zeitpunkt die unfallunabhängige schwere depressive Episode gestanden. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung erläuterte der Gutachter nochmals, dass beim Kläger durch das Unfallereignis kein dauerhafter psychischer Schaden herbeigeführt worden sei. Es habe sich „lediglich“ in zeitlich begrenztem Umfang eine Einbuße an Stressresistenz, Frustrationstoleranz und Anpassungsfähigkeit ergeben. Nach den vorstehenden Ausführungen unter 2.b) erweisen sich die gutachterlichen Ausführungen hierzu als stimmig und in sich schlüssig. Methodische Fehler sowie Zweifel an der Sachkunde oder Unbefangenheit des Sachverständigen bestehen nach dem oben Gesagten nicht. Da unfallunabhängige Folgen bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß Art. 52 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG außer Betracht zu bleiben haben und Ausgleich nur im Falle einer MdE von mindestens 25 v.H. (vgl. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG) gewährt wird, kommt ein Anspruch des Klägers auf Unfallausgleich nicht in Betracht.
Die Klage war nach alledem vollumfänglich abzuweisen.
II.
Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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